Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Herr Herrmann, hören Sie zu: Wenn dies zutrifft,

(Georg Schmid (CSU): Er hört ja zu! Er ist hoch aufmerksam! Er schreibt sogar mit, was Sie sagen! - Weitere Zurufe von der CSU)

muss das Bayerische Landeskriminalamt dieses Schadprogramm mit den ungeschützten Nachlademöglichkeiten auf dem Rechner installiert haben. Sonst hätte es der Chaos Computer Club gar nicht untersuchen können. In diesem Fall hätten Sie aber uns in den diversen Pressemitteilungen jetzt nicht die Wahrheit gesagt, weil Sie behauptet haben, dass beim Trojaner-Einsatz alle rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden - wir haben vorher schon geklärt, dass das nicht der Fall war - und dass nur das Modul der Bildschirm-Shot-Funktion verwendet worden wäre. Es ist aber das gesamte Programm aufgeladen worden. Wenn das so ist

(Zuruf von der CSU: Nein, so ist es aber nicht!)

- das wird die Aufklärung bringen -, müssen Sie Ihren Hut nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Andreas Fischer (FDP): Sie wissen immer schon alles vorher!)

Gerade der Innenminister muss für die unbedingte Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundsätze stehen. Dies tut er natürlich nicht, wenn er den Einsatz des Bayern-Trojaners bis heute eigentlich ziemlich kaltschnäuzig verteidigt. Da hilft es auch nichts, dass Sie

jetzt den vorläufigen Stopp verkündet haben. Nachdem Bundesinnenminister Friedrich den Ländern empfohlen hat, auf den Einsatz zu verzichten, kamen Sie wohl auch nicht umhin, den geordneten Rückzug anzutreten und den Stopp zu verkünden. Ich meine, der Druck in Ihrer eigenen Fraktion und beim Koalitionspartner ist auch immer größer geworden, sodass Sie versucht haben, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

(Alexander König (CSU): Nein, nein, nein!)

- Doch, doch! Sie sagen jetzt jedenfalls: Wir schalten den Datenschutzbeauftragten ein. Ich glaube, das ist ein ungeeignetes Mittel. Im Nachhinein ist es kaum möglich, zu überprüfen, ob es beim Einsatz sowohl datenschutzrechtliche als auch verfassungsrechtliche Probleme gegeben hat. Außerdem ist es vornehmste Aufgabe des Innenministeriums und des Justizministeriums, vorher zu überprüfen, ob eine solche Software eingesetzt werden darf oder nicht,

(Zuruf von den GRÜNEN)

ob der schmale Grat zwischen Quellen-TKÜ und der unzulässigen Online-Durchsuchung verlassen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn schon, dann hätte Herr Petri vorher eingeschaltet werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hinterher ist das doch ein reines Ablenkungsmanöver.

In der Vergangenheit haben Sie, Herr Herrmann, immer schon Rechtsmeinungen vertreten, die bei Anwendung der jeweiligen Gesetze durchaus elementare Grundrechte verletzt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Oh-Rufe von der CSU - Alexander König (CSU): Bösartige Vorwürfe!)

Diese Meinungen mussten vom Bundesverfassungsgericht korrigiert werden. Ich sage nur: Das Versammlungsrecht ist in wesentlichen Teilen gekippt worden, ebenfalls Ihr Wunsch nach der Vorratsdatenspeicherung. Das Maß ist jetzt wirklich voll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir können froh sein, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung vom 27. Februar 2008 das Computergrundrecht geschaffen hat, das Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, damit verbunden die Gewährleistung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensführung auch im Bereich der

Anwendung von IT-Systemen. Dies gilt es zu verteidigen.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich beim Chaos Computer Club bedanken, dass er diese Sache aufgedeckt hat und uns die Einzelheiten analysiert und vorgetragen hat.

Zur Justizministerin. Bisher haben Sie sich sehr bedeckt gehalten, eigentlich noch gar keine Ausführungen gemacht. Es wird immer gesagt: Die Maßnahmen waren ja gerichtlich angeordnet. Innenminister Herrmann versteckt sich dahinter, dass es gerichtlich angeordnet worden ist. Ich gehe aber davon aus, dass die Richter, die eine Quellen-TKÜ-Maßnahme angeordnet haben, nicht unbedingt gewusst haben, was alles hinter diesem Programm steckt, was man mit ihm alles machen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ihre Aufgabe wäre es gewesen, vorher zu sehen, mit welchen Mitteln das Landeskriminalamt die QuellenTKÜ durchführt, ob sie Rechtsstaatsprinzipien entsprechen oder nicht. Da sind Sie anscheinend Ihrer Aufgabe nicht nachgekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Antrag fordert den sofortigen Stopp, weil wir der Auffassung sind, dass es technisch gar nicht machbar ist, in der Praxis eine Quellen-TKÜ von einer unzulässigen Online-Durchsuchung zu unterscheiden.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Aber es ist doch schon gestoppt!)

