Protokoll der Sitzung vom 06.04.2011

Ein solcher unrealistischer Finanzierungsvorschlag kommt von Ihnen, Frau Stahl; Sie übersehen nämlich bei Ihrer Berechnung, dass auch die Erhebung einer solchen Steuer Geld kostet.

(Beifall bei der FDP - Jörg Rohde (FDP): Und auch Prozesskosten!)

Auch scheint es ein Vorrecht der Opposition zu sein, alles pauschal schlechtzureden. Kollege Streibl, Ihre Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz und Ihre Vorhaltungen bezüglich politischer Stellenbesetzungen sind unangemessen; ich weise sie zurück.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der CSU: Oh, oh!)

Ihre Vorhaltung, die Justiz sei nicht gut aufgestellt, ist ebenso falsch. Man könnte danach den Eindruck gewinnen, die bayerische Justiz stehe vor dem Zusammenbruch und würde nicht mehr funktionieren. Das kann und will ich so nicht stehenlassen. Im Gegenteil. Die Statistik ist hervorragend.

(Christa Naaß (SPD): Das stimmt nun wirklich nicht!)

Im bundesdeutschen Vergleich kann sich die bayerische Justiz sehen lassen mit einer Verfahrensdauer von 3,9 Monaten vor den Amtsgerichten in Bayern und von 4,6 Monaten im Bund. Bei den Landgerichten liegt Bayern im Bundesvergleich auf Platz vier in Zivilsachen und auf Platz eins in Strafsachen. Das ist eine hervorragende Leistung all derer, die im Justizbereich tätig sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang allen Angehörigen des Justizdienstes, Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern, meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist aber auch eine Frage der Ehrlichkeit zuzugeben, dass die Richter und Staatsanwälte in Bayern unter schwierigen Bedingungen arbeiten und dass Belastungen von 114 % bei Richtern und 119 % bei Staatsanwälten, wie sie das Personalberechnungssystem PEBB§S ermittelt, nicht hinzunehmen sind. Es fehlen Richter und Staatsanwälte in Bayern; es fehlen Rechtspfleger. Die Folge ist, dass viele am Rande der Belastbarkeit arbeiten und manche darüber hinaus.

(Christa Naaß (SPD): Also hat er doch recht!)

Kollege Schindler, Sie haben die Koalitionsvereinbarungen angesprochen. Ja, in dieser Koalitionsvereinbarung steht, dass die Personalausstattung der Justiz um 400 Stellen zu verbessern ist. Es geht hier nicht um diese 98 Stellen, die durch unser gehaltenes Wahlversprechen mit der Rückkehr zur 40-Stundenwoche bei den Beamten verbunden sind. Es geht darum, dass von diesen 400 Stellen 234 Stellen umgesetzt sind und davon über 200 im Bereich des Strafvollzugs, wo sie dringend nötig waren. Wir haben den ersten Teil unseres Versprechens gehalten.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage aber auch genauso offen, dass auch der zweite Teil noch gehalten werden muss. Es fehlen noch Stellen. Die Legislaturperiode ist noch nicht zu Ende. Deshalb möchte ich schon heute nicht nur auf den Haushalt 2013/2014, sondern auch auf den Nachtragshaushalt verweisen. Der Grundsatz, dass hier keine Personalausgaben erfolgen, kann und darf für den Bereich des Einzelplanes 04 keine Gültigkeit haben.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Denn sonst werden wir die Spitzenposition, die Bayern im Bereich der Rechtspflege hat, nicht halten kön

nen. Eine funktionierende Rechtspflege ist nicht nur ein Gebot, das für jeden Rechtsstaat selbstverständlich sein sollte, sondern sie ist auch ein wesentlicher Standortvorteil für unser Land.

Frau Staatsministerin, ich versichere Ihnen, Sie werden auch bei den Verhandlungen zum Nachtragshaushalt die FDP an Ihrer Seite haben.

