Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

(Zuruf des Abgeordneten Professor Dr. Peter Paul Gantzer (SPD))

Wir haben Deutschland zukunftsfest gemacht. Deshalb hat es sich in der Krise auch hervorragend bewährt. Wir haben diesen Mut aufgebracht, Sie nicht!

(Beifall bei der SPD)

Ein Finanzminister in Bayern muss vielleicht an dieser Stelle noch etwas lernen und etwas zugeben können. Die Fundamentaldaten in Bayern, auch was die Steu

er anbelangt, würden anders aussehen - auch das muss man sich vor Augen halten -, wenn wir nicht seit Jahren und Jahrzehnten, seit der Nachkriegszeit, das sozialdemokratisch regierte München als Kraftzentrum hätten. München mit seiner guten sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik ist das Kraftzentrum. Dieser Landeshauptstadt haben wir es zu verdanken, dass die Steuereinnahmen so deutlich angestiegen sind. Herr Finanzminister, machen Sie sich und uns doch einfach einmal das Vergnügen, die Steuereinnahmen, die aus der Landeshauptstadt München und den sie umgebenden Landkreisen kommen, herauszurechnen. Sagen Sie uns dann, wo wir stehen. Es wird sich bewahrheiten: Ohne dieses sozialdemokratisch regierte Kraftzentrum wäre die Steuerentwicklung nicht möglich gewesen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Halbleib, wir haben eine Wortmeldung des Herrn Kollegen Graf Lerchenfeld für eine Zwischenfrage. Lassen Sie die zu?

Ich möchte Herrn Kollegen Lerchenfeld bitten, sich im Augenblick auf Zwischenrufe zu beschränken.

(Heiterkeit der Abgeordneten Claudia Stamm (GRÜNE))

Soviel zur Ausgangslage. Der Finanzminister redet zum Nachtragshaushalt 2012. Wenn man schaut, wie viel Redezeit er tatsächlich dem Nachtragshaushaltsentwurf 2012 gewidmet hat, dann sieht man: Dieser Abschnitt nimmt den geringsten Teil seiner Redezeit ein. Das verwundert auch nicht; denn das, was der Finanzminister zum Nachtragshaushalt 2012 sagte, macht vor allem eines deutlich: Dieser Entwurf eines Nachtragshaushalts ist nichts anderes als ein Dokument des Eingeständnisses früherer Versäumnisse. Das kann ich Ihnen auch belegen: Erstens. Der Nachtragshaushalt bestätigt nur das, was wir bei der Beratung zum Doppelhaushalt gesagt haben. Wir haben aufgezeigt, an welchen Stellen zu wenig gemacht wird, was dort, wo es notwendig wäre, nicht gemacht wird.

Unsere Kritik am Doppelhaushalt bezieht sich genau auf die Punkte, die Sie im Nachtragshaushalt ändern. Sie haben einen Aufbruch gefeiert, den es nicht gab. An vielen Stellen im Doppelhaushalt 2011/2012 kam es eher zu einem Abbruch. Jetzt bewahrheitet sich, was wir schon vor langer Zeit gesagt haben: In den Bereichen, in denen Sie massiv gespart und damit Lasten in die Zukunft verschoben haben, müssen Sie nunmehr nachjustieren. Sie haben viel zu wenig investiert - auf Kosten der Infrastruktur. Ich wiederhole:

Sie bessern nach und bestätigen damit die Kritik nicht nur der SPD-Fraktion, sondern aller Oppositionsfraktionen.

(Beifall bei der SPD)

Nur ein paar Beispiele aus Ihrem Mängel-Portfolio: Was die Staatsstraßen angeht, so machen Sie im Nachtragshaushalt nichts anderes, als den völligen Absturz der Ausgabemittel, der im Stammhaushalt noch festgeschrieben ist, zu verhindern und dafür zu sorgen, dass es wenigstens zu einer stetigen Ausgabenentwicklung kommt.

Ähnliches gilt hinsichtlich der Lehrerausstattung: Was haben wir hier für Jubelarien gehört, was die Lehrerausstattung angeblich alles hergibt! Die Koalition behauptete stets, die Kritik des BLLV und der Opposition sei nur Polemik. Jetzt wird deutlich, dass die Mangelverwaltung der Staatsregierung auch in diesem Bereich an ihr Ende gelangt ist. Sie müssen einräumen, dass Sie ohne zusätzliche Lehrerstellen die Unterrichtsversorgung im Freistaat Bayern nicht mehr gewährleisten können. Das ist nichts anderes als ein Eingeständnis Ihrer Versäumnisse bei der Aufstellung des Doppelhaushalts!

(Beifall bei der SPD)

Auch bei der Ausbildung der Finanzbeamten und der Polizeibeamten justieren Sie nach.

Nächster Punkt: Breitbandausbau. Es ist gut, wenn in den Nachtragshaushaltsentwurf mehr Mittel für den Breitbandausbau eingestellt werden. Das ist jedoch nichts anderes als das Eingeständnis, dass Sie bisher viel zu wenig für den Breitbandausbau getan haben.

