Protokoll der Sitzung vom 30.05.2017

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Eck, ich finde es nicht besonders fair,

dass der Herr Minister Sie an dieser Stelle verlassen hat. Nun müssen Sie die ganze Last dieses Themas tragen. In der Tat ist es nämlich kein Ruhmesblatt für die Bayerische Staatsregierung. Herr Kollege Lorenz hat aber recht, es ist nicht nur für die Bayerische Staatsregierung kein Ruhmesblatt, sondern auch für andere Länderregierungen in Deutschland.

Ein Staatsvertrag, das wissen wir alle, wird von der Exekutive, also von den Ministerpräsidenten, verhandelt. Anschließend steht er zur Zustimmung im Parlament an. Wenn man bei einem solch wichtigen Regelungsvorhaben wie dem Glücksspiel- und Sportwettenrecht sieht, dass man in eine falsche Richtung gelaufen ist, dann muss man das korrigieren. So komplex und schwierig ist die Materie aber wahrlich nicht, dass man fast sieben Jahre braucht, um eine Änderung, eine gesetzeskonforme Änderung, hinzubekommen.

Herr Kollege und Staatssekretär Eck, es ist immer ein Kreuz mit den Obergrenzen. Rechtlich sind sie oft schwierig. So ist es auch hier. Herr Kollege Lorenz hat recht: Der Sachverstand des Bayerischen Landtags hat im Innenausschuss schon damals fraktionsübergreifend gesagt, dass es nicht funktionieren wird, wenn wir 20 Anbieter privilegieren und der 21. Anbieter ohne sachlichen Grund plötzlich außen vor gelassen wird. So geht es einfach nicht.

Im Übrigen ist die Konzentration eines Wirtschaftszweiges auf wenige Anbieter nicht unbedingt ein Vorteil. Pluralität ist durchaus auch ein Vorteil und etwas, was man haben kann und haben sollte, und zwar dann, wenn es – dies ist in der Tat ein Vorteil dieses neuen Gesetzentwurfs – qualitative Kriterien gibt, wonach unterschieden wird, welcher Anbieter am Markt tätig sein darf und welcher nicht. Die Qualität ist entscheidend, nicht die Quantität. Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Aber die EU-Kommission runzelt erneut die Stirn, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb müssen wir im Gesetzgebungsverfahren, in den Ausschüssen, sehr genau hinschauen. Es kann doch nicht sein, dass wir die Online-Kasinos noch immer nicht vernünftig in den Griff bekommen haben. Man muss es doch sagen: In diesem grauen Markt – das haben die Vorredner bereits angesprochen – sind eben viele von den Dingen, die wir gut meinen, ob zum Spielerschutz, gegen Sucht, zum Minderjährigenschutz etc., nicht umgesetzt und auch nicht umsetzbar. Letztlich kann es auch nicht sein, dass über Online-Angebote steuerliche Vorschriften umgangen werden. Hier spreche ich alle Landesregierungen an, die an diesem

Staatsvertrag beteiligt sind. Das sind insgesamt 15; die Schleswig-Holsteiner fühlen sich in diesem Fall wohl eher den Dänen als uns zugehörig. Die 15 Landesregierungen, die hier beteiligt sind, müssen sich doch Gedanken darüber machen, wie man der Steuerflucht gerade in diesem Bereich begegnen will. Wir haben uns darüber durchaus unsere Gedanken gemacht, als wir diese Wettsteuer gefordert und beschlossen haben. Es ist unredlich, wenn sich einige dieser Abgabe entziehen.

Die Zuständigkeit wurde von Hessen nach NordrheinWestfalen verlagert. Ob das gut oder schlecht ist, werden wir noch sehen. Momentan haben wir noch keinerlei Erfahrung damit, wie die nordrhein-westfälische Verwaltung in diesen Fragen vorgeht, zumal dort die Landesregierung gewechselt hat. Es wird also durchaus spannend, ob die in Nordrhein-Westfalen es besser machen als die Hessen.