(Beifall bei der FDP)

Es freut mich heute aber umso mehr, auch einige positive Dinge ansprechen zu können, weil ich es nicht so mache, wie die Opposition, alles schlechtzureden. Ich spreche von den kostenwirksamen Hebungen im Bereich der Richter und Staatsanwälte. Ich spreche von den deutlichen Strukturverbesserungen und den Beförderungsmöglichkeiten in allen Bereichen. Ich spreche auch bei den Gerichtsvollziehern, wo wir eine äußerst schwierige Situation haben - das gilt es einzuräumen -, davon, dass 30 zusätzliche Ernennungsmöglichkeiten im Eingangsamt bestehen und dass der dort bestehende Ernennungsstau zumindest abgebaut werden kann.

Damit kein Missverständnis aufkommt: All das war notwendig, und es ist alles andere als ein staatlicher Gnadenakt. Aber in Zeiten eines so konsequenten Sparkurses, wie wir ihn erleben, sind selbst notwendige Mehrausgaben nicht selbstverständlich.

Kollege Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Stamm?

Am Ende. Meine Zeit ist ziemlich knapp.

Dann fahren Sie bitte fort.

Ich spreche auch davon, dass wir unser Versprechen gehalten haben und die Arbeitszeitverkürzung für die Beamten und Richter kommen wird. Das bedeutet 98 neue Stellen. Ich habe es vorhin bereits erwähnt. Es ist richtig so.

Ein Lichtblick ist auch bei den Baumaßnahmen zu sehen. 45 Millionen Euro gibt es hier im Jahr 2011 und 77 Millionen Euro im Jahr 2012. Alleine für die Justizvollzugsanstalt Gablingen schlagen 17 Millionen Euro zu Buche. Das sind keine Luxusaufwendungen; das alles betrifft nur das Allernotwendigste.

Schmerzliche Einschnitte haben wir leider auch in anderen Bereichen. Ich spreche den Opferschutz an. So muss beispielsweise die Bezuschussung des Vereins

"Ausgleich München e.V." mit 120.000 Euro beendet werden.

(Christine Stahl (GRÜNE): Warum?)

Die Staatsministerin der Justiz versucht, hier weiterzuhelfen, indem man bei der Auswahl der Zuwendungsempfänger von Geldauflagen durch die Staatsanwaltschaft diesen Verein und alle, die für den Opferschutz tätig sind, weiter fördern wird. Diese Idee ist richtig, aber ihre Umsetzung wird genau zu beobachten sein. Ansonsten sind auch hier Nachbesserungen unumgänglich.

Ich spreche auch den Verbraucherschutz an. Die Verbraucherzentrale e. V. und der Verbraucherservice im Katholischen Deutschen Frauenbund leisten hervorragende Arbeit. Hier sind Dank und Anerkennung angebracht. Sie unterhalten ein flächendeckendes Netz von derzeit 31 Beratungsstellen. Ich bin froh, dass die Unterstützung in diesem Bereich aufrechterhalten werden konnte. Ich sage aber auch, die dringend notwendige Erhöhung des Stellenplans, die ich mir gewünscht hätte, ist aufgrund der angespannten Haushaltssituation nicht möglich.

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich appelliere an Sie: Stimmen Sie dem Einzelplan 04 zu, auch wenn er schwierige Einschnitte enthält. Ich appelliere zugleich an unseren Koalitionspartner und hier insbesondere an die Haushaltspolitiker: Lassen Sie Ihre Staatsministerin der Justiz nicht im Regen stehen. Das hat weder sie verdient noch haben es die Beschäftigten in der Rechtspflege und im Strafvollzug verdient, die eine hervorragende Arbeit leisten.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Frau Stamm hat nun das Wort zu einer Zwischenbemerkung. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Kollege Fischer, seit gestern wabert hier der Mythos der angespannten Haushaltssituation durch den Raum. Das finde ich sehr erstaunlich. 2010 und 2011 sind durch Steuermehreinnahmen ziemlich gute Jahre. Im Jahr 2010 werden es voraussichtlich 31,4 Milliarden Euro sein. - So viel zum Mythos.

