Protokoll der Sitzung vom 14.02.2012

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian Ritter, Dr. Christoph Rabenstein u. a. und Fraktion (SPD) Gemeinsames Vorgehen gegen Rechtsextremismus (Drs. 16/10404)

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Dr. Christoph Rabenstein für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst eine Vorbemerkung: Es ist wirklich schade, dass wir erst um 22 Uhr zu diesem doch wichtigen Thema kommen, zu einem Zeitpunkt, wo jeder froh ist, wenn die Sitzung zu Ende ist. Auf der anderen Seite ist das, glaube ich, ein so brisantes Thema, dass man es nicht einfach von der Tagesordnung entfernen sollte. Entsprechende Überlegungen hat es ja bereits gegeben.

Ich möchte dazu etwas aus eigenem Erleben sagen. Ich habe in der vergangenen Woche an der Universi

tät in Bayreuth einen Vortrag über Neonazis in Oberfranken gehalten. Was mich doch etwas erschüttert und verwundert hat, waren zwei Tatsachen, die mich auch innerlich berührt haben.

(Anhaltende Unruhe)

Das eine war die Tatsache, dass zu dieser Veranstaltung ein Dutzend Neonazis, die sich auch dazu bekannt haben, gekommen sind. Sie haben sich zwar recht ruhig verhalten, aber doch öffentlich gemacht, dass sie hier in großer Zahl angetreten waren - junge Menschen, die sich dann in die letzte Reihe gesetzt haben.

Das Zweite, was mir eigentlich mehr an die Nieren gegangen ist, war die Tatsache, dass dann im Internet beim Freien Netz Süd diese Veranstaltung und mein Vortrag hämisch kommentiert wurden und ich auch mit Bildern im Internet verewigt worden bin. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es gibt schon Anlass zum Nachdenken, wenn man da mehr oder weniger den Eindruck hat - man hat sich ja auf der Liste gefunden -, dass man zum Abschuss freigegeben wird. Ich bin sonst nicht so empfindlich und lasse mich auch nicht so leicht einschüchtern, aber das geht einem schon nahe.

Das möchte ich als Vorbemerkung hier in diesem Rahmen sagen. Damit ist schon meine halbe Redezeit abgelaufen.

Ich glaube, dass wir insgesamt in Bayern schon einiges tun, aber zu wenig, insgesamt noch zu wenig. Wir haben auch hier schwere Fehler in der Bekämpfung des Rechtsextremismus und in der Aufklärung gemacht. Wir fordern hier als Sozialdemokraten, so wie es auch der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes in der "SZ" gefordert hat, dass eine schonungslose Aufklärung auch im Landtag erfolgen muss, dass wir die Strukturen verbessern und dass wir vor allem eine höhere Transparenz, wie es auch Geiger genannt hat, und eine stärkere, intensivere und effizientere Kontrolle der Geheimdienste brauchen, hier vor Ort und natürlich auch in Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, so etwas, was sich in Thüringen abgespielt, aber auch Bayern berührt hat, darf sich nicht wiederholen.

(Beifall bei der SPD)

Dass das natürlich nur ein erster Schritt sein kann, ist klar. Mir ist vor allem wichtig, dass wir gemeinsam gegen den Rechtsextremismus vorgehen. Wir haben

in unserem Antrag auch viele Möglichkeiten genannt, wie wir das bewerkstelligen können.

Wir brauchen ein NPD-Verbot, und zwar möglichst bald. Herr Innenminister Herrmann, setzen Sie sich wirklich dafür ein, dass unser Antrag umgesetzt wird. Es ist aus verschiedenen Gründen höchste Zeit, dass die NPD verboten wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir können es nicht zulassen, dass wir die Gegner der Demokratie noch finanzieren und dass wir rechte Aufmärsche, Versammlungen und Parteitage dulden müssen. Wir müssen hier auch die Kommunen unterstützen, und da würde natürlich ein NPD-Verbot sehr viel bewirken.

