Protokoll der Sitzung vom 25.04.2017

Mit dem im Juli letzten Jahres in St. Quirin beschlos senen weitreichenden Konzept "Sicherheit durch Stär ke" haben wir bereits viele Maßnahmen zur Verbesse rung unserer Sicherheit angeschoben. So wird etwa

die bayerische Polizei mit 2.000 zusätzlichen Stellen ausgestattet und mit modernster Ausrüstung und Technik gestärkt.

Neben unserem Maßnahmenkonzept "Sicherheit durch Stärke" haben wir zudem am 24. Januar dieses Jahres im Ministerrat das "Sofortprogramm Innere Si cherheit" beschlossen. Dieses Sofortprogramm sieht zum einen weitere Verbesserungen der materiellen Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden vor, und zum anderen wollen wir damit auch in rechtlicher Hin sicht auf die heutigen Bedrohungen angemessen rea gieren.

Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf setzt nun im Vorgriff auf die umfassende Überarbeitung des Poli zeiaufgabengesetzes einen besonders dringenden Teil dieses Sofortprogramms um; denn die aktuelle Si cherheitslage lässt hinsichtlich der Normierung einiger besonders wichtiger präventivpolizeilicher Befugnisse und Regelungen keinen weiteren Aufschub zu. Der Gesetzentwurf beinhaltet eine Vielzahl von Einzelre gelungen, die in den Ausschüssen sicherlich noch ausgiebig besprochen werden. Ich will an dieser Stel le nur auf vier Punkte kurz eingehen, die mir beson ders wichtig erscheinen.

Erstens. Die traurigen Erfahrungen der Terroranschlä ge, aber auch anderer schwerer Gewalttaten der letz ten Zeit haben gezeigt, dass frühzeitiges, konsequen tes Handeln der Sicherheitsbehörden zur Gefahrenabwehr erforderlich sein kann.

Ich will mich an dieser Stelle nicht darüber verbreiten, was alles im Fall Amri andernorts versäumt worden ist; die Experten sind sich jedoch ebenso wie die öf fentlichen Medien weitgehend einig darüber, dass die ser Fall nicht optimal gelaufen ist. Das ist ein typi sches Beispiel dafür, dass wir, wenn wir die potenzielle Gefährdung durch einzelne Personen er kennen, nicht zuschauen dürfen, bis dann tatsächlich etwas passiert. Vielmehr müssen wir einen vernünfti gen rechtlichen Rahmen schaffen, um Menschen, die hoch verdächtig sind, unmittelbar an der Vorbereitung von Straftaten zu arbeiten, rechtzeitig aus dem Ver kehr zu ziehen. Deshalb wollen wir jetzt die neue Ge fahrenkategorie der "drohenden Gefahr" schaffen, um in bestimmten Fällen bereits im Vorfeld wirksam rea gieren und schon Vorbereitungshandlungen effektiver abwenden zu können.

Die effizienteste Abwehr von Gefahren ist doch, diese gar nicht erst entstehen zu lassen. Dabei gehen wir mit Maß vor, und wir orientieren uns an den Entschei dungen des Bundesverfassungsgerichts. Wenn aber eine aus Gewalttaten von erheblicher Intensität oder Auswirkung resultierende Gefahr für bestimmte, be

deutende Rechtsgüter zu erwarten ist, dann müssen schon zu diesem frühen Zeitpunkt Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, nicht nur zur Gefahrenerforschung, gestattet sein. Auch der Rechtsstaat, liebe Kollegin nen und Kollegen, muss nicht warten, bis sämtliche Vorbereitungs und Planungshandlungen abgeschlos sen sind oder bis Straftaten bereits versucht oder be gangen worden sind. Die Menschen können in einer solchen Situation zu Recht erwarten, dass die Polizei berechtigt ist, diese Gefahr auch abzuwehren, und zwar bereits im Vorfeld, wenn wir einen konkretisier ten erheblichen Verdacht haben, dass jemand an einer schweren Straftat arbeitet, die mit gewaltigen Verletzungen oder gar mit Totschlag oder Mord ver bunden sein könnte.

