Protokoll der Sitzung vom 18.07.2017

Wann gibt es in Bayern eine vernünftige und funktionierende Ladeinfrastruktur für Elektroautos? Wann geht die CSU-Regierung endlich vorbildlich voran und schafft für den staatlichen Fuhrpark mehr E-Fahrzeuge an? Die Polizei in Los Angeles hat im letzten Jahr 100 elektrische i3 von BMW angeschafft, die Feuerwehr in London 57. Wie viele sind es in Bayern? – Ganze 12 Fahrzeuge! Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine weitere Baustelle: Wann hören Sie endlich auf, den Diesel zu subventionieren? 8 Milliarden Euro kostet es jedes Jahr, um den Diesel künstlich billig zu halten. Stellen Sie sich vor, wie weit wir bereits heute gekommen wären, hätten wir jedes Jahr 8 Milliarden Euro investiert, um die Ladeinfrastruktur aufzubauen. Aber Sie wollen – ich habe heute die Meldung aus dem Kabinett kaum glauben können – ernsthaft einen Kaufanreiz oder einen Steuerbonus für neue Dieselfahrzeuge schaffen.

(Staatssekretär Franz Josef Pschierer: Ja!)

Sie wissen ganz genau, dass die Dieselfahrzeuge nach der Euro-6-Norm kaum besser sind als die anderen. Sie lösen kein Problem, sie haben ein Problem, das dringend gelöst werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Zu der heutigen Kabinettsvorlage kann ich nur sagen: Das ist eine verantwortungslose Industriepolitik. Mich erinnert das an die erneuerbaren Energien. Sie wurden auch erst schlecht- und kleingeredet, es wurde gesagt, dass die Befürworter von Wind und Sonne Traumtänzer seien. Letztlich hat man gesehen, was aus E.on und RWE geworden ist. Diese Überheblichkeit war der Anfang vom Ende.

Ich will nicht, dass BMW und Audi in Bayern den gleichen Weg gehen müssen. Damit in Zukunft und auch noch in zehn Jahren Autos aus Bayern gefragt sind, muss sich dringend etwas ändern. In den Konzernzentralen müssen die Zeichen der Zeit endlich erkannt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und die Zeichen der Zeit bedeuten: Das Auto der Zukunft ist sauber, oder es ist gar nichts.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Ich sehe gute Chancen für die deutsche Automobilindustrie. Deshalb teile ich die pessimistischen Aussagen der Kanzlerin ausdrücklich nicht. Dafür muss sich aber in der Politik der Bundesregierung und der Staatsregierung einiges ändern. Wenn Sie so weitermachen wie bisher, werden die düsteren Prophezeiungen Merkels schneller Wirklichkeit, als uns allen lieb ist. – Danke.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Hartmann. – Nächster Redner ist Herr Kollege Markus Blume. Bitte sehr, Herr Blume.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Hartmann, ich habe mich lange gefragt, ob Ihr grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit seiner harten Kritik am Rande des GRÜNEN-Parteitags wirklich recht hatte, was Ihre Mobilitätsvorstellungen angeht. Nach Ihrem Vortrag bin ich mir sicher: Er hatte recht.

(Beifall bei der CSU)

Er hat nämlich gesagt: Ihr habt keine Ahnung, liebe Kolleginnen und Kollegen. 2030 ist ein Schwachsinnstermin. Sich darum zu kümmern, dass es funktioniert,

und keine radikalen Sprüche abzulassen – das wäre notwendig. Ihr habt immer nur irgendetwas im Kopf, ohne dass man den Gesamtprozess sieht. Es war Winfried Kretschmann, der das vor drei Wochen gesagt hat und der damit recht hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Ich frage mich ganz ehrlich, lieber Kollege Hartmann, wie man als bayerischer Landtagsabgeordneter so reden kann wie Sie; denn Sie haben doch Verantwortung, hier nicht nur irgendwelche Reden abzulassen, sondern Sie haben auch Verantwortung für das Land, auch wenn Sie nicht in der Regierung sind.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Hartmann (GRÜNE))

