Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Aber da kommt der nächste Punkt. Ich meine schon, dass wir uns wieder einmal auf das besinnen müssen, was wir sind, nämlich die Politiker des Landes Bayern. Wir sind für die Interessen der Menschen in Bayern gewählt. Meine Damen und Herren, wir müssen uns deshalb die Frage stellen: Nehmen wir das Primat der Politik noch ernst, oder werden wir zu Marionetten von irgendjemandem? Ich nehme für mich in Anspruch, das Primat der Politik ernst zu nehmen. Ich kenne viele, die das auch tun. Wir alle gemeinsam sollten es ernst nehmen und uns nicht zu Marionetten von Leuten machen lassen, die - aus ihrer Ideologie heraus: berechtigt - nur Gewinnstreben auf ihre Fahnen geschrieben haben, nicht aber die Minimierung des Risikos und die Schaffung größtmöglicher Sicherheit.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie behaupten, Sie hätten die Signale verstanden. Nachdem ich heute Ihre Rede gehört habe, stelle ich fest: Nichts haben Sie verstanden!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie beschönigen, beschwichtigen und spielen auf Zeit, um irgendwann, nachdem die Juristen festgestellt haben, dass es so, wie von Ihnen jetzt vorgeschlagen, nicht geht, sagen zu können: "Wir hätten ja gewollt, aber wir dürfen nicht."

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir werden sehr genau aufpassen müssen, dass uns die Energieerzeuger nicht plötzlich vorführen mit dem Argument, jetzt könnten die Lichter ausgehen. Herr Zeil predigt das permanent: "Die Lichter werden ausgehen!" Seine Sekretärin hat kürzlich noch nicht einmal gewusst, dass wir Strom exportieren. Jetzt weiß auch sie es Gott sei Dank!

Die Lichter werden nicht ausgehen. Wir werden weiter handeln können. Die Wirtschaft wird handlungsfähig sein. Es wird etwas mehr kosten. Aber wenn Sie schauen, welche Kosten in Japan, wo es schief gegangen ist, entstehen, dann ist das, was wir mehr zahlen müssen, nicht dramatisch. Auch dazu will ich Ihnen eine Zahl nennen: Eon zockt in Bayern über die Erhöhung des Strompreises wegen der Abgabe für regenerative Energien derzeit 110 Millionen Euro zu Unrecht ab; 2,5 Cent wären es in Wirklichkeit, 3,5 Cent werden genommen. 1 Cent mehr - das sind, bezogen auf Bayern, 110 Millionen Euro, die zu viel genommen werden. Auf unsere Vorhaltungen, wieso Eon das mache, erhalten wir die Antwort: "Das verrechnen wir nächstes Jahr." Ich hätte dann allerdings auch gern die Zinsen gehabt, die uns wegen der Verrechnerei entgangen sind. Das Ganze ist äußerst dubios.

(Beifall bei der SPD)

Was steckt in Wirklichkeit dahinter? Den Menschen in diesem Land soll glaubhaft gemacht werden, regenerativer Strom verteuere den Preis extrem. Deswegen könne man ihn nicht gebrauchen, und es müsse ein "Weiter so!" mit der Kernenergie geben. Das war übrigens bis vor 14 Tagen auch das Credo der CSU.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Herr Minister nennt die Gefahr des Flugzeugabsturzes. Das wissen wir schon lange, das ist nichts Neues. Des Weiteren verweist er auf die Gefahren durch den Terrorismus und auf den Aspekt der Erdbebensicherheit. Aber das menschliche Unvermögen vergisst er völlig - wahrscheinlich, weil er sich für vollkommen hält, sonst würde er es zum Katalog der Risiken zählen. Die Ingenieure in Kraftwerken handeln verantwortungsvoll, meist verantwortungsvoller als so mancher Politiker, gell, Herr Huber? Aber auch die dort tätigen Ingenieure sind Menschen und können Fehler machen. Gegen diese Fehler kann man noch so viele Redundanzen aufbauen - davon erzählen die Vertreter der Ministerien gern -, aber diese nutzen am

Ende nichts; denn im Reaktor 1 in Japan trat ein solches Problem auf: Man hatte das Luftventil nicht geschlossen, woraus ein zusätzliches Risiko entstand. Das war menschliches Versagen. Lassen Sie uns das nicht immer außen vor halten. Genau das gehört in die Überlegungen hinein, weil wir über die menschlichen und damit unsere eigenen Unzulänglichkeiten doch wohl sehr genau Bescheid wissen.

