Protokoll der Sitzung vom 14.02.2012

(Beifall bei der FDP)

Der nächste Redner ist Herr Professor Dr. Gantzer, dem ich hiermit das Wort gebe. Bitte schön, Herr Dr. Gantzer.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Sie wissen, dass in dem Antrag Herzblut von mir steckt. Ich setze mich dafür ein, dass die Potenziale und Möglichkeiten von älteren Bürgerinnen und Bürgern mehr anerkannt werden. Das können wir nur dadurch erreichen, dass wir gesetzgeberisch unseren Teil dazu beitragen.

Typisch ist die Antwort des Kollegen Rohde auf meinen Wunsch nach konkreten Aussagen gewesen. Ich finde es gut, dass er gesagt hat, die FDP habe einen Kompromiss geschlossen. Daraus ersehe ich, dass die FDP die liberale Partei ist, die ich vor vielen Jahren kennengelernt habe, die aber jetzt Schwierigkeiten hat, unseren Antrag betreffend die Aufhebung der Altersgrenze für Kommunalpolitiker zu unterstützen und uns in dieser Beziehung zu helfen.

Nachdem schon viele Argumente gesagt worden sind, will ich zwei konkrete Dinge auf den Punkt bringen. Erstens ist gesagt worden, dass der berufsmäßige Bürgermeister und der berufsmäßige Landrat Beamte seien. Sie unterschlagen, dass es im Gesetz "Wahlbeamte" heißt. Das heißt, es sind keine typischen Beamten. Der typische Beamte - das wissen alle Juristen - wird durch einen Verwaltungsakt zum Beamten gemacht, während der Wahlbeamte durch einen Wahlakt auf Zeit ins Amt kommt. Ein normaler Beamter ist nur anfangs Beamter auf Zeit und danach auf Lebenszeit. Der Unterschied ist also gravierend. Es ist nicht begründbar, weshalb ein Kommunalpolitiker, der wie jeder Abgeordnete, wie Ministerpräsidenten und Minister, gewählt wird, anders als diese behandelt wird. Das ist nicht einzusehen.

In dieser Diskussion ist schon durchgedrungen, was dahinter steckt, dass sich gerade die CSU diesem Antrag nicht anschließen konnte. Aus der Argumentation des Landkreistages ist herauszuhören, dass die jungen Abgeordneten der CSU ihre Chancen, Landrat zu werden, nicht aus der Hand geben wollen. Ich habe ein konkretes Beispiel. Mein Antrag stammt aus dem Jahr 2009. Mein schärfster Gegner war Kollege Meißner. Was ist Kollege Meißner heute? - Landrat. Ich meine, Ihre Argumentation ist eher politisch. Herr Kollege Herrmann, Sie haben gesagt, Sie sähen das pragmatisch und nicht ideologisch. Ich sage: Weder noch, sondern alleine persönliche Wünsche standen dahinter und haben verhindert, dass wir den Antrag, der richtig ist, durchgebracht haben.

Ein Zweites: Ich habe Nordrhein-Westfalen erwähnt. Auf die Frage, ob nordrhein-westfälische ältere Kom

munalpolitiker besser sind als bayerische ältere Kommunalpolitiker, wurde mir keine Antwort gegeben. Sie können mir den Unterschied nicht erklären. Großbritannien hat die Altersgrenze zum 1.07.2011 total aufgehoben. In den meisten Kommunalparlamenten Europas gilt ebenfalls keine Altersgrenze. Sie können mir diese Unterschiede nicht erklären. Es können nur die Wünsche der jungen, dynamischen Generation von CSU-Abgeordneten der Tatsache zugrunde liegen, dass Sie nicht mitziehen.

Ich verweise zum Schluss auf das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs, die alle gesagt haben, eine Altersgrenze dürfe es nur in begründeten Ausnahmefällen geben. Nach den Gerichtsurteilen verletzt die Altersgrenze den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Gerechtigkeitsgebot und die Würde des Menschen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kündige hiermit für den Fall an, dass Sie bei Ihrer Meinung bleiben, was gleich bei der namentlichen Abstimmung zu sehen sein wird, dass ich mit Unterstützung meiner Fraktion Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof erheben werde. Stellen Sie also nicht zu früh Ihre Kandidaten auf; denn in einem Jahr wissen wir mehr, nämlich dass wir gewonnen haben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Gantzer. Zum Ende der Aussprache gebe ich Herrn Staatsminister Herrmann das Wort. Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung setzt sehr genau den Landtagsbeschluss zur Weiterentwicklung des Kommunalwahlrechts vom 27. Oktober 2010 um, dem unser Erfahrungsbericht zu den allgemeinen Gemeinde- und Landkreiswahlen 2008 voranging. Ich will aus Zeitgründen - die Debatte ist weit fortgeschritten - nicht auf alle Einzelheiten des Gesetzentwurfs eingehen, sondern mich auf ein paar wenige Anmerkungen beschränken.

