genutzt, weil sie umsonst ist. Die Leute würden aber auch fahren, wenn sie etwas zahlen müssten, wenn es etwas kosten würde. Deswegen hinkt das Beispiel. Dass das Betreuungsgeld so angenommen wird, heißt nicht, dass es Wahlfreiheit bedeutet, wie Sie betonen.
Das Fragezeichen betrachten wir als Vier-Punkte-Programm. Wir sehen erstens mit Sorge die Armutsgefährdung von kinderreichen Familien und Alleinerziehenden. Wir sehen zweitens, dass hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch sehr viel getan werden muss, auch in Bayern. Wir sehen drittens nach wie vor, dass das Kinderkriegen aufgrund der Hebammenproblematik fast nicht mehr möglich ist. Als vierten Punkt beleuchten wir – das wird Kollegin Gabi Schmidt machen – die Kosten eines Kindes, die sich fast nur noch Wohlhabende leisten können.
Die Armutsgefährdung ist durch den Sozialbericht bestätigt. Familien mit drei oder mehr Kindern, nämlich 15,4 %, sind inzwischen armutsgefährdet. Noch schlimmer ist es bei Alleinerziehenden. Diese sind die tragische Spitzengruppe. 36,7 % der Alleinerziehenden sind armutsgefährdet. Von der weiblichen Altersarmut speziell und auch in Bayern möchte ich jetzt gar nicht sprechen. Wir sind froh, dass es inzwischen für Mütter die zwei Rentenpunkte gibt, und zwar auch durch Mitwirkung der FREIEN WÄHLER. Wir fordern nach wie vor den dritten Rentenpunkt,
aber wir finden ihn nicht in Ihrem Wahlprogramm. Man könnte natürlich sagen: Es ist nicht wichtig, ob es im Wahlprogramm steht oder nicht, Wahlprogramme werden sowieso nicht verwirklicht. In diesem Falle ist es aber vielleicht umgekehrt. Es steht nicht dort, aber Sie machen es trotzdem. Der dritte Rentenpunkt für Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, ist äußerst wichtig; das wissen Sie. Es ist eine Schande, dass er immer noch nicht verwirklicht ist.
Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Natürlich loben Sie auf Ihrer Familienland-Bayern-Homepage, wie toll die Steigerung ist. Das stimmt. Sie gehen aber von einem ganz niedrigen Niveau aus. Sie haben nämlich jahrelang gesagt: Wir in Bayern brauchen das nicht; unsere Mütter sind zu Hause. Nun sind Sie überrascht, dass inzwischen in jedem Dorf eine Kinderkrippe ist, weil auch die Mütter berufstätig sein und ihre Kinder trotzdem gut erziehen wollen.
Deswegen gibt es natürlich auch hier einen großen Nachholbedarf. Heute haben wir in der Regierungserklärung von der Digitalisierung gehört. Diese ist wichtig, weil es ein wichtiger Schritt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, wenn man zu Hause arbeiten kann. Dies kann man nur mit einem schnellen Internet.
Schließlich ist es natürlich so, dass das Kinderkriegen der Beginn einer Familie ist. Eine Familie entsteht durch ein Kind. Ein Kind kann man in Bayern fast nicht mehr unproblematisch bekommen. Der Hebammenberuf stirbt fast aus bzw. die Hebammen wären zwar da, sind aber nicht mehr berufstätig. Wir fordern einen Haftungsfreistellungsfonds.
Nein, Herr Kollege Freller, das sind keine Fantasien. Ich habe vier Kinder, und ich kenne genügend Leute, die Kinder haben. Jetzt muss man vielleicht 50 Kilometer fahren, weil die Geburtsstation vor Ort schließt, da sie unter 400 Geburten hat, was jahrzehntelang korrekt war. Wir wissen, dass eine Geburt immer eine Gratwanderung zwischen einem natürlichen Vorgang und einem schwierigen, komplikationsreichen Vorgang ist. Zunächst ist daher die Hebamme vor Ort erforderlich; ein Arzt ist zunächst nicht notwendig. Für eine Frau ist es mit das Wichtigste zu wissen, dass in diesen schweren Stunden eine Hebamme vor Ort ist. Das sind auch dann schwere Stunden, wenn der Mann daneben steht und Händchen hält. Eine Hebamme ist erforderlich. Sie tun aber nichts dafür, dass dies möglich ist.
