(Volkmar Halbleib (SPD): Der Verfassungsge richtshof hat uns gefragt, da müssen wir eine Ant wort geben!)
Für mich gilt jetzt Folgendes: Wir bleiben bei unserem deutlichen Mehrheitsbeschluss im Verfassungsaus schuss. Wir beteiligen uns am Verfahren. Wir halten die Behauptung nicht für gerechtfertigt, es gebe eine Verfassungsverletzung. Herr Kollege Rinderspacher, ich wäre sogar sehr interessiert an dem einen oder anderen Hinweis des Gerichts; damit würde die leidi ge Diskussion um die Frage der Leitkultur um einiges einfacher.
Wir werden bei unserer Vorstellung bleiben. Wir wer den den Antrag aus dem Verfassungsausschuss auf rechterhalten. Ich bitte deshalb die Kolleginnen und Kollegen, dass wir bei der jetzigen Form bleiben: Der Ausschuss empfiehlt, dass sich der Landtag am Ver fahren beteiligt, festzustellen, dass der Antrag unbe gründet ist, und zum Vertreter des Landtags den Ab geordneten Jürgen W. Heike zu bestellen.
Danke schön, Herr Kollege Heike. – Ich gebe bekannt, dass die CSUFraktion zu den Tagesordnungspunkten 13 und 14 namentliche Abstimmung beantragt hat. – Der nächste Redner ist der Kollege Florian Streibl. Bitte schön, Herr Streibl.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein interessanter Tagesordnungspunkt, und wenn zwei sich streiten, dann freut sich der Dritte. Im Grun de wären das wir FREIEN WÄHLER, weil das eine Streitigkeit zwischen den anderen Oppositionsfraktio nen und der CSUFraktion ist. Allerdings ist das Anlie gen, um das es hier geht, ein wichtiges Anliegen, bei dem wir es leider versäumt haben, hier im Hause ein gemeinsames großes Ganzes zu schaffen. Es geht darum, wie die zu uns kommenden Menschen in un sere Gesellschaft, in unser Land integriert werden, damit sie positive Bestandteile unserer Gesellschaft werden. Ob dieses Gesetz diesem Anspruch gerecht wird, bezweifle ich, und ob hier das Verfassungsrecht berührt ist, wird der Bayerische Verfassungsgerichts hof jetzt klären.
klärt, was die CSU hier meint oder meint, verfolgen zu müssen, ist vielleicht das richtige Anliegen, aber sie verwendet dafür einen völlig falschen Begriff. Man sollte hier eher von den Basiswerten oder Grundwer ten einer Gesellschaft sprechen als von einer Leitkul tur.
Gesellschaft gelingt nur dann, wenn sich alle Mitglie der einer Gesellschaft einem gemeinsamen Werteka non unterwerfen. Dieser Wertekanon muss ein Ge meinwesen ausmachen. Eine Republik oder in ein Freistaat, wie wir in Bayern sagen, ist ein besonderes Gemeinwesen. Dieses Gemeinwesen ist darauf ange wiesen, dass sich die Bürger aktiv daran beteiligen. Dazu benötigen wir eine Wertebasis, und dies funktio niert dann, wenn wir Grundwerte haben. Menschen, die sich diesen Grundwerten nicht beugen und sie nicht annehmen, verweigern letztlich die Integration; denn Integration heißt, gemeinsame Werte anzuneh men, sie zu leben und wertzuschätzen. Bassam Tibi, der den Begriff der Leitkultur eingebracht hat, meinte damals eher die Werte der Aufklärung – das Sapere aude, wage zu denken –, die Werte der Toleranz, aber nicht das, was Ihr Leitkulturbegriff nebulös bezeichnet und bei dem man fragen kann, ob jetzt Schäufele oder Schweinebraten gemeint ist oder wo die baye rische Kultur beginnt.