Meine Damen und Herren! Sicherheit gehe klar vor Wirtschaftlichkeit, sagt der Herr Minister. Wenn Sie tatsächlich dieser Auffassung sind, dann hätten Sie Isar 1/Ohu längst vom Netz nehmen müssen. 200 Störfälle in kurzer Zeit! Um die richtige Diktion zu gebrauchen, muss ich sagen: Es waren über 200 meldepflichtige Fälle in den letzten Jahren. Wer das weiß, aber dann von einem "sicheren Kraftwerk" redet, der redet der Wirtschaftlichkeit das Wort, aber mit Sicherheit nicht der Sicherheit.

Des Weiteren wird gesagt, das endgültige Stilllegen ich habe schon Ausführungen dazu gemacht - sei wohl ein Problem und nur durch Bundesgesetz möglich. Aber ich erwarte von der Bayerischen Staatsregierung, dass sie sich hier und heute öffentlich dazu bekennt: Wir wollen so schnell wie möglich raus! Das ist unser politischer Wille. Wir wollen zurück zum alten Szenario, das Rot-Grün aufgelegt hat und das den gesellschaftlichen Konsens widergespiegelt hat.

Können Sie sich erinnern, was ich zu Ihrer damaligen Befürwortung der Laufzeitverlängerung gesagt habe: Sie stören den Konsens in der bayerischen Gesellschaft! - Daraufhin haben Sie alle gelacht, das war Ihnen wurscht. Heute ist es Ihnen sicherlich nicht mehr wurscht. Sie haben Ihre Haltung aber nicht deshalb geändert, weil Sie um die Menschen Angst haben, sondern deshalb, weil Sie vor dem Machtverlust Angst haben. Das ist der entscheidende Unterschied in dieser Frage. Sie können die Glaubhaftigkeit Ihres Sinneswandels heute gern beweisen. Ich bin gespannt, wie Sie abstimmen. Dann werden wir sehen, was ernst zu nehmen ist und was nicht.

Meine Damen und Herren! Wenn gesagt wird, nach den Ereignissen in Japan brauche es einen einheitlichen Standard in Europa, dann sage ich: Jawohl, richtig so. Aber auch den hätten wir längst erreichen können. Das ist alles nichts Neues.

Wenn dann Vorwürfe kommen wie: "Wir in Bayern hätten ja gern, und die Roten haben das mitgemacht", dürfen Sie nicht vergessen, die Frage zu beantworten: Wer regiert denn seit 60 Jahren in Bayern, Sie oder wir?

Wenn wir dem Vorschlag von Oskar von Miller zum Ausbau der Energieversorgung durch Wasserkraft ge

folgt wären - ich greife jetzt ganz weit zurück und erkläre Ihnen auch, warum -, dann wären wir heute schon dort, wo Sie hinwollen. Dort wären wir längst, wenn Sie entsprechende Ansätze in Ihrer - ich füge hinzu: auch unserer - Euphorie über die Kernenergie nicht gebremst oder abgebrochen hätten.

Wenn heute gesagt wird, wir seien Weltmeister in der Stromproduktion, dann ist das richtig - im regenerativen Bereich - und doch falsch. Ich wiederhole es gern: Der Löwenanteil der bayerischen regenerativen Energien kommt aus der Wasserkraftnutzung. Das ist nicht unser Verdienst, das ist nicht das Verdienst des EEG, sondern das Verdienst Oskar von Millers und derer, die nach ihm kamen. Wenn wir nämlich den Anteil der Wasserkraft herausrechnen, liegen wir, was regenerative Energien angeht, nur im unteren Mittelfeld der deutschen Bundesländer. Wir sollten uns also nicht immer Schuhe anziehen, die uns nicht gehören. Es ist wichtig, dass wir sie haben. Wir sind stolz darauf. Wir könnten sie aber längst ausbauen und damit vorwärts bringen.

