Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Nein, keine Zwischenfrage.

Das gilt auch für die SPD, die sich allerdings auf vermeintliche Weiterbildungsverbünde des Lehrstuhls Allgemeinmedizin an der TU München bezieht. Lassen Sie mich dazu Folgendes feststellen, was Herr Dr. Zimmermann zum Teil ebenfalls bereits sagte: Die Organisation der Weiterbildung zum Facharzt, also auch zum Facharzt für Allgemeinmedizin, ist grundsätzlich Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung. Daran gibt es keinen Deut zu rütteln.

(Beifall bei der FDP)

Hier hat sich der Staat herauszuhalten. Das haben wir so beschlossen, und es hat sich auch in Deutschland bewährt. Sie findet unter Aufsicht der Gesundheitsbehörden statt. Natürlich wirken auch hier die Universitätskliniken mit, indem sie überproportional viele junge Ärzte zu Fachärzten, auch zu Fachärzten für Allgemeinmedizin, weiterbilden. Allgemeinärzte werden abwechselnd in Krankenhäusern und Arztpraxen ausgebildet.

Um diese Ausbildung zu verbessern und um sie finanziell abzusichern - dies wurde hier ebenfalls bereits erwähnt -, wurde eine sogenannte Koordinierungsstelle von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, vom Bayerischen Hausärzteverband sowie der Bayerischen Landesärztekammer eingerichtet. Die Koordinierungsstelle sollte insbesondere die Zahl der Weiterbildungsverbünde erhöhen und diese in ihrer Arbeit unterstützen. Wie wir eben gehört haben, gibt es 21 Weiterbildungsverbünde, wenn es richtig eruiert

wurde. Das heißt, das, was wir hier einmal konzipiert haben, ist erfolgreich.

(Beifall bei der FDP)

Das ist ein Stück praktischer Politik. Hier haben wir in der Regierungskoalition das, was wir angekündigt haben, auch umgesetzt. Auch hier wirken die Universitätskliniken mit. Der Lehrstuhlinhaber für Allgemeinmedizin an der TU München betreut auch, wie bereits gesagt, aufgrund seiner großen Sachkunde zehn dieser Verbünde.

Da dies aber nicht die ursprüngliche Aufgabe der medizinischen Fakultäten ist, werden diese speziellen Weiterbildungsverbünde künftig einen engen Schulterschluss - darin unterscheiden wir uns etwas - mit den allgemeinen Weiterbildungsverbünden suchen. Es war weder das Ziel des Lehrstuhls, noch ist es die Aufgabe einer medizinischen Fakultät, eine eigene Weiterbildung für Allgemeinärzte zu organisieren. Das kann nicht die Aufgabe eines Weiterbildungsverbundes sein. Es ist originäre Aufgabe der Universitäten.

Es wäre daher kontraproduktiv, wenn der Staat einseitig diejenigen Verbünde unterstützen würde, die aufgrund des speziellen Engagements zum Beispiel von Herrn Schneider betreut werden. Will man aber die Weiterbildungsverbünde Allgemeinmedizin sachgerecht fördern, so macht dies nur Sinn im Rahmen einer allgemein bestehenden Organisation und im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeit für die Weiterbildung. Wir können doch diesen Rahmen für die zusätzlichen Zuständigkeiten nicht umgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ansprechpartner sind dafür also nicht die medizinischen Fakultäten, sondern die Organe der ärztlichen Selbstverwaltung.

Weiter wollen die FREIEN WÄHLER die Gründung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin im Universitätsklinikum Würzburg ermöglichen. Soweit mir der Staatsminister zugetragen hat, ist die Universität Würzburg an einem solchen Lehrstuhl nicht interessiert und plant auch keinen in dieser Richtung. Wenn Sie andere Informationen haben, wäre ich dafür dankbar.

Herr Kollege, blicken Sie mal auf die Uhr.

Die Universität setzt weiter auf die bewährte Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und Fachärzten. Wenn die Hochschule im Rahmen ihrer Selbstverwaltung eine solche Entscheidung trifft, dann respektieren auch wir

diese grundsätzlich. In diesem Fall teile ich diese Meinung schon.

Herr Kollege, Sie bekommen gleich wieder neue Redezeit.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen.

( Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Nein!)

Nein, Otto, eine Minute ist immer Kulanz, aber danach werde ich ungemütlich. Aber du bekommst gleich die Chance, lieber Herr Kollege Bertermann, da die Kollegin Sonnenholzner eine Zwischenbemerkung angekündigt hat, zu der ich ihr nun das Wort erteile. Bitte schön.

Herr Kollege Dr. Bertermann, mir ist jetzt ganz schwindelig, denn Sie haben sich zweimal selbst und einmal dem Kollegen Dr. Zimmermann widersprochen. An dieser Stelle haben Sie allerdings recht. Ich versuche trotzdem einmal, es irgendwie hinzubekommen.

