Protokoll der Sitzung vom 06.04.2011

Diese armen Menschen haben einen Freispruch zweiter Klasse erhalten, im Übrigen aber keine Haftentschädigung. Sie würden auch wegen überlanger Verfahren keine Entschädigung bekommen. Aber sie saßen über fünf Jahre unschuldig in Haft. Sie saßen in einem Strafvollzug, in dem es an rund 650 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie an zusätzlicher Betreuung fehlt, die kaum stattfindet. Sechs Stellen für Anstaltsärzte sind nicht besetzt. Zur Durchführung der Sozialtherapie fehlt es an den baulichen Voraussetzungen.

Wer die vier Freigesprochenen beim Übergang in die Freiheit betreut hat, weiß ich nicht. Glücklicherweise haben sie keinen Bewährungshelfer benötigt. Denn die Bewährungshilfe hat mit einem Bewährungshelfer auf ca. 100 Probanden ausreichend zu tun. Ob Bewährungshelfer wirklich Hilfe hätten leisten können, wage ich zu bezweifeln.

Ich zitiere aus einem Brief eines Strafgefangenen aus Straubing:

Selbst als Gefangener muss ich bei sachlicher Betrachtung erkennen, dass das System hier nur durch den außergewöhnlich großen Einsatz des Personals über die Runden kommt.

Er spricht von fahrlässig großer Überstundenbelastung. Er führt weiter aus:

Wie lange kann man einen Beamten hier nach zwei Wochen Dienst am Stück unter Dauerbelastung seine zunehmend anwachsende Anzahl von Überstunden vor sich herschieben lassen?

Er schreibt:

Der Personalschlüssel der Fachdienste ist hier so gering, dass zwei Psychologen für ca. 400 teils sehr schwierige Gefangene zuständig sind.

So gut - so hoffnungslos, sage ich dazu. Weiter:

Die für uns zuständige Mitarbeiterin des Sozialdienstes hat sich in ein anderes Bundesland versetzen lassen. Die Stelle ist für 12 Monate unbe

setzt. Hier hat sich ein Sozialarbeiter um ca. 250 Gefangene zu kümmern.

Wir sind weit gekommen, wenn mittlerweile sogar Strafgefangene Mitleid mit ihren Bewachern haben. Ich habe jedoch eine andere Vorstellung vom Strafvollzug.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Nun gut. Man könnte auch sagen: Wenigstens sorgt sich, wie es auch die Justizministerin gesagt hat, das Justizministerium um unsere Sicherheit. Ich verweise hier auf eine Pressemitteilung vom 31. Januar 2011 zum Pilotprojekt Mobilfunkunterdrückung in JVAs.

Es sind zwei Anlagen angeschafft worden, die technisch zur Unterdrückung überhaupt nicht taugen. Was hat das gekostet?

Über die Medien werden immer wieder die HardlinerForderungen mitgeteilt, ohne dass die dafür notwendige Infrastruktur, wie etwa Therapieplätze oder Spezialeinrichtungen, in der Sicherungsverwahrung vorgehalten werden kann. Wir werden uns nächste Woche in einem Fachgespräch zur Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung in unserer Fraktion austauschen.

Klar sollte sein: Die Neukonzeption, die in der Justizministerkonferenz beschlossen worden ist, wird wohl kaum umgesetzt werden können, wenn man bedenkt, an welchen Stellen es an Geld fehlt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In jeder Pressemitteilung eines jeden bayerischen Ministeriums ist mittlerweile zu lesen, dass wir mit dem Haushalt den Steuerzahlern und der Zukunft unserer Kinder verpflichtet sind. - Sie sehen mich hier intensiv nicken. Das kann man in das Protokoll so leider nicht aufnehmen.

Natürlich sind wir den Steuerzahlern verpflichtet. Aber wir sind auch verpflichtet und gefordert, unseren Kindern ein funktionierendes Justizsystem zu übergeben, wie es Herr Schindler und auch Sie, Herr Streibl, gesagt haben. Es ist die dritte Staatsgewalt. Wir sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das, was die Bürger in Zivil-, Familien-, Sozial-, Straf- und Verwaltungsgerichtsverfahren haben möchten, umfassend und ausreichend behandelt wird. Ein gestaltender Strafvollzug muss für mehr Sicherheit sorgen, weil er nicht nur Taten sühnt, sondern auch resozialisiert.

Gläubiger müssen zeitnah zu ihrem Recht kommen. Ich bin ziemlich sicher, dass die Veranstaltung der

Gerichtsvollzieher am Samstag in Regensburg keine Jubelveranstaltung für die Justiz wird.

Schuldner müssen nach einem Insolvenzverfahren wieder auf die Beine kommen können.

Der Schutz von Kindern findet nicht nur im Internet statt, sondern beginnt schon dadurch, dass man im Sorgerecht darauf angewiesen ist, ordentliche Gutachten erstellen zu lassen, die aber nichts kosten dürfen, weil es den Etat belasten würde.

Die Beschleunigung von Verfahren darf auch nicht auf Kosten des rechtlichen Gehörs oder einer umfänglichen Beweiserhebung gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kinder haben ein Recht darauf, dass diejenigen, die im Justizdienst arbeiten, nicht mit Akten unter dem Arm nach Hause kommen und überarbeitet und ausgelaugt sind. Diese Beamten müssen doch auch für ihre Familien Zeit haben.

