Frau EilingHütig, Sie haben verschiedene Beispiele gebracht. Da muss ich sagen, das ist insgesamt noch zu wenig. Wenn wir von Sozialkunde sprechen: Ich war früher mal Sozialkundelehrer. Wenn Sie Sozial kunde mit einer Stunde in der Woche und auch noch am Freitag in der sechsten Stunde unterrichten müs sen, dann bringt das überhaupt nichts mehr. Auch das ist zum Teil die Realität an bayerischen Schulen. Wir müssen hier insgesamt noch viel mehr tun.
Ein Beispiel ist auch das ServiceLearning. Dieses verbindet schulisches Lernen mit gesellschaftlichem Engagement und bedeutet Engagement für andere. Schüler arbeiten bei gesellschaftlichen Projekten und bei Behörden mit. Beispielsweise sind Schüler als Streetworker im Rahmen der Drogenprävention oder aktiv in Kitas tätig, oder sie arbeiten in der Verbrau cherberatung, in der Denkmalpflege oder in der Stadt verwaltung mit. Das heißt, Politik in Zeiten des Popu lismus bedeutet auch, jungen Menschen komplizierte Sachverhalte zu erläutern.
Diese An träge zum ServiceLearning, die sehr zu seiner Stär kung beitragen würden, hat die CSU abgelehnt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Als die Menschen vor 70 Jahren hier in München zusammenkamen, um sich eine neue Verfassung zu geben, ging es zuerst einmal um ganz existenzielle, aber auch um ideelle Grundlagen des Lebens in Bayern, gerade was die Haltung zu Werten anbelangt. Das Land lag nach der Herrschaft der Nazis und nach der Katastrophe des Zweiten Welt kriegs in Trümmern. Bayern war das Armenhaus Deutschlands.
Meine Damen und Herren, heute steht unser Bayern auf dem Fundament unserer Bayerischen Verfassung besser da als jemals zuvor. Meine Damen und Her ren, wie sieht die Lebenswirklichkeit aus? – Ganz ent scheidend – und dies ist auch der Tenor und die Ziel setzung der Verfassung – ist, dass die Menschen gut zusammenleben und ein gutes Auskommen haben.
Hier steht der Begriff "Arbeit" im Zentrum. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch nie haben in Bayern so viele Menschen gute Ar beit gehabt. Wir haben 5,4 Millionen Menschen in so zialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sen. Dazu kommen noch zwei Millionen Erwerbstätige. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit mit rund einer Million zusätzli chen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen um rund 40 % reduziert. Im Jahresdurchschnitt 2016 hat ten wir nicht nur die niedrigste Arbeitslosenquote aller Bundesländer, sondern auch die geringste Arbeitslo senquote seit 20 Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei knapp unter 3 % und wurde damit erfolgreich bekämpft. Mit dem Pakt "Integration durch Ausbildung und Arbeit" konnten über 60.000 geflüchtete Men schen in Praktika, in Beschäftigung, in Ausbildung und in Arbeit gebracht werden.
Meine Damen und Herren, dies ist ein entscheidender Aspekt. Es entspricht der Zielsetzung unserer Verfas sung, den Menschen durch Arbeit ein selbstgestalte tes und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Deshalb wird dies eine Hauptaufgabe unserer Politik darstellen. Dass dies gelingen kann, ist zuallererst ein Verdienst der Menschen, der leistungsstarken und
fleißigen Menschen. Es ist das Verdienst der Unter nehmen und ihrer Innovationen. Es ist aber auch ein Verdienst einer guten, konsequenten und verlässli chen Politik, die den Rahmen dafür geschaffen hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie reden über eine gerechte Steuerpolitik. Sie wollen den Spitzensteuersatz anheben und mit einem rotrotgrü nen Bündnis im Bund die Vermögensteuer wiederein führen. Beides wäre Gift für Wachstum und Beschäfti gung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, von daher wird es beides mit uns nicht geben.
Wir halten selbstverständlich an der Regionalisierung der Erbschaftsteuer fest. Bei den Betriebsübernah men müssen wir darauf achten, dass wir die Arbeits plätze halten und für die Menschen Planungssicher heit schaffen. Wir wollen die Bürger nicht belasten, sondern entlasten. Sie wissen, dass die Schulden von heute die Schulden und Abgaben von morgen sind. Seit über zehn Jahren nehmen wir keine neuen Schulden auf und tilgen die alten Schulden systema tisch. Das ist eine richtige, nachhaltige und belastbare Generationenpolitik, die Generationengerechtigkeit schafft. Wir haben diese Politik für Bayern festgelegt, weil wir damit gleichwertige Lebens und Arbeitsbe dingungen schaffen wollen.
