Martin Güll
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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können das vergleichsweise kurz machen. In der Tat stimmt die SPD-Fraktion dem Gesetzentwurf in dieser geänderten Form jetzt zu. Wir wollen die Arbeit in der Landeszentrale mit diesem Gesetzentwurf nicht mehr auf dem Verordnungswege, sondern gesetzlich regeln und deshalb die Rechtsform neu aufstellen. Wir haben im Vorfeld durchaus Anmerkungen gemacht und Bedenken geäußert, ob das schon die richtige Lösung ist. Jetzt ist es, wie es ist. Ich glaube, die Landeszentrale kann damit einigermaßen gut leben.
Zu den Aufgabenerweiterungen: Ich möchte schon darauf hinweisen, dass die Landeszentrale ihre Kernaufgaben natürlich weitermachen soll, die politische Bildung, auch was die Publikationen betrifft, und die Unterstützung der Schulen und der Erwachsenenbildung. Das war bisher sehr gut aufgestellt, und das soll auch so bleiben. Gleichwohl ist es tatsächlich so, dass das Spektrum sich mit dem vom Kollegen Hofmann geschilderten Bereich der digitalen Themen erweitern wird. Von daher gesehen ist es natürlich auch notwendig, die Stellen auszuweiten. Allerdings – ich bin seit dieser Legislatur auch Mitglied des Beirats – habe ich das Gefühl, die Landeszentrale bräuchte ohnehin mehr Personal. Bei der Verteilung des Personals müssen wir noch mal darüber reden, ob das nur für diese neuen Bereiche gedacht ist oder auch die anderen Themen mit eingebunden werden sollen.
Ja, wir stimmen zu. Insgesamt muss die Landeszentrale gestärkt werden. Die Aufgaben der Landeszentrale werden größer, werden wichtiger, werden bedeutender. Von daher gesehen hätte ich mir gewünscht – auch das darf ich jetzt an dieser Stelle noch einmal sagen –, dass wir den Beirat bei der Entwicklung dieser Neuaufstellung besser und frühzeitiger beteiligt hätten. Ich habe auch immer angemahnt, dass das Ganze sehr überstürzt gekommen ist. Ich muss an der Stelle auch feststellen: Der Veränderungswunsch kommt offensichtlich aus der Staatskanzlei und weniger aus der Landeszentrale und aus dem Beirat heraus. Ich bin sicher, mit einem etwas längeren Vorlauf
hätten wir das aus der Landeszentrale und aus dem Beirat heraus genauso gut, wenn nicht sogar noch besser hinbekommen.
An dieser Stelle will ich aber deutlich machen, dass die Kontrolle der Landeszentrale eine parlamentarische sein muss. Das ist durch die Anpassung auch gelungen. Die Stimmberechtigung liegt bei den Parlamentariern unter dem Vorsitz des Kultusministers. Die von der Staatskanzlei vorgesehene Beteiligung und Mitwirkung der Ministerien ist eine beratende, wenn man so will. Die Erweiterungsmöglichkeit durch den Wissenschaftsbeirat oder Fachbeirat halte ich für sehr wichtig und für die Arbeit auch sehr zielführend. Das entspricht auch dem Wunsch der Landeszentrale, Kooperationspartner einzubeziehen. Auch das wurde bei den Verhandlungen zu diesem Gesetz noch sinnvollerweise erreicht. Das ist eine positive Weiterentwicklung.
Insgesamt möchte ich darauf hinweisen, dass wir auch in der nächsten Legislaturperiode der Landeszentrale viel Gewicht beimessen müssen. Wir müssen ihre Arbeit von parlamentarischer Seite her gut begleiten und sie unterstützen, damit die Aufgaben, die zunehmend auf die Landeszentrale zukommen und die dort auch gut angesiedelt sind, von ihr gut umgesetzt werden können. Wie gesagt, wir werden dem Gesetzentwurf in dieser geänderten Form zustimmen.
Her Kollege Fackler, wer 155.000 Lehrkräfte im Blick hat, könnte ein paar wenige verlieren. Es könnte sein, dass diese aus Ihrer Sicht relativ wenigen jungen Menschen von August bis September nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen oder ob sie noch einkaufen können. In diesen sechs Wochen müssen diese Menschen auch leben.
Sie sagen: Die Unterrichtsversorgung ist gesichert. In meinem Landkreis gibt es eine Grundschule mit zehn Klassen, und fünf Klassenlehrer sind erkrankt. Da müssen Kinder zu Hause gelassen werden, weil ihnen kein Pflichtunterricht erteilt werden kann. Das ist die Realität. Wir können viele Klassen nicht mehr versorgen.
Herr Kollege Kreuzer, wir haben auf zwanzig Schulkonferenzen mit Vertretern der Schulen gesprochen. Da haben wir gehört, dass ab dem zweiten Schultag die Versorgung nicht mehr gesichert ist. Deshalb ist es richtig und notwendig, die Lehrerversorgung zu überprüfen. Nichts anderes ist vorhin gesagt worden. Ein Mittel wäre, die Mobile Reserve aufzustocken. Ein weiteres Mittel wäre es, die Lehrerversorgung um 10 % über das Budget zu decken, um solche Fälle abzufedern. Das sind alles Versäumnisse Ihrer Fraktion und Ihres Kultusministers, sonst gar nichts! Wir haben damit gar nichts zu tun. Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben, dann sind die Schulen ordentlich versorgt,m und unsere Kinder haben Lehrer!
Es kann doch nicht sein, dass wir in Bayern für diese wenigen Lehrkräfte keine Einstellungsmöglichkeiten schaffen können. Das ist doch lachhaft!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich der Aussage zustimmen, dass die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit in den letzten Jahren seit der Umstrukturierung wirklich gute Arbeit leistet. Dafür möchte ich mich bedanken, und dafür gebührt auch dem Parlamentarischen Beirat, der diese Arbeit gut begleitet hat, ein Dank. Dieser Parlamentarische Beirat ist ein wichtiges Organ gewesen.
Leider kann ich dem Herrn Kultusminister in der Auffassung nicht ganz zustimmen, dass die Parlamentarier so problemlos der Umstrukturierung, die geplant ist, folgen werden. Ich habe in der Sondersitzung des Parlamentarischen Beirats, die ich erst erbitten musste, schon deutlich gemacht, dass ich die Eilbedürftigkeit dieser Umstrukturierung nicht sehe. Deshalb ist es, wie es ist: Die Mehrheit in diesem Hause hat den Bildungsausschuss dazu gezwungen, eine Sondersitzung abzuhalten, um dieses Gesetz zu beschließen. Dieses Gesetz ist eine Sache der Staatskanzlei, ich will nicht einmal unterstellen, dass es eine Sache des Kultusministeriums ist. Dieser Gesetzentwurf soll ohne Not auf Biegen und Brechen noch bis zum Ende der Legislaturperiode durchgepeitscht werden – dieses Wort benutze ich ganz bewusst. Es gibt aber keinen Grund, diese Änderung auf den letzten Drücker durchzuführen.
Ich will das gerne auch belegen. Ich habe vorhin schon gesagt, dass der Parlamentarische Beirat eine
gute Arbeit macht und ein gutes Kontrollgremium ist. Ich glaube auch, die gute Arbeit der Landeszentrale darauf zurückzuführen ist, dass die bisherige Struktur, die auf einer Verordnung beruht, so schlecht nicht war. Ich gebe gerne zu, dass man diese Struktur ändern kann. Man kann sie weiterentwickeln, da bin ich ganz dabei. Man sollte sie vielleicht auch weiterentwickeln. Die von Ihnen genannten inhaltlichen Themen hätte man aber auch mit der jetzigen Konstruktion behandeln können. Mit Fake News beschäftigt sich die Landeszentrale nicht erst, seit die Staatskanzlei entdeckt hat, dass das in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten stehen muss und wohl als neunter Punkt am 27. September abgehakt werden muss. Insofern ist die Eilbedürftigkeit einzig und allein durch die Staatskanzlei, aber nicht in der Sache selbst begründet.
Bisher war es sehr guter Brauch, dass wir im Parlamentarischen Beirat die Arbeit der Landeszentrale verändert, weiterentwickelt und begleitet haben. Ich erinnere an die letzte Strukturänderung, die wir initiiert haben. Alles ist einvernehmlich entschieden worden, weil es gut begründet und gut erklärt wurde. Keiner von uns Beiräten wusste in der Sondersitzung am 27. Juni – Sie hören richtig: 27. Juni –, wie der Gesetzentwurf aussehen wird. Auch die Kollegen der CSU waren überrascht. Das zeigt doch, dass der Parlamentarische Beirat überhaupt nicht mit der Änderung befasst war, von einer Anhörung von Experten und Fachverbänden ganz zu schweigen. Das ist keine gute Art, eine so wichtige Einrichtung wie die Landeszentrale vernünftig und erfolgreich weiterzuentwickeln. Deshalb bin ich skeptisch, ob dieses Verfahren der richtige Weg ist.
Ich bin in der Frage der Rechtsform offen. Man kann darüber reden, ob die teilrechtsfähige Anstalt des Öffentlichen Rechts der richtige Weg ist. Wir hätten uns etwas anderes gewünscht. Darüber hätten wir gerne diskutieren können. Es gibt auch andere Möglichkeiten: man könnte die Landeszentrale rechtlich so aufstellen, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist oder wie die Akademie in Tutzing organisiert ist. Darüber hätte man reden können.
Neu ist, dass wir jetzt aus einer Verordnung ein Gesetz machen. Ein Gesetz ändert man aber nicht wieder so schnell im Vorbeigehen. Deshalb hätte man diesen Gesetzentwurf sehr gewissenhaft erarbeiten und nicht nur über die Rechtsform, sondern auch über die Organe nachdenken müssen. Ich finde, es geht gar nicht – in die Richtung wird auch unser Änderungsantrag gehen –, dass neben den Parlamentariern gleichzeitig auch Vertreter der Staatsregierung quasi auf Augenhöhe und in gleicher Anzahl im Verwaltungsrat vertreten sind. Das geht so nicht. Das
müssen wir auf alle Fälle ändern. Ich sehe gar keinen Grund dafür, dass das Finanzministerium oder das Sozialministerium in diesem Beirat vertreten sein sollen. Es geht schließlich nicht nur um Themen wie Internet, Fake News und so weiter, wofür noch das Innenministerium zuständig sein könnte, sondern es geht um die politische Bildungsarbeit insgesamt. Dafür ist die Vertretung dieser Ministerien nicht notwendig. Deshalb werden wir eine Änderung beantragen. Wir werden das Heft des Handelns den Parlamentariern als Kontrollorgan neben dem Kultusminister, der den Vorsitz im Verwaltungsrat natürlich einnehmen muss, geben. Dass er den Vorsitz einnehmen muss, leuchtet bei dieser Konstruktion schon ein.
Vollkommen unverständlich ist mir auch, warum man den Sitz der Landeszentrale vermutlich aus München verlagern will. Es gibt Hinweise darauf, dass die Staatskanzlei auch hier wieder eine Behördenverlagerung durchführen will. Man kann das bei manchen Behörden vielleicht tun, nicht aber bei der Landeszentrale, die überall in der jeweiligen Landeshauptstadt angesiedelt ist und deren Kooperationspartner auch hier vor Ort sind. Das Backoffice ist auf einen Umzug überhaupt nicht vorbereitet. Es gibt also gar keinen Grund, das zu tun. Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass sie in München bleibt.
Mir persönlich ist wichtig, dass wir die Landeszentrale gemeinsam mit der Wissenschaft und den Kooperationspartnern weiterentwickeln. Wir möchten auch gerne im Gesetz festgehalten haben, dass ein Wissenschafts- und ein Fachbeirat eingerichtet werden kann.
Sie sehen, dass es insgesamt noch Gesprächsbedarf gibt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das in der Kürze der Zeit hinbekommen. Auch wenn wir diesen Gesetzentwurf am Donnerstag im Ausschuss beraten werden, gibt es keine Zeit mehr für eine Mitberatung und eine große Diskussion über diese Themen, wenn wir am 27. September das Gesetz endgültig beschließen sollen. Mein Vorschlag oder mein Rat wäre, den Gesetzentwurf jetzt abzusetzen und ihn in der nächsten Legislaturperiode in Ruhe neu einzubringen.
Ja, Herr Kollege, da muss man die Gelegenheit wahrnehmen. – Herr Präsident, Herr Kollege! Das ist jetzt aber doch etwas eigenartig. Ist es Ihre Vorstellung von gemeinsamer Arbeit, dass wir abnicken, was Sie vorgeben? – Das kann es doch auch nicht sein.
