Bitte tun Sie am Ende doch nicht immer so, als wäre Berlin schuld. Wer ist denn in Berlin an der Regierung beteiligt? - Das sind Sie und niemand anders.
Noch rätselhafter ist, wie Herr Ministerpräsident Seehofer an das Ganze herangeht. Er lässt sich noch gestern in der "BILD-Zeitung" mit der Aussage zitieren, es gehe jetzt um die Sicherheit, und es gebe keine Tabus. Da muss schon die Frage erlaubt sein: Welche Tabus hat es denn zuvor gegeben? Haben Sie die Sicherheit der Atomkraftwerke denn nicht vorbehaltlos überprüft, ehe Sie die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke per Holzhammer durchgepeitscht haben? Sie fordern plötzlich, dass jetzt keine Tabus mehr gelten dürften und Deutschland eine ehrliche Energiediskussion brauche. Da muss ich schon wieder die Frage stellen: War denn die Diskussion von Ihnen zuvor unehrlich, als Sie über die Energieversorgung debattieren?
Sind denn der Bevölkerung falsche Tatsachen vorgespiegelt worden, als es darum ging, den milliardenschweren Deal mit den Atomgiganten im Hinterzimmerchen einzufädeln? Das wirft doch diverse Fragen auf. Wenn Kernkraftwerke jetzt einfach abgeschaltet werden können, warum haben Sie für diese Kraftwerke dann überhaupt die Laufzeitverlängerung beschlossen? Das erschließt sich mir nicht. Warum können jetzt einzelne Kraftwerke schnell abgeschaltet werden, obwohl Sie von der CSU und der FDP immer das Gespenst einer Stromlücke heraufbeschworen haben? Erklären Sie es uns. War das Argument der Stromlücke etwa eine Täuschung der Wähler, eines der Tabus, Herr Seehofer? Hatten Sie denn nicht alles auf den Prüfstand gestellt, ehe Sie Ihr revolutionäres Energiekonzept entwickelten? Darauf möchten wir eine Antwort.
Entweder haben Sie schlecht gearbeitet, oder Sie täuschen die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
Wie sieht denn Ihre ehrliche Diskussion aus, die Sie im Moment vollziehen? Die Bundeskanzlerin stellt sich am Montag vor die Medien und verkündet ein dreimonatiges Moratorium und eine Aussetzung der Laufzeitverlängerung. In diesen drei Monaten wollen Sie alles neu diskutieren und alles ergebnisoffen auf den Prüfstand stellen. Laut Frau Merkel wird die Lage nach dem Moratorium eine andere sein als davor. Das stimmt. Man muss nur eins und eins zusammenzählen, dann sieht man, dass im Zeitraum des Moratoriums glatt Landtagswahlen liegen. Welch ein Zufall!
Ein Detail ist besonders pikant. Einer der schärfsten Befürworter der Laufzeitverlängerung, der schon fast die personifizierte Laufzeitverlängerung ist, ist Ministerpräsident Mappus aus Baden-Württemberg. Er steht zur Wahl, und ihm schwimmen die Felle davon.
Er sagte am Dienstag auf einer Pressekonferenz, das Moratorium sei exakt richtig, das ergebe sich aus sich selbst heraus, was immer er damit meinte.
Er sagte, das sei keine Kehrtwende. Im Klartext muss das wohl heißen: Es bleibt bei der Laufzeitverlängerung. Das ergibt sich bei Mappus unfreiwillig aus sich selbst heraus.
Sehr geehrte Damen und Herren von Schwarz-Gelb, laut einer Umfrage von Dienstagabend halten 67 % der Bürgerinnen und Bürger das Moratorium für Wahltaktik: nur so viel dazu, Herr Söder.
Heißt denn Ihre Devise: Aussitzen durch Aussetzen? Ist das alles, was Ihnen noch einfällt? Da muss man sich schon fragen, was das Wort der Politik eigentlich noch wert ist.
Das heuchlerische Moratorium ist doch auch in Ihren eigenen Reihen umstritten. Ich behaupte auch aufgrund Ihrer Regierungserklärung, dass das Moratorium zu einem bloßen Moratorium der Pro-Atom-Rhetorik zu werden droht; etwas anderes ist es doch nicht. In vier Monaten werden wir Sie wieder genauso reden hören, wie wir es schon seit eineinhalb Jahren hören. Herr Söder, was Sie uns heute hier auftischen, ist Wahltaktik und politisches Manöver, nichts anderes.
Herr Zeil, dem Moratorium der Rhetorik haben Sie sich noch nicht angeschlossen; vielleicht geht das auf einen Tick Ehrlichkeit zurück, wer weiß.
Sie sagten nämlich am 14. März, ein sofortiger Verzicht auf die Kernenergie ist einem rohstoffarmen Industriestandort wie Bayern nicht möglich. Aha! Herr Brüderle versucht es auf einem etwas subtileren Weg, indem er das Schreckgespenst des Strompreises wieder hervorzaubert. Er konnte es sich am Dienstag nicht verkneifen zu sagen, man wisse genau, dass die Strompreise höher werden würden. Wir sollten doch sachlich diskutieren. Sie wissen alle, dass die Stromkonzerne das Gros ihrer Kapazitäten immer drei Jahre im Voraus verkaufen und nur 5 % des Stroms am Spotmarkt, also für morgen, gehandelt wird. Erzählen Sie uns doch nicht einen solchen Mist über steigende Strompreise!
