Protokoll der Sitzung vom 27.03.2012

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU)

Ich erinnere mich noch sehr gut, als wir vor einem Jahr über die Lehrerausstattung in diesem Land diskutiert und empörte Reaktionen für unsere Kritik an den künftig wegfallenden Stellen bekommen haben, die in massivem Umfang im Haushalt ausgebracht wurden. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Sie den BLLV mit Demagogie verfolgt haben, als er genau diesen wunden Punkt angesprochen hat. Sie haben damals all unsere Änderungsanträge abgelehnt. Jetzt müssen Sie zugeben, dass Sie mit der Lehrerausstattung nicht mehr hinkommen und gezwungen sind, dem endlich nachzukommen, was wir schon immer gesagt haben, und mehr Lehrkräfte an den Schulen im Freistaat Bayern zur Verfügung zu stellen. Sie gestehen ein - zwar in geringem Umfang, aber immerhin -, dass es ein Fehler war, unsere Anträge vor einem Jahr abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

So ist es auch bei den Polizeibeamten. Der Innenminister musste mittlerweile sogar einräumen, dass die Polizeireform vielleicht doch nicht das gloriose Wunderwerk der CSU war, sondern durchaus Probleme im Polizeivollzugsdienst mit sich bringt.

Bei den Finanzbeamten - ich komme noch darauf zu sprechen - gibt es ein Sondernotprogramm, um dem drastischen Defizit in der Personalausstattung der Finanzverwaltung überhaupt noch etwas entgegenzusetzen, weil man es jahrzehntelang verschlafen hat. Das ist doch ein Zeichen dafür, dass bisher viel zu wenig getan wurde.

Auch die Abfinanzierungsprogramme, die jetzt so hoch gerühmt werden, zeigen nichts anderes, als dass Sie die Programme bisher nicht ordnungsgemäß ausgestattet haben und sowohl Kommunen, Behinderteneinrichtungen, Kirchen und Landwirtschaft über Jahre hinweg auf Zuschüsse gewartet haben. Das

Abfinanzierungsprogramm zeigt nur die Defizite in Ihrer bisherigen Haushaltspolitik.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Es zeigt die Handlungsfähigkeit der Staatsregierung!)

Das gilt auch für die von der CSU und der FDP leider häufig im wahrsten Sinne des Wortes in letzter Minute als Tischvorlage eingereichten Änderungsanträge. Die Kurzfristigkeit, mit der dies geschehen ist, zeigt auch, dass entgegen der nach außen gespielten verbesserten Zusammenarbeit in der schwarz-gelben Koalition nach wie vor eine sehr schwierige Zusammenarbeitsstruktur besteht. Bis in die letzten Minuten wurde gerungen, ob und welche Anträge eingereicht werden. Aber auch diese Änderungsanträge sind ein deutlicher Beleg für die Schwächen im Haushaltsentwurf der Staatsregierung und ein Zeichen dafür, dass wir bei den Punkten, die wir kritisiert haben, recht hatten.

(Georg Schmid (CSU): Wir denken mit! Das ist Eigeninitiative!)

Das gilt insbesondere für die Investitionsquote im staatlichen Bauprogramm. Ich bin den Kollegen dankbar - das möchte ich hiermit zum Ausdruck bringen -, dass sie für dieses Bauprogramm 145 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben. Dies ist aber zugleich ein Zeichen dafür, dass diese Summe im Regierungsentwurf der Staatsregierung gefehlt hat. Hier musste nachgebessert werden, zum Teil in letzter Sekunde.

