Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt auf Drucksache 16/9635 Ablehnung des Antrags. Wer dagegen dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist Frau Dr. Pauli. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. - Die kommen aus allen Fraktionen des Hauses. Enthaltungen? - Ich sehe keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Isabell Zacharias, Prof. Dr. Peter Paul Gantzer u. a. und Fraktion (SPD) Studienplätze und Infrastruktur für zusätzliche Studierende umgehend schaffen (Drs. 16/8520)

Ich eröffne die Aussprache. Die Begründung liefert Frau Kollegin Zacharias.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr verehrter Herr Präsident! Wir haben heute einen Antrag eingebracht, weil wir über das Thema diskutieren wollen und Herrn Minister Heubisch eine Steilvorlage liefern möchten; denn wir müssen unbedingt heute beschließen, dass wir 10.000 Studienplätze mehr brauchen. Heute, nicht gestern, nicht vorgestern, auch nicht morgen. Diese 10.000 Plätze mehr müssen wir vielmehr sofort haben. Das werde ich erklären, damit Herr Heubisch dies im Kabinett verteidigen kann.

Weiter sage ich dem Fachminister Heubisch Argumente dafür, warum wir auch in der Infrastruktur nachlegen müssen. Herr Minister Sie haben unlängst, am 27. September, auf einer Pressekonferenz wunderbar gesagt - ich zitiere Sie -:

Denn für mich steht fest: Der doppelte Abiturjahrgang

- meine sehr verehrten Damen und Herren, lauschen Sie andächtig!

und die steigenden Studierendenzahlen sind keine Belastung, sie sind eine historische Chance.

Ja, Herr Minister, das mit der historischen Chance sehe ich genauso. Aber was machen Sie damit? Sie treten diese Chance. Das will ich belegen. Während Ihres Wahlkampfes standen wir doch zusammen an irgendwelchen Gemüseständen in Schwabing. In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie bereits geschrieben: Wir brauchen zu den 38.000 Studienplätzen für den doppelten Jahrgang 2011 weitere 10.000. Da ahnten Sie und ich nicht, dass wir auch die Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes bekommen würden.

Sie haben also damals 10.000 mehr Plätze gefordert. Dann sind die Wehrpflicht und der Zivildienst abgeschafft worden. Das entspricht zwischen 5.500 und 7.000 Plätzen. Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass wir an den Universitäten schon seit Jahren eine enorme Überlast haben. Die 38.000 Studienplätze, die Sie vollmundig eingestellt haben, was auch richtig war, brauchen wir ohnehin, um die Überlast an den großen Universitäten zu kompensieren. Wenn wir zu den 10.000 Zusatzplätzen wegen des doppelten Abiturjahrgangs noch zwischen 5.500 und 7.000 Plätze hinzuzählen, kommen wir auf eine hohe Zahl. Aber Sie hinken allem immer hinterher.

Was die 10.000 Zusatzplätze betrifft, so lag doch Ihre erste Prognose im Jahr 2007 bei 70.000 Plätzen. Ein Jahr später lag sie bei 76.000. Jetzt liegt sie bei 79.000. Mit Ihren 10.000 und irgendwelchen möglicherweise fehlenden Studienplätzen kompensieren Sie immer Zahlen, die Sie nicht einstellen. Ich verstehe gar nicht, warum Sie nicht rechnen können.

Ich sage Ihnen: Wir brauchen nicht nur 10.000 mehr das gilt heute, nicht zum Ende 2012 unter Finanzierungsvorbehalt -, wir brauchen auch nicht 5.500 oder mehr wegen der Wehrpflichtaussetzung, sondern wir brauchen zwischen 20- und 30.000 zusätzliche Studienplätze, damit Sie die historische Chance nutzen können.

Ich sage noch etwas zur derzeitigen Situation. Im Sommersemester 2011 haben dreimal so viele junge Leute ihr Studium aufgenommen als sonst. In dem jetzt anlaufenden Wintersemester rechnen wir damit, dass mehr als 10 % Studenten allein in München zusätzlich zugelassen sind. Die LMU hat z. B. die zulassungsbeschränkten Studienzugänge auf das Doppelte festgesetzt.

