Lassen Sie jetzt eine Zwischenbemerkung zu? - Dann darf ich Herrn Hartmann für die GRÜNEN das Wort geben, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Kollege, ich hoffe, dass ich Sie nicht ganz richtig verstanden habe; denn es wäre traurig, wenn ich Sie richtig verstanden hätte. Haben Sie wirklich hier im Hohen Hause gesagt, wir müssten den PV-Bereich drosseln, um den Vorrang nicht infrage zu stellen? Das wäre eine Kapitulation vor dem Thema Energiewende. Wir alle wissen, dass wir das Ziel haben, eines Tages 50 %, später 75 % und eines ferneren Tages 100 % des Bedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken. Das würde heißen, Sie wollen sich der Aufgabe der Integration der erneuerbaren Energien ins Stromnetz und ihre Überführung in die Speicherform heute nicht richtig stellen. Sie wollen das Thema vertagen und den zeitlichen Druck herausnehmen. Sie bremsen den Solarbereich, um Zeit zu gewinnen. Sie müssen aber eine Lösung dafür finden. Die Lösung besteht doch nicht darin, den solaren Stromanteil zu begrenzen, weil man da nicht weiterkommt. Wir müssen vielmehr die Netze ausbauen und die Integration in die Netze voranbringen. Das sind doch unsere Aufgaben, und die wollen Sie einfach beiseiteschieben. Es ist wirklich skandalös, wenn man Energiewende so betreiben möchte.
Ich erkläre sie Ihnen gerne noch einmal. Wir haben im Moment beim enormen Ausbau der dezentralen Kraftwerke große Herausforderungen zu meistern, was die Netzintegrität anbelangt. Unsere Netze wurden im Zeitalter der Kernkraft darauf ausgelegt, dass wir irgendwo zentral große Produzenten hatten, die den Strom an die Verbraucher verteilten. Durch die dezentrale Energieversorgung rückt jetzt das Kraftwerk, die Produktionsstätte, näher an den Verbraucher heran. Die Vielzahl von kleinen Anlagen - Hunderttausende von Anlagen - stellen für die Netze eine immens große Herausforderung dar.
(Ulrike Gote (GRÜNE): Was ist falsch, die Anlagen oder das Netz? - Zuruf von der CSU: Warum schreien Sie so?)
- Warten Sie einmal, Frau Kollegin. Ich freue mich, dass Sie so eifrig zu einem Wissenszuwachs gelangen wollen. - Jetzt haben wir das Problem des Einspeisevorrangs für Erneuerbare-Energien-Anlagen. Wenn es so viele dezentrale Energieproduzenten gibt, dass unser Netz sie nicht mehr aushalten kann, kann unser Netz zusammenbrechen.
Das unterscheidet Ihre Politik von unserer Politik. Sie leben in einem Schlaraffenland, in einer Traumwelt. Wie so oft ist die Traumwelt anders als die Realität. Sie stehen für eine ideologische Energiewende, die nicht funktionieren und mit Problemen behaftet sein wird.
Wir stehen für eine vernünftige, realisierbare Energiewende. Deshalb sage ich noch einmal und mit voller Überzeugung: CSU und FDP können Energiewende besser!
Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege. Herr Kollege Reiß, lassen Sie sich noch etwas Zeit, jetzt kommen erst noch drei Ankündigungen.
Die erste Ankündigung besteht darin, dass die Fraktion der GRÜNEN zu ihrem Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat.
Die zweite Ankündigung enthält die Ergebnisse der beiden bereits durchgeführten namentlichen Abstimmungen.
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Dittmar, Aures und anderer (SPD) betreffend "Lehren aus Müller-Brot - Neuorganisation der Lebensmittelkontrolle", Drucksache 16/11631: Mit Ja haben 48 Abgeordnete, mit Nein 98 gestimmt. Es gab keine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Nun das Ergebnis der namentlichen Abstimmung des Dringlichkeitsantrags der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Prof. Dr. Piazolo und Fraktion der FREIEN WÄHLER, betreffend "Klarheit schaffen über die durch Euro- und Griechenland-Rettung bestehenden und möglichen Belastungen für die bayerischen Bürgerinnen und Bürger und die öffentlichen Haushalte", Drucksache 16/11632: Mit Ja haben 60, mit Nein 77 Abgeordnete gestimmt. Es gab ebenfalls keine Stimmenthaltungen. Auch dieser Dringlichkeitsantrag ist abgelehnt.