Zweitens. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf die klare Absicht, die bisherige Höchstdauer der präventi ven Ingewahrsamnahme, wie sie schon lange im Poli zeiaufgabengesetz mit zwei Wochen steht, aufzuhe ben. Das heißt, damit wird die Gewahrsamnahme über einen längeren Zeitraum ermöglicht. Damit wol len wir Behörden und Gerichten mehr Handlungs spielraum geben, um auf Gefahrensituationen ange messen reagieren zu können. Die eigentliche Dauer ordnet das Gericht an.

Eine solche unbegrenzte Dauer findet sich beispiels weise in dem Sicherheits und Polizeigesetz in SchleswigHolstein und in Bremen schon seit vielen Jahren. Es ist erstaunlich, dass sich nach meiner Kenntnis darüber noch nie jemand aufgeregt hat. Es hat auch noch nie jemand behauptet, in den Ländern SchleswigHolstein oder Bremen wäre es zu einem Missbrauch dieser Regelung gekommen. Interessan terweise ist es aber so: In dem Moment, in dem wir einen Gesetzentwurf vorlegen und darin auf ein Bun desgesetz Bezug nehmen – wie diese beiden Länder im Übrigen auch –, heißt es sofort: Unglaublich, was Sie da machen! Da sollen Leute unbegrenzt einge sperrt werden! – Das steht in SchleswigHolstein im Gesetz, und dagegen hat noch kein Einziger in ganz Deutschland etwas gesagt. In ganz Deutschland gibt es keinen einzigen Artikel, keinen juristischen Beitrag, der dies verfassungsrechtlich infrage stellt.

(Franz Schindler (SPD): Die sind halt nicht so wichtig!)

Meine Damen und Herren, es gelten die im Bundes recht festgeschriebenen Verfahrensregelungen und Rechtsbehelfe für die grundsätzlich durch einen Rich ter ergehende Gewahrsamsanordnung. Wir haben das jetzt noch einmal dahingehend eingeschränkt, als das Gericht die Voraussetzung des Gewahrsams min destens alle drei Monate und nicht lediglich jährlich überprüfen muss. Wir haben das also stärker einge

schränkt, als der Verweis auf das Bundesgesetz es beinhalten würde. Klar ist – und das ist bei solchen Anordnungen immer so –, wenn die Gefahr schon frü her endet, dann endet selbstverständlich auch der Gewahrsam früher. Im Übrigen hat jeder Betroffene jederzeit die Möglichkeit, Beschwerde beim Richter einzulegen.

Drittens. Die präventive Ingewahrsamnahme kann nur das letzte Mittel in besonders schweren Fällen sein. Darum wollen wir auch die elektronische Aufenthalts überwachung für Gefährder einführen, gleichsam als milderes Mittel zur Ingewahrsamnahme. Das bedeutet nämlich, dass jemand nicht eingesperrt wird, sondern die Person sich weiterhin völlig frei bewegen kann. Sie wird aber in ihrer Bewegung überwacht. Das In strument der elektronischen Aufenthaltsüberwachung hat sich bei Sexualstraftätern bewährt. Wie bei Sexu alstraftätern gilt auch bei Personen, die möglicherwei se Terroranschläge beabsichtigen, dass eine hundert prozentige Garantie nicht gegeben ist. Diese Sicherheit bietet die elektronische Fußfessel nicht; denn sie eröffnet lediglich die Kontrolle darüber, wo sich jemand aufhält. Wenn aber jemand die feste Ab sicht hat, sich und andere mit einem Selbstmordan schlag in die Luft zu sprengen, dann hilft auch eine elektronische Überwachung nicht. Auch sie kann das nicht verhindern.

Es geht um die Abwägung zwischen den beiden Ex tremen, gar nichts zu machen oder jemanden rund um die Uhr mit einem gigantischen personellen Auf wand zu überwachen. Das ist im Übrigen ein intensi veres Eindringen in die Privatsphäre; denn wenn je mand rund um die Uhr von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes oder des Landeskriminalamtes überwacht wird, kann er überhaupt nichts mehr tun. Dabei wird nämlich erfasst, mit wem die Person gera de spricht, was sie tut und vieles mehr. All das erfasst eine elektronische Fußfessel nicht. In dieser Hinsicht ist sie das mildere Mittel des Eingriffs. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass diese Art der Überwa chung angeordnet werden kann, so, wie sie auf Bun desebene für den Bereich des Strafrechts geschaffen wurde. Ich denke, es ist richtig, dass wir davon Ge brauch machen. Wir müssen unseren Behörden Mittel und Handlungsmöglichkeiten an die Hand geben.

