Kein Wort davon. Das sollte die Ministerin in den Mittelpunkt rücken, anstatt dem Finanzminister dafür zu danken, dass er ihr nicht gestattet hat, 137 Millionen Euro auszugeben, die dringend benötigt werden, um die Unabhängigkeit der Justiz in Bayern gewährleisten zu können.
Meine Damen und Herren, es geht nicht um Vorrechte für die Justiz - mitnichten. Es geht um eine Ausstattung, die der Aufgabe und Bedeutung einer unabhängigen Justiz angemessen ist. Sie haben kein Wort darüber verloren, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften genauso systemrelevant sind wie große Banken. So hat es der Bayerische Richterverein ausgedrückt. Kürzungen und Einsparungen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften nützen in erster Linie Straftätern und säumigen Schuldnern und schaden den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft in Bayern. Dabei sind die Ausgaben für die Justiz und den Justizvollzug in Bayern insgesamt bescheiden. Die Frau Staatsministerin hat das ausgerechnet. Die Ausgaben für die Justiz seien pro Bürger und Jahr vergleichbar mit dem Gegenwert einer Pizza, sie betragen in Bayern zurzeit 1,8 Milliarden Euro. Das sind noch nicht einmal 5 % des Gesamt
Es ist ein ehrenwertes Ziel, die Verschuldung begrenzen zu wollen. Dieses Ziel hätte man jedoch angesichts sprudelnder Einnahmen und des relativ geringen Volumens des Justizhaushalts auch dann erreichen können, wenn man die Vorschläge der SPD-Fraktion zu Beginn dieser Haushaltsberatungen beachtet hätte. Dann könnte die Justiz angemessen ausgestattet werden.
Meine Damen und Herren, stattdessen wird die hohe Leistungsbereitschaft und Loyalität der Mitarbeiter an den Gerichten und in den Justizvollzugsanstalten in einem Maße ausgenutzt, die der Fürsorgepflicht des Dienstherrn extrem widerspricht.
Es bleibt dabei, dass nach dem Personalbedarfsberechnungssystem - PEBB§Y -zum Stichtag 31.12.2010 403 Richter und Staatsanwälte in Bayern fehlen. Diese Zahlen sind noch viel zu niedrig angesetzt. Die meisten bayerischen Staatsanwälte haben bis Ende März 2011 jeweils schon mindestens über 100 Überstunden geleistet. Das Jahr ist aber noch nicht zu Ende. Wöchentlich kommen acht bis 18 Überstunden hinzu, ohne Aussicht auf Abbau. Frau Staatsministerin, das sind nicht meine Worte. Das sind die Worte des Hauptstaatsanwaltsrats der bayerischen Justiz.
Meine Damen und Herren, wenn keine neuen Stellen ausgewiesen, sondern lediglich einige der 400 Stellen zurückgegeben werden, die durch die Arbeitszeitverlängerung gesperrt und eingezogen worden sind, bedeutet dies, dass die Staatsregierung, speziell das Justizministerium, den bekannten Missstand auch für die Zukunft hinnehmen will, obwohl die Aufgaben bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie im Justizvollzug von Jahr zu Jahr mehr werden. Der Verweis im Haushaltsausschuss, dass die Staatsregierung seit dem Jahr 2003 innerhalb von acht Jahren ganze 66 Stellen geschaffen hat - das sind pro Jahr ganze acht Stellen -, kann mit Verlaub nur als peinlich bezeichnet werden. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dauert es zumindest noch 50 Jahre, bis der Fehlbestand ausgeglichen ist.
