Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

Stimmt, 2023! Ich hab Ihnen sogar noch sieben Jahre mehr gegeben. Aber ich frage mich: Sind Sie manchmal mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln in Bayern unterwegs? – Ganz bestimmt nicht. Es braucht keinen Rollstuhl, es reicht einfach ein schwerer Koffer oder ein Kinderwagen – Sie kommen nicht durch.

Ein anderes Versprechen aus der Regierungserklärung ist der Ganztagsanspruch für alle Kinder ab 14 Jahren in der Schule.

(Ingrid Heckner (CSU): Bedarfsgerecht!)

Bedarfsgerecht, für diejenigen, die wollen – das ist immer so eine Auslegungssache. Auch da absolute Fehlanzeige, genauso wie beim digitalen Bayern: Große Ankündigungen und wenig bis absolut nichts dahinter.

Deswegen würde ich Ihnen doch noch einmal einen Besuch im digitalen Beichtstuhl empfehlen. Da könnten Sie über die bis heute wirklich absolut nicht gelösten Probleme nachdenken, zum Beispiel die beim digitalen Funk – davon kann jeder, glaube ich, ein Lied singen. Denken wir daran: In der letzten Legislaturperiode war damit noch der Rücktritt eines Innenstaatssekretärs verbunden.

(Zuruf der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Oder erinnern wir uns an den wirklich großartigen virtuellen Marktplatz, den Sie eingerichtet haben. Er hat 100 Millionen Euro – 100 Millionen Euro! – gekostet. Wenige Jahre später ist er dann einfach digital zu Grabe getragen oder eben gelöscht worden.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, haben Sie sich eigentlich überlegt, was Bayern von Silicon Valley unterscheidet? – Es müsste doch auch für Sie interessant sein herauszufinden, warum Microsoft, Google oder Apple eben nicht hier ihre Erfolgsstory schreiben, sondern dort und warum die "Erfolgsgeschichten" – in Anführungszeichen –, die man in Bayern kennt oder nennen könnte, anders lauten: SCM Microsystems verkauft; Betaresearch, der Entwickler der berühmt-berüchtigten d-box, die das Fernsehen digital machen sollte: Betrieb eingestellt, insolvent. Oder denken Sie an Siemens ICN, die Netzwerksparte von Siemens und Anfang des Jahrtausends der größte Unternehmensbereich von Siemens. All das waren einmal große Hoffnungsträger für die Zukunft. Sie haben sich die Erfolge an die Fahnen geheftet. Ich will Sie hier gar nicht, absolut überhaupt nicht, verantwortlich machen für die unternehmerischen Fehlleistungen, die da passiert sind, und Ihnen daran die Schuld geben.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Das können Sie doch gar nicht beurteilen!)

Aber ich würde mir wünschen, dass Sie endlich das machen, was die Staatsregierung zu tun hat, nämlich die Rahmenbedingungen zu setzen, dafür zu sorgen, dass es in Bayern überall schnelles Internet gibt, und wirklich Infrastruktur zu schaffen, anstatt das immer wieder und immer wieder anzukündigen, damit die Menschen, die Schülerinnen und Schüler überall in Bayern schnelles Internet haben.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Frau Stamm, jetzt wollte ich bei Ihnen schon eintreten!)

Sie wollen bei mir eintreten, nachdem Sie heute schon so oft das Wort "Mut" benutzt haben? – Sollen wir jetzt einen Dialog führen?

Das ist ungewöhnlich, dass man hier in einen Dialog eintritt. – Gehen wir in der Rednerliste weiter. Die nächste Wortmeldung: Kollege Blume für die CSU-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Digitalisierung wirkt so stark auf die Gesellschaft wie die Französische Revolution und die Industrialisierung zusammen." – Das sagte vor zwei Jahren der TU-Präsident Wolfgang Herrmann bei der Eröffnung des Zentrums Digitalisierung.Bayern. Meine Damen und Herren, ich würde sagen, er hat recht, er hat sehr recht; denn die Digitalisierung verändert alles – fast alles.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Digitalisierung verändert alles, nur nicht die Opposition im Bayerischen Landtag: dieselbe Nörgelei, dasselbe Schlechtreden, dieselbe Ahnungslosigkeit wie immer. Damit werden Sie die ersten Verlierer der Digitalisierung sein.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Frau Kollegin Kohnen, Ihr Nachname ist bei mir gedanklich fast zum Synonym für etwas geworden, was das Gegenteil eines Plans ist, das Gegenteil eines Masterplans: nämlich für Konfusion. So kann ich Ihren Beitrag im besten Sinne des Wortes umschreiben. Aber ich will ehrlich sein: Die anderen Kolleginnen und Kollegen von der Opposition standen dem in nichts nach. Die Zeit hier reicht leider nicht aus, um mit all den Absurditäten aufzuräumen, die Sie hier in den Raum gestellt haben. Deswegen will ich es einmal grundsätzlich probieren.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER))