Meine Damen und Herren, in einem Freistaat, in einer Republik sollen republikanische Werte oder republika nische Kultur gelebt werden. Das ist das Miteinander reden, das ist die freie ungehinderte, aber auch die unbequeme Rede, und das ist das Mitentscheiden. Das wäre für eine Republik eine positive Leitkultur, bei der man alle mit einbindet und bei der im Grunde alle mitentscheiden können.
Es kann nicht sein, dass eine Leitkultur, wie Sie sie meinen, dauerhaft halten kann, wenn man nicht ein gemeinsames kulturelles Erinnern hat. Darauf baut eine Kultur letztlich auf. Bei uns hier sehe ich aber das Problem, dass allein schon in unserer heimischen Zivilbevölkerung kein gemeinsames kulturelles Erin nern gelebt wird. Deswegen wird dieser Begriff, der von der CSU ins Spiel gebracht wird, schnell verblas sen und keine große Halbwertszeit haben. Besser wäre es gewesen, wenn man sich auf die Werte der Demokratie, die Werte der Republik und die Werte des freien Westens verständigt hätte und zur Einhal tung dieser Werte durch ein vernünftiges Handeln und Vorleben verpflichtet hätte.
Der Basiswert all dessen steht in Artikel 1 Absatz 1 unseres Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Davon gehen alle unsere Werte aus, und all unser Handeln muss sich daran messen las sen. Das ist der Basiswert, um den es hier geht. Letzt lich ist das kein kultureller Wert, sondern der Wert, zu dem wir uns verpflichten und auf dem wir unser Ge meinwesen, unseren Staat und unsere Nation aufge baut haben. Jeder, der hierher kommt, soll sich die sem Wert unterwerfen, und wer dagegen verstößt, verstößt gegen unseren Staat.
Das hätte man ins Feld führen und darauf achten müssen, wie es gelingen kann, die Menschen, die zu uns kommen, auf diese Werte zu verpflichten und ihnen die Bedeutung dieser Werte beizubringen, wie es gelingen kann, auch für uns selbst, für unsere ei gene Bevölkerung diese Werte wieder mit Leben zu erfüllen. Ich denke, Integration kann dann gelingen.
Ein anderer Punkt, den ich kritisiert habe, setzt bei der Überlegung an, wo sich der Ort der Integration befin det. Der Ort der Integration ist nicht in der Baye rischen Staatskanzlei und schon gar nicht im Bundes kanzleramt. Der Ort der Integration ist in unseren Dörfern, in unseren Gemeinden und in unseren Städ ten. Dort passiert Integration.
Die Integration gelingt durch die Leistung der Men schen vor Ort, allen voran unserer Bürgermeisterin nen und Bürgermeister, die das Ganze exzellent schultern. Hierüber schweigt sich das Gesetz weitge hend aus. Auf unser Anraten kam der Begriff der Kommune hinzu. Nicht geregelt ist aber, wie die Kom mune finanziell unterstützt wird, um diese epochale Aufgabe zu meistern. In der Kommune entscheidet sich, ob die Integration gelingt oder nicht gelingt. Dort entscheidet sich, ob Parallelgesellschaften entstehen oder nicht. Dort entscheidet sich, ob soziale Brenn punkte entstehen oder nicht, ob Banlieus wie in Frankreich entstehen oder nicht. Hier muss angesetzt werden, und das vermisse ich in diesem Gesetz.
Die Chance, hier etwas Großes zu schaffen, um unser Land zu bereichern, wurde verpasst, weil man für einen möglichen Wahlkampf einen Kampfbegriff haben wollte. Man meinte, ihn in der Leitkulturgefun den zu haben. Ich finde es bedauerlich, dass man das Gelingen unserer Heimat der Machterhaltungsoption unterwirft. Das kennt man aber von Ihnen. Jetzt hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof das letzte Wort. Wir sind gespannt, wie das Urteil ausfallen wird.