Wie der Stammhaushalt ist auch dieser Haushalt leider kein Aufbruch für Bayern, sondern trotz aller Nachbesserungen, Kaschierungen und Feigenblätter nach wie vor ein Haushalt, der viele Defizite aufweist. Die Lehrgeldausstattung ist nach wie vor prekär. Sie wissen das. Unsere Forderung ist wieder einmal vom Tisch gewischt worden, wie auch beim letzten Mal. Jetzt mussten Sie nachbessern. Wir sind sehr gespannt, wann Sie zu erkennen geben, dass unsere Forderung berechtigt war. Ich vermute, das wird bereits in wenigen Monaten, zum Doppelhaushalt 2013/2014, der Fall sein. Ihre Art von Haushaltspolitik ist es, berechtigte Anträge abzulehnen, um dann später zugeben zu müssen, dass Sie Defizite haben, insbesondere in der Bildungs- und der Schulpolitik.

Bei der Inklusion gibt es wenige weiterführende Initiativen. Bei den Ganztagsschulen ist Bayern immer noch Schlusslicht. Es fehlt an Initiativen, die finanziell unterfüttert werden. Auch der Aufbau der Schulsozialarbeit ist ein Defizitbereich. Daneben weigern Sie sich nach wie vor, die Sozialbarrieren beim Studium durch die Streichung der Studienbeiträge abzubauen.

(Beifall bei der SPD)

Sie verfolgen eine Salamitaktik. Warum schaffen Sie es angesichts der Haushaltslage des Jahres 2012 nicht, den Eltern im Freistaat zu sagen, dass ab dem nächsten Jahr das letzte Kindergartenjahr gebührenfrei sein wird? Das ist eine Salamitaktik, die zur Verunsicherung der Eltern führt. Wir wollen Klarheit und haben das auch in den entsprechenden Haushaltsanträgen zum Ausdruck gebracht. Sie verzögern diese notwendige Reform und schieben sie in die Zukunft. Das bedauern wir sehr. Wir wären bei diesem Haushalt in der Lage gewesen, dieses positive Signal an die Eltern und die Kinder dieses Freistaats zu schicken. Sie waren dazu leider nicht in der Lage.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Energiewende sieht es ganz eigenartig aus. Sie glauben tatsächlich, diese Energiewende mit ein paar verstreuten Anträgen und Schwerpunkten schaffen zu können. Sie glauben tatsächlich, dass es genügt, einen Wasserkopf bei der Staatsregierung zu haben, und verzichten auf die gezielte Förderung kommunaler Energieagenturen, durch die die Energiewende tatsächlich umgesetzt werden muss. Ohne die Kommunen findet in Bayern keine Energiewende statt. Es ist bedauerlich, dass Sie es nicht geschafft haben, einem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zur Unterstützung von Energieagenturen in den Kommunen zuzustimmen. Das wäre der richtige Akzent für die Energiepolitik gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon bemerkenswert, dass Sie im Jahr eins nach der Energiewende das Landesprogramm "Klima 2020" im Jahr 2011 bereits beendet haben und es nicht fortsetzen werden. Im Hinblick auf die Vorbildfunktion des Freistaats Bayern kann es doch nicht sein, dass Sie im Jahr eins nach der Energiewende für energetische Sanierungen weniger ausgeben als vor Fukushima. Das kann doch nicht das Signal eines Freistaats sein, der nach außen bekundet: Wir wollen an der Energiewende teilhaben. Sie geben für die energetische Sanierung weniger aus als im Vorjahr. Das ist ein Armutszeugnis für diese Staatsregierung.

(Albert Füracker (CSU): Ein Armutszeugnis ist diese Rede, sonst nichts!)

Ich komme zum Breitbandausbau. Das ist das Thema Armutszeugnis zwei. Von Huber über Zeil: Eine Geschichte der Versäumnisse von CSU und FDP über fünf Jahre. Alle Änderungsanträge der SPD zum Haushalt wurden abgelehnt. Unsere Forderung lag klar auf dem Tisch. Einen Tag vor der Verabschiedung des Nachtragshaushalts im Parlament kommt

dann ein Änderungsantrag zur Zweiten Lesung auf den Tisch des Hauses.

(Georg Schmid (CSU): Das ist Entscheidungskraft!)

Das ist der Beweis dafür, dass die Staatsregierung von CSU und FDP nicht fähig war, eine zentrale Zukunftsherausforderung rechtzeitig und konsequent anzupacken.