Die Digitalisierung ist die größte Transformation, die wir im Moment erleben. Sie läuft beschleunigter ab als alles, was wir bisher gesehen haben: Verdoppelung alle anderthalb bis zwei Jahre. Auf die nächsten 10, 15 Jahre hochgerechnet heißt das, dass wir über den Faktor 1.000 reden, das Tausendfache an Möglichkeiten. Das alleine zeigt, wie stark und wie schnell die Entwicklung hier verläuft.

Die Digitalisierung löst Grenzen und Gesetzmäßigkeiten auf; die Grenzen zwischen Produktion und Dienstleistung, zwischen Besitz und Nutzen, zwischen Ar

beit und Freizeit – das alles verschwimmt. Die Digitalisierung erfasst alle Bereiche. Das hat keiner besser gesagt als Marc Andreessen in seinem Buch "Why Software Is Eating the World" – warum Software die Welt auffrisst.

Meine Damen und Herren, deswegen stehen wir heute hier und reden über eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, die das Ziel vorgibt, digitale Transformation zu gestalten. Dort, wo digitale Transformation nicht gestaltet wird, führt sie zu digitaler Disruption, und digitale Disruption, liebe Kolleginnen und Kollegen, führt zwangsläufig zu gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und am Ende auch zu politischen Verwerfungen. Deshalb können wir hier gar nicht ambitioniert genug handeln, deshalb ist hier jeder Euro bestens investiert, und deshalb gibt es jetzt auch einen Masterplan BAYERN DIGITAL II, für den ich der Bayerischen Staatsregierung und vor allem dem Bayerischen Ministerpräsidenten ganz herzlich Danke sage.

(Beifall bei der CSU)

Ihre Kritik an diesem Masterplan ist bestenfalls als kleinkariert zu bezeichnen; denn was ist die Realität in Deutschland? – Während andere Länder noch an der ersten Digitalisierungsoffensive arbeiten, ja inzwischen festgestellt haben, dass das auch ein Thema sein könnte, machen wir in diesem Land schon die zweite, meine Damen und Herren. Bayern nimmt hier mehr in die Hand als alle anderen Länder zusammen.

Wir tun das übrigens in einer Ausgangslage, um die uns die anderen beneiden: Bayern steht digital prächtig da. Eine neue Studie im Juni hat uns gerade erst bescheinigt, dass wir in der digitalen Bundesliga Dauersieger sind – ehrlich gesagt: auch weil die anderen noch gar nicht mitspielen. Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hat deutlich gemacht, dass in Bayern auch der Ursprung der digitalen Transformation liegt. In Bayern kommen 37 Anmeldungen für Digitalisierungspatente auf 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das ist die mit Abstand höchste Patentleistung. Das übersteigt den Bundesdurchschnitt um das Dreifache. Und um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, wo die anderen Länder stehen: Allein in München werden von den Unternehmen mehr Patente angemeldet als in jedem anderen Bundesland und übrigens doppelt so viele wie in Nordrhein-Westfalen. Deswegen können wir sagen: Bayern ist heute schon digital Spitze, und wir wollen diesen Spitzenplatz auch in der Zukunft verteidigen.

(Beifall bei der CSU)

Bayern hat in der Vergangenheit neue Initiativen immer dann gestartet, wenn es uns besonders gut gegangen ist – so auch jetzt.

Zu zwei großen Aufgaben haben Sie leider gar nichts gesagt. Die erste Aufgabe: Wir müssen das digitale Ökosystem weiter ausbauen. Wir befinden uns in einem Kampf um Talente weltweit. Deswegen setzen wir auch so sehr auf digitale Bildung. Frau Kollegin Schulze, was Sie hier ausgeführt haben: Sie können nicht von Bayern reden. Ich bedauere das, weil Sie eigentlich ein Beispiel dafür sind, wie gut das bayerische Schulsystem ist. Sie müssten es besser wissen. Sie können aber nicht von Bayern reden.

(Beifall bei der CSU – Natascha Kohnen (SPD): Billig!)

Programmieren ist eine neue Kulturtechnik, und digitale Bildung muss alles umfassen, selbstverständlich auch das digitale Klassenzimmer.