In diesen Zeiten knapper Ressourcen verbietet sich jede personelle Energieverschwendung. Ich fordere Sie deswegen auf, kostbare Zeit nicht damit zu verschwenden, sich in einen Wettlauf mit dem Innenminister zu begeben, wenn es um den Abbau von Bürgerrechten geht. Sparen Sie sich die Zeit, die Sie für Pressemitteilungen z. B. zur Vorratsdatenspeicherung aufwenden. Kümmern Sie sich lieber um den Schutz der Verfassung. Damit wären Sie in diesem Haus ausgelastet.

Ich verstehe gut, dass Sie versuchen, mit der Staatskanzlei mitzuhalten, die hier wirklich ein schlechtes Beispiel gibt. Wir erinnern uns noch an den Internetauftritt von Ministerpräsident Seehofer, der seinen Beamten geschrieben hat, um Verständnis für seine Politik zu bekommen. Das Blöde war, dass alle Beamten zurückgeschrieben haben. Zur Beantwortung ihrer Schreiben musste eine feste Stelle eingerichtet werden, damit die Kommentare, die sicher nicht nur positiv waren, in einer vertretbaren Zeit bearbeitet werden konnten. Nehmen Sie sich daran bitte kein Beispiel. Sparen Sie den Aufwand. Machen Sie eine ordentliche Politik. Dann werden Sie keine negativen Mails von Ihren Mitarbeitern bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit aber nicht genug. Zu der seit Jahren personell und finanziell schwierigen Situation gesellt sich ein weiteres Problem: die gegenseitige Blockade in der schwarz-gelben Koalition. Ich denke da an das Untersuchungshaftvollzugsgesetz. Dieses ist übrigens schon herausgegeben. Man kann es lesen. Ich lese

darin schon seit einer Woche. Seit über einem Jahr sollte es schon vorliegen.

Wir haben aber auch noch eine ganze Reihe anderer Themen gehabt, bei denen man sich fragen muss, ob man sich einen Gefallen tut, wenn man sich gegenseitig blockiert.

Ich könnte als Rechtspolitikerin und Bürgerrechtlerin sagen: Wenn die FDP blockiert, könnte am Ende vielleicht etwas Gescheites herauskommen. Aber das ist leider nicht so, Herr Fischer. Wir warten z. B. immer noch auf den unabhängigen Datenschutz und anderes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erinnere mich auch sehr gut daran, wie Herr Zeil mit dem Bestattungsgesetz und der Kinderarbeit umgeht. Sein letzter Erguss ging hier durchs Haus. Er hat überhaupt nichts verstanden. Aber wir werden an anderer Stelle darüber noch einmal diskutieren. Ich glaube allerdings, dass sich die FDP aus dieser Haushaltsdebatte inhaltlich sowieso verabschiedet hat. Herr Rohde hat sich bereits gestern in den "Nürnberger Nachrichten" zu den Spielhallen zitieren lassen. Ich fand das sehr apart, was er da sagte. Das sei eine Bagatellsteuer; sie bringe landesweit nur 40 Millionen Euro. Lieber Herr Rohde, wenn ich diese 40 Millionen Euro für unseren Justizhaushalt hätte, ginge es mir etwas besser.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In dieser Situation von Peanuts zu reden, halte ich schlichtweg für falsch.

Meine Redezeit ist zu Ende. Elf Minuten im Schweinsgalopp zu diesem Thema zu reden, ohne dann auch noch auf den Verbraucherschutz eingehen zu können, den ich ebenfalls für ein sehr wichtiges Thema halte, ist Körperverletzung an mir. Es ist vielleicht weniger Körperverletzung für Sie, denn Sie werden dafür ja auch gut bezahlt.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Meinem Arbeitskreis danke ich im Übrigen nicht; er macht einfach seinen Job.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Stahl. Nächster Redner ist Herr Dr. Fischer. Weil ich Sie gerade sehe, Herr Kollege Rohde. Ich weiß nicht, ob Ihnen schon zu Ihrem heutigen Geburtstag gratuliert wurde.

(Zurufe: Ja!)

Nun gut, das hat möglicherweise nicht jeder mitgekommen, also hole ich das für alle nach, die das noch nicht wissen. Alles Gute noch einmal!

Herr Dr. Fischer, bitte sehr.

Herr Präsident, Frau Staatsministerin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle stehen in der Verantwortung für die kommenden Generationen. Ich möchte zunächst der Staatsministerin der Justiz eine vorbildliche Mitwirkung an der Konsolidierung des bayerischen Staatshaushaltes bestätigen. Als Rechtspolitiker, der ich in erster Linie bin, möchte ich allerdings hinzufügen: Für meinen Geschmack war es eine fast schon zu vorbildliche Mitwirkung.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich ist der den Justizhaushalt abdeckende Einzelplan 04 knapp gehalten. Natürlich wird er der Verantwortung für kommende Generationen gerecht, aber natürlich wird auch hier der Gürtel enger geschnallt. Und immer, wenn man den Gürtel enger schnallt, muss man aufpassen, dass genug Luft zum Atmen bleibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, es scheint Ihr Vorrecht zu sein, Forderungen zu stellen, ohne Finanzierungsvorschläge zu machen oder mit unrealistischen Finanzierungsvorschlägen zu kommen.

Ein solcher unrealistischer Finanzierungsvorschlag kommt von Ihnen, Frau Stahl; Sie übersehen nämlich bei Ihrer Berechnung, dass auch die Erhebung einer solchen Steuer Geld kostet.