Das heißt, es muss ein dauerhafter Stopp sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen natürlich die Aufklärung und haben einen umfangreichen Fragenkatalog gestellt.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist ein reiner Persilschein nach dem Motto: Wir vertrauen der Regierung. So geht es wirklich nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie gehen davon aus, dass die Regierung alles richtig gemacht hat. Sie hat eben nicht alles richtig gemacht. Beim SPD-Antrag können wir leider nicht mitziehen, weil Sie die Maßnahmen grundsätzlich nicht in Frage stellen, sondern eigentlich nur die geeignete Software haben wollen. Das können wir nicht mittragen. Ansonsten ist natürlich wichtig, dass die Fragen geklärt werden. Die FREIEN WÄHLER beschränken sich auf

einen Fragenkatalog. Da können wir natürlich mitziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kündige an, dass namentliche Abstimmung zu allen vier Anträgen beantragt ist.

Das Wort hat Kollege Pohl.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal halte ich fest: Wir brauchen die Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Wir brauchen sie, um Terrorismus und schwerste Kriminalität zu verhindern.

Ich bin anders als einige meiner Vorredner der Meinung: Wir haben eine klare gesetzliche Regelung. Sie wurde zumindest durch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert. Somit haben wir kein Problem mit der Rechtsgrundlage.

Aber wenn der Gesetzgeber ein so scharfes Schwert zur Verfügung stellt, muss man im Vollzug ganz besondere Anforderungen beachten. Wir haben es mit höchst grundrechtssensiblen Bereichen zu tun. Mit derartigen Instrumenten darf man nicht lässig umgehen. Man muss genau wissen, wie gefährlich diese Instrumente in Bezug auf die Verletzung von Grundrechten unserer Bürger sind.

Herr Staatsminister Herrmann, hier sind Sie gefragt. Es geht um Ihre Verantwortung, nicht um die Verantwortung der Justizministerin. Hier geht es ausschließlich und eindeutig um die Verantwortung des Innenministers, mit diesen Instrumentarien sorgsam umzugehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

In der vergangenen Woche hatten wir eine Diskussion über bedauerliche Vorfälle in der Polizeiinspektion in Rosenheim. Man hat Sie hier kritisiert und unter Beschuss genommen. Nach meiner Meinung war das ein Stück weit bemüht; denn Sie können natürlich nicht für jeden einzelnen Beamten persönlich geradestehen.

Aber, Herr Staatsminister, wenn es um den Einsatz dieser Trojaner geht, dann muss es Chefsache sein. Dann muss, bevor ein derartiger Einsatz erfolgt, ein genauer Check vorgenommen werden: Was kann diese Software? Ist die Software geeignet, den rechtlichen Vorgaben standzuhalten? Oder kann man die Software nicht kontrollieren? Führt der Einsatz der

Software zu Grundrechtsbeeinträchtigungen? Diese könnten von uns nicht hingenommen werden.

Weil diese technischen Fragen vielleicht etwas schwierig sind, sollten wir uns einmal vorstellen, dass es sich um Schusswaffen handelt. Wenn man sich dies vorstellt und sich vorstellt, Sie würden Ihren Einsatzbeamten Waffen geben, die vorher nicht getestet wurden und im Einsatz irgendwelche Querschläger produzieren, und statt dass die Waffen auf diejenigen gerichtet werden und sie zur Strecke bringen, die einen schweren rechtswidrigen Eingriff planen -

(Unruhe - Zurufe von den GRÜNEN)

- Frau Kollegin Gote, Sie haben sehr wohl verstanden, dass es hier nicht darum ging, Menschen zu töten, sondern Menschen von der Begehung von Straftaten abzuhalten.

Wenn also eine derartige Schusswaffe bei ihrem Einsatz Querschläger produziert und unschuldige Menschen trifft, dann ist das nicht hinzunehmen. Wenn Ihre Beamten die Schusswaffen nicht vor dem unbefugten Zugriff Dritter schützen, dann ist das nicht hinzunehmen. Deswegen, Herr Staatsminister, darf es nicht sein, dass Trojaner unterwegs sind, die den rechtlichen Vorgaben nicht genügen.