Protokoll der Sitzung vom 17.05.2011

Weiter schreibt er: "Wie soll man Parteien und Rechtsanwälten erklären, dass sie, wenn sie eine Frist versäumen, dann mit Konsequenzen rechnen müssen, aber das Amtsgericht selber diese Fristen teilweise gar nicht einhalten kann?"

Meine Damen und Herren, das ist das Bild eines ganz normalen Amtsgerichts hier bei uns in Oberbayern, und ich fürchte, im Rest von Bayern wird das Bild leider genauso sein. Hier muss gehandelt werden. Denn was hier gemacht wird und was uns im Ausschuss vorgetragen wurde, ist im Grunde eigentlich nur eine Farce, ein läppischer Bericht,

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER und der Abgeordneten Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD))

der auf das wirkliche Ausmaß gar nicht hinweist und auch keine Konsequenzen aufzeigt, wie gehandelt werden muss. Es handelt sich immerhin um die dritte Gewalt im Staat, die am Boden liegt. Da muss man fragen: Wem soll das nützen? Den Gerichten und den rechtsuchenden Bürgern sicher nicht.

Von daher bitte ich Sie, Frau Ministerin, stellen Sie für die Justiz nicht den Totenschein aus, sondern handeln Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Für die SPDFraktion darf ich nun Herrn Kollegen Harald Güller das Wort geben.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Anträge hatten zwei Zielrichtungen. Die eine ist, kurzfristig das Chaos am Amtsgericht Augsburg zu beenden durch das Zurverfügungstellen von Personal und das Aufarbeiten der Akten. Die zweite ist, solche Chaostage, wie sie Ende

2010, Anfang 2011 stattgefunden haben, in Zukunft zu verhindern.

Das erste Ziel ist kurzfristig erreicht worden. Am Amtsgericht Augsburg sind jetzt die Akten im EDVSystem Solum Star, das eigentliche Problem, eingetragen und die Staatsanwälte sind auf dem neuesten Stand. Die Bewährungshilfe kann jetzt wieder entsprechend arbeiten. Aber zu welchem Preis? Es ist nicht neues Personal eingestellt worden, sondern es wurde Personal von anderen Gerichten versetzt. Das heißt, man stopft das eine Loch zu und macht gleichzeitig an anderen Stellen Löcher auf.

Darin zeigen sich die Systemfehler, die zu den Chaostagen am Amtsgericht Augsburg geführt haben. Dieser Systemfehler besteht aus drei Punkten. Erstens: Es ist zu wenig Personal vorhanden, es gibt zu wenig Personal in den Geschäftsstellen, zu wenige Richterstellen, zu wenige Stellen in der Staatsanwaltschaft und auch zu wenig Stellen in der Bewährungshilfe. Und das ist bayernweit so. Die Chance, dies zu ändern, hätten Sie im Doppelhaushalt 2011/2012 gehabt, wenn Sie den Anträgen der SPD auf mehr Richterstellen gefolgt wären. Das haben Sie leider nicht getan.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FREI- EN WÄHLER)

Der zweite Fehler, der sich in Augsburg gezeigt hat, ist: Man macht durch das OLG ein Prüfverfahren, man schafft dabei das Bewährungsreferat ab, obwohl der Ratschlag war, dieses Bewährungsreferat nicht abzuschaffen und die Fälle nicht auf die einzelnen Sachgebiete zu verteilen. Man hört nicht auf diesen Rat. Man weiß alles besser, stellt vom OLG nicht mehr Personal zur Verfügung und verändert sogar die Organisation intern am Amtsgericht gegen den Willen des Amtsgerichts, wie mir berichtet wurde.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Die Bewährungshilfe, die auf die Daten der Probanden angewiesen ist, wer zu welcher Strafe verurteilt wurde oder welche Bewährungsauflage verhängt wurde, wird erst gar nicht gefragt und an dieser Stelle auch nicht informiert. Man schlägt schlicht und einfach den Rat derjenigen, die das System kennen, vor Ort in den Wind. Auch das ist ein Systemfehler.