Als einer der Punkte, über die wir uns einig sind, ist angesprochen worden, dass die Briefwahl deutlich vereinfacht wird. - Wir haben als einen Punkt, über den es intensivere Diskussionen gab, auch das Erfordernis des Aufenthalts mit dem Schwerpunkt der Lebensbeziehungen im Wahlkreis beim passiven Wahlrecht abgeschafft und die Regelungen deutlich vereinfacht. Ich halte das in der Tat für richtig. Natürlich muss ein Bezug des Einzelnen zu dem Ort, in dem er kandidiert, bestehen. Das kann aber auch eine Nebenwohnung sein.

Und wenn vorhin vonseiten der Opposition zum Wählbarkeitsalter gesagt worden ist, man solle doch die Wähler selbst entscheiden lassen, dann würde dieses Argument zumindest genauso für die Frage gelten, ob es den Wählern ausreicht, wie sie denjenigen kennen, den sie wählen wollen, ob er sich aus ihrer Sicht ausreichend in der Gemeinde oder im Kreis aufhält. Es muss ein Bezug zu der Kommune da sein, aber - das ist von Frau Tausendfreund zu Recht auch erwähnt worden - während des Wahlverfahrens oder noch nachträglich, etwa ein Jahr nach der Wahl, zu überprüfen, wer wo wie viele Nächte verbracht hat, wobei gar noch der Wasserverbrauch überprüft wird, das halte ich wirklich für absurd. Solche Verfahren sollten wir uns in der Zukunft sparen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Was die Anhebung der Höchstaltersgrenze anbetrifft, kann man in der Tat unterschiedlicher Meinung sein. Das verhehle ich nicht. Dass Sie so weit gehen, lieber Herr Professor Gantzer, dass Sie eine Popularklage ankündigen, nehme ich mit Gelassenheit zur Kenntnis.

(Zuruf des Abgeordneten Professor Dr. Peter Paul Gantzer (SPD))

Fakt ist jedenfalls, dass es seit vielen Jahren ein solches Wahlhöchstalter gegeben hat. Man kann immer neue Positionen entwickeln. Aber wenn man sich jetzt auf den Standpunkt stellt, das sei als solches schon verfassungswidrig, so ist das eine neue - Sie würden sagen: moderne - Position. Immerhin will ich bestätigen, dass Nordrhein-Westfalen das Wahlhöchstalter aufgehoben hat. Nordrhein-Westfalen ist damit auf der anderen Seite das einzige deutsche Flächenland, das dies aufgehoben hat. Alle anderen Flächenländer haben nach wie vor ein Wahlhöchstalter, so wie Bayern auch.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Noch!)

Darüber kann man also unterschiedlicher Meinung sein. Wenn man jetzt sagen würde, dass das Versorgungsalter der Beamten von 65 auf 67 Jahre steigt und dass deshalb parallel dazu auch das Wahlalter für die Landräte, für die Oberbürgermeister, für die berufsmäßigen Stadträte und dergleichen erhöht wird, dann erschiene mir das jedenfalls nicht abwegig. Ich darf auch noch einmal darauf hinweisen, dass es sich hierbei im Unterschied zu allen anderen Beamten um das Alter handelt, das man zu Beginn der Wahlperiode haben darf. Es ist jetzt schon so, dass ich mit knapp 65 Jahren noch gewählt werden kann und dann bis knapp 71 im Amt bin. Ab der übernächsten Kommunalwahl sind das noch zwei Jahre mehr. Dann ist man also gegebenenfalls bis knapp 73 im Amt. Ich

glaube, das sollte man als Besonderheit dieser Rechtskonstruktion auch hinzufügen.

Soweit ich das verstanden habe, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir uns darüber einig, dass es richtig ist, das passive Wahlalter auf 18 Jahre abzusenken. Ich sage aber ausdrücklich auch noch einmal, dass diese Einigkeit aufhört, wenn von GRÜNEN und SPD eine Absenkung auf 16 Jahre gefordert wird. Ich meine, das ist keine Verbesserung, die mehr Interesse an der Politik wecken würde. Das ist letztlich - ich sage das ganz bewusst - Unfug, den man hier anrichten würde. Ich kann doch nicht ernsthaft sagen, geschäftsfähig, um sich eine Hütte zu kaufen, ist jemand erst mit 18, aber er soll mit 16 schon in den Stadtrat gewählt werden dürfen und dort über Millionen selbstständig entscheiden können. Das macht doch keinen Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich meine, wir haben insgesamt einen ausgewogenen Gesetzentwurf vor uns. Er ist in seinen Inhalten in den letzten zweieinhalb Jahren in diesem Parlament so intensiv wie kaum ein anderes Gesetz beraten worden. Am Schluss muss nun mit Mehrheit entschieden werden. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg, die Kommunalwahlen im Frühjahr 2014 vorzubereiten. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Und ich bitte Sie, Herr Staatsminister, dass Sie noch einen Moment hier bleiben. Frau Tausendfreund hat das Wort zu einer Zwischenbemerkung. Bitte schön, Frau Kollegin.