Zum anderen möchte ich Sie fragen, ob Sie schon einmal mit dem Finanzminister geredet und ihn gefragt haben, ob er endlich den Doppelhaushalt abschafft. Wir hören die ganze Zeit - jetzt auch wieder von Ihnen -, dass im Nachtragshaushalt am Stellenplan des Justizhaushalts, Einzelplan 04, gedreht wird.

Es ist aber gar nicht zulässig, schon mit dem Nachtragshaushalt zu argumentieren, wenn der Doppelhaushalt aufgestellt wird. Die Haushaltsordnung lässt das nicht zu.

Haben Sie mit Herrn Fahrenschon bereits darüber geredet, wann Sie den Doppelhaushalt abschaffen werden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte sehr, Herr Kollege Fischer.

Frau Kollegin Stamm, Sie können gerne selbst mit dem Herrn Staatsminister sprechen und ihm Ihre Vorschläge unterbreiten.

(Claudia Stamm (GRÜNE): Unsere Anträge sind abgelehnt worden!)

Ich sage Ihnen hier so viel: Es ist schwer genug gewesen, einen ausgeglichenen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung auf den Weg zu bringen. Es ist schwer genug gewesen, nicht auf Kosten der nächsten Generation zu leben, so wie es Ihre Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen tun.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Wir halten es mit einer konsequenten und verantwortungsbewussten Politik. Einen vernünftigen Finanzierungsvorschlag für die Mehrausgaben habe ich leider nicht gehört.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege.

Zu Ihrer Orientierung, meine Damen und Herren: Es sind jetzt noch zwei Redebeiträge angemeldet. Dann folgen die Abstimmungen über die Änderungsanträge, davon zwei in namentlicher Form. Das wird also in Kürze der Fall sein.

Frau Kollegin Guttenberger ist die nächste Rednerin. Anschließend erhält Frau Staatsministerin Dr. Merk das Wort. - Bitte sehr, Frau Guttenberger.

Herr Präsident, Frau Staatsministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsplanberatungen haben immer ihren eigenen Zauber. Wir haben heute sehr viel darüber gehört, wie man bestmöglich weitere Stellen und anderes schaffen könnte. Als Rechtspolitikerin würde ich dem voll und ganz zustimmen und würde das auch nachhaltig unterstützen. Aber ich halte es ebenfalls für wichtig, dass wir als Abgeordnete des Bayeri

schen Landtags auch Verantwortung darüber hinaus übernehmen, nämlich dafür, dass wir einen Haushalt aufstellen, der sich nicht immer wieder aus neuer Verschuldung speist, der nicht immer wieder Perspektiven auf Kosten nachfolgender Generationen, die die Zinsen und Zinseszinsen zahlen müssen, eröffnet. Deshalb gilt es, eng abzuwägen. Uns allen, die wir hier sitzen, ist bewusst, dass ein funktionierendes Rechtssystem für die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen eines Landes wichtig ist, dass Rechtssicherheit ein wichtiges Fundament ist. Aber hier gilt es abzuwägen.

Ich muss offen sagen: Der Begriff des Stiefkindes, geprägt von Herrn Schindler, hat mich jetzt doch einigermaßen überrascht. Ich glaube nicht, dass man für ein sogenanntes Stiefkind eine neue Justizvollzugsanstalt in Gablingen baut, dass man eine neue Einrichtung für Sicherungsverwahrung auf dem Gebiet der Justizvollzugsanstalt Straubing auf den Weg bringt, das Justizgebäude in Nürnberg saniert, neue Möglichkeiten für die Unterbringung von Justizbediensten in Hof schafft und sich auch im Süden Münchens mit einem neuen Justizzentrum befasst. Das tut man, um es einmal so auszudrücken, für Stiefkinder eher nicht.