Zur Steigerung der Motivation gibt es jetzt 71 Hebungen bei Richtern und Staatsanwälten. Das ist gut so. Da stimmen wir sofort zu. Das gleicht jedoch die Motivationskiller auf der anderen Seite, die Nullrunde beim Gehalt, die Wiederbesetzungssperre und die Absenkung der Eingangsgehälter, bei Weitem nicht aus. Im
Übrigen, hinsichtlich der Wiederbesetzungssperren bewegen Sie sich an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit. Hinzu kommt, dass 160 Stellen für Rechtspfleger fehlen und dass Bewährungshelfer in befristeten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Hinzu kommt auch noch, dass immer noch hunderte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Geschäftsbereich des Ministeriums nur befristet beschäftigt sind.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass es Ihnen zu gelingen scheint, 120 Stellen in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. Es bleiben aber immer noch 16,5 % befristete Beschäftigungsverhältnisse übrig.
Meine Damen und Herren, bei den Gerichtsvollziehern ist es nach wie vor so, dass über 100 Beamte ihren Dienst tun, ohne zum Gerichtsvollzieher ernannt und entsprechend bezahlt zu werden.
Ich möchte noch ein paar Anmerkungen zum Justizvollzug machen. In der letzten Legislaturperiode haben wir nach intensiven Beratungen ein neues bayerisches Strafvollzugs- und Jugendstrafvollzugsgesetz beschlossen. Die Probleme des Strafvollzugs sind damit aber noch nicht gelöst. Nach wie vor fehlen circa 1.500 Haftplätze. Etwa 40 % aller Gefangenen sind in Mehrfachhafträumen untergebracht. Selbst in neuen Haftanstalten sind Einzelhafträume doppelt belegt. Von dem Ziel, alle Gefangenen in Einzelhafträumen unterzubringen, sind wir ganz weit entfernt. Meine Damen und Herren, es gibt keine Gewissheit, sondern nur die Hoffnung, dass es, wenn es Nacht wird, in einer mehrfach belegten Zelle, bei uns nicht auch zu Vorfällen wie in Siegburg kommt und dass es keine Beschwerden zum Bundesverfassungsgericht über die Haftbedingungen gibt.
Noch problematischer ist, dass mehr als 800 Stellen im Justizvollzug fehlen, davon 650 im Vollzugsdienst. Die Personalausstattung im bayerischen Justizvollzug liegt im Vergleich zu allen anderen Ländern an letzter Stelle - kein Wort darüber. Bei den Bediensteten im Justizvollzug haben sich 350.000 Mehrarbeits- und Überstunden sowie 36.000 Tage noch nicht eingebrachter Urlaub angehäuft. Die Frau Ministerin hat im Haushaltsausschuss darauf hingewiesen, dass innerhalb von 20 Jahren von 1990 bis 2010 - ich hatte das Vergnügen, es miterleben zu dürfen - 1.000 zusätzliche Planstellen geschaffen worden sind. Im gleichen Zeitraum ist jedoch die Zahl der Gefangenen um 27 % gestiegen. Es ist allgemeine Meinung, dass die Gefangenen aus unterschiedlichsten Gründen immer schwieriger geworden sind. Es ist ebenfalls allgemeiner Konsens, dass die Therapieangebote noch weiter ausgebaut werden müssen. Das geht nicht ohne mehr qualifizierte Mitarbeiter.
Jetzt haben Sie im Rahmen der Offensive "Aufbruch Bayern" verkündet, dass in Straubing eine ausbruchsichere neue Anstalt für Sicherungsverwahrte gebaut wird. Das ist ein schöner "Aufbruch". Zwar sind wir dafür, aber allein diese Begrifflichkeit - mit Verlaub lässt Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Vorhabens aufkommen.
Meine Damen und Herren, wir haben immer noch kein Untersuchungshaftvollzugsgesetz. Es sind immer noch keine ausreichenden Alarmeinrichtungen in den Justizvollzugsanstalten installiert. Es gibt aber noch viel zu tun.