Meine Damen und Herren, Sie sprechen von gleich wertigen Lebens und Arbeitsbedingungen. Ich glau be, keine Regierung und keine Fraktion, die sie trägt, haben in den letzten Jahren mehr dafür getan als die Staatsregierung und die CSU. Lassen wir die Fakten sprechen: In den sieben Regierungsbezirken hat sich die Schere der Arbeitslosenquote in den vergangenen zehn Jahren um fast zwei Drittel geschlossen. Betrug der Unterschied zwischen den Regierungsbezirken im Jahr 2006 noch 3,1 Prozentpunkte, so hat er sich mo mentan auf 1,1 Prozentpunkte zwischen den Regie rungsbezirken in ganz Bayern verringert. Das gilt von Hof bis Sonthofen, von Ulm bis Passau. Der Anteil der Beschäftigten an der Erwerbstätigenquote war mit 78 % noch nie so hoch. Das ist ein wichtiges Indiz für die belastbare und robuste Arbeitsmarktsituation.
Meine Damen und Herren, deshalb dürfen die Chan cen für die Arbeit nicht verschlechtert werden. Wir handeln daher genau nach dem Prinzip: Sozial ist, was Arbeit schafft. Wir wollen keine Ungleichheit der Menschen mit und der Menschen ohne Arbeit. Wir wollen das verhindern, damit wir unsere Arbeitsmarkt situation nicht nur halten, sondern weiter verbessern können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sprechen von bestmöglichen Unterstützungen für Familien und Kin der. Bayern ist das Familienland Nummer eins.
Ein Kahlschlag in der Familienpolitik und eine Steuer politik gegen Verheiratete ist deshalb mit uns nicht zu machen. Sie wollen das Betreuungsgeld und das Lan deserziehungsgeld abschaffen, und das Ehegatten splitting gleich obendrein. Schauen Sie einmal in die Bayerische Verfassung! Lesen Sie einmal den Arti kel 124! Meine Damen und Herren, dort können Sie sehen, mit welcher Wucht, mit welcher Geradlinigkeit und mit welcher Bedeutung die Familie als Keimzelle dieser Gesellschaft von den Vätern und Müttern unse rer Verfassung verteidigt worden ist, Gott sei Dank. Das ist richtig so. Alles andere wird mit uns nicht zu machen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sagen: Was für Kinder gut ist oder wie Familien glücklich werden, be stimmen nicht Parteizentralen. Das wissen und be stimmen unsere Eltern. Unsere Eltern haben die Ent scheidungskompetenz. Auch das ist gut so. Hierfür ist der Artikel 126 unserer Bayerischen Verfassung die Grundlage. Hören Sie zu. Ich zitiere: "In persönlichen Erziehungsfragen gibt der Wille der Eltern den Aus schlag." Genau das ist unser Ansatz in der Familien politik. Die Eltern sollen selbstbestimmt und selbstver antwortlich ihre Situation in der Familie gestalten können. Diese Eigenverantwortlichkeit wird durch eine Vielzahl von Instrumenten, Projekten und Maßnah men umgesetzt.
Herr Kollege Joachim Unterländer ist auf die Themen Krippenplätze, Kindertagesplätze und Basiswert ein gegangen. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir das Landeserziehungsgeld nicht abbauen, sondern es ausbauen. Wir halten am Bayerischen Be treuungsgeld und an der Wahlfreiheit der Eltern nach wie vor fest. Wir haben ein bundesweit einzigartiges Netz von Unterstützungsangeboten für die Familien, von den über 100 koordinierenden Kinderschutzstel len und den Erziehungsberatungsstellen bis zu den 112 Familienstützpunkten, die flächendeckend weiter ausgebaut werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie sprechen von der Inklusion. Bei aller Wertschätzung für die neun Punkte, die Sie in Ihren Anträgen darge stellt haben: Diese sind längst Gegenstand des Baye rischen Aktionsplans Inklusion.
Bayern hat mit seiner Bundesratsinitiative für das Bundesteilhabegesetz nicht nur die größte Sozialre form der vergangenen Jahrzehnte angestoßen, son dern auch damit begonnen, systematisch Barrieren
abzubauen. Das ist in der Regierungserklärung unse res Ministerpräsidenten angekündigt worden. Natür lich haben wir hier noch einen weiten Weg vor uns. Wir treten diesen Weg aber systematisch und konse quent an, wie das auch in unserer Verfassung ver langt wird.
Meine Damen und Herren, Sie sprechen von Integra tion. Ich sage deutlich: Bayern ist das Land der gelin genden Integration.
Richtig ist: Wir wollen kein Nebenher. Wir wollen kein Multikulti. Wir wollen keine Parallelstrukturen. Wir wol len aber mit der Integration, die wir leidenschaftlich für die Menschen, die hier ein Bleiberecht haben, voran treiben, diesen Menschen Orientierung und Richtung geben. Die Grundlage dafür ist das Bayerische Inte grationsgesetz. Sehen Sie sich einmal an, was dafür im Doppelhaushalt für beide Haushaltsjahre an finan ziellen Ressourcen eingepackt worden ist. Das sind über neun Milliarden Euro. Das sind deutliche Fakten und Zeichen, wie wichtig uns dieses Thema ist und wie ehrlich wir es meinen. Das gilt gerade für die Un terstützung der bayerischen Kommunen, ein Thema, über das wir immer wieder diskutieren. Kein anderes Bundesland verfährt auch nur im Ansatz so wie wir. Wenn ich nur an die unbegleiteten Minderjährigen denke – zu 100 %, spitz abgerechnet, wird der Kos tenaufwand für sie vom Freistaat beglichen. Ähnlich verhält es sich mit den entsprechenden Anteilen, was die Verwaltungskosten anbelangt. Lassen Sie hier also nicht etwas Falsches die Oberhand gewinnen. Wir wollen das, wir machen das, und wir machen es auch erfolgreich.