Ich habe Ihnen extra eine Brücke gebaut, indem ich Sie darauf hingewiesen habe, wie die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats, bisher wirklich interfraktionell, aufgrund der notwendigen Aufgaben zusammengearbeitet haben. Herr Kultusminister, ich hoffe wirklich, dass das nicht Ihr Stil ist, wie er jetzt in dieser Debatte aufscheint. Sie, Herr Kultusminister, sind für dieses Thema verantwortlich. So können wir jedenfalls nicht weitermachen. Im Parlamentarischen Beirat haben wir uns darauf verständigt, dass wir das eine oder andere noch anpassen müssen. Da haben Sie gesagt, und zwar ganz richtig, wie ich finde: Wir müssen darüber reden. – Leider ist es dem Zeitdruck geschuldet, dass wir nicht vernünftig darüber reden können, denn eigentlich hätten wir uns erst im Parlamentarischen Beirat verständigen müssen. Dafür
ist aber keine Zeit gewesen. Nun müssen wir das im Bildungsausschuss öffentlich austragen. Deshalb müssen wir solche Mittel wählen wie den Änderungsantrag. Ich stimme Herrn Kollegen Gehring zu: Wir würden die Änderungsanträge selbstverständlich zurückziehen, wenn wir uns noch verständigen könnten. Wir haben nur noch die Möglichkeit, das am Donnerstag zu klären. Ich verstehe nicht, warum Sie diese Schärfe in die Debatte bringen, Herr Kollege Hofmann. Ich glaube, eigentlich müssten Sie Ihr Verhalten einmal überdenken.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass wir fraktionsübergreifend die Äußerungen des AfD-Bundesvorsitzenden Alexan
der Gauland verurteilen, der die Einordnung des Nationalsozialismus in einer nicht erträglichen Weise vorgenommen hat. Ähnliches, glaube ich, gilt für uns alle in der Bewertung der Äußerung zur Kehrtwende in der Erinnerungsarbeit und der Erinnerungskultur eines anderen Bundespolitikers oder in diesem Fall Landespolitikers, die schon länger zurückliegt. Wir wollen den zunehmenden antisemitischen Äußerungen und dem rechtsextremen Gedankengut fraktionsübergreifend eine deutliche Absage erteilen.
Ich sage das auch deshalb, weil es wichtig ist, uns immer wieder vor Augen zu halten, dass wir diese Themen in dieser Legislaturperiode vermutlich das letzte Mal in einer vom Grundkonsens her bestimmten Diskussion noch einmal erörtern können. Auch angesichts der Tatsache, dass die Zeitzeugen immer weniger werden, gibt es, glaube ich, einen großen Konsens, dass gerade die Erinnerungsarbeit mit den Jugendlichen, mit den Schülerinnen und Schülern eine ganz zentrale Rolle spielen soll.
Konkret geht es heute darum, dass wir uns hier im Landtag bereits vor circa drei Jahren mit der klaren Forderung des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Herrn Dr. Josef Schuster, beschäftigt haben, dafür zu sorgen, dass alle Schülerinnen und Schüler verpflichtet werden, im Laufe ihrer Schulzeit eine KZGedenkstätte zu besuchen. Diese Forderung haben wir im Landtag insofern aufgenommen, als wir uns eigentlich fraktionsübergreifend einig waren, sie als Empfehlung zu betrachten; es gibt noch ein bisschen Abstimmungsbedarf bei den einzelnen Schularten.
Im Rahmen dieser Diskussion wurde beispielsweise von dem Historiker Volkhard Knigge, dem Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, in einem "Zeit"-Interview geäußert – ich darf das zitieren –: "Das ist ein verständliches Anliegen, aber ich halte davon überhaupt nichts", sagte er damals. Die Erfahrungen zeigten, "dass junge Leute dichtmachen und nichts mehr davon hören wollen, wenn sie in das Thema hineingenötigt und hineinmoralisiert werden." Das war eine ganz deutliche Ansage, die der Gedenkstättenleiter Jörg Skriebeleit aus seiner Sicht teilte. Er hat damals in einem Interview gesagt: "Bei diesem Thema bin ich zurückhaltend, trotz guter Erfahrungen. Wenn das pflichtschuldig gemacht wird …, dann sind die Voraussetzungen nicht sehr günstig." Und er fasste zusammen: "Erinnerung ja, aber ohne Zwang."
Ich will das noch ergänzen. Die Leiterin der Gedenkstätte in Dachau in meinem Stimmkreis, Frau Dr. Hammermann, hat in diesem SZ-Interview gesagt:
Bildungsprogramme, die an außerschulischen Lernorten wie KZ-Gedenkstätten angeboten werden, bilden über die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, so verschieden sie auch sein mag, ein wichtiges Element der Demokratieerziehung und Rechtsextremismusprävention.
Im Laufe der letzten Jahre hat auch Herr Dr. Schuster klargestellt, er habe nie gesagt, diese Besuche seien als Verordnung zu verstehen. Aber gut vorbereitete Besuche seien sinnvoll. – Darüber gibt es großen Konsens. Ich will am Schluss dieser Einführung noch kurz den Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik zitieren, der eigentlich ein Verfechter dieser verpflichtenden Besuche ist, aber ganz klar sagt:
Ein bloßer Demonstrationstermin – also mal kurz rein und wieder raus – wirkt geradezu kontraproduktiv. Das Ganze ist nur sinnvoll, wenn es mit viel Zeit, mit nicht wenig Geld und mit hoher Professionalität ausgeführt wird.
Das ist genau der Ansatz, den wir bei unseren beiden Gesetzentwürfen gewählt haben. Warum braucht es einen Gesetzentwurf? – Es braucht ihn deshalb, weil in diesen letzten drei Jahren relativ wenig an konkreter und operationalisierter Arbeit erfolgt ist. Es ist das eine, das Thema Erinnerungsarbeit in die Lehrpläne zu schreiben. Darauf ist in den Gymnasial- und Realschullehrplänen, auch in den neuen LehrplanPLUSAusführungen, tatsächlich eingegangen worden. Aber wir sehen, dass wir eine operationale Umsetzung auf alle Fälle hier im Landtag begleiten müssen.
Ich habe mir die Mühe gemacht und bin in allen Gedenkstätten und Dokumentationszentren gewesen, Obersalzberg, München, Nürnberg, selbstverständlich in den Gedenkstätten Flossenbürg und Dachau, aber auch außerhalb von Deutschland. Das heißt ganz konkret: Wenn wir diese Arbeit und diesen Auftrag wirklich ernst nehmen, dann werden wir davon ausgehen dürfen, dass mindestens doppelt so viele Schüler wie bisher die Gedenkorte besuchen werden. Da sprechen wir schnell von 120.000 bis 150.000 Schülerinnen und Schülern, die diese Erinnerungsorte – ich fasse jetzt Gedenkstätten und Dokumentationszentrum zusammen – dann bewältigen müssen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, das geht einfach nicht, ohne dass wir diese Erinnerungsorte ausreichend mit pädagogischem Personal ausstatten. Das geht auch nicht, wenn dort nicht entsprechende Konzepte vorliegen und, wenn ich das am Beispiel der Gedenkstätte Dachau sagen darf, wenn man nicht innerhalb der Gedenkstätte entsprechende Räumlichkeiten hat, wo sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit den Themen auseinandersetzen können.
Deshalb darf ich noch mal an den Erziehungswissenschaftler von vorhin erinnern, der ganz klar gesagt hat:
Das Ganze ist nur sinnvoll, wenn es mit viel Zeit, mit nicht wenig Geld und mit hoher Professionalität ausgeführt wird.
Ich weiß, dass die Gedenkstätten und Erinnerungsorte sich heute schon insgesamt bemühen, gute und sehr gute Arbeit zu leisten. Aber es reicht einfach nicht, dass wir diese Zukunftsaufgabe bewältigen. Ich bin überzeugt: Wenn wir dieses Thema nicht im Gesetz verankern – da ist in diesem Fall zunächst einmal das Erziehungs- und Unterrichtsgesetz gefragt –, wenn wir es nicht schaffen, es dort in den Artikel 2 – das ist unser Vorschlag – hineinzubringen, dann werden wir die "Begleitmusik" nicht generieren können, die entsprechenden Gelder nicht bereitstellen können. Hier sprechen wir wirklich von sehr viel Geld, das in den nächsten Jahren für diese wichtige Aufgabe in die Hand genommen werden muss. Deshalb schlagen wir vor, das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz in Artikel 2 um einen Absatz 6 zu ergänzen, der heißen soll:
Der Besuch eines Erinnerungsortes (KZ-Gedenk- stätten oder NS-Dokumentationszentrum) wird allen Schülerinnen und Schülern an den weiterführenden und beruflichen Schulen in Bayern im Rahmen des schulischen Bildungsprogramms kostenfrei ermöglicht.
Diese Festlegung im Gesetz ist für uns die Voraussetzung, dass wir beispielsweise eine gute Vor- und Nachbereitung in den Schulen bekommen und die Lehrerinnen und Lehrer so fortgebildet werden, dass sie diese Aufgabe bewältigen können. Diese Kostenfreiheit garantiert, dass der Besuch nicht davon abhängig ist, dass begleitend ein Schulausflug stattfindet, für den man die Gelder einkassiert, sondern dass man sich wirklich auf diese Besuche konzentrieren kann. Das bedeutet natürlich auch, dass diese Gedenkstätten die vorbereitenden und begleitenden Arbeiten erbringen können und müssen.
Deshalb haben wir uns entschlossen, das Gedenkstättenstiftungsgesetz anzupassen; denn wenn man sich diese große Zahl an Schülerinnen und Schülern vor Augen führt, dann werden wir nicht darum herumkommen, alle Erinnerungsorte einzubinden. Deshalb müssen im Gedenkstättenstiftungsgesetz der Zweck, die Verantwortlichkeit und die Bereitschaft, dort dieses Thema aufzugreifen, entsprechend niedergelegt werden. Das wird dann die Kollegin Zacharias noch ausführen. Ich bitte darum, dieses Thema morgen im Bil
dungsausschuss – das steht auf der Tagesordnung – in aller Ruhe aufzugreifen. Dann können wir zu einem Konsens kommen. Ich glaube, diese Aufgabe erfordert jetzt unser konkretes Handeln. Wenn wir nicht in dieser Legislaturperiode handeln, wann dann? Ich befürchte, in der nächsten Legislaturperiode wird dieses Thema vielleicht nicht mehr so einvernehmlich zu lösen sein.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus der Nummer, lieber Kollege Waschler, kommt man nicht so schnell heraus, gell? Wenn man die letzten Jahre, Jahrzehnte zurückschaut: Die SPD-Landtagsfraktion hat bereits 2007 – da war ich zwar noch nicht im Landtag, aber ich kann mich erinnern, – eine Unterrichtsgarantie gefordert und 2008 noch einmal.
Das geschah aus gutem Grund. Tatsächlich kommen wir bis heute nicht aus diesem Dilemma heraus; tatsächlich fallen soundso viele Stunden Unterricht aus. Darüber, ob das jetzt zehn Millionen sind oder, wie wir ausgerechnet haben, sechs Millionen, wollen wir uns heute nicht streiten. Fakt ist aber – und das haben die mindestens 20 Schulkonferenzen gezeigt, die wir in den letzten Wochen abgehalten haben –, dass sehr, sehr viel Unterricht ausfällt. Das ist jetzt erst einmal sozusagen die Ausgangslage, und deswegen kann ich auch das, was Sie sagen, Herr Kollege Piazolo, vollumfänglich unterstreichen. Die Beschreibung der Situation ist richtig. Fraglich ist nur, ob auch das Instrument richtig ist. Darüber müssen wir sicherlich reden. Ich glaube nicht unbedingt, dass es der klügste Weg ist, dazu das EUG zu ändern. Auch bei der Inklusion haben wir gelernt, dass das, was man nur ins EUG, aber nicht ins Haushaltsgesetz hineinschreibt, relativ wenig Wert hat. Also müssten wir es ins Haushaltsgesetz hineinschreiben, aber nicht ins EUG.
Herr Kollege Piazolo, das, was Sie sagen, stimmt nicht ganz. In dem neuen Absatz 3, den Sie dem Artikel 1 anfügen wollen, steht nur, dass Sie für den Pflichtunterricht eine Garantie abgeben wollen. Wir brauchen aber eine Garantie für den gesamten Unterricht, gerade auch für die Wahlfächer, für die sportlichen und die musischen Fächer. In diesen Fächern fallen doch hauptsächlich die Stunden aus. Wir können doch nicht nur den Pflichtunterricht sicherstellen wollen. Deshalb müssen wir den Gesetzentwurf nachbessern, und dafür haben wir im Ausschuss das eine
oder andere zu tun. Dann schauen wir einmal, ob der Gesetzentwurf das richtige Instrument ist.
