Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen starke Betriebsräte im Übrigen auch, um in Zukunft die Herausforderungen der Digitalisie rung zusammen mit den Arbeitnehmern zu bestehen und dazu beizutragen, Nachwuchs zu gewinnen und Nachwuchs zu fördern. Wir brauchen die Betriebsräte für ein Mitgestalten der betrieblichen Zukunft. Sich der guten Gestaltung der Mitbestimmung zu verweigern, ist einfach nur peinlich. Deswegen geben wir der SPD recht, die diesen Antrag ins Plenum gebracht hat, und stimmen ihm zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. – Wir kommen zur Abstim mung. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Aus schussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktionen SPD, FREIE WÄHLER und Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzei gen. – Die CSUFraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Bei Ablehnung der Kollegen Claudia Stamm interjection: (fraktionslos) und Felbinger (fraktionslos) ist der An trag abgelehnt.

(Claudia Stamm (fraktionslos): Ich habe gerade die Hand gehoben!)

Zustimmung? Dann berichtige ich. Also Zustimmung zu dem Antrag. Danke. Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CSU gegen die Stimmen der SPD, der FREIEN WÄHLER und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Kollegen Claudia Stamm (fraktionslos) und Felbinger (fraktionslos) abgelehnt.

Kolleginnen und Kollegen, jetzt kommen wir zur na mentlichen Abstimmung, und zwar gehe ich jetzt zu rück zum Tagesordnungspunkt 16. Das ist der Antrag der SPDFraktion betreffend "Vogelgrippe und die Auswirkungen auf die Rassegeflügelzüchter", Druck sache 17/16336. Die Urnen stehen bereit. Fünf Minu ten. Ich eröffne die Abstimmung.

(Namentliche Abstimmung von 17.50 bis 17.55 Uhr)

Die Zeit ist um. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, die Stimmkarten draußen auszuzählen. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können. – Ich bitte, die Plät ze einzunehmen, Kolleginnen und Kollegen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Antrag der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner, Ruth Müller, Kathi Petersen u. a. (SPD) Bericht zum Problem der multiresistenten Erreger (Drs. 17/16179)

Zunächst darf ich bekannt geben, dass die Fraktionen übereingekommen sind, auf eine Aussprache zu ver zichten. Außerdem gebe ich bekannt, dass für diesen Antrag vonseiten der CSUFraktion namentliche Ab stimmung beantragt wurde, die wir jetzt aber noch nicht durchführen können.

Ich darf jetzt den Tagesordnungspunkt 19 aufrufen:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Keine zusätzliche Belastung für bayerische und deutsche Steuerzahler durch den Brexit! (Drs. 17/16322)

Ich eröffne die Aussprache. Es wurden 24 Minuten Gesamtredezeit der Fraktionen vereinbart. Ich darf als Erstem Herrn Kollegen Dr. Fahn für die FREIEN WÄHLER das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Prä sidentin, meine Damen und Herren! Die Verhandlun gen über den Brexit sind im Gange. Wohin soll die Reise führen? Wir in Bayern haben uns diesen Brexit

nicht ausgesucht. Wir respektieren das Votum der Bürger in Großbritannien, sind aber der Auffassung, dass wir zumindest diskutieren sollten, ob wir die Zeche zahlen sollen. Immerhin geht es um 2,5 Milliar den Euro, die Deutschland mehr zahlen soll. Günther Oettinger hat einmal gesagt, es wird insgesamt eine Beitragslücke von 11,5 Milliarden oder sogar von 20 Milliarden Euro geben.

Da ist die Frage, was man tun kann, um diese Finan zierungslücke geringer zu machen oder insgesamt zu schließen. Deswegen, meine ich – das ist unser An trag –, sollte die EU schauen, ob es andere Möglich keiten zur Schließung von Finanzierungslücken gibt oder ob wir sofort von höheren Beiträgen zulasten der Bürger sprechen müssen.

Wir sind jetzt erst am Beginn der Austrittsverhandlun gen. Sie sind noch nicht abgeschlossen. Da ist es durchaus möglich, dieses Thema nochmal zu bringen. Es geht uns darum, dass wir in Bayern uns frühzeitig dafür einsetzen, dass alle anderen Möglichkeiten zur Schließung der Finanzierungslücke ausgeschöpft werden. Das ist der Kern unseres Antrags. Wir haben schon im Ausschuss darüber diskutiert.

Wir finden, dieser Antrag ist nicht antieuropäisch, son dern realpolitisch, weil er die Frage thematisiert, was wir tun können, um diese Finanzierungslücke zu schließen. Das ist unser erster Punkt. Das heißt kon kret, die EU sollte zunächst einmal mögliche Haus haltseinsparungen ausloten.

Einen ganz wichtigen Ansatz sehen wir auch in der Frage, ob wir die EUMittel an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in Mitgliedstaaten knüpfen sollten. Da gibt es verschiedene Länder in Europa, die damit große Probleme haben. Natürlich hoffen wir, dass es keine langfristigen Einsparungen gibt. Aber man soll es mal diskutieren.

