Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Betrieb verkaufen kann, weil ich vielleicht noch eineinhalb Jahre im Bayerischen Landtag sein kann.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

- Ja, es ist so.

Es gibt auch eine sachliche Grundlage, die mich massiv zu diesem Entschluss getrieben hat. Das ist das Thema Euro-Rettungsschirm. Sie erlauben mir, dass ich hierzu noch ein paar Worte sage.

Was derzeit mit diesen Euro-Rettungsschirmen passiert, das ist im Grunde genommen ein Vergehen an den nächsten Generationen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Wir in der Politik machen es uns viel zu leicht zu sagen: Wir, die EZB, spannen einen Schirm auf. Wir übernehmen eine Bürgschaft.

(Unruhe und Zurufe von der SPD)

- Entschuldigung, ich spreche für mich und nicht für eine Partei. Dafür bitte ich Sie um Verständnis. Ich bitte Sie, mir die Chance zu geben, noch ein paar Worte zu diesem Thema zu sagen, weil mir das wirklich ans Herz geht. Ich habe selber vier Kinder. Auf Bayerisch sage ich zum Thema Bürgschaft: Willst du einen würgen, such dir einen Bürgen. Wenn der Rettungsschirm bisher also auch nur eine Bürgschaft ist, so bin ich fest davon überzeugt, dass diese Dinge zum Tragen kommen. Das heißt nichts anderes, als dass wir unsere Probleme, die Finanz- und Wirtschaftskrise die nächsten zwei, drei Jahre hin oder her - - Keiner von uns, ich sage es auf Bayerisch, wird dabei verhungern. Wir haben es 2008 und 2009 überlebt. Aber was wir jetzt machen, ist nichts anderes, als die Probleme von Griechenland, von Italien und von Portugal zu schultern und unseren Kindern in Deutschland - wer soll die Schulden der EZB denn bitte schön sonst irgendwann einmal bezahlen? -aufzuladen. Wir laden unseren Mist vor die Haustür der nachfolgenden Generationen. Mir geht das so ans Herz, dass ich Ihnen das gar nicht anders sagen kann.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Dr. Kirschner, ich bin jetzt sehr großzügig, weil Sie Ihre Abschiedsrede halten. Aber der Redner muss eigentlich zum Thema sprechen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Das ist Europa!)

Ich brauche noch eine halbe Minute. - Ich bedanke mich bei allen Kollegen über die Fraktionen hinweg. Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt, Freunde auch auf der linken Seite. Ich nenne beispielsweise Herrn Hallitzky. Die politischen Unterschiede nehme ich gern hin. Es war jedenfalls eine schöne Zeit.

Ich bedanke mich bei meiner wunderbaren Frau, die viel, viel ausgehalten hat. Ich bedanke mich bei meinen Kindern. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitern des Bayerischen Landtags, die tolle Arbeit geleistet haben. Ich wünsche allen Glück und Gesundheit.

(Anhaltender lebhafter allgemeiner Beifall)

Ich möchte noch Gelegenheit nehmen, Ihnen, Herr Dr. Kirschner, ein paar Worte zu sagen. Aber Sie haben jetzt eine Zwischenbemerkung provoziert, zu der ich Herrn Huber das Wort gebe.

Herr Präsident, ich möchte für den gesamten Wirtschaftsausschuss - ich glaube, das kann ich über alle Fraktionen hinweg sagen - dem Hohen Hause mitteilen, dass wir den Weggang von Herrn Dr. Kirschner natürlich außerordentlich bedauern, weil er in den drei Jahren, wie Sie sich leicht vorstellen können, die Debatten im Wirtschaftsausschuss außerordentlich belebt hat, und zwar mit überraschenden Einfällen, aber in besonderer Weise auch mit seiner Kompetenz, seiner Unabhängigkeit, als Wirtschaftsprüfer und als Steuerberater. Er hat mit der Hartnäckigkeit der Niederbayern in den letzten drei Jahren außerordentlich Wichtiges beigetragen. Dafür möchte ich Ihnen, Herr Kirschner, im Namen des Wirtschaftsausschusses herzlich danken.

(Allgemeiner Befall)

Vielen Dank für dieses niederbayerische Grußwort.

Offiziell teile ich mit: Herr Kollege Dr. Kirschner hat heute vor der Landtagspräsidentin den Verzicht auf sein Landtagsmandat mit Ablauf des 31. Januar 2012 erklärt. Der Kollege scheidet damit gemäß Art. 56 Abs. 2 des Landeswahlgesetzes mit Ablauf des 31. Januar 2012 aus dem Bayerischen Landtag aus.