Falsch ist auch der Hinweis, nur die staatlichen Schulen seien betroffen. Wir haben auch kommunale und private Schulen, die wir in den Blick nehmen müssen. Das haben Sie zwar mit den Kostenschätzungen, die mich nicht zufriedenstellen, getan, aber die stimmen auch nicht. Der Gesetzentwurf passt also hinten und vorne nicht. Das Thema ist aber richtig. Wir müssen uns der Sache annehmen.
Lieber Herr Kollege Professor Waschler, natürlich müssen wir überlegen, was wir mit Unterrichtsausfall und Unterrichtsversorgung meinen. Darin werden wir in den nächsten zehn Jahren nicht zusammenkommen. Ein Unterricht, der nicht von einer Vertretung gehalten wird oder bei dem die Schüler ihre Hausaufgaben machen, ist kein Unterricht. Deshalb können wir uns mit Ihrer Auffassung nicht zufrieden geben. Unser Gradmesser ist das, was wir tatsächlich schaffen. Wir sind auch Realisten und wissen, dass man nicht für jede Unterrichtsstunde eine Vertretung organisieren kann. Wenn eine Grippewelle kommt, ist es so. Das wissen wir doch alle, das weiß auch Professor Piazolo.
Wir müssen aber genau hinschauen. Der Bericht im Ausschuss hat, wie der Kollege Piazolo gesagt hat, schon gezeigt, dass die Staatsregierung offensichtlich von einer falschen Berechnungsgrundlage ausgeht. Darüber müssen wir uns unterhalten. Was ist eine ausreichende Lehrerversorgung? Ist es die am ersten Schultag, wenn der Pflichtunterricht und zumindest mäßig auch der Wahlunterricht stattfinden, bevor am dritten Schultag das Chaos losgeht? Das ist es natürlich nicht.
Deshalb sagen wir, die SPD-Fraktion, seit Jahren – darin stimmen wir auch mit den Vorstellungen anderer Fraktionen überein –, dass wir eine hundertzehnprozentige Lehrerversorgung an den Schulen brauchen. Nur dann können wir gewährleisten, dass der Unterricht auf der gesamten Stundentafel und nicht nur der Pflichtunterricht stattfindet. Nur dann können wir gewährleisten, dass wir auch die Spitzenbelastungen abfangen können, dass wir auch die Wahlangebote sicherstellen können usw. Dazu brauche ich eine Reserve – und die wird teuer, das ist mir schon klar –, die die langfristigen Ausfälle wie Schwangerschaften oder langfristige Erkrankungen auffangen kann. Das würde ein rundes Bild geben. Dazu sind Sie nicht bereit, und das nicht erst heuer, sondern schon in den letzten zehn, wenn nicht fünfzehn Jahren oder noch länger. Das müssen wir ändern, und dazu brauchen wir eine Unterrichtsgarantie. Dafür werden wir mit unseren Initiativen sorgen. Das wäre unser Ansatz, aber
nicht so, wie Sie es machen. Damit, was Kollege Piazolo und seine Fraktion in diesem Gesetzentwurf sagen, beschwichtigen Sie nur.
Nicht passieren darf das, was in den anderen Bundesländern passiert. In Hessen, Niedersachsen oder wo auch immer, sind Unterrichtsgarantien gegeben worden. Um diese Verpflichtung einzulösen, hat man irgendjemand vor die Klasse gestellt und gesagt, damit ist der Unterricht gehalten. Das geht natürlich nicht. Deswegen müssen wir uns sehr ernsthaft darüber unterhalten, wie man den Unterricht wirklich sicherstellen kann. Dass wir etwas zu tun haben, dass Nachholbedarf besteht und dass es tatsächlich auch teuer wird, ist unbestritten. Ich kann keine Stundentafel machen. Dafür sind Sie verantwortlich, weil Sie die Fraktion der Regierungspartei sind. Sie können aber auch nicht ins EUG hineinschreiben, dass der Unterricht nach der Stundentafel zu halten ist, wenn Sie nicht gleichzeitig Stellen für Lehrer bereitstellen. Das geht nicht. Da werden wir Sie nicht aus der Verantwortung lassen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs wird in der Tat die grundsätzliche Debatte darüber abgeschlossen, wie viel Zeit wir den Schülerinnen und Schülern bis zum Abitur geben wollen. Alle Fraktionen haben jahrelang, jede auf ihre Weise, mit parlamentarischen Initiativen auf dieses Ziel hingearbeitet. Wir wissen, dass Erfolge immer viele Väter und Mütter haben. Wir waren hartnäckig, weil wir über die Jahre erkannt haben, dass das G 8 im Interesse der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte so, wie es ist, nicht bleiben kann.
Wir werden heute – wie ich vermute, einstimmig – die grundsätzliche Rückkehr zum G 9 beschließen. Das begrüßen wir. Wir haben das immer angestrebt und deshalb zwei Gesetzentwürfe dazu eingebracht. Dass wir heute diesen Beschluss fassen, ist erst einmal gut so.
Das bedeutet aber nicht, dass wir in Bezug auf den Inhalt des Gymnasiums den Weg, den wir heute gehen, für richtig halten. Der Rohbau des neunjährigen Gymnasiums steht, die Innenarchitektur fehlt aber noch. Wir haben da und dort Eckpunkte formuliert. Herr Kollege Lederer hat sie dargestellt. Eines ist aber schon etwas seltsam: Herr Kollege Lederer hat uns zunächst einmal das Bildungspaket erklärt, obwohl wir heute die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium beschließen wollen. Das hat seinen Grund. Herr Kollege Lederer hat uns immer mit kleinen und genauen Recherchen nachgewiesen, dass wir uns gewandelt haben.
Diesen Nachweis hätte er auch beim Herrn Staatsminister führen können; denn da ist der Wandel noch viel größer.
Da ich schon neun Jahre im Bildungsausschuss sitze, darf ich sagen: Der Wandel auf der rechten Seite ist enorm. Grundsätzlich ist dieser Wandel zu begrüßen. Ich kenne die Debatten, die im Bildungsausschuss bis zum Ende des Jahres 2013 geführt wurden, sehr genau. Dort wurde immer ein Lobgesang auf das G 8 vorgetragen. In den Jahren 2013, 2014 und 2015 haben Sie immer noch am G 8 festgehalten, obwohl wir schon längst eine differenzierte Debatte geführt haben. Hier sitzt ein Minister, der uns noch vor zwölf Monaten erklärt hat, dass es überholt sei, vom G 8 oder vom G 9 zu sprechen. Unsere Forderung, sich auf eine grundlegende Laufzeit zu verständigen, hat dieser Minister immer abgelehnt. Natürlich ist es ein Unterschied, ob wir ein Gymnasium von acht oder von neun Jahren her denken. Jetzt ist dieser Minister auch zu dieser Erkenntnis gekommen.
Vor zwei Wochen hat der Herr Staatsminister dem geschätzten Philologenverband sinngemäß erklärt: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lange ich darauf gewartet habe, heute das G 9 wieder zu verkünden. – Ich war dabei. Nach dieser Aussage hätte man den Eindruck gewinnen können, dass er ein innerer Verfechter dieser neun Jahre ist.
Er hat gewollt, aber nicht gedurft. Der Herr Ministerpräsident hat ihn auf den richtigen Kurs gebracht. Wie auch immer, es ist müßig, darüber nachzudenken.
Jetzt wird das Pferd von hinten aufgezäumt und gesagt, das Bildungspaket stünde im Vordergrund. Ein kleiner aber wesentlicher Teil dieses Bildungspakets ist das G 9. Man kann hier viel lernen, wie Geschichtsklitterung betrieben werden kann oder wie man seinen Wandel kaschiert. Es hätte gereicht, wenn sich der Staatsminister hingestellt und gesagt hätte: Das G 8 war der falsche Weg; wir steuern um. – Das wäre sehr mutig, aber im Interesse der Kinder, der Eltern und der Lehrkräfte richtig gewesen. Das ist nicht passiert. Jetzt werden wir das G 9 auf vielen Umwegen verspätet bekommen. Herr Kollege Lederer, wir müssen jetzt Gas geben und Zeit aufholen, damit wir das Gymnasium wieder auf die richtige Spur bringen. Heute werden wir über die neun Jahre beschließen. Den Erfolg des G 9 wird aber dessen Inhalt ausmachen.
Herr Kollege Lederer, wir haben heute sehr viele Überschriften gehört. Wer ist denn dagegen, dass wir Qualität brauchen? – Wir alle sind dafür. Wer ist dage
gen, dass wir mehr Zeit brauchen? – Dafür haben wir gekämpft. Wer ist dagegen, dass wir mehr Individualisierung brauchen? – Niemand. Wir sind alle dafür. Das sind sehr gute Überschriften. Sobald jedoch die Rede auf die sieben Anträge kommt, die Herr Kollege Gehring dankenswerterweise positiv kommentiert hat, zum Beispiel auf den Antrag, mit dem die Schaffung von Möglichkeiten zu selbstgesteuertem Lernen gefordert wird, sagen Sie im gleichen Atemzug: Das ist eigentlich nicht zielführend, das brauchen wir am Gymnasium nicht. – Kollege Lederer, wenn Sie jetzt einmal zehn Jahre zurückschauen und sich ein bisschen mit Hirnforschung oder mit Neurobiologie beschäftigen, dann wissen Sie, dass selbstgesteuertes Lernen das einzige Mittel ist, um nachhaltiges Lernen zu generieren,
denn dann befasst man sich selbstständig mit den Lerninhalten. Es müsste für Sie also nahezu eine Selbstverständlichkeit sein, dieses selbstgesteuerte Lernen am Gymnasium zu etablieren. Nun müssen wir als SPD-Fraktion das zu einem Antrag machen, damit es bei der Neuausgestaltung des Gymnasiums diskutiert wird; denn es ist eben nicht selbstverständlich. Von Ihnen haben wir dazu nichts gehört.
Dazu gehört auch, Herr Kollege Lederer, darüber nachzudenken, wo die Schülerinnen und Schüler selbstgesteuert lernen können. Wo kann dies stattfinden? Geschieht es in der Gruppe oder im Klassenverband oder, wie wir vorgeschlagen haben und was wissenschaftlich erwiesen ist, in Zeitschienen? Da hätte man als Schülerin oder Schüler Zeit, sich mit bestimmten Inhalten im eigenen Tempo zu befassen. Das sind die Zeitschienen, die wir einziehen wollen. Wir haben 90 Minuten dafür vorgeschlagen. Das machen andere, meist private Schulen schon längst auf diese Weise. Ich meine, so etwas muss man auch am Gymnasium etablieren. Es ist doch nicht so, dass die Kinder nur dasitzen und Däumchen drehen. Deshalb ist es vollkommener Quatsch, wenn Sie sagen, damit würde nur Zeit vertrödelt.
Nein, die Kinder machen Deutsch, Mathe oder Englisch oder was auch immer. Das kann man doch auf eine andere Art verrechnen.
Es ist also sehr notwendig, diesen Antrag hier zu stellen, damit Sie sich mit dem Thema Individualisierung wirklich einmal beschäftigen.
Leider haben Sie auch das abgelehnt.
Interessant ist für mich, dass Sie zu den sieben Anträgen, die wir gestellt haben, meinen, sie seien in den einzelnen Punkten nicht so verkehrt. Ich denke an die Stärkung der MINT-Fächer oder auch an die Geografie. Dem haben Sie im Ausschuss sogar zugestimmt und festgestellt, dass dagegen kaum etwas zu sagen sei. Aber das Gesamtpaket geht für Sie offensichtlich nicht. Sie halten noch immer an der Aufrechnung der Fächer wie vor 50 Jahren fest.
Wir haben deshalb auch das Thema Kontingentstundentafel in die Debatte eingeworfen. Wenn man wirklich individualisiert und die Heterogenität ernst nimmt, wie wir sie am Gymnasium schon haben, muss man sich auch überlegen, ob jeder Schüler und jede Schülerin dieselbe Anzahl an Stunden braucht, um sich auf das Abitur vorzubereiten. Nicht jeder braucht drei oder vier Stunden Deutsch, sondern er braucht so viele Möglichkeiten, dass er das, was er nachhaltig lernen muss oder soll, umsetzen kann.
Es ist längst überfällig, mehr Flexibilität in die Stundentafel zu bringen, wie es in den anderen Bundesländern längst geschieht. Sie, meine Damen und Herren von der CSU, halten an alten Zöpfen fest und verkaufen uns das als unmöglich, dass wir das so nicht umsetzen könnten.
Ich fasse zusammen: Hier sind Dinge möglich, die inhaltlich wie auch methodisch gemacht werden könnten. Diese Debatte ist nicht geführt worden und wird auch nicht geführt, und man hat sie auch im Dialogverfahren nicht mit den Leuten geführt, die diese Ideen umsetzen wollen. Das ist schade. Es ist eine vertane Chance. Das ist nämlich etwas, von dem ich sage, dass es das Gymnasium zukunftsfest gemacht hätte.
