Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

Mit Ihrem Realitätsverlust helfen Sie Familien kein bisschen – wirklich kein bisschen –, gerade dann nicht, wenn sie und ihre Kinder es am nötigsten haben. Von der Qualität und den Rahmenbedingungen in Kitas wollen wir gar nicht erst sprechen. Seit über drei Jahren verweigert die CSU-Fraktion hier im Hohen Haus konsequent jeden Vorschlag, der eine Verbesserung der Qualität und der Rahmenbedingungen in den Kitas mit sich bringen würde.

Kolleginnen und Kollegen, Bayern hat Geld in die Hand genommen. Aber Bayern hatte beim Ausbau der Kindertagesbetreuung doch einigen Nachholbedarf. Von einer Vorreiterrolle können wir hier im Hinblick auf das Wohl der Kinder und Erzieher und Pädagogen, die täglich das Beste geben, nur träumen. Bayern ist also nicht an der Spitze, Bayern ist lediglich im Mittelfeld. Beratungsangebote für Familien gibt es nur in Ballungsgebieten, und keine andere Gruppe klagt so häufig über Probleme wegen der Wohnungssituation. Das ist die traurige Realität für Familien in unserem Land.

Was hat die Staatsregierung getan, damit die Situation für die Familien, für Mütter und Väter und vor allem für die Kinder in unserem Land besser wird? Seit über dreieinhalb Jahren ist schlicht nichts für Familien passiert. Das ist zumindest die Zeit, auf die ich als Abgeordnete hier im Hohen Haus zurückblicken kann. Anträge wurden abgelehnt und wichtige Verbesserungen systematisch verhindert. Das ist das Einzige, das Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSUFraktion, für Familien getan haben. Danke für nichts – das ist wohl die Antwort, die Sie darauf verdienen.

Aber pünktlich zum Wahljahr entdeckt die CSU, dass es Familien gibt, die man mit Milliardengeschenken überschütten könnte. Auf einmal entdecken Sie, dass der Staat Familien mehr Zeit für das Familienleben ermöglichen muss. Wo war denn diese Einsicht, als Sie den Vorschlag einer Familienarbeitszeit abgelehnt haben? Auf einmal entdecken Sie, dass es berufstätigen Eltern möglich sein muss, aus der Teilzeitfalle auszubrechen und in Vollzeit zurückzukehren. Wo war die Einsicht, als Sie sowohl im Bundestag als auch im Landtag ein Recht auf Rückkehr in Vollzeit abgelehnt haben? Jetzt heißt es, es braucht mehr Angebote, um

einen guten Wiedereinstieg nach der Elternzeit hinzubekommen.

Vor nicht einmal einem Monat haben wir über genau diesen Vorschlag diskutiert, und Sie haben wieder abgelehnt, weil das ja so unnötig wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich frage mich schon, ob Sie wirklich denken, dass die bayerischen Familien dieses traurige Schauspiel, das Sie hier abziehen, nicht durchschauen. Wofür sind Sie eigentlich hier? Sie schwingen den ganzen Tag nur blumige Reden, vor allem im Wahlkampf,

(Beifall bei der SPD)

loben sich selbst über den grünen Klee und lassen all jene sang- und klanglos im Regen stehen, die auf eine wirklich gute Familienpolitik angewiesen sind. Sehen Sie der Realität in die Augen!

Zu all den Aspekten, die jetzt als große Neuigkeit in Ihrem Wahlprogramm auftauchen, gibt es seit Jahren Diskussionen. Die SPD hat zu jedem einzelnen Punkt mehrfach Anträge eingebracht. Hier eine kleine Auswahl: Anträge zur Qualitätssteigerung in Kindertageseinrichtungen, eine Offensive für bessere Rahmenbedingungen und mehr Personal, Forderungen nach flexiblen Betreuungsangeboten für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Anträge zur Lohngerechtigkeit, für gleiche Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen und einen familienfreundlichen Arbeitsmarkt, Unterstützung bei den Lebenshaltungskosten, zum Beispiel hinsichtlich der Abschaffung der Kita-Gebühren, um freien Zugang zu Bildung zu gewährleisten, oder die Forderung nach Abschaffung der Zuzahlung für Schulbücher und Schulwegkosten, mehr Unterstützung durch Familien- und Pflegeberatung und haushaltsnahe Dienste, Maßnahmen gegen Armut, Forderung von speziellen Angeboten für Familien mit chronisch kranken Kindern oder mit Kindern mit Behinderung und, und, und. Alle Vorstöße hat die CSUFraktion abgelehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist einfach nur unwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind doch genau diejenigen, die es mit Ihrer Mehrheit in der Hand hätten. Passiert ist aber so gut wie nichts. Auf Bundesebene wurde zum Glück einiges angestoßen, aber nicht deshalb, weil CDU und CSU dort die maßgeblichen Vorantreiber gewesen wären, sondern weil die SPD mit Manuela Schwesig und jetzt mit Katarina Barley starke Kämpferinnen für die Familie hat. Bei uns haben Kinder und Familien wirklich Gewicht.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD hat all diese Fortschritte angestoßen, die Sie heute als Ihre Errungenschaften anpreisen. Das sind klassische Fake News. Das ElterngeldPlus ist eine SPD-Initiative. Die Lohngerechtigkeit durch Transparenz ist eine SPD-Initiative. Die Reform des Mutterschutzes ist ein SPD-Vorschlag. Verbesserungen beim Unterhaltsvorschuss sind ein SPD-Vorschlag wie die Finanzspritzen für den Kita-Ausbau. Das alles sind Vorschläge der SPD.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Koalition!)