Wir alle danken Ihnen, Herr Dr. Kirschner, für Ihre parlamentarische Arbeit, die Sie jetzt über drei Jahre hier im Hohen Haus geleistet haben. Im Namen aller wünsche ich Ihnen für die Zukunft alles Gute und Wohlergehen im Beruf, vor allem gute Gesundheit. Vielen Dank noch einmal. Wir verabschieden uns von Ihnen, Herr Dr. Kirschner.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Wir kommen zur Antragsberatung zurück. Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Noichl. Ihr folgt Kollege Sprinkart.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Viele Landwirte fragen sich jetzt gerade nach den Weihnachtsferien: Sind bei der Modulation die zusätzlichen Kürzungen der Betriebsprämie rechtens? Sie fragen sich: Ist eine Steigerung nach dem Health Check - 2009 waren es 7 %, 2010 waren es 8 %, 2011 waren es 9 %, 2012 sind es 10 % - rechtlich sauber? Die Landwirte fragen sich: Ist die zusätzliche Kürzung bei Betrieben über 300.000 Euro Betriebsprämie vertretbar? Sie fragen sich, ob ihnen Geld vorenthalten wird, das ihnen zusteht. Diese Frage wird, nachdem der Verwaltungsgerichtshof in Frankfurt an der Oder beim Europäischen Gerichtshof Prüfung beantragt hat, juristisch geklärt. Wir müssen auf die Klärung noch warten. Dabei hoffen wir mit unseren Landwirten.

Heute habe ich aber ganz andere Fragen. Ich habe die Frage: Warum lässt die Bayerische Staatsregierung die Landwirte seit Jahren wissentlich ins Messer laufen? Ich frage mich: Warum schöpft die Bayerische Staatsregierung nicht alle Möglichkeiten aus, Landwirten zu ihrem Recht zu verhelfen? Ich frage mich: Warum ruft die Staatsregierung nicht vorsorglich überall zum Widerspruch auf? Das Problem ist seit Jahren bekannt.

Frau Kollegin Müller, Sie sagen, Sie haben hier einen Antrag gestellt. Aber wir waren schon früher dran. Die SPD-Landtagsfraktion hat das Thema in den letzten drei Jahren bereits zweimal auf den Tisch gebracht, und zweimal hat sich die Staatsregierung weggeduckt. Im Jahr 2010 habe ich eine Parlamentsanfrage eingebracht und die möglichen negativen finanziellen Folgen für Landwirte abgefragt. Ich habe gefragt, was geschieht, wenn es zu einer Klage kommt. Aus der Antwort auf diese Parlamentsanfrage möchte ich zitieren - sie trägt die Unterschrift von Minister Brunner -:

Wir gehen davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Musterklage als gering einzustufen sind.

Das heißt, man geht davon aus, dass die Klage nichts bringen wird. Aufgrund dieser Einschätzung hat Bayern bisher - ich zitiere - "keine weiteren Schritte unternommen, wie im Fall einer erfolgreichen Klage Betriebe ohne Widerspruch die erhöhten Kürzungsbeträge zurückerhalten".

Das Thema war also 2010 auf dem Tisch. 2010 hat die Staatsregierung geantwortet: Wir glauben nicht, dass es zu einer Klage kommt; und für den Fall, dass

eine Klage kommt, haben wir uns noch nicht überlegt, was mit den Landwirten geschieht, die keinen Widerspruch einlegen. Sie haben die Verbescheidung der Betriebsprämien weiterhin ohne Vorbehalt vorgenommen. Das Formular hat man nicht geändert. Man hat die Landwirte nicht auf irgendwelche Vorbehalte aufmerksam gemacht. Man hat einfach weitergemacht wie vorher.

Dann haben wir von der SPD-Landtagsfraktion einen zweiten Versuch unternommen, um die Förderbehörden endlich vom Sofa herunterzuholen. Am 11. Januar 2012 haben wir einen offenen Brief an Minister Brunner geschrieben, ihn auch den Medien übergeben. Ich denke mir, den Brief haben Sie aufgegriffen und daraufhin Ihren Antrag formuliert. Uns war klar: Es eilt. In dieser Woche läuft die Frist ab, in der die Landwirte Widerspruch einlegen können. Deswegen haben wir uns nicht auf einen Antrag eingelassen, sondern uns gedacht: Wenn wir dem Minister einen offenen Brief schreiben, müsste er gangig werden; so sagen wir in Bayern.

Auf den offenen Brief liegt mir noch keine Antwort vor; dafür ist die Zeit vielleicht zu kurz. Aber der offene Brief hat nichts anderes bewirkt, als dass die Landwirte mit dem Thema nach wie vor alleingelassen sind. Wie gesagt, endet diese Woche die Widerspruchsfrist. Wir haben wieder ein verlorenes Jahr. Das war der Grund, dass wir keinen Antrag gestellt, sondern den offenen Brief gemacht haben.