Meine Damen und Herren, die Justiz und der Justizvollzug sind nicht nur kein Schwerpunkt dieser schwarz-gelben Koalition, sondern sie sind Stiefkinder. In diesen Tagen war zu vernehmen, dass die FDP der Meinung ist, in den letzten beiden Jahren seit ihrem Erscheinen auf der landespolitischen Bühne außerordentlich erfolgreich gewesen zu sein und den Koalitionsvertrag erfüllt zu haben. Da reibt man sich doch die Augen. Im Koalitionsvertrag heißt es wörtlich: "Wir streben die Verbesserung der Personalausstattung der Justiz mit 400 Stellen an." Es scheint sich alles nur um diejenigen Stellen zu handeln, die der Justiz durch die Verlängerung der Arbeitszeit vorher weggenommen worden sind. Das ist ein toller Erfolg für die FDP.
Meine Damen und Herren, in der Justiz und im Justizvollzug ist nicht alles schlecht - weiß Gott nicht. Ich möchte noch einmal den vielen engagierten Mitarbeitern in den Justizvollzugsanstalten und an den Gerichten ausdrücklich für ihre Arbeit danken.
Aber es ist auch nicht alles gut. Es wird vor allem dann nicht besser, wenn die Justizministerin auf Mehrforderungen verzichtet und dabei die besondere Rolle der Justiz und ihrer Bedeutung für den Rechtsstaat aus den Augen verliert. Es ist schon problematisch genug, dass die Justizverwaltung die Arbeitsbedingungen der unabhängigen Justiz definiert. Wenn alles auch noch schlecht gemacht und die besondere Rolle der Justiz nicht eingefordert wird, braucht sich niemand wundern, wenn die treuesten der Treuen, nämlich die Richterinnen und Richter, die Geduld verlieren und die Selbstverwaltung der Justiz einfordern.
Ich muss jetzt zum Ende kommen. Leider kann ich keine rechtspolitischen Themen mehr ansprechen wie die Sicherungsverwahrung, das Problem der Insolvenzgerichte, die besondere Behandlung des Gaddafi-Sohnes durch die Münchner Staatsanwaltschaft und
den Umgang der Staatsanwaltschaft München mit linken Demonstranten gegen Rechtsextremisten. Darüber müsste man noch stundenlang reden.
Zum Verbraucherschutz möchte ich nur noch ein Wort sagen: Ein Nachweis dafür, dass die Umressortierung der Abteilung Grundsatzfragen des Verbraucherschutzes in das Justizministerium eine gute Idee war, ist bis heute nicht erbracht worden.
Den Justizhaushalt müssen Sie schon selbst verantworten. Wir tun es nicht und stimmen deshalb auch nicht zu.
Herr Präsident, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten den Justizhaushalt. Positiv ist, Herr Schindler, darin stimmen wir überein, dass die Justiz in Bayern leistungsfähig, motiviert und gut ist. Das ist eine gute gemeinsame Basis. Zu Ihren Anmerkungen gegenüber Frau Ministerin Merk: Wir müssen mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 den Spagat vollbringen, dass wir sparen wollen und müssen, da wir die Generationengerechtigkeit zum Ziel haben. Ein Haushalt, der zu 65 % von Personalausgaben geprägt ist, macht es schwer, diesen Weg zu gehen. Anders als Sie möchte ich - das wird Sie nicht verwundern - der Ministerin ausdrücklich dafür danken, dass sie in den Verhandlungen einerseits die Verantwortung für diesen Haushalt getragen hat und andererseits für die Mitarbeiter der Justiz gekämpft und herausgeholt hat, was möglich war. Sie hat schon früher Prioritäten gesetzt. Als Neuling habe ich mir die Zahlen geben lassen. Der Justizvollzug und die personelle Aufstockung dort war der Ministerin stets wichtig. Deshalb ist es nicht richtig, ihr zu diesem Punkt Vorhaltungen zu machen.
