Ich muss offen sagen: Der Begriff des Stiefkindes, geprägt von Herrn Schindler, hat mich jetzt doch einigermaßen überrascht. Ich glaube nicht, dass man für ein sogenanntes Stiefkind eine neue Justizvollzugsanstalt in Gablingen baut, dass man eine neue Einrichtung für Sicherungsverwahrung auf dem Gebiet der Justizvollzugsanstalt Straubing auf den Weg bringt, das Justizgebäude in Nürnberg saniert, neue Möglichkeiten für die Unterbringung von Justizbediensten in Hof schafft und sich auch im Süden Münchens mit einem neuen Justizzentrum befasst. Das tut man, um es einmal so auszudrücken, für Stiefkinder eher nicht.
Eines ist natürlich richtig: In diesem Haushalt werden keine neuen Stellen geschaffen. Und es ist auch richtig, dass 65 % des Justizhaushalts auf Personalkosten entfallen. Aber zum einen - darauf hat Herr Kollege Fischer richtigerweise hingewiesen, und das darf man auch nicht aus den Augen verlieren - sind noch Stellen aus dem Koalitionsvertrag offen, die wir bis zum Ende der Legislaturperiode entsprechend umsetzen werden. Ich hoffe, wir werden das sogar aufstocken können.
Wir dürfen zum anderen auch nicht übersehen, dass sich durch die anstehende Arbeitszeitverkürzung positive Auswirkungen ergeben werden, und wir dürfen auch nicht darüber hinwegsehen, dass bereits seit 2003 eine Vielzahl neuer Stellen geschaffen und insoweit bereits wichtige Akzente gesetzt wurden. Auch stehen wir keineswegs so schrecklich da, wie das hier anklingt. Es wurde gesagt, Augsburg sei überall, und die Justiz stehe vor dem Kollaps.
Die Gründe für Augsburg waren örtlich bedingt. Sie lagen in der Organisation und in einer massiven Häufung von Krankheitsfällen.
Dies war sozusagen kein schlechtes Omen für die gesamte Justiz. Wir müssen doch die Erledigungszeiten sehen. Bei uns in Bayern sind es 2,7 Monate, in anderen Bundesländern sind die Bearbeitungszeiten wesentlich höher. Dort gibt es eine Schwankungsbreite von 2,8 bis 5,4 Monaten. Auch darüber sollten wir nicht hinwegsehen.
Woran liegt das? Das liegt daran, dass wir hervorragend motivierte, hoch kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Justiz haben, denen ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich meinen Dank sagen möchte und deren Arbeit wir auch in ganz besonderer Weise würdigen.
Wir müssen auch sehen, dass bei den offenen Verfahren nicht etwa eine Zunahme zu verzeichnen ist, die den herannahenden Kollaps ankündigen würde. Nein, in den letzten drei Jahren ist die Anzahl der Verfahren sogar leicht zurückgegangen. Also auch hier sehe ich keinesfalls, dass die Justiz schlecht aufgestellt wäre.
Lassen Sie mich auch ein Wort zu den Wiederbesetzungssperren sagen. Die Wiederbesetzungssperre und das Recht auf den gesetzlichen Richter sind immer eine Gratwanderung. Das sehen wir auch so. Auch wir kennen die klare Rechtsprechung in diesem Bereich, zum Beispiel zu den R-1-Richtern. Deshalb sind wir froh, dass wir eine Regelung gefunden haben, die ganz klar dahingehend zu verstehen ist, dass bei R-1-Richtern im Einzelfall regelmäßig eine Verkürzung auf drei Monate zu erfolgen hat und auch erfolgen kann. Ich will auch nicht verhehlen, dass es weitgehende Ausnahmen von der Wiederbesetzungssperre gibt. Auch dazu habe ich von der Opposition keine Silbe gehört. Zum Beispiel gibt es eine ermäßigte Wiederbesetzungssperre von sechs Monaten für Präsidenten, Vizepräsidenten und Direktoren von Amtsgerichten, für Richter bei den Oberlandesgerichten und bei den Landgerichten der Besoldungsgruppe R 1, bei den Amtsgerichten für Richter der Besoldungsgruppe R 2, für Generalstaatsanwälte, für den gehobenen Rechtspflegerdienst, für Bewährungshelfer, für Beamte des mittleren Justizdienstes und so weiter. Keine Wiederbesetzungssperre gibt es zum Beispiel im Bereich der Vorsitzenden Richter, der Präsidenten und Vizepräsidenten bei den Oberlandesge
richten und Landgerichten. Auch hier sind wir der festen Überzeugung, dass Wiederbesetzungssperren eine einschneidende Maßnahme sind. Das ist keine Maßnahme, die man als Rechtspolitiker gern ergreift, aber sie ist letztlich unvermeidbar, wenn wir uns davon verabschieden wollen, immer wieder neue Verschuldungen einzugehen und damit - das wird Sie, Herr Schindler, jetzt wieder langweilen - die Perspektiven künftiger Generationen zu minimieren und zu zerstören. Wir wollen das nicht, und darum wägen wir ab.