Natürlich haben Sie ein paar Dinge übernommen. Wir haben schon längst vorgeschlagen, dass das Proseminar in die 11. Klasse kommt. Außerdem haben wir schon die Debatte über die Leistungskurse geführt, und ich danke den FREIEN WÄHLERN dafür, dass sie das auch aufgenommen haben.
Natürlich brauchen wir auch in der Oberstufe Vertiefungen in irgendeiner Form der Leistungskurse, und es ist bedauerlich, dass es in der jetzigen Debatte noch hintangestellt ist. Ich kenne die Argumentation mit der KMK. Trotzdem hätte man sich eigene Vorstellungen machen können.
Was mir in der Debatte noch wichtig erscheint und was wir zeitnah in die Debatte eingeführt haben, ist
die Berufsvorbereitung und die Berufsorientierung. Das Gymnasium in Bayern ist heute eigentlich die Hauptschule. Zumindest von den Zahlen her ist es die Hauptschule. Wir denken immer noch, dass alle, die das Gymnasium besuchen, zielstrebig auf das Abitur zugehen und studieren. Das ist längst nicht mehr der Fall. Diesen Gedanken haben Sie aufgegriffen. Wir müssen, wie bei den anderen Schularten auch, rechtzeitig mit der Berufsvorbereitung beginnen, um die jungen Menschen rechtzeitig auf die Berufswelt vorzubereiten. Da reicht es nicht, wenn man 0,5 Stunden in die Stundentafel schreibt und irgendwo einen kleinen Exkurs macht.
Es reicht auch nicht, das nur in der 11. Klasse anzubieten. Was tun Sie denn? – Sie sagen, die 11. Klasse sei ganz zentral wichtig, und gleichzeitig schlagen Sie vor, dass die Schüler diese 11. Klasse auslassen sollen. Wie passt das zusammen? Ich mache eine neue Jahrgangsstufe, fülle sie mit Inhalten wie digitale Bildung, politische Bildung, Berufsvorbereitung, und gleichzeitig empfehlen Sie, zumindest den leistungsstarken Schülern, diese Klasse auszulassen.
Deswegen zielt unser Antrag darauf ab, die Berufsvorbereitung über die Jahre in der Mittelstufe und der Oberstufe zu etablieren: Digitalisierung nicht nur in der 11. Klasse, politische Bildung nicht nur durch eine Sozialkundestunde mehr in der 11. Klasse, sondern beides über alle Jahrgangsstufen hinweg. Da muss man sich vielleicht ein bisschen überlegen, wie das geschehen soll. Aber das ist eine Grundvoraussetzung für ein neues zukunftsweisendes Gymnasium.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen, was ich für sehr wichtig halte: Das G 8 war eine ganztägige Schulform, aber kein Ganztagsgymnasium. Die Kinder sind um 17.00 Uhr nach Hause gekommen und mussten am Abend lernen und hatten keine Zeit mehr für Eigeninteressen.
Jetzt haben wir einen Rollback zur Halbtagsschule. Deshalb ist es jetzt notwendig – dazu gab es auch einen Antrag von uns –, darüber nachzudenken, wie pädagogisch gute Konzepte erstellt werden können, um den Ganztag am Gymnasium zu etablieren, der der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht wird und vor allem die Förderung ermöglicht, damit wir Bildungsgerechtigkeit herstellen können. Auch diesen Antrag haben Sie abgelehnt.
Summa summarum: Es gibt viel zu tun in der inhaltlichen Arbeit. Ich würde mich freuen, wenn Sie in die Debatte, die wir jetzt führen müssen, auch die Opposition einbeziehen und über den Tellerrand hinausschauen würden. Es ist grundsätzlich gut, dass wir
das G 9 in neuer Form wieder haben, aber es gibt noch viel zu tun.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe anwesende Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Auch ich möchte mich eingangs dem Dank an die Lehrkräfte anschließen. Das ist an dieser Stelle geboten. Ich danke für die Bewältigung dieser immer schwieriger werdenden Aufgaben. Die SPDFraktion schätzt dieses Engagement sehr und bedankt sich ganz herzlich bei den über hunderttausend bayerischen Lehrkräften.
Ich will angesichts dieses Themas zunächst auf das Ansehen des Lehrerberufs eingehen. Es gibt eine Tendenz nach oben. Der Beruf ist auch durch ein höheres Ansehen bei der Bevölkerung attraktiver geworden. Das Image des Jobbers gibt es zwar immer noch, und es gilt immer noch die Meinung, keiner wolle es machen. Jeder sagt: Lass mich um Gottes willen da weg; das würde ich nie gerne machen wollen; das ist ein schwieriger Job.
Man kann das Ansehen dieses Berufs nicht par ordre du mufti verändern. Aber wir können dafür sorgen, dass das Ansehen des Lehrerberufs bei denjenigen, die nahe dran sind, also auch insbesondere bei den Eltern, steigt. Das beginnt damit, dass man die Schulen vernünftig ausstattet und die Lehrkräfte so fördert, dass ihnen Zeit für ihre Kinder wie auch für die Schülerinnen und Schüler bleibt, damit sie sich um deren Entwicklung kümmern können. Dann nehmen die Eltern, die nahe am Schulleben dran sind, auch wahr, dass die Lehrer wichtige und gute Arbeit für ihre Kinder machen.
Nun komme ich zur Frage, wie der Lehrerberuf attraktiv werden kann. Natürlich kann man argumentieren, Herr Prof. Piazolo, dass es zunächst um die Bezahlung geht. Aber es geht auch um die Arbeitszeit, keine Frage. Bei der Bezahlung müssen einige bayerische Lehrergruppen nicht unbedingt jammern. Wir haben etliche Schularten, die ganz gut ausgestattet sind. Sie haben gerade von Frau Kollegin Heckner gehört, dass es da deutliche Unterschiede zu anderen Bundesländern gibt.
In Bezug auf die Arbeitszeit müssen wir trennen zwischen der Unterrichtszeit, die man in der Schule hat, und der Zeit, die man für die Vor- und Nachbereitung braucht. Das möchte ich jetzt in der Diskussion der Aktuellen Stunde doch trennen. Ich meine, dass insbesondere die Grund-, Mittel- und Förderschulen einen großen Nachholbedarf haben, was die Bezahlung und die Arbeitszeit anbetrifft.
Diejenigen, die die schwierigste Arbeit leisten, nämlich die Grund- und Mittelschullehrer in den Pflichtschulen mit den größten Aufgabenzuwächsen, müssen am längsten arbeiten und bekommen am wenigsten Geld. Das ist ein Missverhältnis, das wir auflösen müssen, wenn es uns gelingen soll, den Beruf in diesen Bereichen tatsächlich attraktiver zu gestalten.
Liebe Kollegin Heckner, ich war damals auch im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes, durfte unter Ihrem Vorsitz dienen und habe damals das Dienstrecht auch etwas mitgestalten können. Manche in diesem Hohen Haus erinnern sich vielleicht – das ist dann die Segnung des höheren Alters – an das Jahr 1978. Damals hat unser hoch geschätzter BLLVPräsident Wilhelm Ebert die akademische Lehrerbildung auch für die Grund- und Mittelschullehrer eingeführt. Wer erinnert sich daran noch? – Damals, in meiner Junglehrerzeit – ich war ein bisschen früher dran –, hieß es: Wenn wir diesen Schritt gehen, kommt A 13 für alle. Das haben Sie damals den jungen Lehrern versprochen – gekommen ist nichts. Tun Sie nicht so, als wäre dies eine unbotmäßige Forderung. Das ist eine zwingende Forderung, wenn die Lehrerbildung für alle Schularten gleichgestellt werden soll. Irgendwann muss man auch den Einstieg in die gleiche Bezahlung schaffen. Das ist nur recht und billig. Der Staat muss sich etwas einfallen lassen, um dies zu finanzieren.
Im Übrigen gibt es dafür auch Modelle. Das hat man auch schon mal durchgerechnet. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat bereits vor Jahren ein wunderbares Modell ausgearbeitet. Man könnte tatsächlich starten und die Gleichwertigkeit der Lehrämter auch in der Bezahlung berücksichtigen.
Frau Kollegin Heckner, ich habe noch eine kleine Anmerkung zum Dienstrecht. Auf der Grundlage des Dienstrechtes wird ein Studienrat in einer kleinen Grundschule mit A 13 besoldet. Der Schulleiter erhält A 13 mit Zulage. Das sind 150 Euro mehr. Sie finden doch niemanden, der die Stelle des Schulleiters übernimmt, wenn die Differenz nur 150 Euro beträgt. Das müssen wir jetzt beseitigen. Man kann nicht immer nur auf das wunderbare neue Dienstrecht verweisen. Es muss noch viel getan werden, um den Lehrerberuf attraktiver zu machen.
Ich will ganz deutlich sagen: Neben dem Geld und der Arbeitszeit sind laut Lehrkräften und Verbänden vor allem die Arbeitsbedingungen von großer Bedeutung. Ich glaube, die Arbeitsbedingungen sind viel bedeutender als 100 Euro mehr oder weniger. Unter welchen Bedingungen arbeiten die Lehrkräfte überhaupt? – In den Pflichtschulen nimmt man den Aufgabenzuwachs am deutlichsten wahr. Eine Grundschulklasse mit rund 26 Kindern ist sehr heterogen. Die Inklusion, die Integration sowie die Ganztagspädagogik haben zu einem enormen Aufgabenzuwachs geführt. Unter diesen Bedingungen ist es nicht mehr möglich, vernünftig und sinnvoll zu arbeiten. Deshalb müssen wir unser Augenmerk vor allem auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen legen, damit wir die jungen Menschen, die sich nach dem Abitur überlegen, Lehrer zu werden, nicht abschrecken. Sie sagen: Unter den Bedingungen will ich auf gar keinen Fall Lehrer werden. Ich will nicht alleine vor dieser Klasse stehen. An dieser Stelle brauchen wir deutliche Verbesserungen. Wir brauchen mehr pädagogisches Personal in den Klassenzimmern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Probleme sind nicht hausgemacht. Sie sind durch die Veränderung unserer Gesellschaft entstanden. Herr Staatsminister Spaenle hat uns die Zahlen geliefert. Wir haben einen noch nie da gewesenen Anstieg an – ich sage es ganz salopp – "verhaltensoriginellen" Schülerinnen und Schülern. Diese Kinder nennt man im Fachjargon sozial-emotional auffällige Kinder. Der Anstieg ist vor allem, wen wundert es, in den dritten und vierten Klassen der Grundschulen zu verzeichnen. Dort leiden die Kinder am meisten unter dem Leistungsdruck des Übertritts. Die Frage lautet: Wie gehen wir damit um? – Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir müssen
die betroffenen Lehrkräfte durch zusätzliches Personal – Stichwort multiprofessionelle Teams – unterstützen. Das müssen Sie dringend einführen, weil das ebenfalls die Attraktivität des Lehrerberufs erhöht.
Der Staat ist gefordert, wirklich etwas zu tun. Tatsächlich geht es ums Geld, aber auch um die Verbesserung der Rahmenbedingungen. Bitte agieren Sie nicht wieder nach dem Gießkannenprinzip.
Ich bin gespannt, wie Sie 150 Stellenäquivalente auf die Schulleitungen verteilen. Ich bin seit dem Jahr 2008 in diesem Hohen Hause. Seitdem reden wir jedes Jahr über die Entlastung der Schulleiterinnen und Schulleiter in den Grund- und Mittelschulen. Geschehen ist nichts, aber auch gar nichts.
Das haben Sie zu verantworten. Wenn Sie die 150 Stellen auf die 3.500 bis 4.000 von Ihnen in den Blick genommenen Schulen umrechnen, kommen gerade einmal 1,17 Lehrerstunden pro Schule heraus. Wie wollen Sie damit die Schulen entlasten, um die von Ihnen beschlossenen neuen Aufgaben zu bewältigen?
Nein, Sie sollen sich keine Zeit lassen. Die Schulen müssen endlich etwas von der Entlastung spüren. Das ist die Antwort.
Es ist doch nicht so, dass wir in Bayern kein Geld haben. Wir können das wirklich angehen und ein deutliches Signal setzen, indem wir sagen: Wir haben verstanden. Ihr bekommt die Entlastung, die ihr wirklich braucht. – Sie merken, bei diesem Thema werde ich wirklich fuchsig. Ich kann es nicht länger ertragen, dass Sie ständig nur Verständnis äußern, aber nie effektiv etwas tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER, ja, es war wichtig, dieses Thema anzusprechen. Das haben wir anlässlich der 150-Jahr-Feier des BLLV gemerkt. Ich weiß, vieles ist nicht schnell und leicht umzusetzen. Ich weiß auch, dass man A 13 für alle nicht morgen einführen kann. Das muss man stufenweise machen. Aber wir können das nicht aussitzen. Vermutlich können wir diese Probleme, die seit Jahrzehnten auf der Halde liegen, nur lösen, wenn wir in diesem schönen Bayernland eine andere Regierung bekommen. Das werden wir tun, wenn wir das Votum dafür erhalten.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat sind wir gerade in der Gesetzesberatung. Morgen werden wir diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung im Bildungsausschuss beraten, der zum Ziel hat, zum Abitur nach neun Jahren zurückzukehren. Morgen werden wir im Ausschuss sozusagen die technische Basis dafür legen.
