Protokoll der Sitzung vom 17.10.2017

Danke schön, Herr Kollege Fahn. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kamm. Bitte schön, Frau Kamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir fordern Sie mit unserem Antrag auf zu veranlassen, dass aus Bildungsmaßnahmen, Integrationskursen und Qualifizierungsmaßnahmen und aus der Schule keine Abschiebungen erfolgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben schon oft darüber gesprochen und waren uns auch darüber einig, wie wichtig und wie sinnvoll Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sind. Sie wissen genauso wie wir, wie viel Energie und Einsatz von den Lehrerinnen und Lehrern und von den Ehrenamtlichen aufgewandt wird, um denjenigen, die aufgrund von Krieg, Flucht und Verfolgung so viele Jahre ihrer Jugend für das Lernen verloren haben, Grundlagen für einen späteren Beruf und ein selbstverantwortetes Leben zu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Entsprechend der Kinderrechtskonvention und entsprechend unserer Verantwortung gegenüber den Schutzbefohlenen ist dem Recht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung klar der Vorrang gegenüber der Durchführung von Abschiebungen einzuräumen. Schulen sind Orte des Lernens und müssen daher auch Orte der Sicherheit sein. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, versetzen Sie sich doch bitte einmal in die Lage einer Schülerin oder eines Schü

lers in einer Berufsintegrationsklasse. Viele von ihnen sind noch im Verfahren. Sie haben eine unklare Aufenthaltsperspektive. Zumindest haben sie die Sorge, dass das Verfahren nicht so verläuft, wie sie es sich erhoffen. Das belastet sie. Käme dann auch noch die Angst vor einer Abschiebung unmittelbar in der nächsten Stunde hinzu, dann kann man eigentlich den Bildungserfolg abhaken. Der Erhalt des Schulfriedens ist existenziell für erfolgreiches Lernen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen daher in den Schulen eine Arbeits- und Lernatmosphäre erhalten. Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler brauchen den Schulfrieden. Dieser ist gestört, wenn Schülerinnen und Schüler aus Angst, dort festgenommen zu werden, die Schule nicht mehr besuchen. Ich habe mit etlichen Berufsschullehrern gesprochen, die mir bestätigt haben, dass eine ganze Reihe von Schülerinnen und Schülern wegen dieser Angst die Schule nicht mehr besucht haben. Andere haben nutzlose Versuche unternommen, ins Ausland zu fliehen. Bitte erhalten Sie den Schulfrieden!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben mit Ihrem Versuch, ein völlig überzogenes politisches Exempel zu statuieren, sehr viel Schaden an den Schulen angerichtet. Ihr Vorgehen war unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Unglaublich ist, dass das Ausländeramt Nürnberg dem betroffenen Schüler den vorhandenen ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht ausgehändigt und ihm damit die Möglichkeit genommen hat, rechtzeitig dagegen Rechtsmittel einzulegen. Ein solches Vorgehen ist für den Rechtsstaat fatal. Wir wollen, dass Geflüchtete zukünftig auch Vertrauen in unseren Rechtsstaat haben. Ansonsten könnte sich unser Justizminister Herr Bausback seine Rechtskurse in den Flüchtlingsheimen sparen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der zeitliche Zusammenhang des Abschiebeversuchs in der Nürnberger Berufsschule mit einem verheerenden Anschlag im Diplomatenviertel von Kabul, wo viele Menschen zu Tode kamen und verletzt wurden, ist an Dramatik ohnehin nicht zu überbieten. Meine Kolleginnen und Kollegen, in ein Land in einer Situation wie Afghanistan sollten Abschiebungen überhaupt nicht mehr erfolgen. Abschiebungen nach Afghanistan sind auszusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Kolleginnen und Kollegen, wer zudem noch in einer solchen Situation und einer solchen Lage im Heimatland aus dem Klassenzimmer abschiebt, der hat jedes Gefühl für Menschlichkeit verloren.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): So ein Blödsinn! Unverschämtheit!)

Seien Sie einmal ruhig, Herr Herrmann. Ruhig, ruhig, ruhig! Symptomatisch ist doch, dass der Innenminister dieser Debatte fernbleibt und seinen Staatssekretär vorschiebt. Das sagt doch alles.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Florian Herrmann (CSU): Das ist genauso unverschämt!)

Frau Kamm, bitte bleiben Sie noch am Redepult. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich wiederum der Kollege Gantzer gemeldet. – Bitte schön, Herr Gantzer.

Frau Kollegin, was sagen Sie denn dazu, dass die Kollegin Bause im Rechts- und Verfassungsausschuss zu genau diesem Thema gesagt hat, dass grundsätzlich keine Abschiebungen aus Schulen stattfinden sollen, dass sie aber im Ausnahmefall stattfinden können?

Das habe ich so im Protokoll nicht gelesen. Da müssen Sie eine eigene Wahrnehmung haben.

(Widerspruch bei der SPD und CSU)

Jetzt hat Frau Kamm das Wort.

Im Protokoll steht das so nicht. Ich muss es so sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Der nächste Redner ist der Kollege Straub.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich wundert es, dass wir fünf Monate nach dem Fall hier im Plenum noch einmal darüber reden, nachdem eine ausführliche Aussprache sowohl im Rechtsausschuss als auch im Innenausschuss stattgefunden hat. Dort ist ausreichend Aufklärung gegeben worden.