Liebe CSU, und wer ist der Erfinder? Wer hat es erfunden? –

(Beifall bei der SPD)

Überlegen Sie einmal, welche innovativen familienpolitischen Initiativen die CSU auf Bundesebene eingebracht hat. Ich erlaube mir hier, den Bogen in Richtung Bundesebene zu spannen, weil es in der Wahlkampfzeit erforderlich ist, die CSU mit ihrer Verantwortung nicht nur auf Landesebene zu packen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Ihnen Familien so wichtig sind, wie Sie das behaupten, dann leisten Sie endlich die entsprechende Arbeit dafür, und zwar auch auf Landesebene. Wenn Sie das nicht können oder nicht wollen, dann lassen Sie einfach die SPD ran.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CSU)

Wir haben die Ideen. Gehen Sie einmal in einem ruhigen Moment in sich und lassen Sie die letzten Jahre Revue passieren. Betrachten Sie die gesamten politischen Entscheidungen auf Bundes- und auf Landesebene. Dann werden Sie sehen: Die SPD ist die Partei der Familien.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Als nächste Rednerin darf ich Frau Kamm vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufrufen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Familienland Bayern – das wollen wir auch. Das muss aber auch für Alleinerziehende, für Menschen mit kleinem Geldbeutel, für Menschen mit Handicaps und Behinderungen und natürlich für Menschen mit Migrationshintergrund gelten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von einem tatsächlichen Familienland ist Bayern noch weit entfernt. Gemessen am bayerischen Durchschnittseinkommen lag das Armutsrisiko Alleinerziehender im Jahr 2013 bei 42 %. Das betrifft in Bayern immerhin 170.000 Personen, in der Regel Mütter. Bis zum Jahr 2015 ist dieses Armutsrisiko sogar noch um 3,1 Prozentpunkte gestiegen. Das bedeutet, für diese große Gruppe hat sich die Lage verschlechtert statt verbessert.

Fast jede zweite Alleinerziehende in Bayern ist akut von Armut bedroht. Die Armut Alleinerziehender wirkt sich natürlich auch auf die Situation der in diesen Haushalten lebenden Kinder aus. Diese Schicksale fallen in Ihrem Familienland Bayern unter den Tisch. Dazu passt der Umstand, dass die Regierungsbank jetzt weitgehend unbesetzt ist. Offenbar interessiert die Staatsregierung das Thema nicht so sehr. Nebenan, im Senatssaal, informieren gerade die Betreuungsvereine. Die Betreuungsvereine unterstützen die Familien mit ehrenamtlichen Leistungen, wenn die Familien in Not sind, an ihre Grenzen kommen und wenn sie Hilfen benötigen. Deshalb ist es notwendig, dass diese Vereine Geld für die Koordination, die Fortbildung und die Weiterbildung bekommen, um diese weitestgehend ehrenamtliche Arbeit leisten zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben hier im Hause schon x-mal entsprechende Anträge gestellt. Diese Anträge sind immer wieder abgelehnt worden. Die Situation hat sich nicht verbessert. Das gilt natürlich auch für die Insolvenzberatung.

(Joachim Unterländer (CSU): Wir haben den Betrag dafür im Haushalt dreimal erhöht!)

Hören Sie sich doch das einmal an! Sie müssen diese Mittel doch an die Situation der zu Betreuenden und an die Aufgaben anpassen.

(Joachim Unterländer (CSU): Dann sagen Sie doch nicht, es sei nichts passiert!)