Viertens will ich das Recht ansprechen, mit der techni schen Entwicklung Schritt zu halten. Wir brauchen eine klare Rechtsgrundlage, um auch an verschlüs selte Telekommunikation im Internet heranzukommen, beispielsweise über Skype. In Situationen, in denen der Richter die Überwachung des Telefonverkehrs an ordnet, muss es auch die Möglichkeit geben, dass wir jemanden überwachen, der über Skype telefoniert, wenn wir Kenntnis davon haben. Unter bestimmten

Rahmenbedingungen kann der Richter in bestimmten Situationen so etwas anordnen. In diesem Fall muss doch die Möglichkeit bestehen, dass die Person mit den Mitteln, die die heutige Digitalisierung bietet, einer Überwachung unterzogen wird.

Meine Damen und Herren, diese vier Eckpunkte ge währleisten die volle Handlungsfähigkeit unserer Si cherheitsbehörden in Zeiten einer zweifellos erhöhten Bedrohungslage. Unsere Gesellschaft, unsere offene Lebensweise sind Angriffen ausgesetzt. Es sind aber, wohlgemerkt, die Terroristen, die die Freiheit und die Sicherheit der Menschen in unserem Land bedrohen. Darauf muss dieser Staat reagieren.

(Beifall bei der CSU)

Wir sagen deshalb, meine Damen und Herren: In die ser Situation brauchen wir einen starken Staat, der bestmöglich für die Sicherheit und die Freiheit der Menschen einsteht. Dazu haben wir Ihnen diesen Ge setzentwurf vorgelegt. Ich bitte Sie um eine sorgfältige und zügige Beratung, damit wir unseren Sicherheits behörden möglichst schnell diese Handlungsinstru mente an die Hand geben können.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatsminister. – Ich eröffne die Ausspra che. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Ich erteile jetzt dem ersten Redner das Wort, Herrn Prof. Dr. Gantzer von der SPD. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrter Herr Innenminister, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf meine Ausführungen mit einem Grundsatzstatement beginnen: Es ist richtig, dass wir eine verschärfte Terrorbedrohung haben. Es ist rich tig, dass die Anzahl extremistischer Gewalttaten in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Deshalb ist es auch richtig, dass wir als Gesetzgeber immer wie der überprüfen müssen, ob zur Verhinderung der sich daraus ergebenden Gefahren die gegebenen polizeili chen Präventivmaßnahmen nach den Polizeigesetzen ausreichend sind oder verbessert werden müssen. Bei uns betrifft dies das Polizeiaufgabengesetz.

Bei allen geplanten Maßnahmen ist aber die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten. Das hat festgestellt, dass solche Maßnah men – auch solche, wie Sie sie gerade vorgestellt haben – in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen sind. Es geht dabei um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen möglichen tiefgreifenden Eingriffen in die Privatsphäre einerseits und der als gleichrangig zu

bewertenden Sicherheit des Staates sowie der von ihm zu gewährleistenden Sicherheit der Bevölkerung andererseits.

Es geht also immer darum, dass das Verhältnismäßig keitsprinzip gewährleistet ist, dass bei den Maßnah men, die wir beschließen, immer ein Gleichgewicht von Freiheit und Sicherheit herrscht. Freiheit und Si cherheit sind die Vorder und Rückseite derselben Medaille. Wir müssen daher bei all diesen Maßnah men immer wieder bedenken: Wird die Freiheit des Bürgers durch polizeiliche Präventivmaßnahmen un verhältnismäßig eingeengt?