(Widerspruch der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Frau Kamm, wir haben ein bundespolitisches Wahlergebnis, nach dem wir Jamaika machen sollen. Mir

fehlt schon noch etwas die Fantasie, um mir vorzustellen, wie man dort zusammenkommen soll.

(Beifall bei der CSU)

Ich werde mich trotzdem in aller Sachlichkeit meinem Thema widmen.

Eines vorweg: Sie haben die Kinderrechtskonvention zitiert. Wir reden von einem Mann, der 20 Jahre alt gewesen ist.

(Christine Kamm (GRÜNE): 19!)

Nach meinen Informationen war er 20. Aber auch mit 19 ist man nach meinem Wissensstand schon volljährig. Auch mit 19 ist man schon ein Mann.

(Beifall bei der CSU)

Sie reden immer von "bestens integriert". Dabei wird aber die Tatsache unterschlagen, dass dieser Mann bei der Aufenthaltsbeendigung massiv nicht mitgewirkt hat. Er hat bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt. Es wird hier ein Bild gezeichnet, als würden wir jeden Tag Leute aus Klassenzimmern abschieben. Der Mann ist vor allem auch nicht aus dem Klassenzimmer abgeschoben worden. Er ist vorher aus der Klasse geholt worden. Herr Gantzer hatte gerade zwei Zwischenbemerkungen gemacht, denen zufolge es in Ihren Fraktionen widersprüchliche Meinungen gibt.

Jetzt aber zum Grundlegenden. Wie das Wahlergebnis vom 24. September gezeigt hat, erwarten unsere Bürger von der Politik, dass vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber auch abgeschoben werden. Im Normalfall sollte ein Asylbewerber eigentlich freiwillig ausreisen, sodass nicht immer die Zwangsmaßnahme Abschiebung erfolgen muss. Leider ist das Durchlaufen aller rechtlichen Möglichkeiten momentan Usus geworden. Deswegen dauern die Asylverfahren auch so lange, sodass uns zum Schluss wieder vorgeworfen wird: Jetzt sind die Leute drei bis vier Jahre da und integriert. Daran tragen wir nur zum Teil Verantwortung.

Heute setzen wir uns mit Forderungen der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER auseinander, dass wir neben dem Kirchenasyl, das die CSU vollkommen respektiert, weitere Schutzräume schaffen sollen. Das darf meiner Auffassung nach nicht sein. Die FREIEN WÄHLER fordern, dass keine Abschiebungen aus den Klassenzimmern erfolgen. Die GRÜNEN fordern, dass keine Abschiebungen aus Schulen erfolgen. Sie setzen noch eins drauf, Sie sagen, dass man auch aus Bildungsmaßnahmen nicht abschieben darf. Bildungsmaßnahmen sind eigentlich im Endeffekt alle

Maßnahmen. Jeder Kurs ist eine Bildungsmaßnahme. Das hieße, wir schieben faktisch überhaupt nicht mehr ab. Deshalb fehlen mir, wie gesagt, so manche Fantasien; aber ich hoffe, die GRÜNEN im Bund sind etwas vernünftiger als die im Landtag.

(Beifall bei der CSU – Joachim Unterländer (CSU): Genau!)

Machen wir uns einmal die Zahlen bewusst: Von 2015 bis 2017 erhielten insgesamt 1,46 Millionen Asylbewerber ihren Bescheid. In 451.000 Fällen wurden Asylanträge abgelehnt. Es sind 220.000 vollziehbar ausreisepflichte Asylbewerber bei uns im Land. Es gab 11.300 behördliche Abschiebungen und 25.000 vom Bund geförderte freiwillige Ausreisen. Dies soll ins Verhältnis stellen, dass wir in diesem Bereich noch sehr viel zu tun haben.

Wie sieht die Rechtsgrundlage aus? – Wir müssen uns an in Deutschland geltendes Recht halten. Die Entscheidungshoheit hat das BAMF. Die Länder haben keine Kompetenzen zur Entscheidung über Asylanträge; das muss man immer wieder sagen. Schulbesuch in Deutschland gehört nicht zu den Gründen, die einen asylrelevanten Schutz vermitteln können. Die Länder sind zwingend an die Entscheidungen des BAMF gebunden, und die Ausländerbehörden sind übrigens auch verpflichtet, diese zu vollziehen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Anerkennung der Abschiebung!)

In Ihrem Antrag wird auch wiederholt der Vorwurf erhoben, dass man aus Ausbildungsstätten abschiebe. Wir haben die 3+2-Regelung. Es wird niemand aus einer Ausbildungsstätte abgeschoben; aber Sie schreiben das zum wiederholten Mal in Ihre Anträge. Ich bitte Sie, das endlich einmal zu akzeptieren. "Abschiebung aus Integrationskursen" schreiben Sie. Der Antrag suggeriert, dass wir Abschiebungen aus Integrationskursen vornehmen. Das stimmt nicht. Ausländer, die sich in Integrationskursen befinden, haben in der Regel einen Titel, und wir können sie überhaupt nicht abschieben.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das stimmt doch gar nicht! – Weiterer Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Doch, natürlich stimmt das. Sie sind nicht vollziehbar ausreisepflichtig und dürfen auch nicht abgeschoben werden – ganz einfach.

Wenn Sie fordern – ich habe es vorhin schon einmal gesagt –, dass man nicht aus Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, also über die 3+2-Regelung,

abschiebt, dann sagen Sie doch einfach, was Sie eigentlich wollen. Sie wollen überhaupt nicht mehr abschieben, Frau Kamm. Das ist doch Ihr eigentliches Ziel.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))