(Georg Schmid (CSU): Ganz im Gegenteil: rechtzeitig! Heute ist der letzte Tag!)

Sie hat vielmehr gezögert, gezaudert und gestritten. Das kann humorvoll beurteilt werden. Diese schwarzgelbe Regierungskoalition ist ein aufgescheuchter Hühnerhaufen, keine geordnete Entscheidungsformation.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wenn sie endlich flattern würden! Aber sie rühren sich nicht!)

Durch Ihre chaotische Breitbandpolitik haben Sie der Entwicklung der ländlichen Räume dieses Freistaats einen massiven Schlag zugefügt. Jetzt wollen Sie den Schaden im Nachhinein abmildern. Aber der Schaden durch die massive Verzögerung des Breitbandausbaus im Freistaat Bayern bleibt. Dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Wo leben Sie denn, Herr Halbleib?)

Dieser Haushalt 2012 ist ein Haushalt der fortwährenden Erblast der CSU-Fehler bei der Landesbank. Ich bin ganz überrascht über die Worte, die der Finanzminister dazu gefunden hat. Dazu werde ich aber noch kommen. Der Finanzminister hat davon gesprochen, dass Schulden unmoralisch sind. Ich würde sagen: Schulden sind vor allem dann unmoralisch, wenn sie auf eine Art und Weise erzeugt worden sind, wie Sie dies bei der Bayerischen Landesbank getan haben, nämlich durch fehlende Aufsicht, fehlende Steuerung und durch eine Fehlorientierung der Bankenpolitik. Das haben Sie zu verantworten. Jetzt stellen Sie sich hierher und sagen: Schulden sind unmoralisch. Sie haben diese unmoralischen Schulden in Höhe von 10 Milliarden Euro für den Freistaat Bayern aufgetürmt. Das ist die Verantwortung der CSU in diesem Hause.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, Sie haben recht. Dieser Haushalt 2012 wird tatsächlich in die Geschichte des Freistaats Bayern eingehen; denn er führt zur faktischen

Liquidierung der Vorsorgesysteme bei den Beamtenpensionen. CSU und FDP wollen heute mit ihrer Entscheidung zum Nachtragshaushalt ein zentrales Projekt der finanzpolitischen Nachhaltigkeit der bayerischen Landespolitik zerstören, das erst 2008 unter der Verantwortung von Ministerpräsident Dr. Beckstein und Finanzminister Huber mit unserer Unterstützung auf den Weg gebracht wurde, den Versorgungsfonds. Im Jahre 2008 wurde dieses Versorgungssystem erst auf den Weg gebracht. Heute, an diesem 27. März, entscheiden Sie, dieses Versorgungssystem zu zerstören und aufzugeben. Das halten wir für einen bedauerlichen Irrweg, den wir nicht wollen. Wir sagen den Bürgern klar: Das Vorsorgesystem war sinnvoll. Seine Zerstörung ist ein Irrweg.

(Thomas Hacker (FDP): Deswegen werden wir Jahr für Jahr hundert Millionen einzahlen!)

Jetzt komme ich zu dem Wunderwerk, das Sie auch heute wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt haben, der Schuldentilgung in Höhe von einer Milliarde Euro. Grundsätzlich ist die Tilgung von Schulden, wenn dies finanzpolitisch möglich ist und wenn das die Konjunktur hergibt, eine richtige Maßnahme. Was Sie jedoch tun, offenbart ein Verständnis von Finanzpolitik, das mit Berechenbarkeit, mit Solidität und Ehrlichkeit nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Wie gehen Sie denn mit dieser Schuldentilgung um und wie finanzieren Sie sie? Die entscheidenden Punkte sind doch die Schuldentilgung, die Sie für das Jahr 2012 beabsichtigen und die Schuldentilgung, die Sie für die Jahre 2013/2014 angekündigt haben, in beiden Fällen eine Milliarde Euro.