Wir werden uns aus diesem Streit heraushalten und uns deshalb bei der Abstimmung enthalten. Ich wün sche Ihnen viel Vergnügen bei der Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof.
Danke schön, Herr Kollege Streibl. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Die Frist zwischen Ankündigung und namentlicher Ab stimmung ist noch nicht abgelaufen. Deshalb werden wir die Abstimmung nach dem nächsten Tagesord nungspunkt durchführen.
Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung zu Tagesordnungspunkt 11, Drucksache 17/16719, bekannt. Mit Ja haben 129 Ab geordnete gestimmt, mit Nein haben 15 gestimmt. Es gab keine Stimmenthaltungen. Das Gesetz ist damit so angenommen.
Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspiel wesen in Deutschland".
Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wirksamer Wiesenbrüterschutz in Bayern (Drs. 17/16347)
Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Mi nuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Der erste Redner steht schon da: Das ist Herr Dr. Magerl. Bitte schön, Herr Magerl.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es geht um ein sehr wichti ges Thema, nämlich um den Schutz der Wiesenbrüter in Bayern. Sie sind eine Gruppe von wunderschönen Vögeln, die für einen wunderbaren Lebensraum und eine wunderbare Lebensgemeinschaft steht, nämlich die Grünlandfeuchtwiesen bei uns in Bayern.
Um diese Wiesenbrüter, den Großen Brachvogel, den Kiebitz, die Uferschnepfe, den Rotschenkel und noch eine ganze Menge anderer Vogelarten, steht es ganz, ganz schlecht. Ich beschäftige mich als Biologe auch mit der Kartierung dieser Vögel, und zwar seit den Siebzigerjahren, und muss sagen, dass uns die Be stände dieser Arten durch die Finger rinnen. Von
Roter Liste zu Roter Liste werden sie um eine Stufe heraufgestuft, wobei das Gros dieser Arten mittlerwei le auf Stufe 1 ist, das heißt: vom Aussterben bedroht. Wir müssen alles tun, damit diese Arten bei der nächsten Auflage der Roten Liste nicht von Stufe 1 in die nächste Stufe kommen; das wäre nämlich die Stufe 0, das heißt: verschwunden. Einige Arten wie die Uferschnepfe und der Rotschenkel stehen kurz davor.
Ich muss feststellen: Wir haben ein bayerisches Ar tenhilfsprogramm Wiesenbrüter; wir haben eine Wie senbrüteragenda; wir haben unwahrscheinlich viel bunt bedrucktes Papier mit schönen Bildern dieser Arten. Trotz alledem schwinden die Bestände, obwohl wir nach der EUVogelschutzrichtlinie die Aufgabe haben, die Bestände und die Lebensräume dieser Arten in einem guten Zustand zu erhalten bzw. in einen guten Zustand zu versetzen. Dieses ist uns in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen. Das ist ein Armutszeugnis für die Bayerische Staatsregierung und die CSUFraktion; denn dafür gibt es handfeste Gründe.
Ich habe mir das angesehen. Ich war am Montag mit dem Bund Naturschutz und dem Landesbund für Vo gelschutz in einem der großen Wiesenbrütergebiete unterwegs, nämlich im oberbayerischen Donaumoos. Dort nehmen wir Geld in die Hand. Was ist letztend lich vor Ort der Erfolg bei der Umsetzung? – Er ist nahe null. Der Bruterfolg für ein Brachvogelbrutpaar beträgt dort ganze 0,07 flügge Junge pro Jahr. Damit gibt es nur Bestandsrückgang. Wenn der Bruterfolg derart gering ist, kann man den Bestand nicht halten.
Deshalb müssen wir beim Wiesenbrüterschutz um steuern und dringend neue Maßnahmen einleiten. Wir brauchen in den nächsten Jahren in den Wiesenbrü tergebieten qualitativ und quantitativ hochwertige und ausreichende Grünlandanteile, mindestens 75 %.