Einig sind wir uns in diesem Haus - jedenfalls verbal darin, dass etwas getan werden muss - dies haben auch die Ausführungen des Herrn Dr. Zimmermann eindrucksvoll belegt -, um die Akzeptanz der Allgemeinmedizin und die hausärztliche Versorgung in diesem Land flächendeckend zu steigern.

Nun liegen hier Anträge der FREIEN WÄHLER und der SPD-Fraktion vor, die sich bemühen, eine Facette herauszugreifen und mit wenigen Mitteln etwas zu tun. Und was tun Sie? - Sie schwadronieren - Entschuldigung, das kann ich Ihnen nicht ersparen - über mehr Studienplätze, die hier keiner gefordert hat. Wir haben nämlich mitnichten gesagt, dass wir mehr Medizinstudenten brauchen, sondern wir brauchen mehr Ärzte, die dann in die Allgemeinmedizin gehen. Herr Dr. Zimmermann sagte, dass es ureigenste Aufgabe der Lehrstühle sei, die Weiterbildungsverbünde zu organisieren. Dies ist überhaupt nicht Aufgabe des Lehrstuhls, das sagten Sie, Herr Dr. Bertermann.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): So ist es!)

Nur führt Herr Professor Schneider mit seinem Team oder allein dankenswerterweise diese Weiterbildungsverbünde durch. Das kann er aber weder personell noch finanziell à la longue tun. Das heißt, diese Weiterbildungsverbünde würden wegbrechen. Das kann doch nicht in unserem Interesse sein. Die 200.000 Euro, die dazu benötigt werden, sind gut angelegt; denn in Zeiten, in denen wir durch verschiedenste Faktoren - unter anderem auch viele Teilzeit arbeitende Ärztinnen und Ärzte - eine Konkurrenz

haben, ist es sinnvoll, solche Stellenanzeigen im "Deutschen Ärzteblatt" zu veröffentlichen. Man muss schauen, dass man die Menschen dorthin bringt, wo man sie haben will. Das zu regeln, ist wiederum, Herr Kollege Bertermann, ureigenste Aufgabe der Politik.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Organe der Selbstverwaltung an irgendeiner Stelle etwas dagegen hätten, wenn der Herr Professor Schneider 200.000 Euro zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Weiterbildungsverbünde bekäme. Wenn Sie jemanden kennen, der da etwas dagegen hat, dann sagen Sie es mir, da würde ich gern ein Gespräch führen, weil man das sicher regeln kann.

Wenn Sie hier sagen, Würzburg will keinen Lehrstuhl, antworte ich darauf: Wir als SPD-Fraktion haben bei aller Autonomie der Hochschulen immer noch die Forderung, dass jede medizinische Fakultät in Bayern einen Lehrstuhl Allgemeinmedizin braucht; denn sonst werden wir das Ziel, das wir alle zusammen haben, nicht erreichen.

Vielen Dank. Ich bitte alle Redner, meine Gutmütigkeit nicht auszunutzen.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

- Ja, es tun im Moment alle, wenn Sie aber ganz genau auf die Redezeiten schauen, wird einiges gleich geheilt werden. Da bin ich auch ganz sicher.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Ich habe keine Uhr; das hätten Sie sagen müssen!)

- Na gut. Jetzt hat Dr. Otto Bertermann zwei Minuten Zeit, zu antworten. Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Ich habe zu den Anträgen gesagt, dass wir prinzipiell nichts gegen die Weiterbildungsverbünde haben. Sie müssen auf freiwilliger Basis sein, und es ist nicht die Aufgabe, die Ausbildung letztlich durch Weiterbildungsverbünde zu garantieren. Ich meine, dass die Anträge sowohl der SPD als auch der FREIEN WÄHLER - ich sage es einmal mit einem Bild - für mich einfach Wassersuppe sind. Das ist zu wenig, um die hausärztliche Versorgung auf dem Land zu garantieren.

(Zuruf der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner (SPD))

Wir von der Regierungskoalition haben eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die wesentlich konkreter und zielführender sind. Ich kann einfach nur sagen: Wir stimmen Ihren Anträgen nicht zu. Das ist zu

wenig, um die hausärztliche Versorgung auf dem Land zu garantieren.

(Beifall bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Weitere Zwischenbemerkungen werden nicht angezeigt. Damit komme ich zur nächsten Rednerin, Theresa Schopper vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. - Meine Linie ist: Zu jeder Zeit und zu jedem Thema ist eine Minute Kulanz. Heute ist das eher harmlos, und ich bin sicher, am Ende wird einiges noch geheilt werden. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Zuruf des Abgeordneten Harald Güller (SPD))

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bertermann hat gerade die Anträge der Opposition als Wassersuppe tituliert. Ich muss Ihnen sagen, der Antrag der Koalition ist eher ein Wackelpudding, weil das, was drinsteht, nichts zu tun hat mit dem, was eigentlich heute Gegenstand der Diskussion ist. Von daher empfehle ich: Nur Gemach im Schulterklopfen.