Es ist aber mindestens genauso wichtig, über die Inhalte zu reden; denn diese werden im Gesetz nicht festgelegt. Wenn man so will, ist das ein gewisser Nachteil. Der Dringlichkeitsantrag hilft, in die richtige Richtung zu weisen und aufzuzeigen, was parlamentarisch diskutiert werden muss; das finde ich ganz wichtig.
Sie haben der Presse entnommen, dass auch die SPD-Fraktion für die morgige Gesetzesberatung ein Antragspaket vorgelegt hat, um auf die für uns wichtigen Inhalte hinzuweisen und diese dann auch, wie Kollege Lederer sagte, breit im Ausschuss zu diskutieren. Dafür werden wir uns morgen sehr viel Zeit nehmen. Das ist aus meiner Sicht auch notwendig.
Insofern muss man an der Stelle noch einmal sagen: Der inhaltliche Prozess bzw. der inhaltliche Dialog findet – das muss man klar feststellen – unter Ausschluss des Parlamentes statt. So etwas ist nicht akzeptabel. Bisher wurde die Opposition in die inhaltliche Ausgestaltung nicht eingebunden.
Bislang wurde immer darauf hingewiesen, dass die Verbände einbezogen worden seien. Das ist natürlich der Fall. Der Landeselternverband, der Landesschülerrat, der Philologenverband und die Vertreter der Direktoren werden gehört. Aber es gibt noch mehr Personen, wie Praktiker, Menschen aus der Wissenschaft
und auch Politiker, die in dieses Thema eingebunden werden müssen.
Das ist nicht der Fall. Dieser Dialogprozess war kein Dialogprozess. Deshalb müssen wir uns diese Dinge mühsam Punkt für Punkt erarbeiten. Daher werden wir uns morgen die Zeit nehmen, in die Diskussion um all diese Themen einzusteigen.
Kollege Piazolo, ich persönlich habe ein Problem mit diesem Antrag, nämlich mit den Rahmenempfehlungen. Würden Sie diese drei Absätze streichen, könnten wir dem Antrag zustimmen, weil die Idee der Leistungskurse aus unserer Sicht richtig ist.
Ich darf an dieser Stelle nach dem Motto "Wer hat es erfunden?" Folgendes sagen: Schon im Januar 2017 konnten Sie in unserem Gesetzentwurf zur neunjährigen Gymnasialzeit explizit lesen, dass wir den Weg zu einer Vertiefung zurückgehen wollen, die man dann auch "Leistungskurs" nennen darf.
In der Richtung und in der Sache sind wir uns einig, aber es ist natürlich überhaupt nicht sinnvoll, heute festzulegen, in welcher Ausprägung und mit welchen Details das dann stattfinden muss oder stattfinden sollte. Das müssen wir gemeinsam im Kontext erarbeiten. Deshalb werden wir – das tut mir fast ein bisschen leid, weil die Richtung stimmt – den Antrag aus diesem Grund ablehnen.
Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, dass die inhaltliche Ausgestaltung des Gymnasiums eigentlich der Kern dieser neuen Entwicklung ist. Die neun Jahre sind die Basis, aber der SPD-Fraktion fehlt die Auseinandersetzung damit, wie ein modernes, zukunftsweisendes Gymnasium tatsächlich aussehen soll. Was bis jetzt vorgelegt wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, bewegt sich eher in den Bereichen von Überschriften, von Grundsatzdiskussionen und von Strukturen. Unklar ist, wie das Gymnasium wirklich ausschauen soll. Dazu braucht es im guten Sinne auch eine gewisse Vision, wie man die Inhalte des 21. Jahrhunderts dort abbildet. Es reicht eben nicht zu sagen, digitale Bildung sei wichtig, und sie in einem Fach Informatik in der elften Klasse zu vermitteln. Nein, wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir Themen wie Demokratieerziehung, politische Bildung oder digitale Bildung von Anfang an, von der fünften bis zur dreizehnten Klasse nach Möglichkeit vermitteln können. Dieses Thema werden wir uns morgen vornehmen. Da gibt es noch ein paar
offene Fragen. Auch Fachleute und Wissenschaftler haben an uns herangetragen, dass diese Diskussion leider nicht bis zum Ende geführt wurde. Es lohnt sich aber, diese Diskussion zu führen, damit wir ein Gymnasium auf die Beine stellen können, das die nächsten 20 Jahre tatsächlich hält. Die Richtung des Dringlichkeitsantrags ist gut, technisch ist er aber leider nicht geglückt. Deswegen müssen wir ihn ablehnen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen habe ich erleben müssen, dass offensichtlich der Landtagswahlkampf bereits eröffnet ist; denn unser Herr Staatsminister – sein Platz ist leider leer – hat bei einem Lehrerverband bezüglich des Themas, das wir heute erörtern, die klare Aussage gemacht: Mit mir wird es keine Änderung beim Übertrittsverfahren geben. Es gab tosenden Beifall; aber damit wurde eine Entscheidung des bayerischen Parlaments vorweggenommen und das Thema in diesem ideologischen Bereich ohne Not aufgeladen.
Ich begründe, warum wir von der SPD glauben, dass das Übertrittsverfahren in Bayern dringend geändert werden muss, und verweise diesbezüglich auf unseren Gesetzentwurf, nach dem Artikel 7 Absatz 1 geändert werden soll. Ich zitiere mit freundlicher Genehmigung der Präsidentin Satz 3:
Um den Kindern die Übergänge zu erleichtern, arbeitet die Grundschule sowohl mit den Kinder
tageseinrichtungen als auch mit den weiterführenden Schulen eng zusammen.
Daran werden die folgenden Sätze 4 und 5 angefügt:
Zum Schulhalbjahr der vierten Klasse erstellen alle beteiligten Lehrkräfte eine die ganze Persönlichkeit des Kindes berücksichtigende Empfehlung für die weitere Schullaufbahn. Nach eingehender Beratung durch die Klassenlehrkraft, die qualifizierte Beratungslehrkraft der Grundschule und ggf. der angestrebten weiterführenden Schule entscheiden die Erziehungsberechtigten über die weitere Schullaufbahn ihres Kindes.
Dies wird in Artikel 44 noch bekräftigt. Daran sehen Sie, dass wir uns intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen und nicht einfach etwas abschaffen wollen, ohne deutlich zu sagen, wie es anders gehen könnte und im Sinne der Kinder anders gehen muss.
Wie ist die Situation derzeit in Bayern? – Das soll an dieser Stelle noch kurz festgehalten werden. Wir haben in Bayern als einem von zwei Bundesländern noch die verbindliche, staatlich verantwortete Grundschulempfehlung. Das heißt, bei uns in Bayern entscheidet der Durchschnitt der Noten in drei Fächern über die Wahl des weiteren Schulwegs und der Schullaufbahn nach der Grundschule. Aus Sicht der SPD ist diese Regelung ein tiefer Eingriff in das Elternrecht, grundgelegt in Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Demnach gewähren – ich darf auch das anführen – im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Elterngrundrechte den Eltern das prinzipielle Recht zu entscheiden, welche weiterführende Schule und insbesondere welchen Schultyp ihr Kind besucht. Das hat das Bundesverfassungsgericht so festgestellt. Ich darf in diesem Zusammenhang mit freundlicher Genehmigung zitieren:
Die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg des Kindes hat das Grundgesetz zunächst den Eltern als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes belassen. Damit wird jedenfalls dem Grundsatz nach berücksichtigt, dass sich das Leben des Kindes nicht nur nach seiner ohnehin von den Umweltfaktoren weitgehend geprägten Bildungsfähigkeit und seinen Leistungsmöglichkeiten gestaltet, sondern dass hierfür auch die Interessen und Sozialvorstellungen der Familie von großer Bedeutung sind. Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet,
die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben betriebenen Begabtenauslese vielleicht vermieden werden könnten. Dieses Bestimmungsrecht der Eltern umfasst auch die Befugnis, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg in der Schule frei zu wählen.
Ich glaube, das ist doch ein deutlicher Hinweis des Bundesverfassungsgerichtes, dass wir das Verfahren in Bayern zu ändern haben; das Verfahren in Bayern habe ich gerade geschildert. Warum ist die Änderung notwendig? – Das bayerische Verfahren führt dazu, dass wir in den Grundschulen zunehmend einen extremen Druck auf die Kinder in der dritten, hauptsächlich aber in der vierten Klasse haben. Allein 20 Proben, mehr als in jeder Oberstufenklasse des Gymnasiums, müssen durchlaufen werden. Das führt auch zu starken Belastungen im Elternhaus und, finde ich, auch zu unnötigen Belastungen der Lehrerschaft, die zunehmend Burn-outs vieler Lehrkräfte der vierten Klassen zur Folge haben.
Dazu kommt – das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt –, dass das bayerische Verfahren nicht rechtsfehlerfrei ist; denn die Entscheidungen, die von den Lehrern getroffen werden, hängen immer noch von der sozialen Herkunft ab oder werden von ihr mitbestimmt. Sie werden vor allem durch das Instrument der Noten gestaltet, die, wie wir alle wissen und wie mittlerweile auch wissenschaftlich bestätigt ist, keineswegs objektiv sein können, da sie von Lerngruppen und Klassen abhängig sind. Objektivität wäre aber die Grundvoraussetzung dafür, dass der Staat nach Artikel 7 des Grundgesetzes in das Elternrecht eingreifen dürfte; denn Artikel 7 – ich erinnere daran – ermöglicht dem Staat die Schulorganisation, wobei aber gewährleistet sein muss, dass sie rechtsfehlerfrei ist.
Daher ist es geboten und an der Zeit, dass wir das EUG an den von mir angesprochenen Punkten ändern, das heißt nicht einfach abschaffen, sondern an ihre Stelle, wie gesagt, eine Empfehlung der Grundschule nach professioneller Beratung setzen und schlussendlich auch das Elternrecht zur Geltung bringen. Das ist der Inhalt des Gesetzentwurfes, und ich bitte Sie alle, ihm zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wort "Schulwegkostenfreiheitsgesetz" ist in der Tat ein schwieriges Wort. Es hört sich auch nicht so prickelnd an. Wir versuchen, das Thema heute im Rahmen der Zweiten Lesung und nach Austausch der Argumente kurz und knapp abzuhandeln. Das neue Schuljahr hat bereits begonnen. Ich erinnere mich, dass Eltern seit dem Jahr 2009 immer wieder Petitionen oder Anschreiben zur Schulwegkostenerstattung verfasst haben. Wenn ihr Kind nach der Grundschule in eine andere Schule als die nächstgelegene geht, gibt es Schwierigkeiten mit der Fahrkostenerstattung. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir dieses Thema angehen und bereinigen. Ein weiteres Thema ist die Kostenerstattung nach der 10. Klasse, wenn Jugendliche eine Berufsschule oder eine andere weiterführende Schule besuchen. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir hierfür ebenfalls eine Regelung finden.
Aus Sicht der SPD geht es um die Frage der Bildungsgerechtigkeit. Bildung muss kostenfrei sein. Das gilt auch für die Schulwegkosten. Deshalb ist dieses Gesetz wichtig. Aus diesem Grunde wäre es gut, wenn wir das Gesetz heute verabschieden könnten. Nach den bisherigen Beratungen ist meine Hoffnung jedoch nicht sehr groß.
Worum geht es im Einzelnen? – Das Schulwegkostenfreiheitsgesetz soll in zweierlei Hinsicht geändert werden. Wir formulieren Artikel 3 Absatz 2 neu. Oftmals gibt es wirklich gute Gründe dafür, dass Eltern ihre Kinder nicht auf die nächstgelegene Schule schicken. In diesen Fällen bekommen die Eltern, abgesehen von einigen Ausnahmetatbeständen, die Schulwegkosten nicht erstattet. Wenn die Kinder aber auf die nächstgelegene Schule gehen, werden die Schulwegkosten erstattet. Das ist der Tatbestand. Wir wollen Artikel 3 Absatz 2 ändern, damit Eltern wenigstens die fiktiven Kosten zur nächstgelegenen Schule erhalten. Diese Forderung ist ohnehin moderat, da es nicht um die volle Erstattung geht. In einem ersten Schritt geht es um die fiktiven Kosten.