Sie haben Verantwortung für Arbeitsplätze in diesem Land. Sie haben in Bayern Verantwortung für eine halbe Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Automobilwirtschaft.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)

Sie haben Verantwortung dafür, dass die Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, auch in der Zukunft hier wirtschaften können und dass der Transformationsprozess, den Sie beschreiben, gelingen kann.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Hartmann (GRÜNE))

Sie haben Verantwortung, Herr Kollege Hartmann, für die Bürgerinnen und Bürger des Freistaats Bayern,

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Hartmann (GRÜNE))

die auf Mobilität angewiesen sind, die sich vor zwei oder drei Jahren etwa als Handwerker ein neues Fahrzeug gekauft haben. Viele sind dringend auf ihr Fahrzeug angewiesen und können sich nicht alle sechs Monate ein neues Fahrzeug leisten, Herr Kollege Hartmann.

Sie haben Verantwortung für die Kommunen, um gemeinsam Lösungen ins Werk zu setzen und ein Gesamtpaket auf den Weg zu bringen. Sie dürfen hier nicht mit radikalen Placebovorschlägen antreten oder Ihr grünes Wolkenkuckucksheim zeichnen.

Herr Kollege Hartmann, Sie sollten auch Verantwortung für die Umwelt tragen. Da reden Sie in der einen Woche so und in der nächsten Woche anders. Einerseits geht es um den Klimaschutz und um die Reduzierung der CO2-Emissionen – da war Ihnen in der Vergangenheit vielleicht sogar mal der Diesel recht –,

und andererseits geht es jetzt wieder um die Senkung der Stickoxidemissionen. Lieber Herr Kollege Hartmann, mit Blick darauf kann man keine so einseitige und spalterische Rede halten, wie Sie es getan haben. Ich bitte Sie und appelliere an Sie: Denken Sie über Ihre Verantwortung nach, die Sie als Mitglied dieses Hohen Hauses haben.

Wir sind in Bayern – das möchte ich zu Beginn klarstellen –, wir sind kein Entwicklungsland für Elektromobilität, sondern wir sind ganz im Gegenteil ein Zukunftsland für Elektromobilität. Der Freistaat Bayern hat von 2008 bis heute allein für die Förderung der Elektromobilität 134 Millionen Euro ausgegeben. Dabei ist vieles schon eingepreist, was selbstverständlich ist. Deswegen will ich das noch einmal in Erinnerung rufen. Wir haben eine bayerische Forschungslandschaft in diesem Bereich errichtet, lange bevor Elektrofahrzeuge auf die Straße gekommen sind: in Erlangen das Fraunhofer-Institut, in Nürnberg das E|Drive-Center, das Wissenschaftszentrum Elektromobilität an der TU München sowie weitere Initiativen in Bad Neustadt an der Saale, in Würzburg, in Augsburg usw. Wir haben die bayerische Clusterstrategie angepasst und ein großes Maßnahmenpaket zur schnellen Markteinführung auf den Weg gebracht.

Vor einem Jahr, im März 2016, haben wir in diesem Hohen Haus gemeinsam bei Enthaltung der GRÜNEN beschlossen, die Elektromobilität weiter voranzubringen. Für die meisten dieser Punkte kann ich Vollzug melden: direkte Anreize durch Kaufprämien – das ist durch den Umweltbonus in Höhe von 4.000 Euro erledigt. Dann haben wir einen Beitrag des Bundes für den Ausbau der Ladeinfrastruktur gefordert. Das ist auch erledigt. Der Bund stellt 300 Millionen Euro in der Periode von 2017 bis 2020 zur Verfügung, und zwar in der Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur. Die Ausschreibungen hierzu laufen. Wir wollen in Bayern darüber hinaus 7.000 Ladesäulen haben. Im Doppelhaushalt 2017/2018 haben wir gemeinsam 3,8 Millionen Euro für den Ausbau der Ladeinfrastruktur an Behördenstandorten eingestellt.

