Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

Und die Opposition? – Bei der SPD: Umverteilung, Gesetzesbürokratie, Hilflosigkeit. Was sagt die SPD in ihrem Wahlprogramm, Frau Kohnen, einem Arbeitnehmer, der sich fragt, ob es seinen Job in zehn Jahren noch gibt?

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Sie haben doch die Digitalisierung über Jahre verpennt!)

Sie fordern in Ihrem Wahlprogramm ein Beschäftigtendatenschutzgesetz. Ich bin mir sicher, das wird nicht viele neue Arbeitsplätze in diesem Land schaffen, meine Damen und Herren. Dann fordern Sie ein Völkerrecht des Netzes. Wir wären schon froh, wenn Ihr Justizminister einmal das Strafrecht im Internet durchsetzen würde.

(Beifall bei der CSU)

Bei den FREIEN WÄHLERN, Herr Aiwanger, habe ich immer den Eindruck, dass bei Ihnen das Digitale mit dem Kabel aufhört.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Digital fängt erst mit Kabel an.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Und bei den GRÜNEN? – Sie machen das, was Sie am besten können: den Menschen Angst und Politik mit Verboten. Ich sage es auch ganz konkret, Frau Kollegin Schulze: Sie haben vorhin von Smart Metern gesprochen. Smart Meter können uns bei der Digitalisierung der Energiewende helfen. Aber wer hat denn den erbittertsten Widerstand dagegen geleistet? Wer hat denn dafür gesorgt, dass die Spezifizierung so kompliziert wurde und noch jedem Bedenkenträger Rechnung getragen wurde? – Das kam gerade aus Ihren Reihen. Sie haben an dieser Stelle dafür gesorgt, dass diese Innovationen nicht auf die Straße kamen.

(Beifall bei der CSU)

Ich komme zum Thema Verbote: Ich finde diesen Vorschlag Ihres Kollegen aus Niedersachsen, des Landeschefs der GRÜNEN, Körner, betrüblich – wahr

scheinlich schämen Sie sich auch dafür –, der gesagt hat: Wir wollen hier faire Wettbewerbsbedingungen; deshalb verbieten wir Online-Handel am Sonntag. – Das ist Ihre Vorstellung von guter Zukunftspolitik und von Digitalpolitik, nämlich die Menschen und die Betriebe mit Verboten zu belegen. Meine Damen und Herren, so wird es nichts mit der Digitalisierung. So wird es auch nichts mit der Opposition.

Eines darf ich Ihnen am Ende zurufen, weil Sie sich heute so intensiv Gedanken über den richtigen Kabinettszuschnitt machen, um das Thema Digitalisierung zu adressieren. Ich sage Ihnen: Sie brauchen sich darüber keine Gedanken zu machen;

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ja, leider doch!)

denn vom Kabinett und seinem Zuschnitt sind Sie Lichtjahre entfernt. Sie sollten vielleicht erst mal anfangen, gute Oppositionspolitik in diesem Bayerischen Landtag zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das würde euch auch mal guttun! – Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD) – Heiterkeit bei der SPD)

Wir haben uns klar entschieden: Wir wollen Digitalisierung gestalten, nicht einfach nur geschehen lassen und schon gar nicht verhindern. Wir wollen die digitalen Chancen zu den Menschen im ganzen Land bringen. Wir wollen – jawohl, Frau Kohnen – digital spitze sein, schon deshalb, weil wir nicht auf die anderen von SPD und GRÜNEN regierten Länder warten können und wollen. Wir wollen digitale Spitze sein. Ich kann Ihnen nur sagen: Gehen Sie diesen Weg mit; sonst werden Sie als politische Neandertaler in das Digitalzeitalter eingehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo! – Lachen bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Blume. – Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Karl von der SPD. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer wenn man denkt, das Niveau geht gar nicht mehr tiefer, kommt ein CSU-Kollege daher.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo! – Widerspruch bei der CSU)

Ich versuche es jetzt mal etwas sachlicher. Ich beginne mit Positivem. Herr Ministerpräsident, die Regie

rungserklärung hat gezeigt, dass das Thema Digitalisierung jetzt auch in der Chefetage der Staatsregierung angekommen ist. Es ist gut so, dass das endlich passiert ist. Wir hoffen, dass dadurch das Nebeneinanderherwursteln der verschiedenen Ministerien vielleicht endlich mal beendet und das Handeln auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden kann.

Herr Ministerpräsident, ein Tipp für Sie am Anfang: Fangen Sie nicht auch an, die EU als Popanz aufzubauen, wenn es nicht so vorangeht, wie Sie sich das vorstellen. Das hat schon bei Ihrem Vertreter Herrn Zeil mit den legendären 19 Verwaltungsschritten nicht funktioniert. Das hat auch bei Minister Söder mit den 30 Mbit/s Mindeststandard nicht funktioniert. Wenn etwas nicht funktioniert, dann überprüfen Sie Ihre Maßnahmen und justieren Sie nach, aber suchen Sie nicht Sündenböcke.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Dr. Markus Söder (CSU))

Herr Ministerpräsident, Sie haben vom Fortschritt im Dienst der Menschen gesprochen. Sehr richtig. Ganz genau. Lassen Sie mich deshalb konkret werden und einige Schlaglichter auf die Situation von Menschen im Lande werfen. Das hat nichts mit Schlechtreden zu tun, Herr Blume,

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Natürlich!)

sondern es geht darum, ein Gesamtbild der Realität zu zeichnen.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Mit Wasserfarben!)