Eines aber ist klar: Wenn ein Gericht, Herr Staatssekretär, rechtliche Bedenken hat, dann ist es keiner Regierung und auch keinem Bundesland verwehrt, einen besseren Vorschlag einzubringen, der den Bedenken dieses Gerichts Rechnung trägt. Dafür wäre jahrelang Zeit gewesen. Immerhin sind wir nun nach knapp sieben Jahren so weit, dass wir einen Änderungsantrag haben. Lange genug hat es gedauert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege Pohl. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN folgt jetzt Herr Kollege Mütze. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern wurde in Berlin die erste externe wissenschaftliche Studie vorgestellt, die sich ausschließlich unter ökonomischen, rechtlichen, sportrechtlichen und sozialwissenschaftlichen Aspekten mit der bisherigen Pseudoregulierung auseinandergesetzt hat. Ihr Urteil ist vernichtend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Alle Ziele des Glücksspielstaatsvertrags werden verfehlt.

Gehen wir der Sache doch einmal auf den Grund. Warum gibt es überhaupt Glücksspielstaatsverträge? – Es gibt sie, weil das Glücksspiel über alle Spielarten hinweg – hier nenne ich ein paar: Lotto, Sportwetten, Online-Kasino, Poker – fair, sauber, kontrolliert und damit kanalisiert ablaufen soll. Erreichen wir die Ziele mit den bisherigen Versuchen; Versuche muss man das wohl nennen? – Nein. Es wird gar nichts kanalisiert. Deutschland liegt im internationalen Vergleich bei der Kanalisierung des Glücksspiels auf dem letzten Platz. Bei den Sportwetten hat noch immer kein Anbieter eine Lizenz. 35 sollen jetzt eine bekommen,

60 aber bezahlen Steuern. Wie geht das zusammen, Herr Staatssekretär? – 60 zahlen Steuern, das heißt, 25 werden dieses Gesetz sofort wieder beklagen. Das ist es doch, was Sie damit erreichen.

Im Online-Bereich haben wir ein Totalverbot, das Sie mit diesem Entwurf weiter aufrechterhalten wollen. Es wird aber nicht durchgesetzt, und das führt dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass 95 % des Spiels im Schwarzmarkt laufen, inklusive aller Einnahmen daraus. Reagieren Sie mit diesem Entwurf darauf? – Nein. Was wir hier haben, ist nichts als Klein-Klein; das sind Prüfaufträge und ist nichts Greifbares. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gelinde gesagt, finde ich es unfassbar und einen veritablen Skandal, dass wir in Deutschland einen Rechtsbereich hinnehmen, der seit Jahren zum größten Teil unreguliert, unkontrolliert und damit illegal besteht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber alle schauen weg. Alle schauen weg; denn das Glücksspiel ist so eine Schmuddelecke, damit beschäftigt man sich nicht gerne, und daher läuft da auch nichts. Liebe Kolleginnen und Kollegen, falls ich Sie noch einmal daran erinnern darf: Auf dem Schwarzmarkt gibt es keinen Spielerschutz, keinen Jugendschutz, kein Einsatzlimit, keine bundesweite Sperrdatei für Spieler, die sich zu sehr engagiert haben, und keine gemeinsame Überwachungsbehörde. Aber das alles lassen Sie mit diesem Entwurf wieder zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit diesem Gesetzentwurf setzen wir das alles sehenden Auges fort. Mit Prüfaufträgen lösen Sie diese Probleme nicht, Herr Staatssekretär.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich müsste ein Spielsüchtiger Sie anzeigen wegen unterlassener Hilfeleistung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun ist das heute die Erste Lesung. Wir werden viel Zeit haben, diesen Entwurf noch entscheidend zu verbessern; denn es ist Einstimmigkeit gefragt. Alle Bundesländer sind bisher im Boot gewesen, alle 16. Aber zum Glück hat die grün-schwarz-gelbe Regierung in Schleswig-Holstein schon angekündigt, dieses Gesetz nicht unterschreiben zu wollen. Das heißt: Wir können zum Schutz von Spielerinnen und Spielern, zur Betrugs- und Kriminalitätsbekämpfung, zum Schutz der Integrität des Sports und für eine echte Regulierung einen echt guten Wurf hinbekommen, nicht so einen Murks.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Mütze. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 c auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes (Drs. 17/17056) - Erste Lesung