Zu den Schulbüchern, liebe Frau Kollegin Kohnen: Das Kultusministerium hat dem Bayerischen Landtag schon im letzten Jahr berichtet, dass die entsprechenden Verordnungen längst überarbeitet sind. Das heißt, es können selbstverständlich und es werden inzwischen auch signifikant digitale Schulbücher eingesetzt.

Wir haben nicht nur den Kampf um Talente, in dem es auch um die Ausbildungsoffensive an den Hochschulen geht, wir haben auch einen Kampf um Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz oder Assistenzrobotik – ich nenne nur diese beiden. Es wird entscheidend sein, auch bei diesen neuen Technologien vorne dabei zu sein; denn sonst wird alles, was wir haben, nicht von großem Wert sein.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Wir haben auch einen Kampf um Ideen. Wir müssen bereit sein für Neues. Das ist der Grund, warum wir im ganzen Land mit digitalen Gründerzentren antreten, warum wir den Wachstumsfonds verstärkt haben und uns auch um internationale Akzeleratoren bemühen. Das alles kann dabei helfen, Neues hochkommen zu lassen, das digitale Ökosystem Bayern zu stärken.

Das Zweite, was wir tun müssen, ist, die digitale Transformation zu begleiten; das heißt, digitale Chancen zu den Menschen zu bringen, und zwar im ganzen Land. Bei der digitalen Transformation in der Fläche sind wir beim Thema Infrastruktur. Das Breitbandprogramm, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nach wie vor einzigartig in Deutschland. Selbstver

ständlich ist Breitband eine Daueraufgabe. Sie ist nie abgeschlossen. Es ist unsere politische Verantwortung, das zu sehen und immer noch eins draufzulegen. Herr Aiwanger, ich würde Ihnen und den FREIEN WÄHLERN sagen – Sie hören gerade nicht so intensiv zu, aber an der Stelle wäre es gut, sonst behaupten Sie weiterhin das Falsche –:

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ich kann zwei Gesprächen zugleich folgen, ob Sie das glauben oder nicht!)

Über den Ausbaustandard vor Ort wird von der Kommune entschieden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Leider! Das ist der Fehler! Das muss der Bund machen!)

Dann reden Sie einmal mit den Bürgermeistern von den FREIEN WÄHLERN. Man hört immer wieder, dass die FREIEN WÄHLER vor Ort den größten Zauber machen.

(Beifall bei der CSU)

Bayern wird ein Gigabit-Land, und zwar nicht erst im Jahr 2025, sondern wir werden schon im Jahr 2019 damit anfangen. Ab 2019 werden 70 % der bayerischen Haushalte mit Gigabit-Anschlüssen versorgt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das glauben Sie selbst nicht!)

Das hat Vodafone angekündigt. Von anderen Ländern wurde gefragt, wieso das so ist. Bei der CeBIT hat Vodafone den anderen Ländervertretern ganz klar gesagt: weil die Bayern besser sind, weil wir das analoge Kabel abschalten werden und damit den Einstieg in die digitale Zukunft, ins Gigabit-Zeitalter auch hier ermöglichen. 70 % der bayerischen Haushalte werden ab 2019 damit versorgt sein.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wetten wir darauf!)

Die digitale Transformation hat gerade auch den Mittelstand in den Blick zu nehmen. Deswegen gibt es den Digitalbonus, und zwar nirgendwo anders. Deswegen ist Weiterbildung auch so wichtig, aber bitte zusammen mit der Wirtschaft, mit den Sozialpartnern und nicht gegen sie oder an ihnen vorbei, wie Sie es wollen.

(Beifall bei der CSU)

Digitale Transformation heißt natürlich auch, die digitalen Chancen zu den Menschen zu bringen. Deswegen reden wir über digitale Mobilität, über digitale Gesundheit und Pflege, stellen wir digitale Sicherheit so

sehr in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten, reden wir über Anwendungsoffensiven im Land mit 3-D-Druck, mit Land- und Forstwirtschaft 4.0 und dergleichen mehr.

Meine Damen und Herren, BAYERN DIGITAL II ist unsere Zukunftsagenda zur Fortschreibung der Erfolgsgeschichte Bayerns.

Und die Opposition? – Bei der SPD: Umverteilung, Gesetzesbürokratie, Hilflosigkeit. Was sagt die SPD in ihrem Wahlprogramm, Frau Kohnen, einem Arbeitnehmer, der sich fragt, ob es seinen Job in zehn Jahren noch gibt?