Erst am Samstag war im "Neuen Tag" ein Artikel über einen verzweifelten Unternehmer, der angekündigt hat, er buddele jetzt sein Glasfaserkabel selber ein. Er sitzt nämlich in einem Ort, der laut Förderprogramm bestens versorgt ist. Das stimmt auch bis zum Kabelverteiler. Alles danach ist olles, aufgemotztes Kupferkabel. Der Unternehmer sitzt am Ende dieser Leitung und kommt gerade mal auf schlappe 5 oder 6 Mbit/s,

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Oha! Doch so viel!)

die ihm vorne und hinten nicht reichen. Es kann nicht per Förderprogramm nachgebessert werden, weil dieser Ort laut Auskunft des Heimatministeriums wunderbar versorgt ist.

Wenn man in Dänemark mit dem Bus oder der UBahn fährt, dann braucht man nur seine ID-Karte und hält sie beim Einsteigen und beim Aussteigen vorne an den Sensor. Dann wird automatisch der beste Preis ausgerechnet. Es wird mitberechnet, ob man als Arbeitnehmer Ermäßigungen hat. Es braucht kein Pa

pier. Es braucht gar nichts. Und was ist in Bayern? – Laut "Abendzeitung" vom 27.06. musste die MVG vor das Verwaltungsgericht gehen, damit die Regierung von Oberbayern digitale Unterschriften als gültig anerkennt.

(Beifall bei der SPD)

Halleluja, da kann Montgelas 3.0 noch viel arbeiten. Da wir gerade bei Montgelas 3.0 sind: Beamte haben immer noch keine Möglichkeit, Beihilfeanträge für sich und ihre Familie digital einzureichen. Genauso sieht es bei Kindergeldabfragen und Ähnlichem aus. Vielleicht sollten Sie nicht nur schöne Sprüche bringen, sondern mal konkret mit dem Arbeiten anfangen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Schweden gibt es ein flächendeckendes 5G-Mobilfunknetz bis hin zur letzten Insel, die von zwei Leuten bewohnt ist. Wir in Bayern schaffen es nicht einmal, mit Tschechien eine Einigung zu finden, damit man im Grenzgebiet überhaupt ein paar Mobilfunkmasten aufstellen darf, die senden können. Wir reden ja gar nicht von 3G oder 5G. Wir wollen überhaupt eine Mobilfunkverbindung bei uns an der Grenze haben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum letzten Beispiel: Schulen. Es hängt immer noch von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen ab, ob die Schulen mit vernünftiger digitaler Ausstattung ausgerüstet sind. Es kann nicht sein, dass ich als Schüler das Glück haben muss, in einer reichen Kommune zu leben, damit die Schule ordentlich mit Tablets, Whiteboards und Ähnlichem ausgestattet ist. Das ist das Gegenteil von gleichwertigen Lebensbedingungen. Hier brauchen wir ein vernünftiges Förderprogramm mit einem dahintergelegten Digitalisierungskonzept, das auch die kurzen Erneuerungszyklen von Hardware mit einrechnet. Und wir brauchen konkrete Zeitvorgaben. Das digitale Klassenzimmer muss bis 2022 flächendeckend da sein,

(Beifall bei der SPD)

die technische Ausrüstung bis spätestens 2020; sonst verpennen wir die digitale Zukunft der Kinder in unserem Land.

Zur Abrundung des Themas Bildung: Heute vermelden die Medien, dass das neue Schulverwaltungsprogramm an den Mittelschulen so fehlerhaft ist, dass die Lehrer angewiesen werden, händisch nachzukorrigieren und nachzurechnen,

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Oha!)

ob das Programm die Noten richtig ausrechnet. Das Kultusministerium ist noch nicht mal in der Lage, eine Software bereitzustellen, die die Arbeit der Schulen wirklich einfacher macht, sondern es produziert neuen Ärger, und wir reden vom digitalen Bayern. Leute, macht erst mal eure Hausaufgaben!

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage einen Satz zum Thema Digitalbonus. Das werden wir nachher noch weiter ausführen. – Herr Kollege Kreuzer, da hilft auch Geifern nicht, wenn die Realität so ist, wie sie ist. – Wir von der SPD haben damals angeschoben, dass es nach den Innovationsgutscheinen für IT-Bereiche, die abgeschafft wurden, einen Nachfolger gibt, eben den ganz hervorragenden Digitalbonus. Im Mai war das Geld alle. Wir haben umgehend einen Dringlichkeitsantrag gestellt, dafür zu sorgen, dass die Finanzierung weitergeführt wird. Was machen Sie? – Sie schreiben auf die Homepage: Tut uns leid, es gibt kein Geld mehr. Es können keine Anträge mehr gestellt werden. Pech gehabt. – Jetzt müssen Sie wieder zum Jagen getragen werden, damit Sie zumindest heute einen Dringlichkeitsantrag stellen, damit hier die Gelder wieder fließen, nachdem der Ministerpräsident gesagt hat, so gehe es nicht weiter. Wir tragen Sie gern zum Jagen; aber vielleicht machen Sie Ihre Aufgaben auch mal von alleine, ohne dass wir Sie permanent anschieben müssen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage einen letzten Satz zum Digitalisierungsministerium. Ich glaube schon, dass es nicht nur einen Menschen in der Staatskanzlei geben darf, der die ganzen To-do-Listen der einzelnen Ministerien zusammenfasst und, wie jetzt geschehen, nebeneinander in einem Geheft zusammentackert und das dann eine Strategie nennt, sondern wir brauchen jemanden, der alles übergeordnet miteinander verknüpfen kann. Deshalb halten auch wir ein Digitalisierungsministerium für sinnvoll.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Karl. – Für die Fraktion FREIE WÄHLER: Thorsten Glauber. Bitte schön.