Protokoll der Sitzung vom 13.07.2011

Danke, Frau Kollegin. - Bitte, Herr Sibler.

Liebe Frau Gote, das, was der Familie von Herrn zu Guttenberg widerfahren ist, lesen Sie einfach im "Focus" nach. Dann wissen Sie, was alles gelaufen ist.

Ich betone, dass wir über die Dinge sehr wohl inhaltlich beraten haben. Gerade im Zusammenhang mit den Anträgen des Kollegen Dr. Rabenstein haben wir

intensiv gerungen. Schwächen wurden besprochen. Wir haben ein parlamentarisches Zeichen gesetzt.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Sie haben doch dem Antrag nicht zugestimmt!)

Deshalb ist für mich die Sache abgearbeitet. Frau Gote, Ihnen geht es darum, die Thematik mit einer politischen Konnotation zu versehen. Auf der sachlichen Ebene sind wir längst viel weiter, als Sie unterstellen.

(Beifall bei der CSU)

Danke, Herr Kollege Sibler. - Für die SPD-Fraktion bitte ich Herrn Dr. Rabenstein an das Mikrofon.

Die Technik, die wir im Moment haben, widerspricht ein bisschen dem Appell an ein lebendiges Parlament, denn ich muss erst schalten, schalten und nochmals schalten.

Bitte, Herr Dr. Rabenstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Fehler kommen überall vor, auch bei der Technik hier im Parlament.

Man muss die Sache sehr differenziert sehen. Ich habe promoviert - in Bayreuth.

(Zuruf von der CSU: Sehr gut!)

Auch ich werde des Öfteren angesprochen, wie es denn mit meiner Arbeit ausschaue. Ich nehme das Ganze humorvoll und erwidere: Wer Zweifel hat, muss meine Arbeit lesen. - Ich kann sehr ruhig schlafen.

An der Universität Bayreuth habe ich auch als Assistent gearbeitet und allen Studierenden im Fachbereich Geschichte schon im ersten Semester das kleine Einmaleins des Zitierens beigebracht. Ich sage sehr deutlich: Was hier von Herrn zu Guttenberg, aber auch von anderen abgeliefert wurde, ist wahrhaft keine Bagatelle.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Wir müssen uns darüber klar sein, dass es hier um die Aneignung von Eigentum anderer geht.

Oft ist zu hören, es handele sich doch "nur" um geistiges Eigentum. Demnach soll wohl zwischen materiellem und geistigem Eigentum unterschieden werden. Die Verletzung materiellen Eigentums, etwa wenn eine Kassiererin ein paar Cent aus der Kasse verschwinden lässt, wird bei uns hart geahndet. Wenn es

um die Aneignung fremden geistigen Eigentums geht, ist jedoch oft zu hören, jeder habe doch schon einmal abgeschrieben. Ich warne vor einer solchen Differenzierung. Ob es sich um die Verletzung materiellen oder geistigen Eigentums handelt - für mich ist das Diebstahl und keine Bagatelle.

An dieser Stelle setzt auch meine Kritik an der CSU an. Dort sieht man zwar ein, dass man nicht mehr behaupten kann, Herr zu Guttenberg hätte seinen Titel behalten können; aber er wird immer noch als hochanständiger Mensch dargestellt, der seine politische Karriere irgendwann fortsetzen könne. Monika Hohlmeier hat im "Nordbayerischen Kurier" geäußert, die Medien sollten doch nicht eine solche "Hetzjagd" veranstalten.

Wer so argumentiert, verwechselt Opfer und Täter. Die Doktorväter hätten zwar besser aufpassen müssen, das sehe auch ich ein. Aber Schuld hat eindeutig Herr zu Guttenberg. Deswegen haben wir auch den Antrag der GRÜNEN unterstützt.

Liebe Ulrike Gote, ich muss allerdings hinzufügen, dass er sehr allgemein formuliert ist. Deswegen haben wir als Sozialdemokraten gehandelt und Anträge zur Verbesserung der Promotionsordnungen eingebracht; Kollege Sibler hat es schon erwähnt.

In diesem Zusammenhang muss ich die Abgeordneten der FDP und der CSU loben - das mache ich nicht häufig -, da über unsere Anträge ernsthaft diskutiert worden ist. Wir Sozialdemokraten haben auch einen Erfolg erzielt. Viele Promotionsordnungen verweisen noch auf ein Gesetz von 1939, das u. a. die "Unwürdigkeit" von Promovenden oder Promovierten zum Gegenstand hat. Dieses Gesetz entstand damals vor einem ganz anderen Hintergrund; ein Verweis darauf hat in unseren Promotionsordnungen nichts mehr zu suchen. Unser Antrag ist einstimmig angenommen worden. Dafür noch einmal mein herzlicher Dank.