Herr Söder, Sie waren doch in der Enquete-Kommission dabei. Dort haben uns Wissenschaftler erläutert, einen Anteil zwischen 10 und 20 % könnten wir ohne einen Liter Wasser mehr aus der Wasserkraft holen. Was haben Sie bisher gemacht? Nichts! Verhindert haben Sie es. Immer, wenn wir Anträge dazu gestellt haben, waren es Ihr Haus und die Kolleginnen und Kollegen der CSU, die das mit stolzgeschwellter Brust verhindert haben. Denn angeblich wissen Sie, was gut für dieses Land ist. Nichts wissen Sie, gar nichts! Das haben Sie jetzt bewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Dann wird gefragt, wie wir 60% jetzt und gleich ersetzen sollen. Ein Jetzt und Gleich will kein Mensch. Wir wollen bloß die Hauptsicherheitsprobleme wegbekommen. Zu denen gehört Isar 1. Deswegen werden wir noch einmal darüber reden müssen, ob wir diesen Reaktor nicht gleich abschalten, und zwar auf Dauer. Da hilft es nichts, wenn man argumentiert, wir in Bayern allein könnten nichts bewirken. Sie reden sonst zu Recht von einem Europa. Es gibt ein europäisches Verbundnetz für Strom. Innerhalb dessen kann man Bayern nicht partikular betrachten, es sei denn, man betrachtet das Problem unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung, das heißt, des Stromexports, um damit Geld zu verdienen. Dieses nimmt aber - das kommt hinzu - nicht der Staat ein, sondern Eon, weil man die Kraftwerke rechtzeitig verkauft hat, damit die Privaten und nicht der Staat Geld verdienen. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen. Das gehört nämlich zur gesamten Problemkette.

Wenn Sie fragen: "Wir könnten ja - aber wie reagieren die anderen?", dann antworte ich Ihnen etwas, was Sie nachdenklich stimmen sollte: Wenn wir in Bayern es gemeinsam mit den anderen Bundesländern schaffen könnten, bis 2020 völlig auszusteigen - Ähnliches höre ich von Ihnen - und diesen Anteil durch regenerative Energien zu ersetzen, dann wäre dies ein beispielloses Signal an die Welt. Glauben Sie nicht, dass dann viele andere Völker genauso wie wir aufstehen und sagen würden: "Wenn die Industrienation Deutschland das kann, dann können wir es auch!"?

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen sonst auch immer Vorbild sein. Das sollten wir uns wieder einmal leisten: Vorbild zu sein für diese Welt, die im Moment furchtbar taumelt - übrigens im wahrsten Sinne des Wortes, durch die Verschiebung der Platten.

Meine Damen und Herren, hören Sie auf, Dinge wegzureden, die man sehr wohl anders darstellen kann. Gehen Sie mit uns gemeinsam den Weg zurück zu dem bisherigen Konsens - ohne Übertragung der Reststromlaufmengen. Ich weiß doch, was Sie in Wirklichkeit vorhaben. Wir können heute eine Wette abschließen: Sie werden ein oder zwei Kraftwerke abschalten, aber die Reststrommengen auf andere übertragen. Dann haben wir denselben Käse wieder; denn damit verlängern Sie die Laufzeiten der bestehenden Kraftwerke bis 2050 und darüber hinaus. Man kann sich leicht ausrechnen, was dann passiert. Aber das ist eine falsche Annahme.

Sie wollen den technologischen Quantensprung. Den wollen wir schon lange. Lesen Sie unsere Anträge aus den letzten zehn Jahren. Dann werden Sie sehen: Wir haben dafür geworben: Smart Grids, regenerative Energien, Windkraft, Biomasse. Und was haben Sie gemacht?

Bis vor zehn Jahren war ja sowieso alles nur des Teufels. Das war nur etwas für Sockenträger und Alternative. Inzwischen haben Sie gemerkt, dass Sie diese Einstellung nicht aufrechterhalten können. Nun wenden Sie sich wie ein Wendehals. Sie wollen plötzlich mitmachen, aber natürlich nur halbherzig. Dabei haben Sie ein Problem: Was Sie gestern verteufelt haben, müssen Sie heute der Bevölkerung als gut verkaufen. Das eigentliche Problem ist, dass sich da in den Köpfen etwas festgesetzt hat.

Wir werden neue Stromtrassen brauchen. Dazu stehen wir. Wir wollen neue Biogasanlagen haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Weg, den wir Ihnen seit zehn Jahren vorschlagen, richtig ist. Wir werden dazu Zug um Zug wieder Vorschläge ins Par

lament einbringen. Wir sind gespannt, ob Sie mitmachen.

Wir haben vor Ihnen ein Gutachten für ein Energiekonzept für Bayern in Auftrag gegeben. Den Auftrag zahlt bei uns die Fraktion, nicht der Steuerzahler. Das zahlen wir; denn wir sagen, dass wir es genauer wissen wollen. Auf der Basis dieses Gutachtens wollen wir mit Ihnen darüber verhandeln, wie wir in die Zukunft gehen, und sicherstellen, dass das, was Sie heute erzählen, morgen Realität wird. Wir werden nicht das, was Sie heute erzählen, prüfen, sondern wir werden Sie nach den Prüfsteinen beurteilen, zu denen ich Ihnen heute schon etwas gesagt habe. Wir sind gespannt, was Sie dann damit machen.

