Protokoll der Sitzung vom 05.04.2011

Herr Staatsminister a. D., ich kann fast jedes Wort, das Sie vorgetragen haben, unterstreichen.

(Josef Miller (CSU): Das ist schön!)

Können Sie mir erklären, wie der Etatansatz im Doppelhaushalt bei den Staatsstraßen für 2012 zustande kommt? In dem von Ihnen beschlossenen Entwurf sehen Sie einen tiefen Absturz der Mittel für den Staatsstraßenbau vor. Wir sind weit entfernt von einer ansteigenden Linie bzw. von den 200 Millionen plus X, sondern wir sehen das Gegenteil. Sie beschließen heute das Gegenteil von dem, was Sie heute am Redepult erklärt haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Miller, bitte zur Erwiderung.

Herr Kollege Halbleib, ich habe hier von 2011 gesprochen. Das, was 2012 geschieht, erklären wir beim Nachtragshaushalt.

(Beifall bei der CSU - Lachen bei der Opposition - Harald Güller (SPD): Da muss der Miller selbst lachen!)

- Sie hätten uns die Steigerungen nie zugetraut. Wir sind zu vielem fähig!

(Allgemeine Heiterkeit - Ludwig Wörner (SPD): Aber zu nichts nütze!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Im Moment liegen mir keine Meldungen für weitere Zwischenbemerkungen vor, sodass ich Sie an Ihren Platz entlassen kann. Der nächste Redner in der Debatte ist Herr Kollege Ludwig Wörner für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister! Ihre Rede ist mir heute so vorgekommen wie der Ausspruch frei nach Karl Valentin: Mögen hätte ich schon gewollt, aber tun habe ich mich nicht getraut.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie dem bayerischen Wohnungsbau antun, ist genauso schlimm wie das, was Ihr Parteikollege Schneider dem Wohnungsbau seinerzeit angetan hat. Sie produzieren bewusst ein Desaster. Sie selbst haben erst vor nicht ganz einem Jahr gesagt: In den nächsten 15 Jahren brauchen wir rund eine Million Wohnungen. Richtig; da haben Sie völlig recht. 30.000 Wohnungen haben wir gebaut oder wollen wir bauen, das heißt: 260.000 Wohnungen bleiben übrig, die nicht gebaut werden und deren Fehlen die Mieten gnadenlos hochtreiben wird. Mangelwirtschaft führt zu solchen Folgen, und diese Folgen haben in erster Linie die kleinen Leute auszubaden bzw. die Leute, denen Sie heute weniger Beamtenbesoldung bezahlen. Das sind die Leidtragenden - nicht die Großen. Jeder, der genügend Geld hat, kann sich in München eine Wohnung leisten. Aber diejenigen, die diese Städte und Ballungsräume am Leben halten müssen, von der Krankenschwester über den Pfleger bis zu den Beamtinnen und Beamten, können sich die Mieten in den Ballungsräumen nicht mehr leisten. Dann schiebt man die Probleme in Form von Mietbeihilfen ganz locker den Kommunen zu. Das kann man zwar eine Zeit lang machen, aber die Kommunen können das auf Dauer nicht bezahlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb bin ich etwas überrascht davon, dass Sie hier so zu tun, als wären die Mittel für den Wohnungsbau aufgestockt worden oder zumindest gleichgeblieben. Schmarrn! Zusammengestrichen habt ihr die Mittel, gnadenlos!

(Zuruf von der CSU: Nur minimal!)