Anlass des Gesetzentwurfs, den Sie gerade vorge stellt haben, ist das sogenannte BKAUrteil des Bun desverfassungsgerichts vom 20.04.2016, in dem ver schiedene Regelungen, die 2009 in das BKAGesetz eingefügt worden sind, wegen Verstoßes gegen den gerade genannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für nichtig erklärt wurden. Zwar geht das Urteil – deswe gen BKAUrteil – natürlich nur auf das BKAGesetz ein; aber es hat selbstverständlich Auswirkungen auf alle Polizeigesetze in den Ländern, also auch auf unser PAG. Deswegen hat die SPD schon unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesverfas sungsgerichts Mitte 2016 einen entsprechenden An trag eingebracht, um der Rechtsprechung des Bun desverfassungsgerichts nachzukommen. Ich freue mich, dass wir jetzt, ein Jahr später, von Ihnen den Gesetzentwurf vorgestellt bekommen.

Zugrunde liegt dem Gesetzentwurf außerdem, dass wir 2018 zwei wichtige europäische Bestimmungen umsetzen müssen, nämlich zum einen die euro päische DatenschutzGrundverordnung, zum anderen die europäische Datenschutzrichtlinie. Man muss sagen: Respekt, dass Sie sozusagen im Vorgriff auf die erst in anderthalb Jahren in Kraft tretenden Be stimmungen diese eingearbeitet haben. Wir begrüßen es, dass das in dem Gesetzentwurf seinen Nieder schlag gefunden hat.

Lassen Sie mich aber konkret zu Ihren Ausführungen Folgendes feststellen: Natürlich kann dieser Gesetz entwurf, so wie er vorgelegt worden ist, von uns nicht uneingeschränkt begrüßt werden. Wir sehen hier in manchen Dingen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – ich sage einfach mal ganz schüchtern – zumindest gefährdet, wenn nicht sogar verletzt. Ich sage Folgen des in aller Kürze, weil wir die Anhörung haben wer den.

Erstens ist die Einführung der elektronischen Aufent haltsüberwachung, EAÜ – das ist die Fußfessel, von der Sie eben gesprochen haben – ein sehr großer Einschnitt in die persönliche Sphäre eines Menschen.

Dieser passiert ja im präventivpolizeilichen Bereich. Man muss sich also immer wieder fragen, ob das einer präventivpolizeilichen Tätigkeit noch angemes sen ist, weil mit einer solchen elektronischen Aufent haltsüberwachung natürlich auch ein Bewegungsbild erstellt werden kann. Und die Frage ist, ob das über haupt praxistauglich ist. Alle Polizeigewerkschaften sagen: Das ist nicht praxistauglich, das macht uns nur mehr Arbeit. Das kann nicht die Musterlösung sein.

Ich komme zweitens zur Gewahrsamnahme. Letztlich ist die Gewahrsamnahme eine Freiheitsstrafe von drei Monaten. So muss man es einfach sehen. Jedenfalls ist sie mit einer Freiheitsstrafe zu vergleichen; denn der Mann oder die Frau wird weggesperrt, wie Sie eben selbst gesagt haben. Solche Maßnahmen im präventiven Bereich müssen hinterfragt werden. Da bin ich gespannt, was unsere Anhörung ergeben wird.

Ich komme drittens zur QuellenTKÜ. Auch hier gilt: Ich halte eine QuellenTKÜ im präventivpolizeilichen Bereich für nicht verhältnismäßig, weil das ein tiefer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist.

Wir haben einen Fragenkatalog vorgelegt, auf den ich mich beziehe. Wir haben uns noch kein endgültiges Urteil gebildet, weil auch auf unseren Antrag hin eine Anhörung beschlossen worden ist. Unsere Fragen sind klar und deutlich formuliert. Wir behalten uns auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Anhörung vor, wie wir uns endgültig entscheiden werden. Unsere Kritik haben Sie aber schon vernommen. Wir werden dem Gesetzentwurf so, wie er vorliegt, nicht ohne Weiteres zustimmen können. In diesem Sinne wün sche ich mir eine gute Anhörung und eine gute Bera tung im Innenausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Dr. Reichhart von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht autori siert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Jahren haben sich die Namen von Städten des Terrors in das kollektive Gedächtnis ein gebrannt: Paris, Brüssel, London und auch unsere Bundeshauptstadt Berlin. Das ist nur eine Aufzählung von Namen einiger weniger Städte, die von politischer bzw. religiös motivierter Gewalt getroffen wurden. Jeder von uns kann diese Liste intuitiv abspeichern. Jeder hat, nachdem es vor einem Jahrzehnt zum Glück nur New York und Madrid waren, inzwischen viele weitere Städte des Westens im Kopf und weiß, dass dort terroristische Anschläge geschehen sind und schreckliche Verbrechen begangen wurden.