Wir fahren nun in der Debatte fort. Herr Kollege Reiß von der CSU-Fraktion ist schon nah am Pult. Sie haben das Wort, Herr Kollege, bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz aller Aufregung und sicherlich berechtigter Kritik muss man sich zunächst einmal doch die Entwicklung der letzten Jahre vor Augen führen. Wir haben in Deutschland in knapp zehn Jahren bis zum Jahr 2009 eine Photovoltaik-Leistung von insgesamt rund 10.000 Megawatt installiert. In den Jahren 2010 und 2011 wurden insgesamt 15.000 Megawatt installiert, das heißt 150 % jener Leistung, für deren Installierung wir vorher mehr als zehn Jahre gebraucht haben. Dieser über dem Doppelten der jährlichen Zubaukorridor-Obergrenze liegende Zubau und Boom zeigt eindeutig, dass Investoren eine gute Rendite erwirtschaften konnten und die Anlagenpreise offensichtlich stärker sinken als die Einspeisevergütung. Lieber Herr Kollege Thalhammer, dennoch würde ich in diesem Zusammenhang nicht von Goldrausch sprechen. Wenn ein Anlagenbetreiber nach den gesetzli
chen Rahmenbedingungen in eine Anlage investiert, ist es sicherlich Aufgabe der Politik, entsprechend nachzusteuern. Es ist richtig, die Systempreise gehen nach unten und werden auch weiterhin nach unten gehen. Der Bundesverband Solarwirtschaft hatte im letzten Jahr eine Preissenkung um 25 % angenommen und geht für das laufende Jahr von 23 % aus. Wir haben also gewiss den Auftrag, entsprechend nachzusteuern; denn eine Rückführung des Anlagenzubaus auf ein gesundes und verkraftbares Maß liegt im Interesse eines kosteneffizienten Ausbaus der Photovoltaik und im Interesse bezahlbarer und wettbewerbsfähiger Strompreise für Verbraucher und Wirtschaft.
Bei allem Verständnis für die erforderlichen Kürzungen dürfen wir diejenigen - das wurde schon gesagt -, die im Vertrauen auf bestehende Konditionen Investitionsentscheidungen getroffen haben, die bereits Verträge geschlossen haben, bereits konkret geplant haben, Flächen gesichert haben, die Geld aufgewendet haben, selbstverständlich nicht im Regen stehen lassen. Die erheblichen Vergütungseinschnitte zum 9. März sind unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes daher für uns definitiv nicht akzeptabel.
Der 9. März liegt vor dem Zeitpunkt, zu dem das Gesetz im Bundestag verabschiedet werden soll. Das halte ich für verfassungsrechtlich bedenklich und - ich muss das so deutlich sagen - für politisch nicht glücklich und nicht seriös.
Der Bund muss in jedem Fall eine angemessene Übergangsregelung schaffen; alles andere widerspräche dem Prinzip der Verlässlichkeit und wäre ein Angriff auf die Investitions- und Rechtssicherheit am Standort Deutschland.
Auch bei anderen Punkten besteht nach unserer Überzeugung Nachbesserungsbedarf. So ist die Einmalabsenkung zum 9. März insbesondere für Freiflächenanlagen so hoch, dass keine Rentabilität mehr gegeben sein dürfte. Mit der Absenkung um weitere 30 % verlassen wir meines Erachtens den bisherigen Weg des Sinkfluges, also der kontinuierlichen Einbindung des Solarstroms in den natürlichen Markt, wobei es bisher zu keinen größeren Turbulenzen gekommen ist. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Gebot politischer wie auch volkswirtschaftlicher Klugheit, dass wir nach einem Jahrzehnt hoher Förderung nicht ausgerechnet kurz vor Erreichen der Marktparität in Deutschland den Stecker ziehen und damit die hier aufgebaute Industrie gefährden. Besonders betroffen wäre Bayern mit bis zu 10.000 Arbeits
plätzen und Existenzen. Ich halte eine weitere Absenkung um 15 bis 20 % im Bereich der FreiflächenPhotovoltaik für vertretbar. Dies würde auch zu einer Vergütung führen, die der von Offshore-Windkraftanlagen vergleichbar ist. Aus bayerischer Sicht kann es nicht sein, dass die Nutzung von Off-Shore-Wind im Norden Deutschlands höher gefördert wird als die Freiflächen-Photovoltaik im Süden.
Auch die vorgesehene Begrenzung der PhotovoltaikFörderung auf maximal 10 Megawatt installierter Leistung halte ich nicht für zielführend, zumal diese Grenze willkürlich ist. Sinnvoller wäre eine abgestufte Einspeisevergütung, die der höheren Wirtschaftlichkeit großer Anlagen entspricht. Auch eine Wiedereinführung der Freiflächenvergütung - das ist in einem Antrag enthalten - würde Kostensenkungspotenziale eröffnen und könnte die Einmalabsenkung leichter verkraftbar machen.
Ein weiteres Thema ist sicherlich auch der jetzt eingeführte Eigenverbrauchsbonus, der gerade erst damit begonnen hat, zur Entwicklung von Speicherkonzepten beizutragen. Er sollte deshalb nicht gleich wieder gestrichen werden.