Herr Kollege Hofmann steht schon in den Startlöchern. Wahrscheinlich wird er eine Erstattung ablehnen. Das weiß ich wohl. Der Aufgabenträger – Kommunen, Landkreise und Gemeinden – muss nur den kostenfreien Schulweg garantieren. Er setzt Schulbusse ein oder bedient den ÖPNV. Ganz selten gibt es auch einmal Kostenerstattungen, wenn ein Kind beispielsweise in einem Einödhof wohnt. Die Eltern übernehmen in diesem Fall die Kosten und rechnen hinterher ab. In der Regel findet jedoch keine Kostenerstattung statt. Dass weiß ich sehr wohl. Stattdessen gibt der Staat dem Aufgabenträger einen Zuschuss. Wir wollen, dass der Kostenanteil, den die Gemeinde bezahlt, errechnet wird. Dieses Geld sollen die Eltern auf Antrag erstattet bekommen. Zwar wird dies nicht viel sein, aber immerhin ein kleiner Teil. Wenn man in unseren Gesetzentwurf hineinschaut, kann man das auch herauslesen. In unserem Gesetzentwurf steht, dass im Fall des Besuchs einer weiter entfernt gelegenen Schule der Aufgabenträger gegen Nachweis zumindest die Kosten bis zur Höhe der Kosten nach Satz 1 erstattet. Wir wollen also die Systematik der Kostenbereinigung nicht ändern. Es geht um diesen Sachverhalt. Er wurde in Petitionen sehr oft angemahnt. Jetzt ist es an der Zeit, dies zu ändern. Wenn Sie heute zustimmen, hätten wir dieses Thema vom Tisch.
Die zweite Änderung ist ein bisschen komplizierter. Viele wissen nicht, dass Eltern für ihre Kinder nach der 10. Klasse einen Familienzuschuss zu den Beförderungskosten zahlen müssen. Die Familienbelastungsgrenze – wieder ein technischer Begriff – beläuft sich derzeit auf 420 Euro. Diesen Betrag müssen die Eltern auf jeden Fall zahlen, wenn ihr Kind auf eine weiterführende Schule geht. Erst beim dritten und vierten Kind ist es kostenfrei. Wir sagen, die Eltern sollen diese 420 Euro, diesen sogenannten Familienbelastungsbeitrag, bekommen. Dann hätten sie 420 Euro mehr in der Tasche. Das wäre sinnvoll. Wir würden die Eltern entlasten. Wir wollen allerdings,
dass dies der Staat übernimmt. Wir hätten auch gewährleistet, dass für die Kinder oder in diesem Fall für die Jugendlichen Kostenfreiheit besteht.
Zusammengefasst: Bei dieser Systematik geht es darum, den Schulweg über die 10. Klasse hinaus kostenfrei zu gestalten. Im Übrigen darf ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die derzeitige Rechtslage den Kommunen enormen Verwaltungsaufwand auferlegt. Der in meinem Landkreis Zuständige hat gesagt: Mein Gott, das ist jedes Jahr. Das geht auf Antrag, dann muss man es nachrechnen und die 420 Euro abziehen. Wenn mehr Kinder da sind, muss man das wieder berücksichtigen. – Nach unserem Vorschlag wäre es so viel einfacher. Wir würden hier für die Kommunen sogar Kosten sparen. Dies wäre sogar ein Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit, weil wir es schaffen würden, die Bildung für alle freizustellen, auch was die Schulwegkosten anbetrifft.
Ich will nochmal ganz deutlich darauf hinweisen. Bei den Kosten ist es so: Bei Punkt eins, Kostenerstattung nicht nur bis zur nächstgelegenen Schule, kann man im Moment die Kosten tatsächlich schwer beziffern. Dazu liegen keine Daten vor. Aber ich denke, dass man das über das Finanzausgleichsgesetz auch für die Kommunen verträglich lösen kann. Bei Punkt zwei, Vorgehen nach der 10. Klasse, räume ich ein, dass das eine teure Angelegenheit wird. Wir haben es mal errechnet. Vermutlich wird das um die 120 Millionen Euro kosten. Das ist ein Batzen Geld. Das weiß ich auch. Aber die Frage ist, was einem Staat Kostenfreiheit im Bildungsbereich wert ist. Wir haben gesagt, wir wollen diese Kosten zugunsten der Eltern aufbringen. Deshalb wollen wir, dass der Staat, nicht die Kommune, diese 420 Euro Elternanteil übernimmt. Damit wären zumindest für die Kommunen keine Belastungen da.
Ich will noch etwas zum Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER sagen. Wir stimmen dem zu. Allerdings befasst sich der Antrag der FREIEN WÄHLER nur mit dem einen Teil, also mit der nächstgelegenen Schule. Den anderen Teil haben die FREIEN WÄHLER nicht übernommen. Aber wir würden dem zustimmen.
Auch dem Antrag der GRÜNEN stimmen wir zu, wenngleich das ein Antrag und kein Gesetzentwurf ist. Er beinhaltet im Inhalt im Prinzip unseren Gesetzentwurf im weitesten Sinne. Die anderen beiden Dinge, die in dem Antrag stehen, kann man mittragen. Sie sind für uns nicht von großer Bedeutung; aber wir würden das mittragen, sodass wir auch dem zustimmen würden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass Sie vielleicht doch noch der Zustimmung nähertreten werden.
Herr Kollege Hofmann, ich sehe es Ihnen nach, dass Sie mit der Verwaltungspraxis vielleicht nicht sehr viel zu tun und nicht so viel Ahnung haben. In der Regel ist es so, dass die Eltern die 420 Euro, von denen wir gerade gesprochen haben, nicht nur vorstrecken müssen, sondern sie müssen das ganze Jahr vorfinanzieren und können den Antrag erst bis zum 31. Oktober des nächsten Schuljahres stellen. Da kann es schon passieren, dass sich viele Eltern diesen Betrag nicht leisten können. Es ist also schon eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, die dahintersteckt. Ich bitte, das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Dass wir den Bereich Auszubildende nicht genommen haben, ist aus meiner Sicht deshalb logisch, weil wir hier ein Schulwegkostenfreiheitsgesetz und kein Ausbildungskostenfreiheitsgesetz verhandeln. Eine gewisse Systematik – das wissen Sie als Anwalt – muss man schließlich berücksichtigen. Gerne würden wir dem auch nähertreten, aber nicht in diesem Gesetzentwurf.
Zum Ersten, mit der nächstgelegenen Schule, schaue ich den Kollegen Herold an. Ich glaube, es war im
Jahr 2012, als er hier im Haus gesagt hat: Ich glaube auch, wir müssen diese Dinge jetzt endlich einmal zu einem Ergebnis führen. – Dem Kollegen Herold können Sie es jetzt auch noch einmal in Ruhe erklären. Er hat schon verstanden, dass es den Eltern helfen würde, dass es den Eltern weiß Gott dienlich wäre, wenn man wenigstens die fiktiven Kosten bis zur nächstgelegenen Schule erstatten würde. Vielleicht machen Sie das aber auch im gegenseitigen Einvernehmen: Der Herr Kollege Herold erklärt Ihnen, warum er es als wichtig empfindet. Im Jahr 2012, in etwa, war das hier in diesem Hause.
Und noch eine Sache: Schauen Sie sich den Gesetzestext einmal an. Ich habe in der Diskussion eingeräumt, dass man es vielleicht etwas anders hätte formulieren können. Wie man da herauslesen kann, dass die Systematik der Fahrtkostenerstattung geändert wird, das ist schon weit hergeholt. Möglicherweise ist das juristisch so herauszulesen, aber es ist in diesem Text doch ganz eindeutig: Wir wollen, dass die Eltern nicht Kilometergeld bekommen, sondern wir wollen, dass sie wenigstens das bekommen, was die Kommune, der Aufgabenträger sowieso zahlt. Machen Sie bitte nichts anderes daraus, was überhaupt nicht beabsichtigt ist. Das wissen Sie doch ganz genau.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche jetzt ein mal als Oberbayer für die Unterfranken.
Ich fahre auch gerne nach Unterfranken. Unterfranken ist eine Lieblingsregion von mir. Das Thema muss schon genauer und ohne Schaum angeschaut wer den. Im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Diens tes haben wir versucht klarzumachen, welche Situa tion es in Unterfranken gibt. Dort ist die Lehrerversorgung hinsichtlich der Schulentwicklungs möglichkeiten und der Personalentwicklung grenzwer tig. Wir müssen befürchten, dort mittelfristig keine Schulleitungsposten mehr besetzen zu können, weil
die Fluktuation sehr hoch ist. Es hat niemand behaup tet, dass die Schüler dort keine Lehrerversorgung haben. Die ist auf dem Papier gewährleistet. Am Bayerischen Untermain gab es über viele Jahre zu wenige Planstellen, die mit den Lehrkräften des Un termains hätten besetzt werden können. Dies führt zwangsweise dazu, dass wir die sehr gut ausgebilde ten Lehrkräfte aus dem System verlieren, weil sie nach Hessen gehen. Derzeit haben wir gerade an den Grundschulen einen extremen Lehrermangel. Wir leis ten es uns sogar, einige hundert Lehrer aus dem Sys tem zu verlieren, weil sie nicht nach Oberbayern wol len und stattdessen über den Main nach Hessen gehen. Dort verläuft ja die Grenze zu Hessen. Das ist erst einmal der Sachverhalt. Ich habe im Ausschuss auch gesagt, dass Oberbayern natürlich versorgt wer den muss. Das ist doch überhaupt keine Frage. Die Frage ist doch: Wie versorgen wir Oberbayern?
Hierzu ist mir kein Landtagsbeschluss bekannt.
Vielleicht lohnt es sich, einfach mal zuzuhören? – Man muss ja nicht derselben Meinung sein. Vielleicht ist das Thema aber so wichtig, dass man es sich zumin dest einmal anhören kann. In Oberbayern besteht ein hoher Bedarf an Lehrkräften. Den Lehrerausgleich muss man durchführen. Da bin ich voll bei Ihnen. An ders geht es ja auch nicht. Aber es gibt keinen Land tagsbeschluss dazu, wie das Prozedere stattfinden soll.
Es gibt einen Landtagsbeschluss, wonach soziale Kri terien Anwendung finden müssen. Ich habe im Aus schuss auch gesagt, dass es seine Berechtigung hat, den Bayerischen Untermain als "Sondergebiet" zu be trachten, damit die dortige Fluktuationsbewegung durchbrochen werden kann. Das machen wir übrigens in Oberbayern auch. Von Oberbayern wird auch kein Lediger nach Unterfranken geschickt. Dort lassen wir die Ledigen in ihrer Heimat.
Natürlich ist das logisch! Aber da kommt doch kei ner auf die Idee ––
Nein, es hat wirklich keinen Sinn! Es kommt doch keiner auf die Idee, dort die Landtagskriterien der so
zialen Berücksichtigung anzuwenden. Dort wird klar akzeptiert, dass jeder oberbayerische Lehrer in seiner Heimat bleiben kann.
Jetzt kommt ein Lösungsvorschlag.
Die Petition will letztlich nichts anderes erreichen. Die Petition fordert nicht, dass wir den Untermain "sonder behandeln" sollen.
Sonderbehandlung ist in dem Sinn gemeint, dass wir die Fluktuation durchbrechen müssen.
Ich glaube, dass es zu einer Lösung führen würde, wenn man das Rotationsprinzip überdenken würde. Das habe ich bereits im Ausschuss gesagt. Leider gibt es bei der Lehrerzuweisung in Bayern keine Sys tematik. Man sieht den Bedarf und schickt die Lehrer einfach in die Regionen. Man fängt bei den ledigen Lehrkräften an, und wenn deren Anzahl nicht reicht, dann werden auch noch verheiratete Lehrkräfte hin geschickt, Hauptsache, der Bedarf ist gedeckt.
Zum Nachdenken: Was wäre denn, wenn wir uns da rauf einigen könnten, dass Lehrkräfte – ich meine ganz bewusst auch die Verheirateten und eventuell auch die mit Kind – beispielsweise zwei Turnusse lang in Bayern rotieren müssen. Danach kommen sie sicher zurück in ihre Heimat, und nicht erst nach zwölf Jahren. Ich habe das Modell nicht durchgerechnet, weil ich die Mittel dafür nicht habe. Ich möchte ledig lich, dass man diesen Vorschlag prüft. Der Effekt wäre, dass wir die Lehrkräfte mittelfristig wieder in ihre Heimatregionen zurückschicken könnten. Diese brauchen wir gerade in den Schulen, um eine ver nünftige Schulentwicklung und Werteerziehung betrei ben zu können. Aus eigener Erfahrung an meiner ehemaligen Schule in Oberbayern weiß ich, wie schwierig es ist, wenn ich mit Lehrkräften arbeiten muss, die auf Abruf sind.