Wir haben gefordert, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessert werden sollen. Auch das wurde erledigt, und zwar am 17. November 2016 durch Beschluss des Deutschen Bundestages im Rahmen des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Elektromobilität im Straßenverkehr. Schließlich wurde eine öffentliche Beschaffungsinitiative gemeinsam verabredet und im Bund auf den Weg gebracht.

(Ludwig Hartmann (GRÜNE): Fahrzeuge!)

Herr Hartmann, dass Sie sich hier hinstellen und so tun, als sei das Neuland, ist grob falsch. Bayern ist das Zukunftsland – eben auch für Elektromobilität.

(Beifall bei der CSU – Ludwig Hartmann (GRÜNE): Was ist mit den Fahrzeugen für das Hohe Haus und für die Staatsregierung?)

Wenn Sie das nicht glauben, schauen Sie doch einmal, wo in Deutschland Elektrofahrzeuge zugelassen werden. Es gibt kein Land, in dem mehr Elektrofahrzeuge zugelassen wurden als in Bayern.

(Zuruf von den GRÜNEN: Falsch!)

Über ein Fünftel aller Neuzulassungen entfiel auf Bayern.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein!)

Als jemand, der auch die Verantwortung für den Wirtschaftsstandort im Auge hat, freue ich mich besonders, dass wir den weltweit drittgrößten Hersteller von Fahrzeugen mit Elektroantrieb bei uns in Bayern haben, nämlich BMW.

Herr Hartmann, dass Sie hier eine solche pauschale Philippika gegen die Automobilindustrie halten, gefährdet den Wirtschaftsstandort und ist schädlich für die Arbeitsplätze. Lieber Herr Kollege Hartmann, solche Reden sollten Sie hier in Zukunft unterlassen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Es geht natürlich um mehr. Es geht nicht nur um die Frage, wo unsere Automobilwirtschaft heute steht,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

sondern wir müssen auch im Lichte dessen, was heute öffentlich wurde – Stichwort: Luftreinhaltung –, über mehr reden, nämlich darüber, wie wir die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung mit Lebensqualität, mit Umweltschutz, mit Urbanität, aber natürlich auch mit Standort- und Arbeitsplatzinteressen zusammenbringen können.

Ich sage Ihnen, Herr Hartmann: Da ist nicht das Motto "Vorsprung durch Technik" – dazu haben Sie heute übrigens gar nicht gesprochen –, sondern in Bayern heißt unser Motto in der Politik "Vorsprung durch kluge Politik". Wir machen Politik mit allen und nicht gegen alle, wie Sie das tun. Der Gipfel mit der Automobilindustrie, der Gipfel mit den Oberbürgermeistern im Freistaat Bayern, die Abstimmung mit Wirtschaft und Handwerk, lieber Herr Kollege Hartmann, bilden den richtigen Weg, um große Fragen zu diskutieren und Antworten nach vorn zu bringen.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir nehmen alle in die Pflicht. Wir nehmen auch die Landeshauptstadt München in die Pflicht. Denn wenn Sie sich die Karte zur Luftreinhaltung genau anschauen, sehen Sie: Wo der Verkehr nicht läuft, wo vielleicht in der Vergangenheit eine Bushaltebucht zurückgebaut wurde, haben wir heute Luftbelastungen.

(Zuruf von der SPD: Stimmt doch auch!)

Deswegen kann sich niemand von seiner Verantwortung frei machen. Deswegen ist auch der Weg der richtige: Es geht nicht gegen alle, sondern es geht nur mit allen.

Wir setzen zweitens auf Innovation und nicht auf Ideologie. Man kann nicht den Diesel gegenüber allen anderen Antriebsarten verteufeln, sondern ich sage ganz klar: Wir brauchen beides, nämlich alternative Antriebe und selbstverständlich auch moderne Dieselfahrzeuge. Ich darf Sie an dieser Stelle auf eine ifoStudie hinweisen, die heute veröffentlicht wurde. Darin wurde ausgerechnet, was ein Diesel-Verbot für die Arbeitsplätze in Deutschland bedeutet. Ich habe verstanden, dass die Arbeitsplätze Sie nicht interessieren,