Wir sehen also, dass die Hemmschwellen künstlich hochgezogen wurden, um Studierende nicht zulassen zu müssen.

Sie haben zugelassen, Herr Minister, dass das Geld für die Hochschulen pro Studierenden von 2010 auf 2011 um 1.000 Euro gekürzt wurde, obwohl Sie von einer historischen Chance sprechen. Sie haben zugelassen, dass 20 % des zugestandenen mittelbaren Personalbestands - Professorinnen und Professoren immer noch zurückgehalten werden, obwohl die Hörsäle knackevoll sind.

Dann zur Frage der Infrastruktur. Es geht um die Studentenwerke. Der Zuschuss pro Student ist von 2009 auf 2010 um 22 % gekürzt worden. Wir wissen aber, dass wir Wohnräume brauchen. Wir brauchen gutes, leckeres, saisonales Essen. Wir brauchen psychosoziale Beratung. Und wir brauchen BAföG. Die BAföGÄmter, denen schon jetzt wahnsinnig viele Anträge vorliegen, haben Sie, Herr Minister, nicht ausgestattet.

Die Studierenden müssen auch schlafen. Wo haben Sie hier eine Kampagne "Wohnraum schaffen" gestartet? Allein in München gibt es 10.500 wunderbare Wohnräume. Aber wie viel haben Sie gebaut? Die vorhandenen Wohnräume sind für das jetzige Wintersemester bereits alle belegt. Sollen die vielen Studierenden, die keinen Wohnraum finden, bei Ihnen zuhause übernachten? 300 von 550 ausländischen Studierenden haben keine Wohnung; sie suchen eine.

Wie Sie sehen, ist die Situation eng. Sie lassen sogar zu, dass Studierende in Kinosälen ihre Vorlesungen genießen. Es wird ein Studierender zitiert: Auf dem schönen warmen Sessel bin ich gleich eingeschlafen. - Wenn das Ihre Wahrnehmung von Chancen der Geschichte ist, dann haben Sie hier geschlafen. Träumen Sie weiter!

(Beifall bei der SPD)

Für die CSUFraktion darf ich dem Kollegen Oliver Jörg das Wort geben.

Geschätztes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Sie haben unterstrichen, dass

exakt jetzt die Diskussion kommen muss und dass die 10.000 zusätzlichen Studienplätze jetzt kommen müssen. Ich sage Ihnen aber, warum jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, darüber zu diskutieren.

Vor einer Woche haben die Vorlesungen an den Fachhochschulen/Hochschulen für allgemeine Wissenschaften begonnen. Erst nächste Woche beginnen die Vorlesungen an den Universitäten. Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine gesicherten Zahlen. Wir wissen jetzt nicht, wie es ab Montag - und das nehmen wir selbstverständlich ernst - an den Hochschulen ganz konkret aussieht.

Sie wissen ganz genau: Wir warten mit Spannung darauf, am Freitag die Schnellmeldezahlen zu erhalten.

(Zurufe von der SPD)

- Sie brauchen nicht dazwischenzurufen und so zu tun, als wäre nichts gemacht worden. Andere Bundesländer schauen neidvoll auf das, was wir in Bayern in den letzten Jahren abgeliefert haben.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben jetzt 130.000 qm mehr für Seminarräume, Vorlesungssäle und Räume für wissenschaftliches Personal. Sie dürfen durch ganz Bayern fahren und überall den glücklichen Umstand zur Kenntnis nehmen, dass wir Gebäude einweihen.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben allein 583 Millionen Euro aufgewandt, um diese Raumkapazitäten zu schaffen. Über die Neuanmietungen wollen wir gar nicht reden. Und was wir personell gemacht haben, wissen Sie ganz genau.

Frau Kollegin Zacharias. Sie brauchen sich hier nicht hinzustellen und so zu tun, als wäre die Problematik der Aussetzung der Wehrpflicht von uns nicht aufgegriffen worden.

(Isabell Zacharias (SPD): Wo denn?)