Diese Lehrkräfte warten nur darauf, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Mit diesen Lehrkräften kann man keine Schulentwicklung und auch keine Projekte machen. Diese Lehrkräfte sind immer auf dem Sprung. Es kann doch nicht sein, dass uns in Bayern
für die nächsten fünf bis zehn Jahre nichts anderes einfällt als das vorhandene System, zumal wir mo mentan eine Unterversorgung mit Lehrkräften haben, bei der wir es uns nicht leisten können, auch nur eine Lehrkraft aus dem System zu verlieren. Ich möchte keine Lehrkraft nach Hessen abgeben, sondern ich möchte jede Lehrkraft bei uns halten. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Leute bei uns halten können, wenn wir ihnen eine Perspektive in Bayern anbieten.
Nichts anderes soll über diese Petition geschehen. Das haben Sie abgelehnt. Eine ernsthafte Diskussion wird leider nicht geführt.
Ich bedauere das sehr. Klar ist, dass wir, die SPD, der Petition zustimmen werden. Das hat auch schon meine Kollegin Frau Fehlner gesagt. Wir wollen das Problem von Grund auf lösen, und es ist lösbar.
– Ich habe doch gerade einen Vorschlag gemacht! Lasst uns das doch einmal durch sprechen.
Lieber Herr Kollege Ländner, ver bieten möchte ich niemandem etwas. Ich suche nach einer Lösung für das Versorgungsproblem, das in den nächsten zehn Jahren noch gravierender werden wird. Herr Kollege Ländner, wenn Sie aus der Region Würzburg nach Miltenberg versetzt werden, würden Sie wahrscheinlich, wenn Ihr Haus in Würzburg steht, auch zurück wollen. Da spielt es keine Rolle, dass beide Orte in Unterfranken liegen. Die Heimat ist dort, wo man aufwächst. Sind wir uns da einig? – Das ist doch klar.
Für die jungen Lehrkräfte und für die jungen Polizisten gilt gleichermaßen, dass sie am effektivsten in ihrer Heimat wirken, weil sie dort verwurzelt sind und sich dort auskennen. Dort können sie den Kindern etwas mitgeben. Das muss doch unser gemeinsames Ziel
sein. Ich frage Sie, was ist gescheiter: Sollen wir eine Kohorte von jungen Lehrern zwölf Jahre lang oder noch länger in die Diaspora nach Oberbayern schi cken? Diese Leute hätten dann keine Chance zurück zukommen, ein Haus zu bauen oder eine Familie zu gründen. Oder diese Leute müssen eine Familie grün den und Kinder kriegen, damit sie zurückkommen können. Ist es da nicht besser, ein kalkulierbares, überschaubares und klar definiertes Rotationsprinzip einzuführen? Dieses Thema ist noch nicht einmal durchgedacht, aber Sie sagen bereits das "Aber", bevor das "Wenn" zu Ende gedacht worden ist.
Wir könnten mit diesem Modell jedem in die Karten spielen. Das müssen wir auch tun, da wir jetzt eine Situation haben, die nicht mehr mit der Situation vor zehn bis fünfzehn Jahren vergleichbar ist. Als ich Junglehrer war, sind die Oberbayern nach Franken geschickt worden. Damals hat die Rotation noch funk tioniert. Jetzt funktioniert sie nicht mehr. Deshalb brauchen wir ein neues Verfahren. Das sehen wir am Beispiel Untermain sehr deutlich, da wir die Leute an die Länder Hessen, RheinlandPfalz und BadenWürt temberg verlieren. Diese Leute sind weg, wenn sie in Mainhausen eine Lehrerstelle mit Verbeamtung be kommen. Das möchte ich nicht; denn wir brauchen jeden Grundschullehrer.
Lassen Sie uns doch darüber nachdenken, wie wir dieses Problem lösen können. Sie sagen schon vor her, dass unser Vorschlag nicht funktioniere. Ich sage: Sie wollen das Problem nicht lösen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist heute ein guter Tag für Bayerns Schülerinnen und Schüler, Eltern und auch Lehrkräfte, weil mit diesem Gesetzentwurf die Rückkehr zum G 9, die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in das Hohe Haus eingebracht wird. Wenn man so will, ist das eine uralte Forderung der letzten Jahre, auch der SPD-Fraktion.
Die Frage wird sein, ob diese neun Jahre im künftigen Gymnasium auch eine gute Zeit werden. In dem Gesetzentwurf steht wie in unseren Gesetzentwürfen von 2014 und 2017 nur ein wesentlicher Satz, nämlich dass der Artikel 9 geändert wird, die Laufzeit von 12 auf 13 Jahre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon interessant, heute in dem Gesetzentwurf genau die Argumente zu lesen, die wir hier in den letzten zwei, drei Jahren für eine Verlängerung auf neun Jahre vorgebetet und dafür in der Regel nur Hohn und Spott und die Feststellung geerntet haben, man brauche eigentlich keine Änderung des Gymnasiums, das G 8 sei erfolgreich. Wenn man genau hinschaut, zumindest auf das, was man im Problemaufriss lesen kann, findet man nach wie vor die Widersprüche, die Sie, liebe CSU-Fraktion, offensichtlich immer noch mit sich herumtragen. Einerseits beschreiben Sie im ersten Absatz, wie erfolgreich und gut das G 8 doch gewesen sei. Ich frage mich, warum Sie es dann ändern.
Genau, Herr Kollege Prof. Waschler!
Im zweiten Absatz schreiben Sie andererseits genau die Dinge nieder, die für ein G 9 sprechen, die auch wir vorgetragen haben: die gestiegene Heterogenität, mehr Zeit für Persönlichkeitsentwicklung als Voraussetzung für umfassende Aufgaben- und Problemlösekompetenz, die neuen Lerninhalte wie Digitalisierung, die gestiegene Bedeutung der Naturwissenschaften und der fremdsprachlichen Kompetenz im Berufsleben, den Wunsch nach zeitlicher Entlastung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das haben auch wir die letzten zwei, drei Jahre immer gesagt. Jetzt tun Sie so, als ob das Ihre Gedanken wären. Nein, die Gedanken waren schon vorher bei uns richtig und sind es jetzt auch bei Ihnen. Genau das sind die Anforderungen, die das G 8 eben nicht hat erfüllen können. Deshalb sind wir ganz bei Ihnen, wenn man heute den ersten und entscheidenden Schritt macht, um das G 9 in Bayern wieder einzuführen.
Allerdings bleibt heute die inhaltliche Ausgestaltung, also der Innenbau dieses Gymnasiums, immer noch relativ vage. Ob Sie das mit oder ohne viel Empathie vortragen, Herr Kultusminister, ist Ihr Problem. Außer Überschriften haben wir heute eigentlich nichts gehört. Es gibt noch immer keine klaren Ansagen, wie sich dieses Gymnasium verändert, um die neuen Inhalte wie Digitalisierung oder mehr politische Bildung, mehr naturwissenschaftliche Orientierung oder mehr Empathie für diese Themen, mehr fremdsprachliche Kompetenz – das alles sind Ihre Worte – tatsächlich einzuführen.
Frau Kollegin Heckner, wir wissen, dass Sie nach wie vor in der 6. Klasse mit der zweiten Fremdsprache beginnen wollen. Hierzu findet offensichtlich keine Diskussion statt; das wäre aber diskussionswürdig. Wir wissen auch, dass wir nach der 10. Klasse die Mittlere
Reife bekommen – eine Selbstverständlichkeit bei neun Jahren. Wir wissen auch, dass die Oberstufe im Wesentlichen offensichtlich nicht geändert wird; gleichzeitig messen Sie der Oberstufe hohe Bedeutung bei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will damit andeuten, dass die Kuh sozusagen noch lange nicht vom Eis ist, wenn es darum geht, eine zufriedenstellende neue Form eines neunjährigen Gymnasiums zu bekommen. Der sogenannte Schulfriede, den sich alle für das Gymnasium wünschen, ist noch immer in Gefahr, wenn wir all die Dinge, die jetzt zu klären sind, nicht in aller Ruhe klären. Welcher Ort ist denn besser dafür geeignet als das Hohe Haus? Sie sollten das nicht in kleinen, geheimen Zirkeln mit Verbänden oder wem auch immer tun. Hier muss eine Klärung stattfinden. Ich bin gespannt, ob Ihre Fraktion dem Ausschuss für Bildung und Kultus nach der Sommerpause eine umfassende Anhörung anbieten wird, in der wir all die Wünsche erörtern, die jetzt an uns herangetragen werden, wie das Gymnasium ausschauen soll und was es berücksichtigen soll. Vermutlich wird es andersherum sein: Wir werden wieder vor vollendete Tatsachen gestellt und haben wie immer zu schlucken, was Sie ausklamüsern. Ich glaube, das kann nicht Ziel und Zweck dieser grundlegenden Neuaufstellung des neunjährigen Gymnasiums sein.
Ich hoffe, dass das Hohe Haus in die inhaltliche Ausgestaltung noch intensiver und besser einbezogen wird. Ich hoffe das nicht nur, sondern ich erwarte von Ihnen, dass Sie das hier in entsprechendem Maße umsetzen werden. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Herr Staatsminister, ich habe eine kurze Nachfrage. Sie sagen, dass die bayerische Handschrift erkennbar sei. Waren Sie also dabei? Haben Sie den Rechtsanspruch also mitformuliert? Sagen Sie uns doch bitte, was in Ihren Augen ein Rechtsanspruch ist und wofür dieser gelten soll. Wir brauchen diesen offensichtlich nicht, da die Vielfalt gegeben ist. Was ist in Ihren Augen ein Rechtsanspruch, und für was brauchen wir diesen?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann die Minuten gar nicht mehr zählen, die wir hier zu dem Thema verbracht haben: Wie geht es weiter mit dem bayerischen Gymnasium? Ich erinnere daran: Es ist mindestens fünf Jahre her, dass die SPD diese Forderung erhoben hat. 2014 hatten wir auch einen ersten Gesetzentwurf eingebracht. Jetzt sind wir wieder so weit, dass wir das tun müssen und tun könnten, was in dieser Sache getan werden muss: die Veränderung von G 8 hin zu G 9 ins Gesetz zu schreiben. Das ist die Aufgabe des Hohen Hauses. Das ist die Aufgabe des Parlaments. Wir haben dem Kultusminister Spaenle immer gesagt, dass wir hier eine Lösung und eine gesetzliche Änderung brauchen; denn es wird mit G 8 und einigen zusätzlichen Lernzeitmodellen nach dem Motto, G 8 und G 9 seien gleichermaßen überholt, nicht funktionieren. Überholt ist die Aussage von Kultusminister Spaenle, dass das hier nicht geregelt werden müsse. Tatsächlich müssen wir das aber im Gesetz festschreiben. Künftig wird in Artikel 9 stehen: Das bayerische Gymnasium dauert wieder von der 5. bis zur 13. Jahrgangsstufe. Das ist ein Verdienst unserer hartnäckigen Arbeit hier in diesem Hohen Hause.
Ich gehe, wie der Kollege Gehring, natürlich auch nicht davon aus, dass unseren beiden Gesetzentwürfen heute zugestimmt werden wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich glaube allerdings, dass Ihr Gesetzentwurf, den Sie vermutlich noch im Juli einreichen werden, dann nicht sehr viel anders aussehen wird. Denn was ist zu regeln? – Es ist der Artikel 9 Absatz 2, in dem die Zahlen stehen. Außerdem ist möglicherweise die Struktur des Gymnasiums bezüglich Unter-, Mittel- und Oberstufe zu regeln. Wie aus unserem zweiten Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung steht, hervorgeht, ist zu regeln, dass es in der Qualifikationsstufe wieder so etwas wie Leistungskurse geben soll. Wir haben hier den Begriff der Kultusministerkonferenz von den "zwei Fächern mit erhöhtem Anforderungsniveau" verwendet. Wir haben für die 11. Klasse ein Projektseminar, ein sogenanntes P-Seminar, vorgeschlagen. Außerdem haben wir vorgeschlagen, die Ausbildungsabschnitte wieder sauber zu trennen. Auch das findet man bei Ihnen. Deshalb wäre es umso erstaunlicher, wenn Sie unserem Ge
setzentwurf nicht zustimmten. Schließlich haben auch Sie angekündigt, das regeln zu wollen.
Ich zitiere aus einem intern herumgeschickten Papier der Staatsregierung: Im Zuge einer etwaigen G-9-Einführung bietet es sich an, die Qualifikationsphase weiterzuentwickeln und unter anderem eine stärkere Profilierung unter Wahrung der Qualität der allgemeinen Hochschulreife zu ermöglichen. Die W-Seminare könnten nun zum Beispiel so mit dem grundständigen Fach verbunden werden, dass ein Vertiefungsfach nach Art der früheren Leistungskurse entsteht.