Der dritte Punkt ist - und darauf haben Sie, Frau Ministerin, und insbesondere Frau Kollegin Guttenberger von der CSU - in den Haushaltsberatungen leider mehrfach rekurriert. Sie haben gesagt: Schuld sind eigentlich nur das Amtsgericht und dessen Präsidentin in Augsburg selber. Sie hätten sich nur früher melden

müssen, dann hätten wir früher von woanders her Personal versetzt. Ich glaube, da machen Sie es sich etwas zu einfach.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zunächst sagen Sie: In unserer Justiz ist alles in Ordnung. Wenn ein neues System eingeführt wird, dann funktioniert das auch. Nur wenn man vor Ort feststellt, dass Fehler da sind, und sich in München melden würde, dann ist die Schuld bei denjenigen, die vor Ort arbeiten. Also ist die Präsidentin des Amtsgerichts schuld, dass ein System ohne zusätzliches Personal arbeiten muss. Und dann wundert man sich, dass die sich nicht rechtzeitig bei Ihnen meldet, weil sie ganz genau weiß, dass ihr das als Führungsschwäche ausgelegt wird. Ganz einfach heißt das, dass Sie die Verantwortung nach unten schieben.

Ein Teil unseres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist also erledigt, nämlich der Antrag nach einem Bericht. Dieser Bericht im Ausschuss hat aber gezeigt, dass es deutlich zu wenig Stellen in der bayerischen Justiz gibt. Er hat auch gezeigt, dass es Systemfehler in der bayerischen Justiz gibt. Außerdem hat dieser Bericht gezeigt, dass es Systemfehler bei der Einführung des Systems Solum Star in Bayern gibt. Deswegen bitte ich Sie, demonstrativ heute beiden Anträgen zuzustimmen, um klarzumachen, dass dringend gehandelt werden muss und dass im nächsten Doppelhaushalt oder im Nachtragshaushalt bereits in diesem Jahr mehr Stellen für unsere bayerische Justiz ausgewiesen werden müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für die CSUFraktion darf ich nun Dr. Franz Rieger ans Mikrofon bitten.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, hier muss man von vornherein differenzieren zwischen dem Einzelfall in Augsburg und dem Einzelfall in Wolfratshausen, den Kollege Streibl dargelegt hat, sowie der Situation der bayerischen Justiz insgesamt, die im Bundesvergleich - aber dazu später - führend dasteht. Das muss man so sagen. Aber zunächst einmal zu Augsburg und Wolfratshausen. Wolfratshausen ist ein Fall, wie er zugegebenermaßen vielleicht öfter vorkommt. Ein Amtsgericht, hier Wolfratshausen, wurde durch Krankheitsfälle und umliegende Aushilfen vorübergehend vielleicht weniger besetzt. Das übrige Personal muss halt dann mehr arbeiten. Von diesem Fall auf die Situation der Justiz in Bayern zu schließen, ist weit hergeholt.

Zu Augsburg. Was hat sich in Augsburg zugetragen? Bei einer routinemäßigen Überprüfung vor circa einem Jahr durch das OLG München wurden erhebliche Bearbeitungsrückstände, vor allem bei Bewährungssachen, festgestellt. Als Hauptursachen wurden eben keine Systemfehler ausgemacht, sondern Mängel in der Aufbau- und Ablauforganisation. Hinzu kam eine wiederum sehr erhöhte Krankheitsrate und nebenbei die Einführung eines neuen EDV-Systems. Wenn es, wie Herr Kollege Güller ausgeführt hat, Systemfehler gegeben hätte, hätten sich ja überall Probleme ergeben müssen. Es war aber nur in Augsburg so. Zugegebenermaßen war es auch wirklich so, dass die dortige Präsidentin sich faktisch nicht an das OLG gewandt und dort um Hilfe gebeten hat. Sie hätte sich früher dorthin wenden können, vielleicht auch müssen. Ich will das nicht beurteilen.

Das OLG hat dem Amtsgericht Augsburg jedenfalls sofort unter die Arme gegriffen, und zwar in organisatorischer wie personeller Hinsicht. Es tut das auch bis heute. So wurden letztes Jahr in den Servicebereichen, also in den Geschäftsstellen, fünf neue Stellen geschaffen und heuer sieben. Es wurden 2,5 neue Richterstellen zugewiesen, und die Staatsanwaltschaft Augsburg, obwohl nicht unmittelbar betroffen, bekam im April einen Staatsanwalt und bekommt im Sommer einen weiteren.

Zudem hat das OLG München am 5. April 2011 eine ergänzende Geschäftsprüfung durchgeführt und dabei festgestellt - so ergibt es der mündliche Bericht, ein schriftlicher Bericht an das Justizministerium liegt noch nicht vor -, dass sämtliche Rückstände bei den Bewährungsakten abgebaut wurden und die Missstände - Herr Kollege Güller hat es ausgeführt - beseitigt wurden. Die organisatorischen Maßnahmen dauern aber in enger Abstimmung mit dem OLG München noch an.