Aber - auch das möchte ich zum Schluss noch sagen - machen wir uns nichts vor. Auch ein NPD-Verbot löst natürlich das Problem Rechtsradikalismus und rechtes Gedankengut nicht. Deshalb müssen wir auch bürgerliches Engagement gegen Rechts massiv unterstützen, auch vom Landtag aus.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen präventive Programme im Bereich der Bildung fördern. Das muss uns das Geld wert sein. Und wir müssen vor allem Gruppen unterstützen, die die rechten Gruppierungen überwachen. Diese Gruppen haben es nicht immer leicht. Deswegen kann ich nach wie vor nicht verstehen, wenn zum Beispiel eine Gruppe wie Aida im Verfassungsschutzbericht erwähnt und immer noch mehr oder weniger bekämpft wird, statt sie zu unterstützen und ihnen zu sagen, dass sie die richtige Arbeit machen.

(Beifall bei der SPD)

Aber noch einmal: Das ist, glaube ich, ein Thema, bei dem wir als Demokraten im Landtag zusammenwirken sollten, damit wir jedem in Bayern, aber auch in ganz Deutschland klarmachen: Hier in Bayern, aber auch in Deutschland insgesamt hat rechtes Gedankengut überhaupt nichts mehr verloren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als nächsten Redner darf ich für die CSU-Fraktion Herrn Manfred Weiß zum Mikrofon bitten.

Herr Präsident, Hohes Haus! Der Kollege Rabenstein hat bedauert, dass dieses Thema zu so später Stunde beraten wird. Ich muss sagen, ich wundere mich über Sie: Was ver

sprechen Sie sich davon, dass Sie diesen Antrag, der im Innenausschuss aus guten Gründen abgelehnt wurde, jetzt im Plenum hochziehen?

(Beifall bei der FDP)

Es wird über diese schlimmen Vorfälle regelmäßig berichtet. Das Parlamentarische Kontrollgremium hält dazu regelmäßig Sitzungen. Auch heute haben wir darüber gesprochen. Der Innenminister hat zugesagt, am 7. März im Innenausschuss einen Zwischenbericht zu geben. Das Parlamentarische Kontrollgremium hat bereits festgelegt, dass es in der Woche danach zu einer weiteren Sitzung zusammenkommt, falls irgendwelche Punkte wegen Geheimhaltung im Innenausschuss nicht angesprochen werden können.

Es wird also bereits umfassend geklärt. Man sollte auch darauf hinweisen, dass wir bei den Beratungen im Innenausschuss, in denen wir Ihren Antrag abgelehnt haben, einem Antrag der GRÜNEN auf umfassende Berichterstattung zugestimmt haben. Wir haben ihm zugestimmt, weil es ein sachlicher Antrag war. Es sind zwar einige Fragen dabei, die das Innenministerium wohl nicht beantworten kann. Das kann das Ministerium dann sagen. Aber es war ein sachlicher Antrag, und dem haben wir alle zugestimmt.

Warum haben wir den Antrag der SPD abgelehnt? Weil nach der Wortwahl in Ihrem Antrag eindeutig war, dass es Ihnen nicht um eine gemeinsame Aufgabe gegangen ist, sondern nur um Spalten, um Provozieren und um Diffamieren.

(Beifall bei der FDP)

In Ihrem Antrag "Gemeinsames Vorgehen gegen Rechtsextremismus" bringen Sie Vorwürfe im Bereich der Integration ausländischer Mitbürger. Was haben solche Vorwürfe mit diesem Antrag zu tun? Sie üben Kritik am Bund wegen der Kürzung von Fördermitteln. Was hat das mit der gemeinsamen Aufklärung zu tun? Sie kritisieren, dass öffentliche Förderung davon abhängig ist, dass die Institutionen, die gefördert werden sollen, eine Demokratieerklärung abgeben. Was hat denn das mit dieser Aufklärung zu tun? Und dann fordern Sie - das haben Sie noch einmal gesagt -, dass bei eindeutig linksextremistischen Gruppierungen wie Aida die Beobachtung durch den Verfassungsschutz eingestellt wird,

(Zuruf von der CSU: Pfui!)

obwohl das Bayerische Verwaltungsgericht eindeutig festgestellt hat, dass Aida linksextremistisch ist. Sie fordern praktisch ein rechtswidriges Verhalten unserer Verfassungsschutzbehörden. Und das soll die Grund

lage für ein gemeinsames Vorgehen gegen den Rechtsextremismus sein?

