Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 27. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Mit Entsetzen haben wir die Nachricht vom Attentat im Parlamentsviertel im kanadischen Ottawa erhalten. Das hat uns besonders bewegt, weil das Präsidium des Bayerischen Landtags im Herbst 2011 das Parlament von Ottawa besucht hat. Wir verurteilen diese Tat aufs Schärfste und trauern mit den kanadischen Bürgerinnen und Bürgern. Auch wenn die Hintergründe noch nicht geklärt sind, haben wir großen Respekt vor der Entscheidung der kanadischen Regierung, weiterhin für die Werte von Freiheit, Frieden und Offenheit einzutreten und sich nicht einschüchtern zu lassen. Der Bayerische Landtag gedenkt der Opfer und ihrer Angehörigen. – Vielen Dank.
Lassen Sie mich noch einige Glückwünsche aussprechen. Am 21. Oktober feierte Herr Kollege Klaus Holetschek einen runden Geburtstag. Gestern konnte Herr Kollege Professor Dr. Michael Piazolo einen halbrunden Geburtstag feiern. Im Namen des gesamten Hauses und persönlich wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.
Gratulieren möchte ich auch Herrn Kollegen Bernhard Pohl, der am 15. Oktober 2014 zum stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion der FREIEN WÄHLER im Bayerischen Landtag gewählt worden ist. Im Namen des Hohen Hauses wünsche ich ihm alles Gute und viel Erfolg für sein verantwortungsvolles Amt. Bitte geben Sie die Wünsche an ihn weiter, wenn er hier ist.
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Endlich Schluss mit dem Ankündigungs-Wirrwarr zum bayerischen Gymnasium - echte Wahlfreiheit für G 8 und G 9!"
Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt. In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen. Unser erster Redner heute Morgen ist Kollege Felbinger. Bitte schön, Herr Kollege Felbinger.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will unsere Aktuelle Stunde zum Verwirrspiel um das bayerische Gymnasium mit drei Zitaten aus Tageszeitungen beginnen. "CSU bewegt sich in Richtung G 9", titelte die "Süddeutsche Zeitung" am 22. September. "Gymnasialreform in Bayern: CSU korrigiert den Abi-Quickie", so der "Spiegel" am 24. September. "G 9 kommt wieder – CSU beschließt einstimmig G8-Reform", so der "Münchner Merkur" am gleichen Tag. Zwei Tage später sprach sogar CSU-Fraktionschef Kreuzer, der heute noch nicht einmal hier ist, von einer epochalen Gymnasialreform. Zu dieser Zeit hatten wir alle, die sich seit Wochen, Monaten oder sogar Jahren um die Korrektur des überstürzt eingeführten G 8 und des Flexijahr-Murkses bemühen, wirklich die Hoffnung, dass wir eine vernünftige Lösung für das bayerische Gymnasialdilemma bekommen.
Die Informationen, die uns damals von der CSU-Klausurtagung zugingen, reichten von der von uns, den FREIEN WÄHLERN, kopierten Wahlfreiheit G 8/G 9 bis zur flexiblen Mittelstufe oder einer Mittelstufe Plus. Konkrete, nachvollziehbare Aussagen von Kultusminister Spaenle zur Ausgestaltung fehlten komplett. Der zumindest vorsichtigen Euphorie, dass Bayerns Gymnasiasten über eine Wahlfreiheit zukünftig das G 9 wieder ermöglicht wird, machte nicht etwa der Kultusminister den Garaus, sondern hinter seinem Rücken – das muss man so sagen – der Abteilungsleiter für Gymnasien im Kultusministerium.
Kurzerhand kommentierte er mit einem KMS eigenständig und – man bedenke! – ohne Absegnung des Ministers seine Auslegung des Fraktionsbeschlusses der CSU-Fraktion und verschickte dieses KMS an alle Schulleiter in Bayern. Ich zitiere aus besagtem KMS auf Seite 5: Mit der Orientierung an einem pädagogischen Bedarf nach zusätzlicher Lernzeit kann nicht gleichzeitig eine Wahlfreiheit einhergehen. - Meine Damen und Herren, er schuf damit Fakten für eine Zweiklassengesellschaft an Bayerns Gymnasien und eine erschreckende und nicht hinnehmbare Diskriminierung in gute und schlechte Gymnasiasten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was in diesem anscheinend führungslosen Ministerium am Salvatorplatz unter diesem kraft- und ideenlosen Minister abgeht, ist ein Skandal.
Nicht ohne Grund heißt es in einem Sprichwort: Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Im Kultusministerium aber spielen die noch dem Hohlmeierschen und Stoiberschen Gedankengut verpflichteten Ministerialspitzenbeamten mit dem Minister und der CSU Kasperltheater.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Karl Freller (CSU): Euer Volksbegehren ist gescheitert! Ihr seid wohl wahnsinnig!)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist erbärmlich, was nach einem groß angekündigten, monatelangen Dialogprozess mit allen Beteiligten, Organisationen und Verbänden aus dem Bildungswesen bei dieser sogenannten Gymnasialreform unter dem Strich herauskam. Nichts anderes als ein aufgeblasenes Flexijahr oder ein Sitzenbleiben im Klassenverband ist herausgekommen. Das ist ein Trauerspiel. Völlig zu Recht stellt die "FAZ" fest, dass Bayerns neue G-8-Pläne keine Reform seien. - Fakt ist, dass wir momentan einen vielstimmigen Chor erleben. Wir FREIE WÄHLER finden es sehr bemerkenswert, dass Sie von der CSU-Fraktion sich so von Ihrem Minister und der Ministerialbürokratie an der Nase herumführen lassen. Sie verhalten sich wie herumirrende Schafe, die verzweifelt nach ihrem Oberhirten Ausschau halten, der ihnen die Richtung vorgibt.