Vielleicht haben Sie die Worte der Landtagspräsidentin gehört, die deutlich gesagt hat, sie hoffe, dass diese Botschaft aus dem Senatssaal beim Finanzminister und beim Ministerpräsidenten ankommen wird. Das hoffen wir auch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kinder sind im angeblichen Familienland Bayern immer noch ein erhebliches Armutsrisiko. Nicht nur bei Alleinerziehenden, auch bei kinderreichen Familien liegt das Armutsrisiko bei etwa 20 %. Auch bei Kin

dern und Minderjährigen ist das Armutsrisiko generell überproportional hoch.

Die Quote der Sozialgeldempfänger im Familienland Bayern bei den Menschen unter 15 Jahren liegt bei 11,5 %. In Bayern leben allein 123.000 Kinder in ALGII-Bedarfsgemeinschaften. Gegen Kinderarmut in Bayern sollte mehr getan werden; aber die Maßnahmen fehlen. Stattdessen gibt es in Bayern das Betreuungsgeld. Dieses Betreuungsgeld kommt bekanntlich denjenigen Familien, die darauf besonders angewiesen sind, nicht zugute. Dieses Betreuungsgeld sollte nicht verwendet werden, um Familien, die ihre Kinder zu Hause erziehen, besserzustellen. Dieses Geld sollte in Bayern für den Ausbau von Einrichtungen für die frühkindliche Erziehung und für den Ausbau der Qualität in diesen Einrichtungen eingesetzt werden. Bei den letzten Maßnahmen wurde wesentlich weniger Geld für den Ausbau der Qualität und der Quantität der frühkindlichen Betreuung verwendet, dafür wurde ein Kindergartenjahr von den Gebühren freigestellt. Wir müssen hier wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen. Nur zu sagen, die Kita solle nichts kosten, reicht nicht. Die Maßnahmen dürfen nicht zulasten der Qualität und des Ausbaus gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen dringend eine größere Unterstützung der Erzieherinnen und Erzieher.

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Gut. Ausbau der Qualität und der Quantität unserer frühkindlichen Bildung statt Betreuungsgeld! Schluss mit der Zweckentfremdung der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel, mit der das Betreuungsgeld querfinanziert wurde! Wir müssen uns stärker um die Familien kümmern, die in Not sind, statt ein Gießkannenprinzip für alle zu praktizieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Claudia Stamm. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mir wirklich etwas mehr Mut und etwas mehr Visionen wünschen. Ich kann mir noch oft das Familienland Bayern malen oder herbeireden. Fakt ist, die Familien sind auch in Bayern vielfältig und unterschiedlich. Wir haben Alleinerziehende ebenso wie zwei Väter oder zwei Mütter. Wir haben neue Stiefväter oder neue Stiefmütter. Die Familie ist vielfältig.

Umso wichtiger ist es, dass wir endlich das Geld, besonders wenn es sich um Steuergeld handelt, dort einsetzen, wo es nötig ist, nämlich bei den Kindern. Wir müssen dafür sorgen und es muss unser Ziel sein, dass im reichen Deutschland kein Kind mehr mit einem Armutsrisiko aufwachsen muss.

Eines ist klar, und das zeigen auch die Entwicklungen: Es ist völlig unerheblich, wie viel Sie in Bayern noch auf die Transferleistungen draufpacken. Damit blähen Sie nur die Verwaltung auf. Ich nenne das Kindergeld, das Wohngeld und das Betreuungsgeld. Genau diese Transferleistungen helfen nicht. Sie sorgen nicht dafür, dass die Kinder vor dem Armutsrisiko geschützt werden. Im Gegenteil: Das Armutsrisiko steigt auch im reichen Bayern. Das für mich krasseste Beispiel finden Sie in der Stadt Schweinfurt. Schauen Sie sich da einmal die Daten an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen endlich neue Ansätze finden. Das geht nicht anders als mit einer richtigen Reform. Es gibt dazu schon ein ausgearbeitetes Modell. Es nennt sich Kindergrundsicherung. Alle Leistungen, die es für ein Kind geben kann, werden zusammengefasst. Das heißt, alles andere wird zugunsten einer Kindergrundsicherung abgeschafft.

Wissen Sie eigentlich, wie demütigend es zum Beispiel für eine Alleinerziehende ist, von einem Amt zum anderen zu rennen und die unterschiedlichen Leistungen zu erbitten? Wissen Sie, wie demütigend es für ein Kind ist, im Fußballverein ein sogenanntes ALG-IIKind zu sein? Wir müssen endlich mutig sein, diese unzähligen Gesetze abzuschaffen; denn damit wäre den Alleinerziehenden ebenso wie den Eltern, die nicht heiraten wollen – auch das soll der Staat niemandem vorschreiben –, und vor allem auch unseren Kindern wirklich geholfen. Denn genau um die Kinder geht es, sie sind unsere Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄH- LERN)