Statt der Kappung der Vergütung auf 85 bzw. 90 % sollten wir im EEG Regelungen vorsehen, die die Speicherung und eine höhere Effizienz fördern. Dass die in höchstem Maße sinnvolle Regelung zur Förderung des Eigenverbrauchs nach einem Jahr schon wieder gestrichen wird, ist für mich persönlich nicht nachvollziehbar. Entscheidend ist es, die Rahmenbedingungen verlässlich zu machen und die Anpassungen so zu verstetigen, dass ein punktuelles Nachsteuern auf dem Verordnungsweg nicht erforderlich wird. Auch ich halte die Verordnungsermächtigung für ungeeignet.
Der Photovoltaik wird in Bayern im Jahr 2021 gemäß dem Energiekonzept der Bayerischen Staatsregierung ein Anteil von 16 % am bayerischen Strommix zukommen. Die Photovoltaik hat daher gerade für uns in Bayern eine besondere Bedeutung. Die geplante Neuregelung muss deshalb sicherstellen, dass die Ausbauziele Bayerns und damit die Realisierung der Energiewende in diesem zentralen Punkt nicht gefährdet werden.
Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag. Die Anträge der GRÜNEN und FREIEN WÄHLER werden wir ableh
Bleiben Sie kurz. Es sieht nach einer Zwischenbemerkung aus. So ist es auch. Herr Hartmann von den GRÜNEN bitte.
Herr Kollege Reiß, Sie haben einige sinnvolle Äußerungen gemacht, die ich durchaus unterstützen kann. Es fehlt aber etwas am Gesamtkonzept. Sie haben aus bayerischer Sicht Standpunkte vertreten, die die Offshore-Anlagen und die Freiflächenanlagen in Bayern betreffen. Würden Sie mir zustimmen, dass die neuen Solarstromanlagen, die jetzt installiert werden, gar nicht mehr der wahre Kostentreiber sind, weil die Vergütung in den letzten Jahren um 50 % reduziert wurde und die Vergütungssätze jetzt bei etwa 20 Cent liegen?
Die weitere Frage, auf die Sie gar nicht eingegangen sind, betrifft den Zielkorridor: Wie weit möchte die Staatsregierung bzw. die CSU-Fraktion mit dem Anteil von Solarstrom kommen? Jetzt hatten wir immer einen Zielkorridor von 3.500 Megawatt pro Jahr. Bei den Anhörungen in der Energiekommission hat die Deutsche Energie-Agentur bei den Energieszenarien immer mit diesem Zubau pro Jahr gerechnet. Diesen Zubau hat man auch an die EU gemeldet. Wo ist die Zubaugrenze oder wo ist der Zielkorridor, den sich die CSU in Bayern vorstellt? Nachdem darüber aktuell diskutiert wird, reden wir davon, dass wir ab dem Jahr 2017 einen Korridor zwischen 900 und 1.900 Megawatt haben werden. Ist es wirklich der Wunsch der CSU in Bayern, diesen Korridor nach unten zu bringen, ganz abgesehen von der Höhe der Vergütung? Hier geht es um den Korridor des Zubaus.
Der Korridor liegt aktuell bei 2.500 bis 3.000 Megawatt. Jetzt müssen wir feststellen, dass wir in den letzten beiden Jahren diesen Zubau mit jeweils 7.500 Megawatt massiv überschritten haben und dass auch ohne eine Änderung zu erwarten ist, dass wir im ersten Halbjahr 2012 einen Zubau von rund 8.000 Megawatt bekommen würden. Dies ergibt sich zumindest aus den Prognosen. Wenn wir die Systempreissenkungen mit den dann möglichen Renditen vergleichen, müssen wir davon ausgehen, dass bis zu der geplanten Absenkung im Juli verstärkt ein weiterer Zubau kommen wird. Das hat auch das letzte Jahr gezeigt, als der Zubau erst im letzten Quartal massiv gekommen ist. 3.500 Megawatt hatten
wir in den ersten drei Quartalen, den Rest von 4.000 Megawatt hatten wir dann im letzten Quartal. Wir haben deshalb sicherlich den Auftrag, beim Zubau dämpfend einzugreifen.
Wenn wir den Zubaukorridor so, wie er jetzt in den Vorschlägen geplant ist, bekommen würden, würden wir im Jahr 2020 bei rund 48.000 Megawatt landen. In etwa zehn Jahren hätten wir dann rund 50.000 Megawatt. Wir hätten dann den großen Auftrag, die sonstigen Rahmenbedingungen anzupassen. Wir müssten deshalb die Speichertechnologie weiterentwickeln und den Netzausbau vorwärts bringen. Mit den gesetzlichen Vorgaben sind wir hinsichtlich des Zubaukorridors auf einem guten Weg.
Bei der Kostenentwicklung haben die letzten Jahre dazu geführt, dass bereits eine Einspeisevergütung von kumuliert rund 100 Milliarden Euro aufgelaufen ist. Darin, dass diese Zahl mit der Absenkung der Einspeisevergütung ebenfalls absinkt, sind wir uns sicherlich einig. Letztendlich geht es aber nicht darum, sondern wir müssen das System insgesamt kosteneffizient erhalten und am Ende einen Energiemix bekommen, der bezahlbar und für unsere Wirtschaft tragfähig ist.