Nur wenn wir das schaffen, wird es uns gelingen, diese Arten zu erhalten. Der Ortstermin im Donau moos hat gezeigt: Die Betonung liegt nicht nur auf "quantitativ", sondern auch ganz stark auf "qualitativ". Wenn ich mir ansehe, wie viele dieser Wiesen, in die wir viele 100.000 Euro pro Jahr hineinstecken, teilwei se schon jetzt trocken sind, muss ich feststellen: Die Qualität des Lebensraums reicht dort nicht aus. Des halb fordern wir auch klar und deutlich, dass in sol chen Gebieten der Grundwasserstand angehoben wird. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir diese Arten nicht halten. Nebenbei würden wir damit noch Großes für den Klimaschutz in Bayern tun; denn zwei
Zentimeter Höhe des Donaumooses verschwinden pro Jahr, weil es dort zu trocken ist. Dadurch entste hen Kohlenstoffdioxideinträge in die Atmosphäre. Wir hätten also eine WinwinSituation, nämlich Arten schutz und Klimaschutz, wenn wir endlich an die Grundwasseranhebung herangehen würden.
Um in diesen Wiesenbrütergebieten kleinere Maßnah men sofort umsetzen zu können, brauchen wir drin gend Gebietsbetreuung, und zwar deutlich mehr, als wir jetzt haben. Kümmerer vor Ort müssen mit den Landwirten reden und ihnen sagen: Du, da ist jetzt ein Kiebitzbrutpaar drin, da sind Brachvögel drin; schau doch, dass du deine Bewirtschaftung so managst, dass diese Vögel ihre Jungen hochbringen und statt einem Bruterfolg von 0,07 flüggen Jungen drei oder vier Junge flügge bekommen, wie dies eigentlich in guten Gebieten normal ist.
Frau Kollegin, man kann immer schnell sagen: Die sind daran schuld. Ich habe die Hundehalter im Aus schuss – Sie waren ja dabei – durchaus thematisiert. Sie sind aber nicht der Hauptgrund, warum es unse ren Wiesenbrütern schlecht geht. Der Hauptgrund ist die Art und Weise, wie in diesen Gebieten gewirt schaftet wird. Diesen Punkt müssen wir angehen.
Ich sage noch eines, da meine Redezeit zu Ende geht – ich denke an die Ausschussdebatte –: Sie haben keinen einzigen Vorschlag gebracht, um den Wiesen brüterschutz im Vergleich zur jetzigen Situation zu verbessern. Sie haben nicht gesagt: Hier wollen wir vorankommen, ob das mit mehr Geld ist, ob das Ge bietsbetreuung ist, ob das lebensraumverbessernde Maßnahmen in ausreichendem Umfang sind. – Nichts! Sie setzen auf die Karte der Freiwilligkeit. Die Freiwilligkeit ist beim Wiesenbrüterschutz, obwohl teil weise viel Geld in den Töpfen ist, bedauerlicherweise gescheitert; sonst wären die Arten in der Roten Liste nicht von Stufe 2 oder 3 auf Stufe 1 gekommen, son dern die Entwicklung wäre in eine andere Richtung gegangen. Dort wollen wir hin. Sie sind blank, was den Wiesenbrüterschutz in Bayern anbelangt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal herzlichen Dank in die Richtung der Fraktion von
Christian Magerl. Aufgrund Ihres Antrages haben wir heute die Möglichkeit, den aktuell tatsächlich besorg niserregenden Zustand unserer bayerischen Wiesen brüter zu beleuchten, aber auch die vielschichtigen Ursachen und die aktuellen Aktivitäten der Staatsre gierung zu erörtern.
Ich habe die letzten drei Jahrzehnte als aktiver LBVler und kürzlich auch als Jäger bei KiebitzKartierungen und bei Kooperationsdialogen mit der Landwirtschaft meine Erfahrungen sammeln dürfen und auch einiges Positives für den Arten und Biotopschutz in Bayern erreichen können.