(Beifall bei der SPD)

Heute, im Jahr 2012, fordern Sie ein Breitbandkompetenzzentrum für den Freistaat Bayern, und das, nachdem Sie in den vergangen Jahren "Laptop und Lederhose" lächerlich gemacht haben. Nur noch die Lederhose blieb übrig; der Laptop funktioniert nicht mehr, weil Sie keinen Breitbandanschluss bereitgestellt haben. Das ist doch die Wahrheit! Hier muss nachjustiert werden, weil Sie Versäumnisse zu verantworten haben.

(Beifall bei der SPD)

Das beste Beispiel ist das Abfinanzierungsprogramm, das Sie im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt auflegen. Das ist doch nichts anderes als das Eingeständnis dessen, dass Sie bisher zugesagte Fördermittel nicht ausgezahlt haben. Es gibt lange Wartezeiten, viele warten auf ihr Geld. Sie schieben

einen riesigen Investitionsstau vor sich her. Kleinkläranlagen, private Volksschulen, Behindertenförderung, Sportstätten, Wohnbauförderung, Städtebauförderung - überall justieren Sie nach. Sie korrigieren die Fehler, die Sie bei der Aufstellung des Doppelhaushalts gemacht haben, nichts anderes. Als wir diese Fehler damals benannten, wiesen Sie unsere Kritik mit Empörung zurück. Heute aber müssen Sie eingestehen: Wir lagen richtig, als wir die wunden Punkte ansprachen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Staatsregierung führt zwar oft die Worte "Nachhaltigkeit" und "Generationengerechtigkeit" im Munde, aber für heute schon erkennbare Lasten, für die ein Unternehmen zwingend eine Rückstellung bilden müsste, trifft sie keine Vorsorge; das heißt, die Lasten werden in die Zukunft verschoben.

Ich gehe noch näher darauf ein, weil der Finanzminister heute interessante Ausführungen dazu gemacht hat. Dieser Nachtragshaushalt ist auch deshalb ein Beleg dafür, dass Sie Lasten in die Zukunft verschieben, weil Sie trotz Steuermehreinnahmen die Versorgungsrücklage nicht bedienen. Auch das ist ein Eingeständnis dessen, dass Ihre bisherige Vorsorgestrategie gescheitert ist. Von der Bedienung der Versorgungsrücklage wollen Sie anscheinend nichts mehr wissen.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Konsequenzen des Desasters mit der Landesbank sind ein Eingeständnis Ihres Scheiterns. In diesen Nachtragshaushalt sind roundabout 350 Millionen Euro für Zinsaufwendungen eingestellt, für die die Regierung unter Horst Seehofer die Verantwortung trägt, weil sie, beginnend 2008, 10 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen hat. Das ist die Wahrheit. 350 Millionen Euro stehen für andere Zwecke nicht zur Verfügung, weil die CSU die Landesbank nicht gut gesteuert und in ein Desaster geführt hat. Wofür könnten wir 350 Millionen Euro nicht alles verwenden: für Bildung, für Soziales, für Infrastruktur in Bayern. Dass das nicht möglich ist, dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Pleitegeier!)

Dieser Nachtragshaushalt ist auch deshalb das Eingeständnis Ihres Scheiterns, weil die Privatisierungserlöse - zustande gekommen durch den Verkauf von Volksvermögen, der unter Edmund Stoiber massiv vorangetrieben wurde - allmählich zu Ende gehen und perspektivisch keine weiteren Mittel zur Verfügung stehen. Das merkt man diesem Haushalt an. Es steht

zwar noch eine gewisse Restmenge zur Verfügung, aber sie läuft aus.

Dieser Nachtragshaushalt ist ein Dokument der Widersprüche und der Unzulänglichkeiten. Wie kann die Staatsregierung im Jahr 1 nach der Energiewende einen Nachtragshaushalt vorlegen, in dem für die energetische Sanierung staatlicher Gebäude - eine zentrale Aufgabe; auch insoweit hat der Freistaat eine Vorbildfunktion - nicht mehr vorgesehen ist als im Vorjahr, sondern sogar 17,5 Millionen Euro weniger! Nichts macht Ihr Gerede von der Energiewende und Ihr angeblich engagiertes Anpacken unglaubwürdiger als dieser Sachverhalt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nächster Punkt: Bei den Kindergartengebühren eiern Sie herum. Statt klar Position zu beziehen und Ihren eigenen Koalitionsvertrag beherzt umzusetzen, folgen Sie in dieser Frage einer Salamitaktik. Wir erwarten, dass Sie Ihre Unzulänglichkeiten endlich korrigieren und das einlösen, was Sie den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl versprochen und dann im Koalitionsvertrag festgelegt haben.