Der Haushalt hat auch Steigerungen erfahren. Ich erinnere daran, dass die Sachmittel erhöht wurden. Die geplanten Bauten der Justiz in München und Hof können weitergeführt werden, aber auch die Neubauten in Gablingen. Dort war ursprünglich ein Public-Private-Partnership-Projekt - PPP-Projekt - geplant. Dieses konnte wegen der schlechten Rahmenbedingungen nicht vollzogen werden. Ich weise aber darauf hin, dass dieses PPP-Projekt ein Lernmodell ist. Wir wollen PPP weiterhin prüfen und künftig die Möglichkei
Vorhin wurde die Wiederbesetzungssperre kritisiert. Die Zeiten konnten verkürzt werden. Die Zahl der Hebungen, die motivationsfördernd sind, konnte auf 71 Stellen erhöht werden. Die Langzeitarbeitnehmer konnten in den Beamtenbereich übergeführt werden. Diese Maßnahmen konnten im Rahmen dieses Haushalts durchgesetzt werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Claudia Stamm? - Frau Stamm, bitte.
Sehr geehrter Herr Kollege Radwan! Sie haben sich soeben auf PPP bezogen und davon gesprochen, dass wir aus den Fehlern lernen sollten. Ich wundere mich darüber etwas, weil im Haushaltsausschuss, dem wir beide angehören, klar darüber diskutiert wurde, dass kein einziges PPP-Projekt geplant sei.
Es sollen also solange keine PPP-Projekte geplant werden, bis der Bericht der Obersten Baubehörde vorliegt, was 2014 sein wird. Ist Ihnen das auch so in Erinnerung?
Ich weiß nicht, wie ich verstanden wurde. Ich habe nicht gesagt, dass PPP grundsätzlich gestorben sei, weil das ursprüngliche Projekt in Gablingen nicht umgesetzt wurde. Heißt das für Sie, dass es bereits gestorben ist?
Wir werden unter Berücksichtigung des Berichts der Obersten Baubehörde PPP weiter verfolgen und dort, wo es Stärken hat, verwenden. Dort, wo es Schwächen hat, werden wir auf Verbesserungen achten. Ich sage nicht, dass PPP von Haus aus das Allheilmittel ist.
Der Haushalt hat einige Steigerungen. Für die ambulante Versorgung konnte eine Steigerung von 350.000 Euro für 2011 und 550.000 Euro im Folgejahr erreicht werden. Wegen der Verfahrensdauer gab es regelmä
ßig Kritik. Wir konnten die Verfahrensdauer bei der bayerischen Justiz im Durchschnitt senken. Regelmäßig wird Augsburg als Beispiel angeführt. Hier konnten die Justizministerin und das Justizministerium, bevor etwas publik wurde, rechtzeitig Einfluss nehmen. Die Bedingungen vor Ort waren singulär. Ich halte es aber nicht für richtig, das auf die gesamte bayerische Justiz zu übertragen.
Ich danke der Justizministerin, dass sie die Arbeit der Verbraucherschutzverbände insbesondere finanziell weiterhin stützt. Sie leisten wertvolle Arbeit. Ich erinnere nur an den Schwerpunkt Fortbildung z.B. für Finanzdienstleistungen oder Internet oder Telefonbetrug. Dafür, dass sie diese Maßnahmen aufrecht erhält, danke ich der bayerischen Justizministerin.
Ich gehe davon aus, dass wir mit Blick auf den nächsten Haushalt sehr stark darum ringen werden, um die Vorgaben des Koalitionsvertrages zu erfüllen und insbesondere die Richterstellen anzuheben. Die Legislaturperiode dauert noch eine Zeit lang. Von daher bleibt das Ziel des Koalitionsvertrages bestehen.
Ich komme zum Eingangsstatement zurück. Die Ministerin hat entsprechend der Möglichkeiten die Fahne der Justiz hochgehalten, ist aber trotzdem der Verantwortung des Gesamthaushalts gerecht geworden. Dafür danke ich und hoffe auf Zustimmung zu diesem Haushalt.