Auch in unserem zweiten Antrag fordern wir konkrete Änderungen in den Promotionsordnungen: Alle Doktorarbeiten müssen grundsätzlich in elektronischer Form vorliegen. Doktoranden müssen bei Abgabe der Arbeit eine eidesstattliche Erklärung abgeben; eine ehrenwörtliche Erklärung, die noch bei Herrn zu Guttenberg genügt hat, darf nicht ausreichen. In der Frage, wer promovieren darf, muss Transparenz hergestellt werden. Das darf nicht von zwei Professoren abhängig gemacht werden, wie es laut Promotionsordnung der Universität Bayreuth möglich war. Dort waren die Voraussetzungen nicht so transparent gestaltet, wie es notwendig gewesen wäre.

Es ist zumindest auf den Weg gebracht worden, dass wir der Universität Bayern e. V. den Antrag als Handlungsanweisung übergeben.

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Ende. - Wir Sozialdemokraten haben also auch Erfolg gehabt.

In meiner Schlussbemerkung knüpfe ich an meinen eingangs erfolgten Hinweis an, dass Fehler passieren können. Ich habe mir extra einen Zettel mitgenommen, um Frau Hohlmeier - ihrer Aussage schließe ich mich ausnahmsweise an - zitieren zu können:

Aus Fehlern lernt man, an schwierigen Lebenssituationen reift man.

Ihre Redezeit ist wirklich zu Ende.

Für unser Parlament ist Folgendes ganz wichtig:

Wenn nur noch Menschen ohne Fehler politisch aktiv sein dürften, dann wären unsere Parlamente gähnend leer.

Da hat sie recht.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Dr. Rabenstein. - Herr Professor Dr. Piazolo bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist in zahlreichen Talkshows und in Debatten mindestens zur Genüge abgehandelt worden. Es gibt wahrscheinlich nur wenige Dinge, die man noch hinzufügen kann. Deshalb will ich mich auf zwei Anmerkungen beschränken.

Die erste betrifft den bei uns herrschenden Wissenschaftsbegriff. Es bereitet mir durchaus Sorge, dass wir in der letzten Zeit hauptsächlich über Fußnoten diskutiert haben. Diese sind wichtig. Es gehört zum Grundhandwerk jeder wissenschaftlichen Arbeit, dass man Fußnoten ordnungsgemäß setzt. Vieles, was in diesem Bereich geschehen ist, ist nicht zu entschuldigen. Das steht aber nicht im Zentrum einer wissenschaftlichen Arbeit. Im Zentrum stehen vielmehr die Inhalte, die man vermitteln will. Wir sollten auf wissenschaftliches Arbeiten sehr viel Wert legen. Das steht

im Antrag, und deshalb werden wir diesen Antrag unterstützen.

Wir würden gern einen anderen Schwerpunkt setzen. Man sollte frühzeitig im Studium die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vermitteln. Das kommt aus meiner Sicht im Studium viel zu kurz. Man sollte im ersten und zweiten Semester lernen, wie man mit Fußnoten arbeitet. Gerade Juristen lernen das erst dann, wenn sie ihre Doktorarbeit schreiben. An diesem Punkt sollten wir ansetzen. Wir sollten die Hochschulen darauf hinweisen, dass Missbrauch durch das Einüben des wissenschaftlichen Handwerks verhindert werden kann.

Gerade in der letzten Zeit sind viele Fehler gemacht worden, die unter anderem über das Internet aufgedeckt worden sind. Das Internet begünstigt übrigens den Missbrauch. Das Copy-and-Paste-Verfahren erleichtert das Kopieren und Einfügen von Textpassagen in die eigene Arbeit und kann zur Verschleierung beitragen. Umso wichtiger ist es, das wissenschaftliche Handwerk zu erlernen.