Das Zweite, was für uns wichtig ist, ist das Modell Norwegen. Norwegen ist ein Land, das seine Aufnah me in die damalige EWG und auch in die EU stets verweigerte. Dort gab es auch Volksabstimmungen. Ein Land, das in Europa liegt, kommt kaum am Bin nenmarkt vorbei. Das ist doch ein Trumpf. Die Norwe ger sind ein Teil davon und zahlen dafür entsprechen de Gelder. Das ist nicht an die EUMitgliedschaft gekoppelt. Sollte dieses norwegische Modell in glei cher oder ähnlicher Form vielleicht auch für uns gel ten und für Großbritannien angedacht werden? Dann wäre ein Großteil der Beitragslücke refinanziert. Im merhin zahlen die Norweger rund 388 Millionen Euro jährlich an die EU.

Uns ist wichtig und es ist der Kern des Antrags, dass man solche Möglichkeiten konkret prüft, bevor man

sagt, wir zahlen insgesamt alles. Deswegen ist es wichtig, dass sich der Landtag hier frühzeitig positio niert; denn wenn der Brexit besiegelt ist und die Ver handlungen abgeschlossen sind, dann können wir nichts mehr machen. Wir wollen nicht von vornherein sagen, dass wir den bayerischen Steuerzahler für den Brexit abstrafen, sondern wir wollen verstärkt prüfen, wie das Vereinigte Königreich in die Pflicht genom men werden kann.

Das Argument der SPD, unser Antrag greife den Ver handlungen vor und sei deshalb nicht zulässig, ver stehen wir nicht. Wir wollen Impulse für die Verhand lungen geben. Für diese Impulse ist wie auch bei anderen Dingen der Bayerische Landtag zuständig. Für uns ist es eine realistische Forderung, die baye rischen Befürchtungen im Hinblick auf den Brexit auf zugreifen. Das liest man auch in vielen Zeitungen.

Damit bin ich schon am Schluss. Die Kernbotschaft unseres Antrags lautet: Es ist wichtig, vorab zu prü fen, ob und inwieweit die Beitragsausfälle der EU durch den Austritt Großbritanniens kompensiert wer den können, bevor die deutschen und bayrischen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Deswegen ist es für uns wichtig, dieses Thema heute nochmal zu diskutieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Für die CSUFraktion: Herr Dr. Rieger bitte. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER ist wieder einmal ein perfektes Beispiel für den Satz "Gut ge meint ist nicht gut gemacht". Liebe FREIE WÄHLER, dieser Antrag zielt auf Effekthascherei, bringt aber für uns in Bayern nichts, überhaupt nichts. Ja, er schadet sogar eher. Ich erkläre Ihnen jetzt auch die Gründe dafür.

Die inhaltlichen Beratungen zum Brexit haben erst diesen Montag begonnen. Bis heute ist in wichtigen Fragen völlig unklar, welche Positionen die britische Regierung im Detail vertritt. Stattdessen herrscht auf der Insel politische Unsicherheit, und die Regierung scheint in der BrexitFrage total gespalten zu sein. In dieser Situation wollen Sie mit einem solchen Antrag einen Schuss ins Blaue abfeuern – so nach dem Motto: Hauptsache reagiert. Das mag aus dem ersten Impuls heraus menschlich verständlich sein, aber poli tisch gesehen, meine Damen und Herren, ist das, auf Bayerisch gesagt, ein Schmarrn, und deshalb ist der Antrag abzulehnen.

Die CSU hat sich des Themas Brexit sowieso schon lange angenommen. Unser Antrag dazu ist vorletzte Woche in diesem Hause beschlossen worden – aber mit einem gewaltigen Unterschied: Wir wollen zu nächst die Fakten klären. Wir wollen von der Staatsre gierung wissen, wie der Ablauf ist und welche Auswir kungen der Brexit konkret haben könnte, um dann das politisch Notwendige gerade auch für die Men schen in Bayern veranlassen zu können. Wir wollen, dass die Verhandlungen zügig geführt und die Interes sen Bayerns in wirtschaftlicher und finanzieller Hin sicht angemessen berücksichtigt werden. Wir wollen, dass möglichst bald Klarheit über das künftige Ver hältnis zwischen der EU und Großbritannien herrscht. Und, meine Damen und Herren, wir wollen zügige Verhandlungen; denn Großbritannien ist für Bayern der zweitgrößte Exportmarkt mit knapp 9 % der baye rischen Gesamtausfuhren. Außerdem gibt es 460 bayerische Firmen jenseits des Ärmelkanals. Insbe sondere darf deshalb unserer heimischen Wirtschaft kein Nachteil durch den Brexit entstehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, den Dringlichkeits antrag der FREIEN WÄHLER lehnen wir aus folgen den Gründen ab:

Erstens. Die Forderung, durch den Brexit dürften keine Mehrbelastungen für Bayern und Deutschland entstehen, ist grundsätzlich richtig, greift aber zu kurz – ebenso wie die Forderung nach Haushaltseinspa rungen; denn all das darf nicht dazu führen, dass sich die Rückflüsse von EUGeldern zu uns zum Beispiel im Bereich der Agrarwirtschaft oder der Förderung strukturschwacher Räume verringern.