Nur zur Klarstellung: Mit der Absenkung des Wahlalters ist das aktive Wahlalter und nicht das passive Wahlalter gemeint. Wir haben beantragt, dass die jungen Menschen mit 16 Jahren wählen können, aber nicht schon gewählt werden können, was Sie jetzt als Unfug bezeichnet haben. Da Sie da etwas durcheinandergebracht haben, wollte ich das klarstellen.

Falls ich das missverständlich ausgedrückt haben sollte, nehme ich das gern auf, liebe Frau Kollegin Tausendfreund. Spätestens wenn wir über kommunale Bürgerentscheide reden, sind wir auch wieder bei diesem Punkt, dass jemand nach Ihrem Konzept mit 16 Jahren auch millionenschwere Entscheidungen treffen können sollte, die er für sein Privatleben mit wesentlich geringeren Beträgen nicht treffen kann. Also es bleibt dabei: Wenn man sagt, mit 18 Jahren ist man volljährig und strafmündig, und zwar noch nicht einmal hinsichtlich der speziellen Regeln des Ju

gendstrafrechts, für die Sie sich auch immer mit großem Nachdruck und zu Recht einsetzen, dann ist es, meine ich, eine falsche Botschaft, wenn man sagt, aber einen Stadtrat kann man ruhig auch schon mit 16 Jahren wählen, da muss man vom Recht noch nicht viel verstehen. Das ist nicht die richtige Botschaft hinsichtlich ernsthafter Entscheidungen, um die es gerade auch auf kommunaler Ebene geht.

Halt, Herr Staatsminister. Es gibt noch eine Zwischenbemerkung von Kollegen Dr. Herz. Bitte schön, Herr Kollege. - Bitte etwas mehr Aufmerksamkeit! Wir sind gleich bei den Abstimmungen.

Herr Minister Herrmann, was sagen Sie zu der Aussage des Ihnen sicherlich bekannten Landrats Kaiser,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

der mir aufgetragen hat, Ihnen einen schönen Gruß zu sagen.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört! - Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Woher kennt er Sie?)

Er fügte hinzu, Ihre Fraktion sei bei dieser Entscheidung nicht auf der Höhe der Zeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Ich darf mich für die schönen Grüße des Herrn Landrat Kaiser herzlich bedanken. Ich schätze den Kollegen Kaiser sehr. Er herrscht bekanntermaßen sehr erfolgreich über sein Kaiserreich.

(Heiterkeit)

Dass es in dieser Frage, über die wir heute zu entscheiden haben, auch in der kommunalen Familie in den vergangenen Jahren höchst unterschiedliche Auffassungen gegeben hat und dass sich, mit Verlaub ich habe das durchaus immer wertfrei zur Kenntnis genommen -, auch und gerade die Positionen des Landkreistages in den letzten zwei Jahren mehrmals fortentwickelt haben, ist Ihnen, Herr Kollege, sicherlich auch nicht entgangen. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass es nachvollziehbar ist, wenn die Mehrheit dieses Landtags nicht zwingend jede Meinungsänderung des Landkreistages genauso nachvollzieht.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Die Aussprache zu den aufgerufenen Tagesordnungspunkten ist damit geschlossen.

Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, darf ich für das Protokoll das Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Otto Hünnerkopf, Albert Füracker, Alexander König u. a. und Fraktion (CSU) sowie der Abgeordneten Thomas Hacker, Tobias Thalhammer, Dr. Andreas Fischer u. a. und Fraktion (FDP) zur Änderung des Bayerischen Wassergesetzes, Drucksache 16/9902, bekanntgeben: Mit Ja haben gestimmt 104, mit Nein 50 Kolleginnen und Kollegen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Das Gesetz ist damit angenommen und hat den Titel "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Wassergesetzes".

Dann kommen wir zu den Abstimmungen über Gesetzentwürfe und Änderungsanträge. Es handelt sich um die Tagesordnungspunkte 4 bis 6. Diese Punkte werden bei den Abstimmungen getrennt.

Zunächst lasse ich in Zweiter Lesung in einfacher Form über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Hanisch u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und anderer Vorschriften, Drucksache 16/8945, abstimmen. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt auf Drucksache 16/11064 Ablehnung. Wer dem Gesetzentwurf dagegen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER. Wer ist dagegen? - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der CSU, der FDP, der GRÜNEN und Frau Kollegin Pauli. Wer enthält sich? - Das ist die Fraktion der SPD. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 5. Da geht es um die Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetztes und anderer Vorschriften, Drucksache 16/9081.

Zu diesem Gesetzentwurf der Staatsregierung gibt es eine Reihe von Änderungsanträgen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 16/10198 mit 16/10201. Zu einem dieser Änderungsanträge, der Drucksache 16/10200, wurde namentliche Abstimmung beantragt.

Ich schlage vor, dass wir über alle anderen Änderungsanträge jetzt in einfacher Form abstimmen. Der federführende Ausschuss hat Ablehnung dieser Änderungsanträge vorgeschlagen. Wer den Änderungsan

trägen der GRÜNEN jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der GRÜNEN; der SPD und der FREIEN WÄHLER. Wer lehnt ab? - Da sind die Fraktionen der CSU und der FDP sowie Frau Pauli. Damit sind diese Änderungsanträge abgelehnt.