- "Minimal" nennen Sie das? Dafür hätte man viele Wohnungen bauen können. Ich sage Ihnen: Begonnen hat damit ein CSU-Minister in Berlin, ich glaube, er heißt Ramsauer. Dieser Herr hat erst einmal die "Soziale Stadt" rasiert. Auf Intervention aus Bayern hat er wieder etwas nachgebessert, das reicht aber bei Weitem nicht. Dann haben Sie auch noch einmal gekürzt, anstatt die Mittel wieder anzuheben. Meine Damen und Herren, wer den Wohnungsbau an sich reißt, wie Sie es in der Föderalismusdiskussion getan haben, muss ihn dann auch bezahlen; denn dann muss er die Verantwortung übernehmen. In der Bayerischen Verfassung steht der klare Auftrag: Von ausreichend preiswertem Wohnraum ist da die Rede. Was machen Sie? - Sie lassen die Zügel schleifen, streichen die Mittel für Städtebauförderung. Im Programm "Soziale Stadt" kommen in diesem Jahr noch 450.000 Euro für neue Projekte an. Alles andere ist schon verplant für bereits laufende Projekte. Wer mit dem Programm "Soziale Stadt" so schändlich umgeht, der sorgt für sozialen Sprengstoff in den Städten und Ballungsräumen;

(Beifall bei der SPD)

der sorgt dafür, dass es in den Städten wieder Verslumungstendenzen gibt; der sorgt dafür, dass die Kommunen das, was sie bisher geleistet haben - Aufbau von Reparaturbetrieben, um Fehler der Vergangenheit auszubügeln -, nicht mehr leisten können. Sie von der Koalition machen das alles gemeinsam mit dem Bund, gemeinsam mit Ramsauer wieder kaputt.

Angesichts dessen kann man nicht so tun, als ob die Welt heil sei. Nein, meine Damen und Herren, die Welt im Wohnungsbau ist längst nicht mehr heil. Die Dramatik nimmt durch Ihre rigiden Sparmaßnahmen sogar noch zu. Sie sorgen dafür, dass das Geld fehlt. Sie sorgen auch dafür, dass nichts mehr nachkommt; das ist noch viel fataler.

Dann geht es um Kleinigkeiten wie zwei Millionen oder fünf Millionen Euro für den Liftbau. Das muss man sich einmal vorstellen, bei dem Haushalt! "Liftbau" heißt in der Altbausanierung, die Wohnungen altengerecht zu machen bzw. zu erhalten. Sie reden doch immer davon, dass sich die Generationen ändern und dass wir immer älter werden. Richtig! Die alten Menschen sollen möglichst lange zu Hause leben, weil sie dort tatsächlich zu Hause sind und preiswerten Wohnraum haben. Nach Einbau eines Lifts können die Menschen länger in ihrer Wohnung leben. Dafür braucht es aber Mittel; sonst schlägt der Lifteinbau voll auf die Miete durch. Genau das wollen wir mit diesem Antrag verhindern - ein Tropfen auf den heißen Stein!

Wenn ich zu den Koalitionsfraktionen hinüberschaue, sehe ich dort manchen sitzen, der etwas versprochen, das aber nie gehalten hat. Zuerst hieß es, man könne da durchaus etwas tun. Wenn man aber tatsächlich Geld wollte, war komischerweise keines da. Deswegen haben wir diesmal den Antrag gestellt. Die CSU hat ihn im Ausschuss abgelehnt. Wir verlangen dazu eine namentliche Abstimmung, weil wir den Menschen sagen wollen, was Sie nicht für sie tun.

Ich meine, es wäre auch notwendig gewesen, Genossenschaften stärker zu fördern. Demjenigen, der - wie die FDP - sagt, das sei eine Sonderförderung für Einzelne, kann ich nur antworten: Gerade recht! Das ist die einzige Form des Wohnungsbaus, die kein Geld damit verdienen will, sondern die nur preiswerten Wohnraum zur Verfügung stellen will. Wer diesen Ansatz nicht fördert, weil ihm die Begrifflichkeit nicht gefällt, der muss doch von gestern sein.

Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass man anderen Genossenschaftsformen durchaus Förderungen zuteil werden lässt. Dort argumentiert man nicht, das verzerre den Wettbewerb. Ich sehe dort Landwirte sit

zen und sage ihnen: Jawohl, zu Recht fördert man in diesem Bereich Genossenschaften. Warum soll das im Wohnungsbau nicht möglich sein? Warum behauptet man dort, das gehe nicht?

Wir hätten uns zumindest gewünscht, dass Sie zinsverbilligte Darlehen für Genossenschaften zur Verfügung gestellt hätten; denn das wäre gut investiertes Geld gewesen. Die Menschen, die in Genossenschaftswohnungen leben, brauchen in späteren Jahren nichts vom Staat, sondern sie können sich ihre Wohnung tatsächlich leisten.

