Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Das habe ich sogar ausgedruckt mitgebracht, weil ich mir gedacht habe, dass die Frage bestimmt kommt. Aber, Herr Aiwanger: Vielleicht kam der Sinneswandel bei Ihnen, weil Sie jetzt selbst Vater von zwei kleinen Kindern sind, und wie es so oft ist: Aus der persönlichen Betroffenheit heraus – –

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das war ich im April auch schon!)

Sehen Sie mal, im April waren Sie auch schon Papa von zwei Kindern.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Darum glaube ich das nicht!)

Aber vielleicht sind sie jetzt in der Kita, und merken selbst als Abgeordneter, wie groß die finanzielle Belastung durchaus ist, und Sie empfinden vielleicht Empathie gegenüber den Familien, die weniger Einkommen haben als Sie als Abgeordneter.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb gilt zumindest an dem heutigen Tag, nachdem so viele Bekundungen pro Abschaffung der Elterngebühren ergangen sind, dass auch Sie, liebe CSU-Kolleginnen und -Kollegen, dieser Forderung zustimmen. Genau heute wäre ein guter Tag für diesen guten ersten Schritt; denn auf den Tag genau heute vor einer Woche war der Weltkindertag. Deswegen wäre das heute zu Beginn des neuen Kita-Jahres ein wunderbares Signal nicht nur für den Zugang zu Bildung der Kinder in den Kitas, sondern letztlich auch für den Geldbeutel der Eltern vor allem mit mehreren Kindern, bei denen die Kosten für Kita-Gebühren oft besonders hart zu Buche schlagen.

Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, bei Ihrem Antrag werden wir uns enthalten. Von der Stoßrichtung her sind wir da ganz nah beieinander, vor allem auch, was die Qualitätsentwicklung betrifft. Aber wir sind der Meinung, dass wir hinsichtlich der Abschaf

fung von Kita-Gebühren nicht auf den Bund warten sollten; denn die Abschaffung der Elterngebühren liegt in unserer Hand, liegt in der Landeshand. Lassen Sie uns dazu tätig werden. Deswegen wollen wir uns hier nur enthalten. Hinsichtlich der Stoßrichtung des Antrags der FREIEN WÄHLER, wenngleich er spät gekommen ist, sind wir uns auch einig. Diesem Antrag stimmen wir zu. Wir hoffen, dass die Forderung nach der Abschaffung der Elterngebühren heute eine breite Mehrheit hier im Hohen Haus findet.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Hu- bert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Kamm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! "Familie ist wieder in", titelte kürzlich eine große Tageszeitung. Jeder bzw. jede dritte Kinderlose im Alter zwischen 18 und 30 Jahren träumt von einer Großfamilie mit drei oder mehr Kindern. Wann haben wir das gehabt? – Das ist doch großartig! Was erwarten die jungen Eltern?

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie erwarten mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und sie erwarten zu Recht eine gute Unterstützung durch den Staat bei der Betreuung der Kleinen. Was brauchen junge Eltern? – Sie brauchen als Erstes natürlich einen Kindergartenplatz. Zweitens brauchen sie in dieser Kita eine gute Betreuung und Förderung ihrer Kinder. Ihnen ist nicht gedient, wenn das in der Kita nicht stimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen für eine verbesserte Betreuung endlich eine verbesserte personelle Ausstattung der Kitas: eine Verbesserung der Stellenschlüssel, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und der Kita-Leitung und eine Erhöhung des Gewichtungsfaktors für die Unter-Dreijährigen. Dort, wo Bayern derzeit steht, ist dringender Verbesserungsbedarf gegeben. Das darf nicht länger auf die lange Bank geschoben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese dringend erforderlichen Verbesserungsschritte bei der frühkindlichen Betreuung dürfen nicht dadurch gefährdet werden, dass der finanzielle Spielraum, der hierfür im Landeshaushalt zur Verfügung stünde, durch die Finanzierung der Beitragsfreiheit vollkom

men aufgesogen wird. Ich sage Ihnen jetzt mal, um welche Größenordnungen es geht. Das ist kein Pappenstiel. Es sind mindestens 400 Millionen Euro dafür erforderlich. Derzeit gibt der Freistaat Bayern 135 Millionen Euro für die Entlastung der Eltern im letzten Kita-Jahr, also im Vorschuljahr, aus. Als diese Beitragsfreiheit eingeführt worden ist – wir erinnern uns noch daran –, wurden gleichzeitig in die Verbesserung der Qualität in den Kitas, in die Verbesserung der Betreuung, nur 63 Millionen Euro investiert. Wir wollen nicht noch einmal ein solches Missverhältnis erleben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen dringend größere Schritte und stärkere Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und zur Betreuung unserer Kleinsten in den Kitas. Natürlich brauchen wir eine Entlastung der jungen Familien. Wer aber glaubt, sagen zu können, dies könne der Freistaat alleine und am besten von heute auf morgen, der irrt. Es funktioniert so nicht. Deswegen sagen wir: Wir müssen es zusammen machen. Wir müssen es zusammen mit dem Bund machen. Wir sollten uns nicht länger gegen ein Qualitätsentwicklungsgesetz sperren, wie das in der letzten Legislaturperiode auf Bundesebene passiert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen dringend starke Schritte. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN und von der SPD, ich finde Ihre Anträge – nehmen Sie es mir nicht übel – einfach zu billig. So einfach kann man es sich nicht machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Steffen Vogel (CSU))