Vielen Dank, Frau Kollegin Gottstein. – Als Nächster hat Kollege Unterländer für die CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Lieber Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines möchte ich zunächst einmal klarstellen: Die Anerkennung der Kindererziehungszeiten im Rentenrecht für Geburten vor 1992 ist nicht das Verdienst der FREIEN WÄHLER – sie waren bei den Verhandlungen auf Bundesebene gar nicht dabei –, sondern in erster Linie das Verdienst der CSU und des Ministerpräsidenten Horst Seehofer und der Ministerin Emilia Müller.
Das mache ich deutlich. Vor diesem Hintergrund wird im Bayernplan das dritte Jahr weiterhin gefordert und in die Verhandlungen eingebracht.
Für uns ist das völlig klar. – Wenn der Ministerpräsident sagt, es wird durchgesetzt, dann bin ich mir ganz sicher, dass es auch durchgesetzt wird.
Damit wird eine noch vorhandene Gerechtigkeitslücke tatsächlich geschlossen. Das ist auch notwendig; das sind wir den Müttern, die unser Land und unsere Familien aufgebaut und gesichert haben, auch schuldig, meine Damen und Herren.
Gestatten Sie mir, auf die Familienpolitik der Bayerischen Staatsregierung und der CSU-Landtagsfraktion einzugehen. Wir haben vier wesentliche Säulen, die über Jahrzehnte hinweg dazu geführt haben, dass Bayern in der Tat das Familienland Nummer eins ist – Sie versehen das in der Aktuellen Stunde mit einem Fragezeichen. Wir investieren nicht nur viel Geld in und für und mit Familien, sondern für uns gehört Familienpolitik zu den vorrangigen Prioritäten in der gesamten Politik im Freistaat Bayern. Das sind wir den Familien in den unterschiedlichen Formen und Lebenssituationen entsprechend ihrer Lebensqualität auch schuldig. Diese Politik werden wir weiterbetreiben, meine Damen und Herren.
Eine der Säulen ist die Stärkung im Familienlastenausgleich hin zu einem Leistungsausgleich, was die finanzielle Verbesserung anbelangt. Die Schlagworte dazu sind schon genannt worden, nämlich zum Beispiel das Landeserziehungsgeld, vor allen Dingen auch das Betreuungsgeld, das ich noch einmal nennen darf. Wenn 175.000 Menschen in Bayern definitiv einen Antrag stellen und dieser genehmigt wird, ist
dies ein klares Ja der Familien in Bayern zum Betreuungsgeld und auch dazu, dass sie ihren Lebensentwurf selbst gestalten wollen und ihn sich nicht von der Politik vorschreiben lassen wollen, meine Damen und Herren.
Darüber hinaus ist natürlich, Frau Kollegin Gottstein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wesentlicher Punkt. Der Pakt für Familien, der zwischen Staatsregierung und Arbeitgebern geschlossen worden ist, ist ein wichtiger Ansatzpunkt. Wir werden in dieser Richtung aber auch noch weitere Schritte tun. Innovation ist notwendig. Ich sage Ihnen aber eines: In der familienpolitischen Diskussion ist es erforderlich, mehr Augenmerk darauf zu legen, was den Familien besonders wichtig ist, nämlich mehr Zeit füreinander und eine höhere Zeitsouveränität zu haben. Dies hat sehr hohe Priorität, und wir müssen es auch im Zusammenhang mit dem Bericht zur sozialen Lage sehen.