Gleichzeitig hat im Februar 2011 der Leiter der Personalabteilung im Justizministerium, Herr Ministerialdirigent Küspert, im Verfassungsausschuss einen umfassenden Bericht sowohl über Augsburg als auch über die Situation der bayerischen Justiz gegeben. Aufgrund dieses Berichtes haben wir im Ausschuss mit Koalitionsmehrheit beide Anträge abgelehnt.

Meine Damen und Herren, die Vorfälle in Augsburg und auch der in Wolfratshausen sind nicht geeignet, wie die Kollegen uns gerne glauben machen wollen, Schlüsse auf die Situation der bayerischen Justiz insgesamt zu ziehen - im Gegenteil: Die bayerische Justiz ist - das kann nicht bestritten werden - im bundesweiten Vergleich führend. Wir haben die schnellsten Verfahren und die höchsten Bearbeitungszahlen. Ich nenne nur zwei Beispiele. In Strafsachen haben wir

eine durchschnittliche Verfahrensdauer von 2,7 Monaten, im Bundesdurchschnitt beträgt sie 3,9 Monate. Das bezieht sich auf das Amtsgericht. In Zivilsachen, ebenfalls bezogen auf das Amtsgericht, haben wir 3,9 Monate, während es im Bundesdurchschnitt 4,6 Monate sind.

Wo hier der Systemfehler liegen soll, kann ich nicht erkennen. Offensichtlich ist es doch so, dass wir zur Gewährleistung unserer inneren Sicherheit - auch da sind wir führend - eine gut arbeitende Justiz haben. Das ist natürlich das Verdienst unserer guten und hoch motivierten Mitarbeiter, aber auch das Verdienst unseres Justizministeriums, das die innere Organisation der Gerichte und der Staatsanwaltschaften optimal und sachgerecht gestaltet. Das hat es auch in Augsburg getan. Wenn das in Augsburg nicht der Fall gewesen wäre, wären die Fehler nicht so schnell behoben worden.

Ich danke in diesem Zusammenhang ausdrücklich Frau Staatsministerin Beate Merk für ihre bisher geleistete Arbeit und auch für die schnelle Hilfe für Augsburg, durch die, natürlich über das OLG München, die Missstände abgestellt wurden. Meine Damen und Herren, deshalb werden wir beide Anträge ablehnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich nun Susanna Tausendfreund nach vorne bitten. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die bayerische Justiz muss personell besser ausgestattet werden. - Das wissen eigentlich alle. Sie muss deshalb besser ausgestattet werden, damit die Judikative ihre Aufgabe im Rahmen der Gewaltenteilung ordentlich erfüllen kann. Die richterliche Unabhängigkeit erfordert Arbeitsbedingungen, unter denen ausreichend Zeit für die genaue Prüfung der einzelnen Fälle besteht. Eine Fließbandjustiz darf es nicht geben; genauso wenig darf es überlange Verfahrensdauern geben.

Vonseiten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN wurden in den jeweiligen Haushaltsberatungen eigentlich immer gebetsmühlenartig zusätzliche Stellen gefordert - Richterstellen an den verschiedenen Gerichten, Stellen für die Zuarbeit in den Geschäftsstellen, im Service-Bereich der Gerichte und Stellen sowie bessere Arbeitsbedingungen für die Gerichtsvollzieher. Wir haben auch die Defizite bei der Ausstattung der Bewährungshilfe und auch bei der Ausstattung der Staatsanwaltschaften angeprangert - leider ohne großen Erfolg.

Die Vorkommnisse beim Amtsgericht in Augsburg zeigen, dass wir den Finger in die richtige Wunde gelegt haben, auch wenn einige Besonderheiten aufgetreten sind, wie der hohe Krankenstand oder die Einführung eines neuen EDV-Systems. Mich wundert allerdings schon, warum gerade das Augsburger Amtsgericht so große Schwierigkeiten gehabt hat, mit dem neuen System umzugehen, und warum Probleme entstehen können, wenn ein neues System eingeführt wird, das wahrscheinlich bayernweit eingeführt worden ist. Das ist eigentlich nicht nachvollziehbar. Dann muss man eben Leute dazunehmen, die sich fachlich auskennen,

(Harald Güller (SPD): Genau!)

damit Richter nicht auch noch mit dem neuen EDVSystem kämpfen müssen. Jemand sollte die Leute ordentlich einführen.