(Hans Herold (CSU): Genau!)

Dies wird von den FREIEN WÄHLERN überhaupt nicht berücksichtigt.

Zweitens. Wir lehnen den Dringlichkeitsantrag auch deshalb ab, weil die EU der 27 Staaten geschlossen auftreten und mit einer einzigen Stimme sprechen muss. Ein zielloses Vorpreschen, wie die FREIEN WÄHLER es hier beantragen, bevor wir überhaupt wissen, worum es genau geht, ist schädlich.

Aber vor allem, meine Damen und Herren, lehnen wir den Dringlichkeitsantrag aus folgendem Grund ab: Es kann nicht sein, dass die EU den Zugang zum Bin nenmarkt verscherbelt – und genau das fordern Sie mit Ihrem Dringlichkeitsantrag. Nach Ihrem Willen soll sich Großbritannien den Zugang zum europäischen Binnenmarkt erkaufen können. Das ist politisch mehr als dilettantisch.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, eigentlich geht es doch um viel größere Ziele: Wir müssen das britische Referen dum als Warnschuss und Chance zugleich sehen. Eu ropa muss sich auf seine Kernkompetenzen konzen trieren. Wir werden das Vertrauen und die Zustimmung der Menschen nur verbessern können, wenn wir bei den wesentlichen Fragen Lösungen an bieten. Das sind vor allem die Sorgen der Menschen um die Währungsstabilität, die Sorgen der Menschen um die innere Sicherheit, die Sorgen der Menschen vor den Folgen der Zuwanderung, insbesondere einem Scheitern der Integration, wie wir es in Frank reich und Belgien täglich erleben, und die Sorgen der Menschen um das wirtschaftliche Gleichgewicht in Europa. Das sind die großen Themen der Gegenwart, und das gilt gerade auch für die Menschen in Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Inge Aures (SPD): Magerer Applaus!)

Die entscheidenden Fragen werden daher sein: Wie hat eine Neugestaltung Europas auszusehen? Was soll sie zum Ziel haben? – Eines ist dabei sicher: Wir brauchen ein besseres Europa. Auch die EU hat das erkannt. Sie hat daher im März ein Weißbuch zur Zu kunft Europas mit fünf Szenarien vorgestellt. Wir als Landesparlament wollen diesen Prozess mitgestalten. Daher haben wir im Europaausschuss einstimmig be schlossen, Ende Oktober eine Anhörung zum Weiß buch durchzuführen. Auf unseren Vorschlag wird unter anderen der Präsident des IfoInstituts als Ex perte teilnehmen.

(Herbert Woerlein (SPD): Junge Deutsche, die in Großbritannien studieren, wären die besten Ex perten für Europas Zukunft!)

Ich bin mir sicher, dass wir dabei interessante Infor mationen über die finanziellen Auswirkungen und die Folgen des Brexit gewinnen. Wir als CSU werden die Austrittsverhandlungen Großbritanniens, aber auch die Weiterentwicklung der Europäischen Union ge nauestens verfolgen. Wir werden stets darauf achten, dass bayerische Interessen gewahrt werden. Dabei geht es nicht um billigen Populismus, der mehr scha det als nützt, sondern es geht dabei um das beste Er gebnis für die Menschen in Bayern. Wir brauchen ein Europa, das die Bürger akzeptieren und mit dem sie zufrieden sind. Das ist der richtige Ansatz. Ihr Dring lichkeitsantrag erfüllt das nicht, und deshalb lehnen wir ihn ab. – Danke schön.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Für die SPDFraktion: Herr Kollege Rosenthal bitte.

Sehr geehrte Frau Land tagspräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um einen Dringlichkeitsantrag, der auch schon im Ausschuss diskutiert worden ist. Er möchte die doch umfangreiche Debatte Europas sehr verkürzt behandeln: Sie fordern keine zusätzliche Belastung für bayerische und deutsche Steuerzahler durch den Brexit. Anhand der Begründungen sieht man, dass sehr viel Effekthascherei im Spiel ist, obwohl es ei gentlich um ein Thema geht, mit dem wir uns alle noch intensiv befassen müssen und das uns politisch beschäftigt hat. Die Ausgangslage ist klar: Europa ist auf dem Altar der konservativen Partei Großbritanni ens geopfert worden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Sowohl der frühere Prime Minister Cameron als auch die jetzige Prime Minister Theresa May haben im Prinzip versucht, ihre innerparteilichen Konflikte und ihre Flügelkämpfe auf dem Rücken der Britinnen und Briten und auf dem Rücken Europas auszutragen. Das bleibt ein verhängnisvoller politischer Irrtum mit gravierenden Folgen

(Beifall bei der SPD)

für die Menschen in Großbritannien, mit gravierenden Folgen für viele Menschen in Europa und mit gravier enden Folgen für die Europäische Union.