Mit einer Vielzahl von verschiedenen Maßnahmen, angefangen beim Spracherwerb über den breiten Be reich der Bildung – Frau Kollegin EilingHütig hat es angesprochen – bis hin zu den Jugendsozialarbeitern und den Integrationsbemühungen in unseren Kinder tagesstätten wollen wir die gelingende Integration for cieren, gerade auch mit IdA, also mit Integration durch Arbeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere bayerische Verfassung ist in der Tat ein Leuchtfeuer, ein Garant für die Freiheit in unserem Freistaat. Verfassungsauf trag ist die Schaffung einer chancengerechten Gesell schaft, die Leistung und Solidarität verbindet, indem sie Hilfe zur Selbsthilfe gewährt und die Eigenverant wortung grundlegend festmacht. Es ist unsere Verant wortung als Bayerische Staatsregierung, dafür immer wieder verlässliche Rahmenbedingungen zu erarbei ten und zu entwickeln.
Grundlage dafür ist auch die Trias der christlichen Ge sellschaftslehre, nämlich die Persönlichkeit mit der Ei genverantwortung, die Subsidiarität – beginnend bei der Familie über die Kommunen bis zum Ehrenamt der Vereine – und auch die Solidarität, die wir bereits angesprochen haben. Dieser Weg hat uns über richti ge, zukunftsweisende Weichenstellungen auch und gerade dieses Hauses und der Bayerischen Staatsre gierung seit vielen Jahrzehnten zu diesem guten Zu sammenleben und dem beispiellosen Wohlstand ge führt. Wir gehen ihn daher mit Zuversicht und Kraft weiter – für Bayern, für die Menschen und für unsere Heimat.
Danke schön. Herr Staatssekretär, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen, zunächst vom Kollegen Güll und dann vom Kollegen Dr. Fahn.
Herr Staatssekretär, ich weiß nicht, ob Ihr Redenschreiber oder Ihre Redenschrei berin vielleicht überhört hat, was in Ihrem Nachbarmi nisterium an Meinungen kursiert. Habe ich mich gera de verhört, oder haben Sie soeben ein Plädoyer für den Elternwillen und für die freie Elternentscheidung gehalten, wo Sie uns vor zwei Stunden von der CSU Seite doch noch erklärt haben, dass es auf gar keinen Fall infrage kommt, dass die Eltern beim Übertritt mi tentscheiden dürfen?
Was die freie Entscheidung der Eltern und deren Kompetenz anbelangt, so ist das natürlich ausgerich tet an den Möglichkeiten der Rahmenbedingungen für eine leistungsorientierte Bildung und Entwicklung un serer Kinder.
Es ist Aufgabe der Eltern – da können Sie lachen, wie Sie wollen; das interessiert mich vergleichsweise wenig –,
zu spüren, zu merken, zu wissen, in welcher Entwick lungsphase sich ihre Kinder befinden und an welcher Stelle unseres großen Bildungssystems – in dem der Grundsatz gilt: kein Abschluss ohne Anschluss – im Verbund mit all seinen Leistungen das Kind mit seinen Talenten, als Frühentwickler oder als Spätentwickler, steht,
um in diesem Rahmen eine Entscheidung für das Kind zu fällen, und zwar richtig und verantwortlich. Von daher: Bleiben Sie auf dem Boden. Wenden wir uns lieber dem zu, wo die Verfassung eine Notwen digkeit sieht, nämlich der Verantwortung der Eltern in der Familie.
Herr Staatssekretär, haben Sie eigentlich zugehört, was ich vorhin gesagt habe? Sie haben hervorgehoben, wie mustergültig der Freistaat Bayern bei den Integrati onskosten für die Kommunen verfährt. Kennen Sie ei gentlich die Hunderte von Briefen von Bürgermeistern an die Bundeskanzlerin, die genau vorrechnen, dass ihnen zwei Millionen Euro, drei Millionen Euro oder gar zehn Millionen Euro fehlen? Was sagen Sie dazu? Haben Sie das auch vernommen, oder kennen Sie die Artikel vom 13. April nicht? Den Kommunen fehlt defi nitiv Geld.
Die Klagen über die ungedeckten Kosten werden an die Bundeskanzlerin geschickt. Ich fände es sinnvoll, wenn sie auch an die Bayerische Staatsregierung ge schickt würden.