Herr Innenminister, ich finde es fantastisch, dass Sie eine Lobrede auf eine große alte Genossenschaft in Bayern gehalten haben. Sie haben gesagt, wie toll Genossenschaften seien. Schön wäre es gewesen, wenn Sie auch zu den Fördermitteln Ja gesagt hätten. Das wäre sogar entscheidend gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Das Lob allein nützt niemandem. Es nützt nur etwas, wenn man solche Dinge auch monetär anerkennt. Wir hätten uns genau das von Ihnen gewünscht, um zu verdeutlichen, wie wichtig Ihnen diese Wohnform ist. Die Wohnungsgenossenschaften müssen ihrer wohnungspolitischen Versorgungsaufgabe gerecht werden können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zum Straßenbau kommen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen Aktien von Geländeauto- und Geländemotorräderherstellern hat. Den Eindruck kann man gewinnen, wenn man sieht, welche Zustände Sie auf den bayerischen Straßen hinterlassen haben. Das kann man höchstens noch als Konjunkturprogramm für KfzWerkstätten - neue Stoßdämpfer, neue Reifen, neue Felgen - durchgehen lassen. Etwas anderes ist das jedenfalls nicht mehr.

Übrigens verbergen Sie eines ganz schamhaft: Beim Brückenbau gibt es noch viel mehr Nachholbedarf als im gesamten Staatsstraßenbereich. Das versäumen Sie völlig. Wie können Sie angesichts all dessen davon reden, Sie hinterließen unserer Jugend keine Schulden? Genau Sie hinterlassen Milliarden von Schulden, indem Sie Straßen und Brücken nicht sanieren. Das wäre seit Jahren dringend geboten.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir das nicht schnell nachholen, werden wir irgendwann Probleme beim Transport bekommen. Dann muss die Überfahrt über einige Brücken beschränkt werden, was dazu führt, dass der Transport auf der Straße, den Sie so hoch schätzen, nicht mehr wie bisher stattfinden kann. Mir soll es recht sein,

wenn wir den Transport auf die Schiene verlagern, aber das wird nicht überall in Bayern funktionieren, weil die entsprechenden Schienensysteme gar nicht vorhanden sind.

Ich bitte Sie, unseren Anträgen zuzustimmen, vor allem den beiden Anträgen, zu denen wir namentliche Abstimmung beantragt haben. Wir halten es für dringend geboten, in den dort aufgeführten Bereichen nachzubessern.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER darf ich Herrn Kollegen Alexander Muthmann nach vorn bitten. Herr Muthmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fischer hat Weisheiten aus den Zeiten Ciceros zitiert. Ich hoffe, dass sich die Regierungskoalition, wenn es um die Staatsstraßen geht, nicht am Zustand der Via Appia orientiert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Unruhe bei der CSU - Zuruf des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))

- Herr Kollege Sibler, für damalige Verhältnisse war der Zustand eigentlich super. Aber die Weisheiten werden auf dem Stand von heute weitertransportiert. Doch auch das stimmt an dieser Stelle nicht, wenn es um nachhaltiges Wirtschaften geht.

Der Herr Innenminister hat zu Recht darauf hingewiesen, wie wichtig die Staatsstraßen im Gesamtkonzert der Straßen sind - für die Pendler, für die Wirtschaft, für den Tourismus, kurz, für alle, die mobil sein wollen und mobil sein müssen. Er hat auch darauf hingewiesen, dass dieses Programm als Zukunftsinvestition zu verstehen ist.