(Harald Güller (SPD): Genau das hätte man machen müssen! Mehr Personal zur Verfügung stellen!)

Es darf nicht sein, dass hunderte von Strafakten liegen bleiben, dass Bewährungshelfer nicht tätig werden können etc. pp. Wir kennen alle die Ergebnisse der PEBB§Y-Studie. Sie zeigen auf, wie viele Richterstellen, wie viele Stellen in den Geschäftsstellen etc. zu wenig vorhanden sind. Hier muss unbedingt nachgebessert werden. Sicherlich kann man vieles mit einer guten Organisation auffangen, aber nicht alles, was schief gelaufen ist.

Für uns ist, was die beiden Anträge anbelangt, nicht nachvollziehbar, dass sich CSU und FDP so vehement dagegen wehren, dem üblichen parlamentarischen Gang eines Berichtsantrags zu folgen. Ich habe sehr selten erlebt, dass Berichtsanträge abgelehnt worden sind. Eigentlich ist es ein Gebot der Fairness wir gehen mit fast allen Berichtsanträgen so um -, dass sie einstimmig durchgehen. Wir können nur profitieren, wenn Berichte gegeben werden.

Die konkrete Situation in Augsburg ist geklärt worden. Insoweit hat sich ein Teil der Anträge erledigt. Das heißt, die Berichtsanträge beziehen sich nur auf die Situation der bayerischen Justiz insgesamt. Wir können doch wirklich nur profitieren, wenn wir wissen, wohin wir in Zukunft müssen.

Der Bericht im Rechts- und Verfassungsausschuss war nicht erschöpfend. Deswegen haben sich die Anträge schon gleich gar nicht erledigt. Außerdem sind wir in einer Sitzung mit diesem Bericht konfrontiert worden, in der wir noch einen anderen Bericht hatten und eigentlich nur noch sehr wenig Zeit zur Verfügung stand. Vorbereitungszeit hatten wir uns ebenfalls

nicht, sodass man sich auf die Debatte noch besser vorbereiten hätte können. Die weitere Debatte wird jetzt mit dem Argument, der Bericht ist schon gegeben worden, abgewürgt. Es ist eine demokratische Notwendigkeit, sich mit personellen Defiziten bei der bayerischen Justiz intensiv zu beschäftigen und auch Abhilfe zu schaffen. Mit der Ablehnung der Anträge müssen Sie von den Koalitionsfraktionen sich vorwerfen lassen, dass in Bayern die Arbeit der Justiz von der Kassenlage abhängt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Für die FDPFraktion darf ich nun Dr. Andreas Fischer ans Mikrofon bitten.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! "Chaostage am Augsburger Amtsgericht"; "Augsburg ist überall" - solche Überschriften sind nicht nur sachlich völlig ungerechtfertigt; sie passen auch eher in die Boulevardpresse als in eine sachliche und seriöse Debatte im Bayerischen Landtag.

(Beifall bei der FDP)

Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Frau Kollegin Tausendfreund, Sie beklagen die Ablehnung eines Berichtsantrages. Ich sage Ihnen: Ich bin gerne bereit, einem Berichtsantrag zuzustimmen, aber nur dann, wenn ein Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, nicht aber, wenn der Bericht bereits gegeben worden ist und in den Ausschussprotokollen nachgelesen werden kann. Dann ist nämlich ein Berichtsantrag überflüssig. Was übrig bleibt, ist ein reiner Schaufensterantrag. So ist es auch hier.

(Zuruf von der SPD: Damit werden Sie dem An- liegen nicht gerecht, Herr Kollege!)

Zum anderen möchte ich darauf hinweisen, dass Sie in Ihrem Antrag die Situation in Augsburg und die Situation in Bayern völlig vermischen. Beides ist aber sorgfältig zu trennen. Wenn Sie den Bericht, der im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes gegeben worden ist, gelesen hätten, hätten Sie auch erkannt, welche regionalen Besonderheiten am Amtsgericht Augsburg bestanden haben. Das war eben nicht nur Personalmangel in besonders hohem Maß, sondern eben auch die Art der Organisation, die arbeitsteilige Organisation in der Geschäftsstelle, die arbeitsteilige Organisation im Gericht insgesamt. Es ist schnell Abhilfe geleistet worden. In kürzester Zeit wurde zusätzliches Personal nach Augsburg geschickt. Dem Amtsgericht Augsburg wurde eine Orga