Eine Aussprache hierzu findet nicht statt. Wir kommen daher gleich zur Verweisung: Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – So beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abstimmung über eine Subsidiaritätsangelegenheit und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)

Bevor ich über die Liste abstimmen lasse, möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen in seiner heutigen Sitzung die unter der Nummer 1 aufgeführte Subsidiaritätsangelegenheit betreffend Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU beraten hat und empfohlen hat, auf die in der Drucksache 17/17057 aufgeführten Subsidiaritätsbedenken hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass diese Bedenken Eingang in den Beschluss des Bundesrats finden.

Von der Abstimmung sind die Nummern 9 und 12 der Anlage ausgenommen. Dies sind der Antrag der SPDFraktion "Zum Internationalen Frauentag: Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt umsetzen" auf Drucksache 17/15809 und der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend "Bericht über den Stand des Hilfesystems für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder" auf Drucksache 17/15838, die auf Wunsch der Fraktionen gesondert beraten werden sollen. Der gemeinsame Aufruf der Anträge erfolgt erst am späten Abend, am Ende der regulären Tagesordnung.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Liste. Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme des jeweils maßgeblichen Ausschussvotums entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gibt’s Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 und 5 gemeinsam auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Andreas Lotte, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Drs. 17/15020) - Zweite Lesung

und

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Drs. 17/15781) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Andreas Lotte, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) (Drs. 17/16804)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Jürgen Mistol u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drs. 17/16805)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat 48 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die Verteilung lautet in diesem Fall also: CSU 16 Minuten, SPD 12 Minuten, FREIE WÄHLER und GRÜNE jeweils 10 Minuten, Staatsregierung 16 Minuten. Die fraktionslose Abgeordnete Claudia Stamm kann bis zu 3 Minuten sprechen. Erster Redner ist Kollege Lotte für die SPD-Fraktion. – Bitte schön; jetzt dürfen Sie weiterreden. Ich habe lang genug geredet.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bei

der Debatte über das Zweckentfremdungsgesetz vorab einmal klarstellen, dass die CSU heute letztendlich ein Gesetz verabschieden wird, das die Zweckentfremdung von Wohnraum schärfer bestraft, als es bisher der Fall ist, aber eben leider nur etwas schärfer als bisher. Das ist eine gute Nachricht, aber es gibt eben auch eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass wir dieses Thema hier im Plenum bald wieder auf der Tagesordnung haben werden; denn der Gesetzentwurf der Staatsregierung ist unzureichend.

(Beifall bei der SPD)

Er ist schlichtweg in der Praxis nicht umsetzbar. Wir, die SPD, haben deshalb einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Er setzt nicht nur ein klares Zeichen gegen Zweckentfremdung, er hat nicht nur die nötige Härte, sondern auch die richtigen Instrumente für die Kommunen. Wir geben sie ihnen an die Hand und stellen sie ihnen zur Verfügung, damit sie in der Praxis effektiv gegen Zweckentfremdung vorgehen können.

Dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung klare Mängel aufweist, ist nicht nur meine Meinung; das haben alle Experten bei der Anhörung, beim Fachgespräch bestätigt. Zahlreiche betroffene Mieterinitiativen haben bereits angekündigt, dass sie nicht klein beigeben werden. Wir von der SPD-Landtagsfraktion werden das auch nicht tun;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)