Herzlichen Glückwunsch, dass Sie das auch schon erkannt haben! Das steht bereits seit geraumer Zeit, seit Januar, in unserem Gesetzentwurf. Aber gute Dinge darf und kann man auch übernehmen. Das ist ganz legitim.
Es bleibt also festzuhalten, dass wir die Dinge, die jetzt zu regeln sind, bereits regeln. Hierin unterscheiden sich die Gesetzentwürfe der GRÜNEN und der SPD kaum voneinander. Zwar regelt unser Gesetzentwurf die Oberstufe etwas genauer, während der Gesetzentwurf der GRÜNEN hier offener bleibt; trotzdem werden wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN natürlich zustimmen.
Das ist jene Komponente der Gesetzesanpassung, die erst einmal hier im Hohen Hause beschlossen werden muss. Wenn es um die Ausrichtung des neuen Gymnasiums geht, ist das aber natürlich noch nicht alles. Hier muss an den Inhalten gearbeitet werden. Das ist aber klassischerweise nicht Aufgabe des Parlaments, das die Gesetze macht, sondern Aufgabe des ISB und der Staatsregierung. Ich glaube dennoch, dass wir hier darüber reden müssen. Im Moment haben wir nicht viel mehr als den Rohbau. Wie das künftige Gymnasium aussehen wird, wissen wir noch nicht genau. Ich denke aber, dass man darüber heute einige Worte verlieren muss.
Ich glaube, dass auch hier die GRÜNEN, die FREIEN WÄHLER und die SPD genügend Vorschläge gemacht haben, wie wir uns ein modernes und zukunftsweisendes Gymnasium vorstellen. Als SPD haben wir ganz deutlich gesagt: Wir wollen für dieses Gymnasium eine Gesamtkonzeption. Wir wollen uns alle Stufen, von der Unterstufe bis zur Oberstufe, noch einmal genau anschauen. Wir wollen uns auch die Inhalte, die Fächer und die Methoden anschauen. Schließlich hat jede dieser Stufen für die Entwicklung junger Menschen eine je eigene, besondere Bedeutung. Wir müssen uns also anschauen, ob das, was wir in der gymnasialen Unterstufe derzeit anbieten, zur Entwicklungsstufe der Kinder passt.
Als Beispiel möchte ich die Frage anführen, ob es wirklich richtig ist, den Unterricht in der zweiten Fremdsprache bereits in der sechsten Jahrgangsstufe beginnen zu lassen. Es spricht einiges dafür, in dieser Phase des Ankommens etwas langsamer voranzugehen. Der Beginn des Unterrichts in der zweiten Fremdsprache sollte vielleicht doch wieder in die siebte Jahrgangsstufe gelegt werden. Das sind Punkte, die ich nicht entscheiden möchte. Darüber sollen Fachleute entscheiden. Aber wir müssen darüber sprechen.
Wir Bildungspolitiker erhalten fast täglich Briefe über noch vorhandene Begehrlichkeiten. Ich erinnere mich an einen Brief eines Schulleiters, der ein Fach "Praktische Ernährungskunde" für die Unterstufe anregen wollte. Die Kinder könnten sich nun mit diesen Themen auseinandersetzen. Das ist und kann durchaus eine Aufgabe des Gymnasiums sein. Darüber kann und muss nachgedacht werden.
Ein Kardinalfehler des G 8 war es, Stoffgebiete und Themen in die Mittelstufe zu legen, die dort nicht richtig verortet gewesen sind. Ein Stichwort ist hier die Pubertät. Wir sollten darauf achten, welche Themen in dieser doch etwas schwierigen Altersstufe tatsächlich behandelt werden können und müssen. Unsere Prämisse sollte sein, den mittleren Schulabschluss als Standard zu erreichen. Das ist die Zielsetzung. Wir brauchen eine Grundlage für die Oberstufe. Es kann sicherlich noch einmal überdacht werden, welche Themen in dieser Stufe sinnvollerweise behandelt werden können.
Ein Herzstück, ich finde sogar, das Herzstück des Gymnasiums, muss die Oberstufe sein. Das Gymnasium ist nämlich die Schulart, die zum Abitur führt und damit zur Hochschulreife. Die Oberstufe ist die Vorbereitung auf das Studium. Ich möchte an dieser Stelle den scheidenden Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes zitieren. Ich mache das ja äußerst selten. Dieser hat vor ein paar Tagen in einem Interview mit einer Zeitung Folgendes gesagt: Ich halte es für falsch, dass man ausgerechnet die 11. Klasse für die schnelleren Gymnasiasten zum Überspringen anbietet. Damit wird diese 11. Klasse für die anderen eine Erholungsklasse, und wir haben wieder keine dreijährige Oberstufe aus einem Guss; und das in einer Phase, in der die propädeutische Arbeit, also die auf wissenschaftliches Arbeiten vorbereitende Phase, beginnen soll.
Ich unterstreiche diese Aussage. Josef Kraus hat in diesem Fall recht. Wir müssen darüber wirklich noch einmal reden. Natürlich kann man auch in der 11. Klasse eine Verkürzung machen. Ich denke, wir müssen noch einmal genau hinschauen, wo die Ver
kürzung des Gymnasiums tatsächlich stattfinden kann. Es kann nicht sein, dass die neuen Inhalte in die 11. Klasse kommen und diejenigen, die das Gymnasium verkürzen, davon nichts haben. Das ist der falsche Ansatz. Deshalb lassen Sie uns auch die elfte Jahrgangsstufe als Bestandteil der Oberstufe insgesamt betrachten. Lassen Sie uns darauf genauer schauen.
Wir sind uns in diesem Hause einig darüber, dass es keinen Sinn macht, das Leistungsniveau am Gymnasium zu senken. Das will niemand. Die SPD will das auch nicht. Wir wollen, dass die Qualität des Gymnasiums in jedem Fall erhalten bleibt. Das muss ein Markenzeichen dieser Schulart sein. Es geht nicht darum, das Gymnasium durch die Verlängerung der Schulzeit leichter zu machen. Aber das Gymnasium muss für die jungen Menschen, die es besuchen, passgenau gestaltet werden.
Ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass wir uns an dieser Stelle Gedanken machen müssen, was mit den großen Herausforderungen durch die verschiedenen Themen passieren soll. Jeder redet von politischer Bildung. Diese ist unbestritten notwendig. Jeder redet von digitaler Bildung. Diese ist unbestritten notwendig. Jeder redet von Medienkompetenz. Diese ist unbestritten notwendig. Aber wo ist der richtige Ort dafür? Wo setzt man diese Themen wie ein? Mit welcher Methode an welcher Stelle und mit welchem Zeitaufwand werden die Themen behandelt? Hier reicht nicht nur die Forderung nach einer zusätzlichen Stunde Sozialkunde. Wir müssen uns genau überlegen, wie wir die Stundentafel stricken, damit wir diese Ansprüche zur richtigen Zeit erfüllen. Politische Bildung kann man in der fünften Jahrgangsstufe und muss man in der fünften Jahrgangsstufe beginnen. Die digitale Bildung muss man in der fünften Jahrgangsstufe beginnen und kann man nicht in die elfte Jahrgangsstufe verschieben. Es muss überlegt werden, wie diese Themen im Gymnasium untergebracht werden können. Es lohnt sich durchaus, die vielen Anregungen der Verbände, der Lehrkräfte, der Eltern und auch der Schüler genauer anzuschauen und jetzt die Diskussion zu führen, welche Inhalte das Gymnasium in welcher Jahrgangsstufe haben soll. Wir brauchen einen Konsens, damit das, was zum Schluss rauskommt, eine tragfähige Basis ist.
Zum Schluss möchte ich noch einige Schlagwörter anführen. Der Kollege Gehring hat dies bereits angesprochen: Es ist darauf zu achten, dass die Finanzierung vernünftig geregelt wird. Hierzu höre ich schon wieder aus Ihren Kreisen, dass sich die Kommunen "bereichern" und Geld "abzocken" wollten. Nein! Das Konsultationsverfahren soll fair und offen gestaltet werden. Das Konnexitätsprinzip soll umgesetzt wer
den. Es geht auch darum, die Lehrkräfte zur richtigen Zeit vorzuhalten. Das wird eine teure Geschichte werden. Wir müssen aber natürlich jetzt schon beginnen, die Lehrkräfte einzustellen, damit wir dann die besten für diese Aufgabe haben.
Zum Schluss möchte ich noch Folgendes sagen: Wir müssen über ganz spezielle Themengebiete nachdenken. Das Thema Inklusion wird auch für das Gymnasium eine große Rolle spielen. Die Frage wird sein, wie wir künftig mit der Inklusion am Gymnasium umgehen. Dieses Thema war bereits gestern in der Forsa-Umfrage wichtig. Dazu gibt es noch keine vernünftige Antwort.
Ich möchte auch das Thema Ganztag nicht aussparen. Sie werden sehen, dass die neun Jahre am Gymnasium mit weniger Nachmittagsunterricht zu einer anderen Nachfrage und Notwendigkeit von Ganztagsangeboten führen werden. Es muss darüber nachgedacht werden, wie sich das Gymnasium hier gut aufstellen kann.
Lassen Sie mich zum Schluss noch die Hoffnung äußern, dass Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen. Es könnte ja sein, dass Sie doch noch zu dieser Erkenntnis kommen. Uns würde es freuen. Notwendig ist der Gesetzentwurf allemal. Ohne diese Gesetzesänderung wird es auf keinen Fall ein G 9 in Bayern geben können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Woche, am 2. Mai, ist es wieder so weit: Die Grundschülerinnen und Grundschüler in Bayern bekommen ihre Über trittszeugnisse. Wenn jemand an diesem Tag aus einem anderen europäischen Land auf Bayern schaut, fragt er: Was macht ihr da eigentlich? Ihr sor tiert Kinder mit neun, zehn Jahren in verschiedene Schularten. Warum lasst ihr die denn eigentlich nicht zusammen? – Ja, Bayern hat ein Schulsystem, das vorgibt, die Kinder nach der gemeinsamen Grund schule begabungsgerecht auf verschiedene Schular ten aufzuteilen. Gut, könnte man sagen; wenn das so ist, dann braucht man dafür ein Verfahren. Das ist lo gisch; denn nach irgendeinem Grundsatz muss es gehen. Wie passiert das in Bayern? – Wir haben uns hier in Bayern offensichtlich dafür entschieden, dass die Kinder mit einem Notendurchschnitt aus den Fä chern Deutsch, Mathematik und HSU in die verschie denen Schularten sortiert werden können. Man nennt das von der Fachlichkeit her eine verbindliche Grund schulempfehlung. Das ist der bayerische Weg.
Gut, könnte man sagen; diesen Weg kann man gehen, wenn man die Frage positiv beantworten kann, ob dieses Verfahren auch zuverlässig ist. Die Antwort auf diese Frage ist leider: Nein. Wir wissen, dass jede zweite Entscheidung im Rahmen dieses Übertrittsverfahrens falsch ist. Wer in die Realschulen oder in die Mittelschulen schaut, weiß, dass sich die Klassen mit steigenden Jahrgangsstufen füllen. Nahe zu jede bayerische Realschule hat eine eigene Gym nasialklasse in der siebten Jahrgangsstufe; jede Mit telschule wächst interessanterweise in der neunten und zehnten Jahrgangsstufe deutlich an. Woher kom men diese Schülerinnen und Schüler? – Sie kommen wegen der getroffenen Fehlentscheidungen.
Eine zweite Frage könnte man stellen: Ist dieses Ver fahren objektiv? – Auch hier ist leider die Antwort ein klares Nein. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen wissen wir, dass die Noten einen schlechten Progno sewert haben. Sie sind definitiv nicht objektiv. Eine Note 2 in der Klasse a ist vielleicht eine Note 3 in der Klasse b. Klassen sind verschieden zusammenge setzt. Die Noten richten sich nach dieser Zusammen setzung.
Wir können weiter fragen: Ist dieses Verfahren denn kindgerecht? – Da könnte man vielleicht antworten: Ja, möglicherweise kann man es so machen. Aber
auch hier ist die Antwort: Nein. Studien der Universität Würzburg, die noch gar nicht alt sind, zeigen bei einem Vergleich zwischen Hessen und Bayern, dass jede zweite Schülerin, jeder zweite Schüler in der zweiten, dritten Klasse erhöhte Stresswerte hat. Das verbindliche Übertrittsverfahren über die Noten belas tet die Kinder also sehr, insbesondere in der vierten Klasse. Der Grund dafür ist einfach: Wir regeln das Erreichen des Notendurchschnitts über 22 Proben. Das heißt: In nahezu jeder zweiten oder dritten Woche findet eine Probe statt. Damit sind nicht nur die Schüler belastet, sondern auch die Eltern und Lehrer. Diese verbringen viel Zeit mit Korrekturarbei ten und Nachbesprechungen, aber nicht mit dem ei gentlichen Unterrichten.