Man muss genau sagen, wie es geht. Man darf nicht einfach sagen: "Wir fordern, wir fordern, wir fordern", sondern muss gangbare Schritte aufzeigen. Das haben Sie versäumt. Deshalb können wir nicht anders, als uns bei diesen Anträgen zu enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Vogel von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Aiwanger hat seine Rede mit dem Ausspruch begonnen: Der Freistaat Bayern muss endlich mehr für Familien tun.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Jawohl!)

Deshalb ist es angemessen, einmal die Leistungen herauszustellen, die der Freistaat Bayern für die Familien erbringt. Bei der Kinderbildung und -betreuung gewähren wir jedes Jahr einen Betriebskostenzuschuss in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. Diese Leistung ist höher als die Leistung jedes anderen Bundeslandes. Kein Bundesland unterstützt die Kommunen und die Träger bei dem Betrieb ihrer Kindertagesstätten mehr als der Freistaat Bayern mit einer Summe von über 1,4 Milliarden Euro pro Jahr.

Wir hatten außerdem bereits in der Vergangenheit die höchsten Investitionskostenzuschüsse. Bundesmittel von über 400 Millionen Euro und Landesmittel in Höhe von 930 Millionen Euro wurden zur Verfügung gestellt. Kein anderes Bundesland hat die Kommunen beim Ausbau der Betreuungsplätze so stark unterstützt wie der Freistaat Bayern. Wir haben zusätzlich das Landesbetreuungsgeld und als einziges Bundesland das Landeserziehungsgeld. Deshalb müssen wir uns nicht vorwerfen lassen, dass der Freistaat Bayern für Familien zu wenig tut. Der Freistaat Bayern ist und bleibt das Familienland Nummer eins in Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Ein Thema der Anträge ist die Kostenfreiheit, das andere Thema ist die Schaffung weiterer Betreuungsplätze. Wir haben jetzt das vierte Sonderinvestitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 178 Millionen Euro. Dieses Programm unterstützt nicht nur die Krippen, sondern wurde auch für die Schaffung von Kindergartenplätzen aufgelegt. Somit bestehen jetzt für die Kommunen und die Träger ideale Voraussetzungen für die Erweiterung der Zahl der Betreuungsplätze. Sie erhalten die FAG-Förderung und darüber hinaus zusätzlich 35 % obendrauf.

In dem Gebiet, aus dem ich komme, sind die Kommunen nicht ganz so finanzstark. Über das FAG werden dort 50 bis 60 % der Kosten übernommen. Hinzu kommen 35 % über das Sonderinvestitionsprogramm. Das bedeutet, bei uns liegt die Förderquote für den Erhalt, für Teilsanierungen und für die Neuschaffung von Kinderbetreuungsplätzen bei 80 bis 90 %. Das ist ein hervorragendes Signal an unsere Kommunen, jetzt die Betreuungskapazitäten auszubauen.

Damit komme ich zur Qualität. Wir haben vorhin etwas vom "Dornröschenschlaf" gehört. Beklagt wurde, es sei nichts passiert. Sie vergessen oder verschweigen bewusst, dass es auch die Pädagogischen Qualitätsbegleiter gibt. Momentan läuft ein Modellversuch, mit dem 60 Vollzeitstellen für insgesamt 81 Qualitätsbegleiter geschaffen worden sind. Diese werden ergänzend in 1.250 Kindertageseinrichtungen

tätig, um dort die pädagogische Qualität weiterzuentwickeln und voranzubringen. Dieser Modellversuch ist auf vier Jahre angelegt. Im nächsten Jahr werden wir dieses Modell verstetigen und flächendeckend auf ganz Bayern ausdehnen. Gerade hinsichtlich der Qualität ist in Bayern also sehr viel passiert.

Sie haben geschildert, das Plus von 63 Millionen Euro der Kommunen bedeutet 126 Millionen für die Kindertagesstätten in Bayern. Wir haben von den Trägern und den Kommunen sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, dass dieser Schritt richtig war. Die Qualität geht vor Kostenfreiheit. Jeder Euro kann immer nur einmal ausgegeben werden.