Ich möchte noch ein zweites Thema ansprechen. Wir alle sollten uns Gedanken über Politik als Beruf machen. Mich hat, das will ich hier deutlich sagen, die Wucht der Anwürfe nachdenklich gemacht. Wir befinden uns hier nicht in der Position, in der sich Herr zu Guttenberg befunden hat. Er ist in kürzester Zeit aufgestiegen und wie Ikarus der Sonne zu nahe gekommen. Sein Sturz war umso tiefer. Trotzdem waren manche Reaktionen sehr heftig. Darüber muss man nachdenken. Meine Ausführungen betreffen jetzt bewusst nicht den Antrag. Ich halte den Antrag für sehr ausgewogen. Meine Ausführungen beziehen sich auf vieles, was wir in Talkshows gesehen und in der Presse gelesen haben. Es gab eine Menge von persönlichen Angriffen. Ich erinnere mich an einen Satz, den ein Kollege der CSU am Anfang meiner Parlamentszeit geäußert hat. Er sagte: Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass unser Beruf oft so negativ gesehen wird; denn wir sind die einzige Berufsgruppe, deren Mitglieder sich ständig gegenseitig diffamieren. - Man sollte diese Angelegenheit zum Anlass nehmen, über Politik als Beruf nachzudenken. Wir sollten uns überlegen, wie wir uns selber sehen. Zumindest mich hat diese Debatte nachdenklich gestimmt. Ich möchte anregen, auch in der Öffentlichkeit über dieses Berufsbild vertieft zu diskutieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke, Herr Professor Piazolo. - Für die FDP bitte ich Frau Dr. Bulfon an das Redepult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal vielen Dank für Ihre nachdenklichen Worte, Herr Professor Piazolo. Ich habe sie in der Debatte als sehr erfrischend empfunden. Jetzt werden vielerlei Plagiatsfälle aufgedeckt. Wir müssen darauf achten, dass wir weiterhin die Priorität auf wissenschaftliches Arbeiten setzen.

Der Antrag der GRÜNEN wendet sich gegen die Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Weiterhin wollen die GRÜNEN, dass die Universität Bayreuth bei der Aufklärung der Plagiatsaffäre Unterstützung erfährt. Diese Forderung erweckt den Eindruck, wir wären nicht aktiv geworden. Das ist aber nicht der Fall. Es gab sehr frühzeitig eine Pressemitteilung des Ministers, in der er sich ausdrücklich gegen die Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens gewendet hat. Auf der anderen Seite wurde die Aufklärungsarbeit der Universität Bayreuth unterstützt. So hat Frau Mangels, die Betreuungsreferentin des Ministeriums, der Universität den Rücken gestärkt. Insofern ist einiges in die Wege geleitet worden. Es wurde eine Kommission eingesetzt, und zwei unabhängige Gutachter, die von allen Seiten, insbesondere im Wissenschaftsbereich, geschätzt werden, kamen zum Einsatz. Es handelte sich um Professor Löwer und um Professor Mittelstraß, der die bayerischen Verhältnisse sehr gut kennt und gute Aufklärungsarbeit geleistet hat. Der Bericht wurde - das ist ein Zeichen von Transparenz - veröffentlicht.

Ich möchte darauf eingehen, wie wir mit dieser Affäre umgehen. Der Bericht wurde Anfang Mai veröffentlicht. Das Ministerium hat diesen Bericht ausgewertet. Wichtig ist, dass mehr Lehrveranstaltungen zu wissenschaftlichem Arbeiten durchgeführt werden. Das Promotionsstudium muss sehr viel stärker in Graduiertenkollegs strukturiert werden. Die Zahl der Dissertationen, die von einem Professor betreut werden, sollte begrenzt werden. Das sind Vorschläge, wie wir in Zukunft ähnliche Fälle vermeiden können. Es gab viele Anregungen, die ich interessant fand, zum Beispiel von der SPD.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

So wurde angeregt, die Dissertationen in elektronischer Form einzureichen und anstatt einer ehrenwörtlichen Erklärung eine eidesstattliche Erklärung vorzusehen. Ferner sollten die Promotionsordnungen transparenter gestaltet werden. Schließlich sollte genauer definiert werden, was wissenschaftliches Fehlverhalten ausmacht. Eines muss uns aber klar sein: Wir können nicht überall eingreifen. Das Promotionsrecht ist die ureigenste Sphäre der Universitäten. Es liegt in der Eigenverantwortung der Universität und

fällt in den Bereich der Wissenschaftsfreiheit. Diese ist verfassungsrechtlich garantiert. Die Universitäten müssen selbst tätig werden. Es gibt Gerichtsurteile, die das Eingreifen des Gesetzgebers in diesen Bereich verbieten. Auch darauf möchte ich in diesem Zusammenhang hinweisen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Frau Dr. Bulfon. - Ich bitte zu einer abschließenden Rede Herrn Staatsminister Heubisch ans Mikrofon.