- 220 zusätzliche Stellen gibt es in diesem Jahr, und 220 zusätzliche Stellen gibt es im nächsten Jahr. Das entspricht 2.750 Studierenden für dieses Jahr und 2.750 Studierenden für das nächste Jahr. Das sind in der Summe 5.500 Studierende, die prognostiziert werden.

(Zurufe von der SPD)

- Wir brauchen uns gar nicht so intensiv zu streiten.

Schauen wir doch einmal das Hauptproblem an. Als Beispiel nehme ich den studentischen Wohnraum.

Auch da schaut man neidvoll nach Bayern. Es gibt 4.000 Studentenwohnplätze mehr. Damit haben wir in Bayern eine Quote von um die 13 %. Ja, wie sieht es denn andernorts aus? - In Rheinland-Pfalz, dort regiert die SPD, sind es 10 %, in Berlin, dort regiert die SPD und eine andere Partei, sind es 6 % oder 7 %. Wir müssen doch nicht so tun als wäre in Bayern nichts gemacht worden!

(Beifall des Abgeordneten Dr. Thomas Goppel (CSU))

Jetzt kommt noch dazu, dass niemand von uns hier im Saal sagt, dass vielleicht nicht noch mehr gemacht werden muss. Im Gegenteil, der Staatsminister hat bei einem wunderschönen Anlass, der Einweihung des Fachhochschulgebäudes in Würzburg, das 30 Millionen Euro kostete, in aller Öffentlichkeit unterstrichen, dass wir uns das ganz genau ansehen werden. Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, wenn es erforderlich ist, dann werden wir sehr wohl über weitere 10.000 Studienplätze nachdenken. Auch Ministerpräsident Seehofer hat das unterstrichen. Sie brauchen also gar nicht so tun, Frau Kollegin Zacharias, als hätten wir das Problem nicht voll im Griff, im Gegenteil.

(Lachen bei der SPD)

Sehen Sie doch einmal die anderen Bundesländer an. Ich kann nur noch einmal unterstreichen: Von dort aus wird neidvoll nach Bayern geblickt - auf das, was wir hier in Bayern erreicht haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit 38.000 Studienplätzen, die wir jetzt geschultert haben, und den insgesamt 5.500 Studienplätzen zur Abfederung der Aussetzung der Wehrpflicht stehen wir gut da und können die 76.000 Studierenden, die Sie erwähnt haben - wenn wir die Studierenden hinzurechnen, die durch die Abschaffung der Wehrpflicht noch hinzukommen, dann sind es sogar 79.000 Studierende am kommenden Montag tatsächlich in Empfang nehmen.

Auch wir gehen davon aus, dass es nicht überall super läuft. Wir wissen nicht genau, für welchen Studiengang an welcher Universität besonders großer Bedarf besteht. Wenn es dann an der einen oder anderen Ecke knistert, ist das kein Wunder. Überlegen Sie aber doch einmal, welche Herausforderung wir in den letzten zwei oder drei Jahren gemeistert haben.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Zu spät!)

Anschließend wird nachjustiert. Es war im Übrigen eine kluge Entscheidung, 10 % und nicht 20 %, wie Sie erwähnten, zurückzuhalten und an der Stelle, wo Bedarf ist, können wir exakt personell nachsteuern.

(Zuruf der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD))

- 20 %, sagen Sie? - Das ist ja noch schöner, denn dann haben wir noch mehr Spielraum. Notfalls können wir sogar noch obendrauf satteln. Ist das keine begrüßenswerte Aussage, die der Minister hierzu getroffen hat? Ich finde es deshalb unmöglich und kann mich nur darüber ärgern, wenn Sie sich hier herstellen und nicht ein Wort darüber verlieren, was geleistet wurde. Das gilt für die staatlichen Hochbauämter und alle beteiligten Behörden. Sie alle haben in den letzten zwei Jahren wirklich gekämpft und sind kaum nachgekommen, das zur Verfügung stehende Geld zu verbauen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER darf ich nun Herrn Professor Dr. Piazolo das Wort geben. Bitte schön.