Damit komme ich zu dem Vorschlag der kompletten Freistellung von den Betreuungskosten. Ich selbst bin Vorsitzender eines Trägervereins. Mir stehen die Zuschüsse der Gemeinde, des Freistaats Bayern und die Elternbeiträge zur Verfügung. Ich muss ein wirtschaftliches Konzept entwickeln, um kein großes Defizit zu verursachen. Würden wir einen Freibrief ausstellen, die Elternbeiträge fiktiv nach oben zu treiben und die Rechnung zum Freistaat Bayern zu schicken, wäre damit jedes Kostenbewusstsein beseitigt.

(Isabell Zacharias (SPD): Das ist doch Unsinn!)

Natürlich ist das so. – Dies würde auch zu erhöhten Buchungszeiten führen. In dem Moment, in dem die Eltern von den Betreuungskosten freigestellt werden, werden sich die Buchungszeiten extrem erhöhen. Dann wird ein Puffer von 4, 6 oder 9 Stunden gebucht. Die Eltern werden immer die volle Betreuungszeit buchen, auch wenn sie ihr Kind früher abholen. Dies führt zu erhöhten Buchungszeiten und zu einem erhöhten Personalbedarf. Wir haben aber schon jetzt einen Fachkräftemangel.

Die Eltern müssen momentan einen gewissen Beitrag zahlen. Deshalb sind sie auch sehr aufmerksam, mit welcher Qualität die Kinder in der Einrichtung betreut werden. Die Eltern prüfen, welche Gegenleistung sie für ihren Elternbeitrag erhalten. Welche Folgen hätte dieser Dringlichkeitsantrag? – Die Buchungszeiten würden sich erhöhen. Die genannten 130 Millionen Euro reichen nur für Beiträge bis zu einer Höhe von 100 Euro. In Bayern gibt es aber auch Kindergartenbeiträge, die bei 200 oder 300 Euro liegen. Bei einer vollständigen Freistellung müssten wir von einem Betrag von 600 oder 700 Millionen Euro in jedem Jahr sprechen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Na und? Sind uns das die Kinder nicht wert?)

Das ist das wirtschaftliche Verständnis der FREIEN WÄHLER. – Sozial Schwache sind bereits jetzt freige

stellt. Erklären Sie mir bitte, warum Herr Hubert Aiwanger nicht 100 oder 120 Euro Elternbeitrag bezahlen kann. Warum müssen Herr Hubert Aiwanger, Herr Steffen Vogel oder ein Ingenieur entlastet werden, die kein schlechtes Geld verdienen?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die Polizeibeamten!)

Warum müssen die entlastet werden? Sie wollen eine Pauschalentlastung. Deshalb ist es schon fast grotesk, wenn Frau Rauscher sagt, Herr Aiwanger hätte jetzt zwei Kinder und wisse jetzt, was das kostet; deshalb sei er sensibel; deshalb komme jetzt der Antrag, damit Hubert Aiwanger von den Betreuungskosten für seine Kinder entlastet werden kann. In unserem Lande gibt es genügend Menschen, bei denen es ungerechtfertigt wäre, sie zu entlasten. Ich zahle gern einen Beitrag, wenn ich dafür eine hohe Qualität in meiner Einrichtung habe.

(Isabell Zacharias (SPD): Kindergeld unabhängig vom Einkommen! Das ist doch das Gleiche!)

Im Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER ist die Rede davon, dass uns jedes Kind gleich viel wert sein müsse. In meiner Einrichtung kostet der Betreuungsplatz 120 Euro im Monat. Würde ich freigestellt werden, würde der Freistaat Bayern mein Kind mit 120 Euro bezuschussen. In der Stadt München kostet ein Platz 300 Euro. Der Freistaat Bayern würde also die Eltern in München um 300 Euro entlasten. Die Entlastung von Eltern im Ballungsgebiet wäre also dreimal so hoch wie die von Eltern im ländlichen Bereich. Damit wären die Kinder nicht gleich viel wert. Vielmehr entstünde ein Ungleichgewicht, je nach Region.

(Horst Arnold (SPD): Ungerecht ist etwas anderes!)

Der Antrag ist in dieser Hinsicht ungerecht und nicht zielführend, da er von falschen Voraussetzungen ausgeht. Wir sind gegen eine komplette Freistellung von jeglichen Gebühren. Auch das Land Hessen stellt nicht frei. Das Land Hessen zahlt 136 Euro als Pauschale an die Kommunen. Wenn Eltern 7 oder 8 Stunden buchen, müssen sie etwas dazu bezahlen. Ein Drittel der Betreuungskosten wird in Hessen von den Kommunen bezahlt. Das haben Sie nicht angesprochen.

Die Bertelsmann-Studie hat sich zu den Zuständen in Hessen geäußert. Diese Studie der Bertelsmann Stiftung rät von einer kompletten Gebührenfreistellung ab: Auch die Kommunen blicken mit Sorge auf die Gebührenfreistellung. Erst wenn die Qualität stimmt und genügend Betreuungsplätze zur Verfügung ste