Wir haben nach Bekanntwerden der ersten Zahlen im Rahmen einer Aktuellen Stunde schon einmal über dieses Thema debattiert und darauf hingewiesen, dass in den Haushalt schlicht zu wenig Mittel eingestellt sind. Man braucht nur den Gesamtbedarf zusammenzählen: den normalen Unterhaltsbedarf, das Abarbeiten des Sanierungsstaus und das Programm für den Um- und Ausbau der Staatsstraßen auf der Grundlage des uns vorgelegten Investitionsprogramms. Das sind summa summarum immerhin 270 Millionen Euro im Jahr. Wir erkennen durchaus an, dass es nach den Ergänzungen der vergangenen Tage und Wochen zumindest für das Jahr 2011 ein akzeptables Ergebnis gibt, auch wenn das eigentlich notwendige Niveau noch nicht erreicht wird. Lieber

Kollege Rotter, wir waren uns schon vor ein paar Wochen in der Bewertung einig, dass der erste Ansatz zu gering ausgefallen war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Miller, wir haben aber über einen Doppelhaushalt zu beraten. Wir reden nicht nur vom Jahr 2011, sondern wir müssen auch das Jahr 2012 betrachten. Was Letzteres angeht, so haben wir für diesen Bereich mickrige 110 Millionen Euro zu verabschieden. Das ist völlig indiskutabel. Auch unter den Gesichtspunkten nachhaltigen Haushaltens ist das nicht vertretbar, weil allein die Unterhaltsaufgaben den jetzt eingestellten Betrag deutlich übersteigen. Von Ausbauplanungen, und wenn es solche der ersten Dringlichkeitsstufe sind, braucht man dann überhaupt nicht mehr zu sprechen. Allein die Werterhaltungsaufgabe bei den Staatsstraßen erfordert weit mehr als das, was für das Jahr 2012 eingeplant ist.

Übrigens haben die Verantwortlichen, die die Maßnahmen dann umzusetzen haben, auch keine Planungssicherheit. Die Beamten der Obersten Baubehörde bzw. der Bauämter müssen wissen, wie viel Geld sie - auch im Jahr 2012 - zur Verfügung haben. Wenn hier entspannt gesagt wird, die Planungen für 2012 an dieser Stelle sollten noch nicht ernst genommen werden, weil sie nachgebessert werden müssten, dann wird man der Aufgabe nicht gerecht. Dann wäre es besser, wir würden einen Haushalt bloß für ein Jahr aufstellen. Aber Sie sind angetreten, für zwei Jahre zu planen. Wenn dann für das zweite Jahr ein so trauriger Ansatz vorgelegt wird, ist das schlichtweg indiskutabel.

Wir erwarten die Verstetigung der Mittel in diesem Bereich. Wir erwarten eine vernünftige, langfristige Planung. Dazu gehört, dass die Mittel bereitgestellt werden, die die Realisierung des Ausbauplans ermöglichen. Das alles ist mit dem Haushaltsansatz zumindest für das Jahr 2012 nicht annähernd zu erreichen.

Um den Prinzipien Ciceros auch an dieser Stelle gerecht zu werden, wollen wir natürlich auch einfordern, dass die Bestandserhaltung vor Neu- und Ausbaumaßnahmen wahrgenommen wird. Das ist auch ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft. Wenn man verantwortungsvoll mit dem Vermögen des Freistaats im Bereich der Staatsstraßen umgeht, muss man mehr Geld einsetzen. Hier im kameralistischen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung einen Ausgleich zu machen - damit wiederhole ich meinen Beitrag aus der Aktuellen Stunde -, wird den Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens nicht gerecht, wenn man dem Straßenbau nicht das Geld zur Verfügung stellt, das für die Werterhaltung und den guten Zustand der Staatsstra

ßen überall benötigt wird. Was die Via Appia damals an Niveau hatte, Kollege Sibler, wollen wir heute auf das Niveau des Jahres 2011 und vor allem des Jahres 2012 heben. Dafür ist mehr nötig, als Sie für den Haushaltsansatz vorgelegt haben. In diesem Sinne können wir Ihre Vorstellungen nicht akzeptieren. Sie werden unsere Ablehnung verstehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebe ich nun Christine Kamm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ministerpräsident Seehofer hat heute zu Beginn seiner Rede erwähnt, dass eine Katastrophe wie Fukushima ein Umdenken erfordere: ein Umdenken bei der Atomenergie, aber auch bei den erneuerbaren Energien und bei der Energieeinsparung. Allerdings scheint er damit bei Ihnen auf taube Ohren zu stoßen.