Ich bin auch etwas irritiert davon, Herr Streibl, dass Sie hier sagen, Staatsanwälte und Richter müssten einem Ausschreibungsverfahren unterzogen werden und Sie wollten keine politischen Besetzungen. Mir wäre neu, dass es hier politische Besetzungen gibt.
Hier wird nach Eignung und Befähigung besetzt. Sollte es hier zum Beispiel um die kleine Gruppe der Generalstaatsanwälte und der Vorsitzenden Richter am OLG gehen, die wir hier schon einmal behandelt haben, dürfte Ihnen noch gegenwärtig sein, dass dies auch keine politisch besetzten Positionen sind, sondern dass es hierbei weitreichende Mitwirkungsrechte zum Beispiel des Hauptstaatsanwaltsrates oder des Präsidialrates gibt und dass nicht eine Fraktion oder eine Partei - das wäre eine politische Besetzung festlegt, wer an welchem Ort wann und wo Dienst tut. Übrigens: Wenn Sie eine gewisse Dezentralisierung anmahnen, kann ich nur betonen: Alles, was Verwaltungsbereich ist, wird von den OLGs selbstständig, ohne Hinzuziehung des Ministeriums eingestellt.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, und zwar Arbeitsüberlastungen und diesen bedauerlichen Fall mit den vier Personen, die alle gestanden haben, einen bestimmten Mord begangen zu haben. Wenn ein Richter aufgrund eines Geständnisses ein Urteil fällt, muss ich ehrlich sagen, geht es eigentlich mich als Legislative nichts an, und ich gehe davon aus, dass der Richter in seiner richterlichen Unabhängigkeit richtig gehandelt hat. Wenn ich ein Geständnis vor mir habe, dann kann ich nur fragen: Ist das glaubhaft, ist es nicht glaubhaft? Aber ob ich das glaube oder nicht, hat sicher nichts damit zu tun, ob ich noch zehn Fälle auf dem Schreibtisch habe oder nur noch fünf.
Das Gleiche gilt für Entschädigungen. Auch Entschädigungsleistungen setzt der Richter im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit fest. Also auch da habe ich keinen naheliegenden Zweifel daran, dass das Gericht entsprechend Recht und Gesetz gehandelt hat.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt erwähnen. Es geht noch einmal um das Stiefkind. Wir haben weitere Initiativen gestartet, um den Schutz und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, zum Beispiel mit der automatisierten elektronischen Aufenthaltskontrolle, die mit dem Schlagwort "Elektronische Fußfessel" bezeichnet wird. An der Umsetzung wird länderübergreifend gearbeitet, nachdem seit Januar eine Gesetzesmöglichkeit besteht. Ziel ist der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor rückfallgefährdeten, vor gefährlichen Gewalt- und Straftätern.
Es wurde mehr Geld in die Nachsorge bei dieser Personengruppe im Bereich der Sexualstraftäter investiert, indem die Fachambulanzen ausgebaut werden.
Für einen besonders wichtigen Punkt halte ich, dass wir nunmehr ein Präventionsprojekt haben, das Jahr für Jahr mit 200.000 Euro zu Buche schlägt, in dem man sich gerade um potenzielle Täter kümmert, die eben noch nicht straffällig geworden sind, aber für sich pädophile Neigungen nicht ausschließen können. - Auch das macht man bei Stiefkindern übrigens nicht so negativ, wie das dargestellt worden ist.
Wir können letztendlich sagen: Trotz angespannter und schwieriger Haushaltslage ist uns doch ein Haushalt gelungen, der sich, wie ich meine, sehen lassen kann. Er krankt daran, dass wir nicht sehr viel mehr Geld haben, das wir in die Bezahlung der Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, der Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher usw. stecken können. Aber wir müssen das abwägen vor dem Hintergrund: Inwieweit will ich die Perspektiven künftiger Generationen angreifen?
Da freut es mich natürlich ganz besonders, dass wir auch in den Bereichen Verbraucherschutz und Beratung keine Kürzungen vornehmen mussten, diese 31 Beratungsstellen auch in Zukunft gesichert sind und ihre gute und kompetente Arbeit weiter fortführen können.
Auch die Initiativen für die Button-, die Bestätigungslösung gehen für mich in die richtige Richtung, auf der wir weitergehen müssen. Es ist für mich der richtige Weg, um hier gemeinsam die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern: durch Beratung im Bereich des Verbraucherschutzes, durch eine effiziente Justiz, eine rasche Rechtsverfolgung und auch ein gut arbeitendes, schnelles zivilgerichtliches Verfahren.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Wenn Sie bitte noch einen Moment hier bleiben würden. - Jetzt Frau Kollegin Stahl zu einer Zwischenbemerkung. Und bitte etwas mehr Aufmerksamkeit.