Ich ziehe ein Fazit. Herr Brunner - er ist heute leider nicht da; er ist krank; vielleicht richtet ihm jemand das, was ich sage, aus - bzw. die Förderbehörde schläft. Viele Nachfragen der Landwirte, parlamentarische Anfragen und offene Briefe haben ihn nicht aufgeweckt. Die Landwirte zahlen jetzt für die Untätigkeit der Förderabteilung. Aber jetzt versucht man, frühzeitig alles auf Brüssel abzuschieben. Man tut so, als sei Brüssel an allem schuld. Aber wir sind hier im bayerischen Parlament. Wir müssen hier unsere bayerischen Hausaufgaben machen. Daher ist es wichtig, dass die Förderbehörden ordentlich arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Bayerische Bauern müssen sicher sein, dass die Berater an ihrer Seite stehen. Es muss klar sein, dass nicht immer diejenigen, die keinen Widerspruch erheben, am Schluss die Dummen sind. Es darf hier auch keinen Einzelfall geben, wenngleich überall mal etwas schieflaufen kann.

Ich gehe noch auf zwei andere Dinge ein, die hier im Hause schon diskutiert worden sind. Damals gab es ein großes Problem bei der Förderung, nämlich das Problem der Auflagenüberschneidung. KULAP-Aufla

gen und freiwillige Schutzauflagen überschnitten sich, und auf einmal mussten Gelder zurückgezahlt werden. Die Landwirte waren die Dummen, weil die Förderbehörde nicht ordentlich gearbeitet hat. Bei der Verzinsung von Rückforderungen gab es Vorschriften der EU. Aber wir setzen diese in Bayern nicht um. Landwirte müssen in derartigen Fällen nach wie vor den Tageszins von 6 % an den Freistaat zahlen. Auch hier sind diejenigen Landwirte, die keinen Widerspruch eingelegt haben, die Dummen.

Jetzt haben wir die Modulationsmisere. Da handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Herr Dr. Karrer, bitte übermitteln Sie dies Herrn Brunner.

Viele Bereiche im Landwirtschaftsministerium laufen gut. Viele Bereiche werden auch von der Opposition unterstützt. Es gibt Anerkennung dort, wo sie am Platz ist. Aber im Bereich der landwirtschaftlichen Förderung gibt es mehr Pannen als Erfolge. Bringen Sie endlich die Förderabteilung in Ordnung.

Wir stimmen den Anträgen der FREIEN WÄHLER und der CSU zu und wünschen uns, dass unsere Anfragen in Zukunft richtig gelesen werden und dass darüber nachgedacht wird, denn solche Anfragen haben meistens einen Grund. Wir wünschen uns, dass unsere Briefe gelesen und anschließend beantwortet werden.

(Beifall bei der SPD)

Eine Zwischenbemerkung des Kollegen Füracker, bitte.

Man sollte zumindest richtigerweise feststellen, dass jedes Jahr über 1 Milliarde Euro durch die Förderabteilung des Landwirtschaftsministeriums so korrekt ausbezahlt wird, dass es von Brüssel keine Rückforderung gibt. Das ist eine beachtliche Leistung.

Im Übrigen ist die hier angesprochene Angelegenheit kein bayerisches, sondern ein europäisches Thema. Die Erhöhung der Modulation war also kein bayerischer, sondern ein europäischer Beschluss. Nicht Sie oder die FREIEN WÄHLER haben aufgerufen zu klagen, sondern zwei Landwirte haben geklagt. Erst das versetzt uns in die Lage, andere zu animieren, vorsorglich Widerspruch einzulegen. Deshalb würde ich diese Angelegenheit nicht zu einem bayerischen Thema erheben, sondern wir müssen korrekt argumentieren. Seit Monaten weisen alle Fachzeitschriften für Landwirte darauf hin, dass man sich per Widerspruch an die Behörden wenden kann. Der Bayerische Bauernverband hat seine Mitglieder informiert und angeregt, einen Widerspruch einzulegen. Er hat Formulare und Erläuterungen, wie man es machen

soll, beigelegt. Jeder Landwirt, der in den letzten Wochen die Informationen in der Fachzeitschrift und in der Öffentlichkeit verfolgt hat, war also in der Lage, einen Widerspruch einzulegen.

Nochmals: Wir sollten aufhören, so zu tun, als sei das Ganze etwas Besonderes. Gegen jeglichen staatlichen Bescheid muss Widerspruch eingelegt werden, wenn man um sein Recht kämpft. Das steht sogar auf dem Bescheid.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

- Herr Dr. Beyer, wir haben noch gar nichts abgeschafft. Das ist in allen Bereichen des Staatswesens so. Das können Sie abnicken oder nicht.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Fragen Sie den Herrn Dr. Beckstein, wenn Sie es nicht wissen!)

Deswegen wäre es heute gefährlich zu sagen: Macht keinen Widerspruch, wir regeln das für euch. Ich würde mich nicht trauen, den Bauern, die dann übermorgen sagen, wir hätten ihnen etwas Falsches geraten, heute so etwas zu sagen. Ich bitte, nicht alles zum Anlass zu nehmen, um den Leuten zu sagen: Wir würden die Bauern benachteiligen, denn das Gegenteil ist der Fall: Wir behandeln die Bauern in Bayern wesentlich besser, als sie anderswo behandelt werden.

(Beifall bei der CSU - Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))