Ich kann es gut verstehen; denn Ihr "Mittelstufe Plus"Konzept hat viele Schwachpunkte. Für uns FREIE WÄHLER ist klar, dass Persönlichkeit und Lernverhal
ten jedes Schülers und jeder Schülerin unterschiedlich sind und folglich unterschiedliche Lernzeiten am Gymnasium benötigen. Sie müssen frei entscheiden können, ob sie das eine oder das andere wählen. An den bayerischen Gymnasien gibt es eine hohe Verunsicherung darüber, ob künftig nur noch die schlechten Schüler das G 9 wählen können. Ich sage klar und unmissverständlich: Die individuelle und auf pädagogischem Bedarf basierende Wahlfreiheit würde durch eine solche Regelung ad absurdum geführt und ist aus unserer Sicht aus pädagogischen Gründen absolut abzulehnen. Wir brauchen eine echte Wahlfreiheit, die im Übrigen auch Ministerpräsident Seehofer möchte. Er hat das am 21. September in der "Süddeutschen Zeitung" kundgetan. Wir wollen von Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, wissen, wie Sie die neunjährige Gymnasialzeit im bayerischen Erziehungsund Unterrichtsgesetz verankern wollen. Auf welcher Grundlage kann sich ein Schüler oder eine Schülerin für ein zusätzliches Jahr in der Mittelstufe entscheiden?
Wird die individuelle Wahlfreiheit jedes einzelnen Schülers gewährleistet sein? Welche konkreten Ziele sehen Sie in Ihrem Zeitplan für den Ausbau der rhythmisierten Ganztagsangebote am Gymnasium? Nach welchen Kriterien werden in der Pilotphase die Gymnasien für sogenannte Pilotschulen ausgesucht? Wir brauchen Antworten, und zwar so schnell wie möglich.
Vielen Dank, Herr Kollege Felbinger. Der nächste Redner ist der Kollege Lederer. - Zwischenbemerkungen und Zwischenfragen gibt es in der Aktuellen Stunde nicht. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde hat heute zum Thema "Endlich Schluss mit dem Ankündigungwirrwarr zum bayerischen Gymnasium – echte Wahlfreiheit für G 8 und G 9!"
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, damit zeigen Sie, dass Sie weder aus der Expertenanhörung noch aus dem Scheitern Ihres Volksbegehrens irgendetwas gelernt haben.
Ich darf an die Zeit vor dem Wahlkampf erinnern. Seinerzeit haben die Verbände ganz klar gesagt, dass das achtjährige Gymnasium gut aufgestellt ist – der
Bayerische Philologenverband hat das 2011 gesagt –, weil über individuelle Förderung, über eine integrierte Lehrerreserve ganz klare Erfolge erzielt wurden.
Sogar im März 2012 bei der Expertenanhörung haben Persönlichkeiten wie der Vorsitzende Güll ganz klar festgestellt – ich zitiere –: "Wir können als Fazit ziehen: Niemand will zurück zu einer generell längeren Schulzeit." - Auch im Juli 2012 konnte man vonseiten der SPD hören: "Kein unsinniges zusätzliches Schuljahr!" – Seitens der FREIEN WÄHLER sagte deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Juli 2012: "Wir benötigen endlich Ruhe an den bayerischen Gymnasien und nicht schon wieder eine neue Reform."
Plötzlich haben sich die Interessen der einzelnen Parteien geändert. Seitdem ist die SPD auf G-9-Kurs, und die FREIEN WÄHLER forderten in diesem Wahlkampf die Parallelität von G 8 und G 9. So ist das Gymnasium zum Wahlkampfthema geworden.
Aber leider wurde dieses Thema auch nach der Wahl sehr emotional diskutiert. Deswegen haben wir vonseiten der CSU, angefangen vom Ministerpräsidenten über den Kultusminister bis hin zur Fraktion, ganz klar auf eine Versachlichung dieses Themas gedrängt und einen Dialogprozess eingeleitet, an dem auch alle Fraktionen beteiligt waren.
Sie wurden genauso eingeladen, Herr Piazolo, wie alle anderen auch. Interessant war aber, dass dieser Dialogprozess nicht nur sehr erfolgreich war, sondern dass möglicherweise – das stelle ich jetzt in den Raum – deswegen, weil er so erfolgreich war, von der einen oder anderen Partei versucht wurde, diesen Dialogprozess abzuwürgen, indem während des laufenden Dialogprozesses Gesetzentwürfe vorgelegt und zur Abstimmung gebracht wurden, und zwar sowohl von den GRÜNEN als auch von der SPD.
Es wurden jeweils Gesetzentwürfe eingebracht, die meines Erachtens zwar Schnellschüsse waren, die den Dialogprozess aber beendet hätten.
Nicht nur das Volksbegehren der FREIEN WÄHLER, nein, auch das Volksbegehren, das vor kurzer Zeit in Hamburg in die ähnliche Richtung ging, ist gescheitert.
Das zeigt doch ganz deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, dass die Wahlfreiheit zwischen zwei parallelen Gymnasien von der Bevölkerung abgelehnt wird. Die Bevölkerung will das nicht. Das müssen Sie doch endlich akzeptieren!