Ich muss deutlich sagen: Die Fragen, die Sie gestellt haben, werden wohl alle in dem Zusammenhang in nächster Zeit geklärt werden. Aber wir gehen Ihnen nicht auf den Leim. Sie dürfen uns nicht alles Mögliche unterjubeln, mit Beschimpfungen kommen und alle abgelehnten Forderungen der letzten Monate und Jahre erneut vorbringen und dann glauben, wir könnten gemeinsame Lösungen verabschieden.

Ich sage eindeutig: Wir werden die Sache eingehend klären, aber nicht aufgrund dieses Vorbringens, das keine gemeinsame Arbeit möglich macht, sondern nur dazu da ist, zu trennen, zu provozieren und uns zu spalten. Wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die FREIEN WÄHLER hat nun Herr Kollege Bernhard Pohl das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme dem Kollegen Rabenstein zu, dass es Aufgabe der Gesellschaft aller Demokraten ist, geschlossen gegen Extremismus in unserem Staat und in unserer Gesellschaft vorzugehen. Vielleicht ist das sogar die wichtigste Aufgabe, die diese Gesellschaft hat.

Es kann nicht sein Bewenden damit haben, dass wir uns in Gedenkstunden erinnern, welch schreckliche Morde hier in Bayern passiert sind. Wir müssen weitergehen. Wir müssen in unserem Rahmen die Möglichkeiten ausschöpfen, Ermittlungsbehörden zu kontrollieren. Wir müssen unsere Aufgabe als Parlamentarier wahrnehmen.

Deswegen haben wir den Antrag der GRÜNEN, auch den Antrag auf einen Zwischenbericht, unterstützt, den die Mehrheit im Ausschuss leider abgelehnt hat. Aber Herr Staatsminister Herrmann hat etwas weiter gedacht. Er hat gesagt: Egal, was die Ausschussmehrheit sagt, ich erstatte am 7. März Bericht. Ich finde, das ist ein gutes und richtiges Zeichen.

Dem Antrag, den Sie hier heute vorgelegt haben, können wir nicht zustimmen. Sie wissen auch, warum. Hätten Sie den Passus mit Aida und VVN weggelassen, hätten wir dem Antrag sicherlich zugestimmt, auch wenn er in Teilen eine Wiederholung dessen ist, was die GRÜNEN schon beantragt hatten.

Aber wenn Sie ein gemeinsames Vorgehen aller Demokraten wollen und dann in Ihren Antrag eine Gene

ralamnestie für linksradikale Gruppierungen wie VVN und Aida hineinmengen, dann ist das nicht zustimmungsfähig.

(Harald Güller (SPD): Als Mitglied der VVN verwahre ich mich dagegen!)

- Herr Kollege Güller, ich muss Ihnen sagen, dass es bis vor Kurzem einen Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD gegeben hat, wonach ein Mitglied der SPD nicht Mitglied in der VVN sein konnte. Den Unvereinbarkeitsbeschluss hat es, wie ich meine, bis 2010 gegeben. Das wird auch in der SPD seine Gründe gehabt haben. Beide Gruppierungen bekämpfen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Beide Gruppierungen stehen für linkes Gedankengut.

Ich habe es im Ausschuss schon gesagt: Ich habe mich der Diskussion mit VVN gestellt, Herr Kollege Güller. Ich habe die Frage gestellt - Sie waren dabei -: Wie grenzen Sie sich von Linksextremismus ab? Die Antwort war Gelächter.

Deswegen, Kolleginnen und Kollegen, kämpfen wir gemeinsam gegen Extremismus, aber bitte schön nicht, indem wir die eine Seite gegen die andere ausspielen. Links- und Rechtsextremismus sind Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Diese Gefahren haben wir als Parlamentarier zu bekämpfen.