Diese Schuldentilgung wird bezahlt, indem Sie ein Vorsorgesystem zerschlagen und das Geld, das in dieses Vorsorgesystem fließen sollte, einfach in die Schuldentilgung stecken. Auch wenn Sie das abstreiten und nicht wahrhaben wollen: Ökonomisch gesehen sind nicht getätigte Rückstellungen neue Schulden, weil sie finanzielle Lasten in die Zukunft verschieben. Die Schuldentilgung in Höhe von einer Milliarde Euro wird dadurch bezahlt, dass Sie finanzielle Lasten und neue Schulden durch eine Kappung der Vorsorgesysteme produzieren. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ökonomisch ist es ein Jammer, dass Sie die Schuldentilgung, die ein sinnvoller Vorgang ist, mit einer Zerstörung wichtiger Vorsorgesysteme finanzieren. Das lehnen wir grundsätzlich ab.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt wollen Sie bis 2017 knapp drei Milliarden Euro weniger an Vorsorge leisten, als es in den gesetzlichen Grundlagen, die Sie selber beschlossen haben, vorgesehen ist. Sie haben ein gutes und ehr

bares Ziel, nämlich die Tilgung von Staatsschulden, leider in den Bereich eines finanzpolitischen Hütchenspiels gebracht, nämlich: rechte Tasche - linke Tasche. Sie haben alte Schulden beglichen und neue Schulden und Verbindlichkeiten für die Zukunft aufgebaut. Das ist keine solide und seriöse Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem Sie, Herr Finanzminister, die moralische Messlatte heute so hoch gehängt haben,

(Zuruf von der SPD)

darf ich schon einmal darauf hinweisen, was es mit dem angeblich großen Schuldentilgungskonzept auf sich hat. Das ist in den letzten Tagen deutlich geworden: Je näher man diesem Scheinriesen Schuldentilgung 2030 getreten ist, desto kleiner ist er geworden, immer wieder kleiner, je näher man ihn beobachtet hat. Zum Schluss ist eigentlich wenig Substanzielles übrig geblieben. Letztendlich ist Ihr Tilgungskonzept bei näherem Hinschauen eine Kombination von Absichtserklärungen, Luftnummern und Tricksereien über Versorgungsfonds, aber mit wenig inhaltlicher Substanz.

Es kann aber nicht angehen, dass Sie hier von unmoralischen Schulden sprechen und nicht erwähnen, dass Sie es waren, die seit 2008 zehn Milliarden Euro Schulden in diesem Freistaat aufgebaut haben, die Schuldenlast mit einem Schlag um 45 % anstiegen ließen, die die Schuldenbelastung eines jeden Bayern um 830 € hat steigen lassen,

(Zurufe von der CSU)

dass Sie es waren, die die Schulden produziert haben.

Nun buchen Sie die von Ihnen neu produzierten Schulden plötzlich aus dem Schuldentilgungsplan, weil das die Landesbank bezahlen soll. Das ist eine aberwitzige Vorstellung: dass Sie gerade die Schulden, die Sie erst in letzter Zeit gemacht haben und die die Finanzpolitik in diesem Freistaat massiv belasten, rechnerisch, moralisch, intellektuell einfach herausnehmen. Das ist wirklich ein Abgrund seriöser Finanzpolitik. So kann es nicht gehen, Herr Finanzminister! Das ist eine unmoralische Finanzpolitik, wenn Sie sich nicht zu Ihren Schulden bekennen. Zehn Milliarden Euro haben Sie in den letzten drei Jahren für diesen Freistaat als CSU zu verantworten, und Sie sollten die Wählerinnen und Wähler hier in Demut um Entschuldigung für diese Fehler bitten,

(Zurufe von der CSU)

aber sich nicht hier in moralischer Art und Weise aufspielen und sich als Schuldentilger gebärden. Das passt nicht zusammen!

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch der erste Trick, mit dem Sie schon zehn Milliarden Euro aus Ihrer Schuldentilgungsrechnung herausnehmen.