Herr Zeil, Herr Brüderle und Ihre Freunde aus der FDP, Sie wissen ganz genau, dass wir Strom exportieren. Es reicht doch schon, dass Sie Ihre bisherige Atompolitik gegen die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger betrieben haben. Landauf, landab gab es Proteste gegen Ihre Laufzeitverlängerungen. Die Gemeinden und Stadträte vieler bayerischer Kommunen haben in den vergangenen Monaten und Jahren parteiübergreifend Beschlüsse gegen die Verlängerung gefasst und Sie zur Umkehr aufgefordert. Das ging von Aschaffenburg über Bamberg über Dillingen bis hin zu Bernau am Chiemsee und Traunstein. Das ist die Realität im Land. Herr Söder, gehen Sie raus und reden Sie mit den Menschen; dann werden Sie das sehen.
Für viele in der CSU bedurfte es keiner Katastrophe in Fukushima, um zu erkennen, dass die Atomkraft keine Zukunft hat. Gott sei Dank gab es noch einige in Ihren Reihen, die das erkannt haben, zum Beispiel in Landshut, in der Nachbarstadt von Isar 1 und Isar 2, wo der Stadtrat letztes Jahr parteiübergreifend gegen eine Laufzeitverlängerung des Reaktors Isar 1 votierte.
Wissen Sie, was die CSU dort gesagt hat? - Niemand würde einen solchen Reaktor mitten in die Landschaft stellen. Das war eine Aussage aus der CSU.
Zehn Kilometer vom Stadtzentrum von Schweinfurt entfernt steht das Kraftwerk Grafenrheinfeld. Auch dort hat der Stadtrat mit den Stimmen der CSU gegen die Laufzeitverlängerung protestiert. Der CSU-Fraktionsvorsitzende gab in Interviews ganz offen zu, dass es trotz der Nähe des Kernkraftwerks zur Stadtgrenze keine wirksamen Katastrophenpläne gebe. So viel zur Sicherheit, Herr Söder!
Der CSU-Oberbürgermeister ging politisch sogar noch einen Schritt weiter. Er rief die Bürger dazu auf, sich gegen die Laufzeitverlängerung zu stemmen, solange diese noch keine Gesetzeskraft habe. Das war im Herbst letzten Jahres. Dann ging er noch weiter und sagte, eine andere Regierung könne nach der nächsten Bundestagswahl den Kurs wieder ändern, und das letzte Wort sei noch nicht gesprochen.
Wie ist es denn nun mit der ehrlichen Energiediskussion? Es ist schon spannend in einer Demokratie, dass ein vom Parlament beschlossenes Gesetz von der Kanzlerin auf einer Pressekonferenz einfach kassiert wird. Herr Seehofer nimmt am Krisengipfel teil und schaltet die vermeintlich sichersten Kernkraftwerke der Welt ab, die auf der Grundlage des deutschen Atomgesetzes betrieben werden, so sicher sollen sie sein.
Das nukleare Desaster in Japan und die Anti-AtomStimmung im eigenen Land, die Sie von SchwarzGelb mit höchster Machtarroganz ignoriert hatten, bringen Sie zu diesem kopflosen Aktionismus. Ihr Verhalten ist schlicht und einfach die Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, nichts anderes treibt Sie zu diesem Moratorium.
Es ist spannend, wenn Minister Röttgen, ein schwarzer Minister der schwarz-gelben Koalition, die Bedenken hinsichtlich des Moratoriums vom Tisch fegt, indem er sagt, dass jetzt überlegtes, klares und entschlossenes Handeln notwendig ist und nicht juristische Spitzfindigkeit. Ich frage Sie: Wofür sind die Parlamente da? Birgit Homburger von der FDP sagte, es gehe nicht um Erbsenzählerei, sondern um schnelles Handeln. Nach der reinen Lehre hätte man zunächst die Rechtsgrundlagen ändern müssen. Es sei aber das Prinzip - jetzt kommt das Wichtige - von Politik, die Sicherheit der Bürger in den Vordergrund zu stellen. - Wo war denn diese Einstellung in den letzten eineinhalb Jahren?
Sie haben zitiert, Herr Söder, dass Schwarz-Gelb das Moratorium auf die Rechtsgrundlage von § 19 Absatz 3 Nummer 3 des Atomgesetzes abstelle.
Ich frage Sie: Hat ein Gefahrenverdacht, wie er im Atomgesetz angesprochen ist, bei der vor Kurzem be
Im Wissen, dass ein Erlass der Regierung, der am Bundestag vorbei in Kraft gesetzt wird, nicht den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie entspricht, hat die SPD heute im Deutschen Bundestag ein Abschaltgesetz vorgelegt. Auch dort wird diskutiert. Das hat Perspektive. Die SPD-Spitze in Berlin hat zudem ein Sofortprogramm für eine Energiewende vorgelegt. 1,5 Milliarden Euro müssen investiert werden, um erneuerbare Energie und die Energieeffizienz so zu ertüchtigen, dass wir bis 2020 auf Atomstrom verzichten können und die Energieversorgung sichergestellt ist. Es gibt diesen Weg. Man muss ihn nur gehen wollen. Das ist der Punkt.
Das Sofortprogramm der SPD sieht vor allem Investitionen für den Ausbau der Netze und die Entwicklung von Stromspeichern sowie für die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz vor. Um das realisieren zu können, muss die Bundesregierung den Haushalt 2012 korrigieren. Das fordern wir von Ihnen angesichts der Ereignisse der letzten Tage, aber auch angesichts dessen, dass Sie den Konsens zur Atomenergie gekündigt haben. Es gibt nur einen Weg in die Zukunft. Was ist zu tun? - Die Abschaltung der sieben ältesten und gefährlichsten Atomreaktoren muss dauerhaft erfolgen und nicht für drei Monate.
Alle Atomkraftwerke müssen auf der Grundlage moderner Sicherheitsstandards überprüft werden. Deshalb, Herr Söder, muss das von Schwarz-Gelb außer Kraft gesetzte kerntechnische Regelwerk des Jahres 2009 wieder in Kraft gesetzt werden.