Nachdem heute schon genug persönliche Worte gesprochen worden sind, will ich Sie damit nicht weiter strapazieren. Aber, sehr geehrte Damen und Herren Minister und Staatssekretäre, ist Ihnen bewusst, was es bedeutet, dass Sie einen Eid geschworen haben? Bisher haben Sie den Eid in meinen Augen mit Füßen getreten, was die Kernenergie und die Sicherheit Bayerns angeht.

(Widerspruch bei der CSU und der FDP)

Hören Sie damit auf! Verdummen Sie die Leute nicht länger mit der Behauptung, die Atomkraftwerke seien sicher. Sie können es gar nicht sein, weil ein technisches und ein menschliches Restrisiko bleiben. Deshalb sollten wir mit der Kernkraft nur noch so kurz wie möglich leben und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür Sorge tragen, dass dieser Spuk ein Ende findet.

In den Medien kommt manches so richtig hoch. Da wird gesagt: Was in Japan passiert, hat entsetzliche Auswirkungen. Aber das wird wieder vergessen. Demgegenüber sollten wir nicht vergessen, dass wir nach wie vor auf diesen gefährlichen Dingen sitzen und sie betreiben. Dabei lassen wir jährlich 140 Tonnen hochradioaktiven Müll liegen, der im Übrigen auch die nächsten 20 oder 30 Generationen beschäftigen wird. Wir drücken uns sogar vor der Verantwortung, unseren Müll selber zu entsorgen. Offenbar gibt es die Auffassung, dass das andere machen sollten. Ich finde das verantwortungslos.

Herr Minister Zeil hat sich zu Recht furchtbar darüber aufregen können, dass die Kohleländer sagen: CO2Verpressung muss überall stattfinden können. Er hat hinzugefügt: Aber nicht in Bayern. Denn das produzieren wir nicht; wir haben keine Kohlekraftwerke. Herr Minister Zeil, ich hätte mir gewünscht, dass Sie hinzugefügt hätten, dass Sie sich dafür um die radioaktiven Überbleibsel der unsäglichen Atomenergie kümmern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Barfuß das Wort für seine Intervention.

Herr Kollege Wörner, vielen Dank für das, was Sie gesagt haben. Ich habe eine erste Frage: Halten Sie es für richtig, dass man Kollegen des Hauses als Marionetten und Unwissende bezeichnet? Es ist doch unwürdig, mit solchen Bezeichnungen zu diskutieren.

(Zuruf von der CSU: Das macht er immer so!)

Ich unterstelle einmal, es gehe um das rot-grüne Szenario des Ausstiegs. Dann hätten die Kraftwerke im Schnitt noch zwischen acht und 14 Jahren Bestand gehabt. Ist das richtig? - Bleiben wir mal bei acht Jahren. Wären die Kraftwerke denn dann sicherer gewesen, als sie es jetzt sind? Wie wollen Sie das begründen?

Da denkt man an die Castor-Transporte. Wenn Trittin Umweltminister ist, sind es gute Castor-Behälter, und wenn Umweltminister einer von uns ist, sind es schlechte Castor-Behälter.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Zweitens frage ich: Haben Sie in Erfahrung gebracht, wann sich die rot-grün regierte Stadt München von der Beteiligung an Isar 1 trennt? Im Falle der Trennung wäre es glaubhaft, dass man die Dinge ernst nimmt.

Drittens. Dass Sie ein gestörtes Verhältnis zu Unternehmen haben, weiß ich. Aber bedenken Sie bitte, dass die Gewinne auf der Unternehmensseite notwendig sind, damit Arbeitsplätze erhalten werden können. Sonst bedauern Sie ja immer zu Recht, dass Arbeitsplätze wegfallen.

Viertens. Wo ist eigentlich der Müll aus der Zeit geblieben, als Rot-Grün regierte?

(Beifall bei der FDP)

Bitte, Herr Kollege Wörner.

Ich antworte Ihnen gern auf Ihre Fragen.

Erstens zu der Frage, warum ich mir erlaubt habe, Kolleginnen und Kollegen etwas vorzuhalten, was Sie bisher uns vorgeworfen haben. Uns wurde gesagt, wir seien die Ewiggestrigen, wir seien die Ahnungslosen. Das ging bis hin zu persönlichen Verunglimpfungen.

Wenn man dagegen Ihnen den Spiegel vors Gesicht hält, spielen Sie den Beleidigten. Wie soll man das verstehen? Glauben Sie denn, hier gebe es eine Einbahnstraße?