Danke schön. - Ich meine, wir sprechen über etwas, was schon längst erledigt ist, weil der Haushalt laut Pressemitteilung des Justizministeriums schon beschlossen ist. Aber wer jetzt glaubt, dass ich deswegen auf meinen Wortbeitrag verzichten werde, bloß weil angeblich alles schon in trockenen Tüchern ist, täuscht sich.
Also: Augsburg ist kein Omen mehr; Augsburg ist in weiten Teilen, in anderen Bereichen der Justiz, auch wenn es so vielleicht nicht nach außen dringt, bereits Realität. Ein Omen, und zwar ein böses Omen, ist es, wenn man an erster Stelle nicht einen Rechtspolitiker sprechen lässt, sondern einen Haushälter wie Herrn Radwan. Dann weiß man, dass rechtspolitische Überlegungen nur die zweite Geige spielen.
Es hat auch so ausgesehen, als wenn man hier das Justizministerium an die kurze Leine legen will. Sie sprechen von Arbeitszeitverkürzung. Also wissen Sie, es ist schon sehr mutig, von Arbeitszeitverkürzung zu reden, wenn man einfach Verhältnisse wiederherstellt, die vormals normal waren, also im Grunde genommen ein Zustand wiederhergestellt wird, der allen Beteiligten angemessen ist.
Ich hätte gern auch noch ein bisschen mehr zum Verbraucherschutz gehört, denn was Frau Aigner bisher gemacht hat, war - in diesen Zielsetzungen unterstütze ich sie -, Ziele zu formulieren. Sie wurden auch im Bundesrat von Bayern formuliert. Nur kann ich nicht erkennen, wann diese Ziele endlich umgesetzt werden.
Und diese Ziele sind nicht mehr die neuesten. Wir haben bereits neue Herausforderungen. Wir haben zum Beispiel die Gesichtserkennung mit Handy, wir haben beispielsweise auch schon wieder diese Microsoft-Streetview-Beobachtungen. Dabei ist noch nicht einmal in dem bisher diskutierten Bereich etwas passiert.
Liebe Frau Kollegin Stahl, Sie haben das Thema überhaupt nicht angesprochen, überhaupt nicht gestreift. Jetzt bin ich natürlich etwas ratlos. Was Frau Aigner tut, das kann ich aus dem Bayerischen Landtag ja wohl schlecht beurteilen.
Aber was wir als Bayerischer Landtag tun können oder ich als "Landtaglerin" tun kann, was wir an wichtigen Initiativen setzen konnten, das haben wir jedenfalls getan, indem wir zum Beispiel sagen: Die Welt hat sich dadurch verändert, dass eben nicht mehr das Geschäftsmodell Face-to-face das Entscheidende ist, sondern hier über das Internet eine Vielzahl von Gefahren besteht. Also zum Beispiel: dass man fortan über einen Button bestätigen muss, dass man weiß, es ist eine entgeltliche Kontraktion, die man gerade abschließt, dass man das beispielsweise bei Telefonverträgen bestätigen muss. Ich weiß auch, dass das in einem klar definierten System eines juristisch denkenden Menschen ein gewisser Bruch ist, aber die Gefahren für die Menschen haben sich geändert.
Das sind Bereiche, in denen wir massiv vorzugehen versuchen. Da muss man sich natürlich auch überlegen, wie man bei all dem Datensammeln in den verschiedensten Bereichen, wo sich Menschen eigen und selbstständig einbringen, schützen kann, zum Beispiel, wenn sie in irgendwelchen Foren sehr weitgehende Daten von sich abgeben und sich meistens überhaupt nicht bewusst sind, welche Folgen das hat. Da sind wir durchaus auf einem guten Weg, weil man hier - Verbraucherschutz ist Querschnittsaufgabe - die Jugendlichen sensibilisieren muss.
Aber auch die Sensibilisierung der Erwachsenen halte ich für wichtig. Das muss man in den nächsten Wochen und Monaten ganz speziell angehen.
Mein Kompliment an die bayerische Staatsministerin und ihr Team: Der Verbraucherschutztag, auf dem Sie ja auch waren, Frau Kollegin, war von den Themen her aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Impuls. Da sind viele Fragen gestellt worden, auf die wir gemeinsam mit allen Mitgliedern des Landtags in den nächsten Wochen und Monaten eine Antwort finden müssen.
Danke, Frau Kollegin. - Damit darf ich als nächster Rednerin Frau Staatsministerin Dr. Merk noch das Wort geben.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade gesehen, dass es die Opposition nicht so gern hat, wenn man das Thema Sicherheitspolitik behandelt und vor allem, wenn man Dinge anspricht, die die Menschen in unserem Lande bedrücken und interessieren. Dies gilt vor allem, wenn es um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Kinder geht. Sonst hätte man mir nicht den Ratschlag gegeben, dass ich in dieser Hinsicht rechtspolitisch nicht tätig sein muss.