Neben diesen großen Zentren, neben den Hauptstäd ten der Welt, sind auch wir auf dem Land, sind auch wir in den kleinen Ortschaften und in den kleinen Städten mittlerweile angreifbar geworden. Ansbach und Würzburg sind nur einige Beispiele, die gezeigt haben, dass derartige Anschläge tiefe Narben hinter lassen, tiefe Narben der Verunsicherung, tiefe Nar ben, die so nicht sein sollen und die so nicht sein dür fen. Deswegen hat es sich die Staatsregierung bei der Überarbeitung des Polizeiaufgabengesetzes zur Auf gabe gemacht, auch diese Überlegungen im Hinter kopf zu haben; denn ich glaube, für uns muss eines klar sein: Die oberste Pflicht, die oberste Aufgabe des Staates ist es, seine Bürger vor Gefahren zu schüt zen. Deswegen sind wir hier. Dazu haben wir die ver dammte Verpflichtung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir jetzt das PAG überarbeiten, dann ist eines klar: Wir passen es an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und an die Vorgaben der Europäischen Union an. Aber wir passen es eben auch an die veränderte Gefährdungs lage an; denn wir wollen unsere Bevölkerung best möglich vor potenziellen Terroristen schützen. Gleich zeitig wollen wir aber auch auf alle anderen Arten der Kriminalität, gerade auf die Cyberkriminalität, einge hen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Liebe Kollegen, wir haben uns als CSUFraktion den Gesetzentwurf der Staatsregierung sehr genau ange schaut. Wir unterstützen ihn aus vollster Überzeu gung; denn das, was dort geregelt wird, ist richtig und wichtig und muss zwingend gemacht werden. Zum einen wollen wir den Begriff der "drohenden Gefahr" in den Aufgabenbereich einführen; denn für uns ist es selbstverständlich, dass man nicht erst den Gefahren eintritt wahrnehmen und passieren lassen muss, son dern schon beim Drohen einer Gefahr zugreifen muss, wenn Leben gefährdet sind, wenn es um das Funktionieren unseres Staates geht oder wenn sexu elle Selbstbestimmung, Gesundheit oder Freiheit in Gefahr sind. Man muss auch dann eingreifen können, auch dann durchsuchen können, auch dann entspre chende erkennungsdienstliche Maßnahmen ergreifen können. Außerdem ist es selbstverständlich, dass wir durch entsprechende Aufenthaltsverbote und Kontakt verbote bereits frühzeitig eingreifen und nicht erst einen Gefährder, einen Terroristen, zu einer Person oder zu einem Ort gelangen lassen, sondern frühzei tig sagen: Nein, dort kommst du nicht hin, und wenn du den Versuch unternimmst, dann verhindern wir das.

Schließlich ist es wichtig, die elektronische Aufent haltsüberwachung endlich so aufzunehmen, wie wir uns das wünschen. Unser Innenminister hat es be reits erwähnt: Eine personelle Überwachung ist ein

viel tiefer gehender Eingriff in die Grundrechte, auch ein viel tiefer gehender Eingriff in das Persönlichkeits recht als die Überwachung durch eine elektronische Fußfessel. Diese Maßnahme ist gleichzeitig schonen der. Wer sich ein bisschen im Bereich der Sicherheits kreise bewegt, stellt sehr schnell fest, mit welch gro ßem Personalaufwand es verbunden ist, hier eine lückenlose Überwachung zu gewährleisten. Diesen Bereich können und werden wir jetzt abdecken, und zwar mit den entsprechenden Gewahrsamsmöglich keiten, falls dagegen verstoßen wird.