Zum Dritten sind der weitere Ausbau der Kinderbetreuung für alle Altersgruppen – darauf wird der Kollege Vogel noch eingehen –, die Infrastruktur für Familien, Wohnen und Eigentum sowie die Stärkung der Institutionen in den Kommunen wichtig. Wir brauchen familienfreundliche Kommunen stärker denn je; denn dort spielt sich die Lebenswirklichkeit von Familien mit Kindern ab. Wir haben vor allem bei Mehrkinderfamilien und Alleinerziehenden großen Handlungsbedarf, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch das Programm ansprechen, das CDU und CSU für die Bundestagswahl miteinander beschlossen haben. Darin hat die Familienpolitik ganz hohe Priorität. Der Ausbau des Kindergeldes und die Gleichstellung beim Kinderfreibetrag sowie der Ausbau des familienfreundlichen Wohnens – all dies sind Dinge, die den Familien im Freistaat Bayern und in Deutschland unheimlich helfen werden. Deshalb haben wir zu Recht den Anspruch, Familienland Nummer eins in Deutschland zu sein.
Danke schön. – Die nächste Wortmeldung kommt von Kollegin Rauscher für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern Abend war ich auf dem Jahresempfang der Erzdiözese München und Freising und hatte das
Es ging – siehe da! – um Familienpolitik, und ich wurde ermuntert, heute im Rahmen der Aktuellen Stunde doch deutlich auf die rückständige Familienpolitik der Bayerischen Staatsregierung hinzuweisen – und das von CSU-Mitgliedern!
Zum Thema Betreuungsgeld wurde formuliert, dass dessen Einführung eine Beleidigung des IQ gewesen sei. Das kam – fast im O-Ton – sogar aus dem Munde von CSU-Mitgliedern.
Die FREIEN WÄHLER haben uns heute mit der Frage "Familienland Bayern?" ermöglicht, hier im Hohen Hause nochmals über Familienpolitik zu sprechen. Für die SPD ist die Antwort darauf: leider nein. Die SPD zeigt der Staatsregierung hinsichtlich Familienpolitik die Rote Karte. Wenn es nicht für alle Familien in unserem Land so traurig wäre, wäre es schon fast ermutigend, dass die CSU dies endlich auch einsieht; denn wenn man sich ihr neues Wahlprogramm so ansieht, bemerkt man: Auch Sie haben erkannt, dass es noch einiges zu tun gibt. So schnell können also Seifenblasen zerplatzen, wenn die Realität die Traumwelten einholt.
Land für Familien – dazu würde ich sagen: Nein, Familienland hinsichtlich der vielen Familien, die in unserem Land leben: Ja. In Bayern werden aber auch gerade Familien viel zu oft abgehängt. Fast 400.000 Kinder und Jugendliche sind in Bayern von Armut bedroht, genauso wie ihre Familien. Das Schlimmste daran ist: Die Zahlen steigen, die Armut nimmt zu statt ab. Gerade Mütter haben am Arbeitsmarkt das Nachsehen. Ganze 85 % der Familien sagen: Beruf und Familie lassen sich in Bayern nicht gut vereinbaren. Der Teilzeit-Anteil von Müttern liegt bei 75,8 %. Das ist wirklich ein Armutszeugnis.
Eine partnerschaftliche Aufgabenteilung, die sich gerade junge Frauen und Männer wünschen würden, ist Mangelware, genauso wie die Möglichkeit für Frauen, sich gegen Altersarmut abzusichern. Das hat eben auch strukturelle Gründe. Unterstützung durch Kitas: oftmals Fehlanzeige. Allein im Krippenbereich fehlen annähernd 33.000 Plätze, und auch im Kindergarten und in Grundschulen sieht es zum Teil zappenduster aus.
Gerade jetzt, vor den Sommerferien, suchen Familien verzweifelt nach einem Betreuungsplatz und finden keinen; und Sie behaupten allen Ernstes, die Lage in Bayern sei spitze. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie sich Eltern fühlen müssen, wenn sie das hören? Das ist blanker Hohn!
Mit Ihrem Realitätsverlust helfen Sie Familien kein bisschen – wirklich kein bisschen –, gerade dann nicht, wenn sie und ihre Kinder es am nötigsten haben. Von der Qualität und den Rahmenbedingungen in Kitas wollen wir gar nicht erst sprechen. Seit über drei Jahren verweigert die CSU-Fraktion hier im Hohen Haus konsequent jeden Vorschlag, der eine Verbesserung der Qualität und der Rahmenbedingungen in den Kitas mit sich bringen würde.