Wir haben bei der Situation der Hausärzteversorgung im ländlichen Raum in der Tat ein Problem. Das wissen wir alle, die wir im gesundheitspolitischen Raum und Bereich tätig sind. 23 % der derzeit aktiven Hausärzte sind über 60 Jahre alt, und von daher wissen wir, dass das auf jeden Fall spätestens in fünf bis sieben Jahren entsprechende Stellen sind, für die wir Nachfolger brauchen. Wir wissen doch jetzt schon, dass zum Beispiel der Bürgermeister aus Thurmansbang, der jetzt in den Osterferien massiv in die Presse gegangen ist, schon alles Mögliche angestellt hat, um einen Nachfolger in seinem Dorf zu bekommen - und es passiert nichts. Wir wissen auch von Kliniken Ähnliches. Dass Stellen nicht besetzt werden können, trifft eben nicht nur die Hausärzte, sondern auch die Kliniken im ländlichen Raum. Momentan sind da an die 500 Stellen nicht besetzt. Das ist auch für die Kliniken im ländlichen Raum ein riesiges Problem.

Es ist aber auch nicht so - und das hat wohl auch keiner der Redner hier gesagt -, dass jetzt mit den Anträgen sowohl der FREIEN WÄHLER oder auch der SPD der Stein der Weisen oder der Königsweg gefunden wäre. Vielmehr bieten die Anträge eben ein Bündel an Maßnahmen, die man treffen muss, um die Hausärztinnen und Hausärzte tatsächlich wieder neu an den Universitäten zu begeistern oder Sie dann aber auch ins flache Land zu bringen bzw. auch in die hügeligeren oder bergigeren Regionen.

Es sind zum einen die Infrastrukturmaßnahmen, zum Beispiel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Es geht um sektorenübergreifendes Arbeiten, und das ist ein Punkt, wo, wie ich glaube, auch der Hausärzteverband noch einmal massiv mit anschieben muss, damit tatsächlich sektorenübergreifend zwischen den Kliniken, zwischen den Ärzten, zwischen dem Pflegepersonal auch gearbeitet wird.

Wir müssen auch noch einmal über die Notärzte-Situation und den Notärzte-Dienst auf dem Land reden. Es ist etwas anderes, wenn ich hier in München niedergelassener Hausarzt bin und irgendwann einmal einen entsprechenden Notdienst habe. Aber im Wesentlichen ist es so, dass es, wenn ich meine Praxis am Freitag um 17.00 Uhr schließe, dann auch gut ist. Aber auf dem Lande ist es halt so: Da ruft mich alle Daumen lang einer an, der etwas hat, sodass ich tatsächlich nicht nur aufgrund der wenigeren Ärztinnen und Ärzte, die es dort gibt, immer im Einsatz bin, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass den Arzt vor Ort jede und jeder gut kennt.

Es ist aber auch Folgendes festzustellen, und das darf man sich auch nicht schönreden: Der ärztliche Nachwuchs scheut das unternehmerische und finanzielle Risiko wesentlich mehr, als es noch vor Zeiten war. Sich niederzulassen ist für viele Ärztinnen und Ärzte keine Perspektive, und da kann man jetzt auch nicht so tun, als wäre der Landtag der Hort, der da den neuen Unternehmergeist beschwören könnte. Insgesamt haben wir vor Ort eine andere Situation, sodass genau dies einfach schwieriger ist.

Das Nächste ist - das habe ich auch zur Regierungserklärung, die damals noch von Minister Söder als Gesundheitsminister gegeben wurde, schon gesagt: Es ist ein Irrglaube, dass Geld oft etwas hilft. Da möchte ich gerade das, was Kollege Zimmermann gesagt hat, unterstreichen. Ich weiß auch aus vielen Gesprächen, dass Studierende, die sich in einer Situation im Studium verpflichten könnten, danach einige Jahre in die Region zu gehen, dann trotz der angebotenen Gelder doch nicht dort hingehen. Es ist nicht der eigentliche Entscheidungsgrund, dass ich als Ärztin oder als Arzt irgendwo hingehe, weil ich noch einen finanziellen Obolus draufbekomme. Da, glaube ich, muss man auch einmal ehrlich sein, damit man Geld nicht irgendwo in den Wind schießt, was man vielleicht anderweitig, gerade auch auf dem Lande, für einen Weiterbildungsverbund brauchen könnte.

Der allerletzte Punkt ist, dass es eine unterschiedliche gesellschaftliche Anerkennung des Hausarztes und des Facharztes gibt. Das ist zum einen bedingt durch die unterschiedlichen Honorarsituationen, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben, aber vor allen Dingen liegt es an der Tatsache, dass ein Facharzt draußen einfach in vielen Dingen eine höhere An

erkennung genießt - ob gerechtfertigt oder nicht, das steht einmal auf einem ganz anderen Blatt Papier.

Das ist der Zug, wo die Studentinnen und die Studenten sagen: Ich werde halt Facharzt für - was weiß ich Hals-Nasen-Ohren, ich gehe in die Kardiologie, ich mache einen Röntgenfacharzt. Und sie gehen eben nicht in die hausärztliche Versorgung.