(Beifall bei der SPD)

Alles in allem muss das auch von Ihnen so gesehen werden. Das ergibt sich aus meiner Aufstellung, auch wenn vielleicht ein Polemikabschlag vorgenommen werden kann; das gebe ich gern zu. Nach meiner festen Überzeugung sehen Sie das auch so. Der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer vertraut seiner eigenen Haushaltspolitik nicht mehr. Erstmals lässt die CSU erkennen, dass ihre eigene aktuelle Haushaltspolitik keine Überzeugungskraft mehr hat. Würde Horst Seehofer seiner eigenen Haushaltspolitik, wie sie heute im Zuge der Einbringung des Nachtragshaushalts 2012 vorgetragen wurde, tatsächlich vertrauen, dann wären nach dem Kabinettsbeschluss in der Winterklausur von Wildbad Kreuth die finanzpolitischen bzw. fachlichen Qualitäten aus der Sicht der Regierungsfraktionen stärker herausgestellt worden. Vielleicht wäre da und dort noch eine kleine Änderung vorgenommen worden, aber mit dem üblichen Tamtam wäre das Ganze in der letzten Woche, wie es eigentlich geplant war, vorgestellt worden.

Stattdessen wurde in der vergangenen Woche der Nachtragshaushalt nicht eingebracht. Dabei handelt es sich um eine Verschiebung nicht nur des Termins das wäre verkraftbar -, sondern auch der finanzpolitischen Diskussion. Diese führt weg vom konkreten Nachtragshaushalt und hin zu einer seltsamen, abstrakten, luftleeren Diskussion, weg von der konkreten finanzpolitischen Situation und hin zu einer Phantom

diskussion ohne fachliches Fundament. Mir drängt sich der Gedanke auf, dass Sie mit Ihrer CSU der eigenen Regierungspolitik entfliehen wollen. Der Ministerpräsident ist müde geworden, weil er immer wieder mit seinen Versprechungen konfrontiert wird, die er noch in der laufenden Legislaturperiode einlösen soll.

Wie es in der nächsten Legislaturperiode weitergeht, weiß auch er nicht. Deswegen setzt er sich Ziele, deren Erreichung er politisch nicht mehr erleben wird. Er wird mit Sicherheit nicht mehr an deren Erreichung gemessen werden. Endlich ist er die Debatte um die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Worten und Taten los. Er kann in die Ferne des Jahres 2030 entfliehen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist verständlich bei diesem Haushaltsentwurf. Aber es ist abstrus, wenn man sich anschaut, was die CSU in Sachen Verschuldung und Verschieben von Lasten in die Zukunft zu verantworten hat.

(Zurufe von der CSU)

- Ich weiß, dass Sie das erregt.

(Barbara Stamm (CSU): Das erregt mich nicht!)

Das ist ja auch klar - bei dieser Bilanz! Hören Sie in aller Ruhe zu.

Statt Schuldentilgung hat diese Regierungskoalition, insbesondere die CSU, einen massiven Anstieg der Staatsverschuldung zu verantworten - hört, hört! Diese Regierungskoalition hat seit Oktober 2008 die Verschuldung des Freistaates Bayern von 24,1 Milliarden Euro auf 32,6 Milliarden Euro nach oben getrieben. Ursache sind vor allem Fehlentscheidungen und Aufsichtsversagen der CSU im Zusammenhang mit der Landesbank. Das ist Fakt, das ist die Wirklichkeit.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CSU: Ihr habt doch auch zugestimmt bei der Landesbank! - Ha- rald Güller (SPD): Wo denn?)

Die Schuldenbelastung für jeden Einwohner des Freistaates Bayern - vom Säugling bis zum Greis - ist seit 2006 um 830 Euro angewachsen. Auch das ist Fakt. Dass Sie angesichts dessen unruhig werden, ist mir völlig klar. Seit 2006, seitdem der Haushalt des Freistaates Bayern angeblich ausgeglichen sein soll - der Finanzminister hat das heute in der ihm eigenen unnachahmlichen Art noch einmal behauptet -, wurden pro Jahr 1,42 Milliarden Euro neue Schulden aufgehäuft. Das ist die Wahrheit, die Sie zu verantworten haben.

Weiteres steht bevor. Die Garantieverpflichtung für das ABS-Portfolio der Landesbank wird derzeit als Risiko für den Haushalt des Freistaates Bayern mit 1,6 Milliarden Euro eingeschätzt. Das heißt, auf den Steuerzahler kommen nicht nur die 10 Milliarden Euro, sondern weitere 1,6 Milliarden Euro zu, die der Finanzminister korrekterweise schon in seiner Finanzplanung ausweist. Sie haben also nicht nur die Neuverschuldung nach oben getrieben, sondern sorgen auch dafür, dass weitere finanzielle Belastungen durch die Landesbank auf den Freistaat Bayern zukommen. Auch das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Sie muten dem Doppelhaushalt und dem Nachtragshaushalt eine massive Zinsbelastung von 350 Millionen Euro pro Jahr zu. Die Zinsuhr tickt. Unter Ihrer Verantwortung läuft täglich etwa 1 Million Euro auf. Die Zinsuhr läuft unentwegt. Bislang summiert sich der Betrag auf 740 Millionen Euro, die auf die 10 Milliarden Euro noch aufzuschlagen sind. Das ist die finanzpolitische Realität im Freistaat Bayern. Verantwortlich sind Sie.