Schließlich, liebe Kollegen – auch das hat unser In nenminister bereits erwähnt – komme ich zum Prä ventivgewahrsam. Ich glaube, jedem, der ein biss chen nachdenkt, muss klar sein, dass 14 Tage nicht ausreichen. Nach 14 Tagen kann eine Gefahr vorbei sein, aber sie muss nicht vorbei sein. Nach 14 Tagen kann eine Gefährdung erledigt sein. Aber wenn ein Richter feststellt, dass es länger dauern kann, stellt sich die Frage, warum wir den Präventivgewahrsam dann nicht verlängern sollen. Bremen und Schleswig Holstein, die definitiv nicht im Verdacht stehen, eher konservativ zu sein, haben das bereits durchgesetzt. Da müssen wir nachziehen. Da müssen wir einen wei teren Beitrag für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger leisten.

Manchmal wundert man sich, auch über die im Vor feld gefallenen Äußerungen aus Teilen dieses Hohen Hauses. Es wird einerseits immer das Hohelied der inneren Sicherheit gesungen; aber wenn es darum geht, ganz konkrete Maßnahmen zu ergreifen, wenn es darum geht, ganz konkret tätig zu werden, dann wird kritisiert, dann wird Zurückhaltung gepredigt, dann wird gefragt: Sollen wir es machen, sollen wir es nicht machen? Bleiben wir doch lieber in dem Gefah renbereich, in dem wir sind. Wenn wir eine Herausfor derung erkannt haben, wenn wir erkannt haben, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, dann sind wir auch verpflichtet, diese in die Tat umzusetzen. Dann haben wir die Pflicht, die erforderliche gesetzgeberi sche Tätigkeit zu entfalten. Darum geht es uns hier.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen die Augen nicht verschließen. Auch in Europa verläuft mittlerwei le die Frontlinie des Kampfes gegen die hinterhältigen und feigen Mörder des Terrorismus und des Islamis mus. Auch wir sind im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus. Darauf müssen wir reagieren. Vielen von uns ist noch ein Zitat in Erinnerung. Vor 13 Jahren gab es bei den terroristischen Anschlägen in Madrid, die bei uns in Westeuropa erstmals richtig wahrge nommen worden sind, in einem Bekennerschreiben eine Aussage, die gelautet hat: "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod." Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau so ist es. Wir lieben das Leben, und wir wollen

dieses Leben schützen. Wir wollen es bewahren. Für uns ist jedes Leben wichtig und großartig. Jeder Tote ist für uns einer zu viel.

Der Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, schützt das Leben. Er ist ein weiterer Schritt dahin, dass wir mehr Sicherheit gewährleisten. Wir werden nie eine kom plette und totale Sicherheit gewährleisten können, aber wir wollen die bestmögliche Sicherheit gewähr leisten. Darum geht es, und deswegen stehen wir hin ter diesem Gesetzentwurf. Wir, die CSUFraktion, freuen uns auf die Anhörung. Wir freuen uns darauf, dass wir in einen konstruktiven Dialog treten können. Wir stehen dafür ein, dass wir die Sicherheit in Bayern konstruktiv und effektiv noch weiter verbessern. Las sen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen. Vielen Dank dafür und noch eine gute Beratung.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Reichhart. – Nächster Redner ist der Kollege Hanisch. Bitte schön, Herr Hanisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Worum geht es heute? – Es geht um die Sicherheit. Die Vor fälle in Europa und in Deutschland in den letzten Wo chen, Monaten und Jahren bringen uns dazu, uns heute mit einem Gesetzesänderungspaket zu be schäftigen und dafür zu sorgen, dass Gefahren vom Volk abgewendet werden und die Sicherheit hochge halten wird. Das sind die beiden Kernforderungen, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind. Es ist das alte Spiel zwischen Sicherheit und Freiheit: Je mehr die Sicherheit im Vordergrund steht, desto mehr wird in Freiheitsgrundrechte eingegriffen.

Meine Damen und Herren, drei Punkte beschäftigen uns besonders. Zum Ersten ist es der Rechtsbegriff der drohenden Gefahr, den es so bisher noch nicht gab und den man nach unserer Vorstellung etwas stärker interpretieren müsste. Zum Zweiten ist es die Einführung der Möglichkeit der Anordnung von Kon taktverboten, Aufenthaltsverboten oder Aufenthaltsge boten. Drittens ist es die Einführung des Tragens der Fußfessel unter bestimmten Voraussetzungen.