Protokoll der Sitzung vom 17.10.2017

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Doch. Frau Schulze, Sie haben offensichtlich eine andere Einstellung; aber so steht es in Ihrem Antrag. Definieren Sie doch einmal, was Sie als Bildungsmaßnahme bezeichnen. Eine Bildungsmaßnahme ist nirgends erfasst. Es ist einfach eine komplette Verweigerung der Abschiebung.

Ganz klar ist – und ich glaube, wir sind uns in einigen Dingen einig –: Ich weiß, dass sowohl das Innenministerium als auch unsere Landtagsfraktion sowie, glaube ich, der komplette Landtag Abschiebungen aus Schulen nur in absoluten Ausnahmesituationen wollen. Sie sagten vorhin, wir hätten ein politisches Exempel statuiert. Das war kein politisches Exempel, sondern es war eine Abschiebung.

(Horst Arnold (SPD): Ach was!)

Der Mann war nirgendwo anders greifbar als in der Schule. Aber Sie stellen es so dar, als ob die böse CSU gesagt habe: Um ein Exempel zu statuieren, gehen wir jetzt in die Schule und holen diesen Menschen aus dem Schulbetrieb heraus. – Das ist einfach nicht wahr, sondern es war eine Abschiebung, das ist ganz klar. Es war ein Flieger organisiert worden, und dieser Mann hat zu diesem verbracht werden müssen. Das ist die Realität.

Ich möchte zusammenfassen: Bayern hält sich an Bundesrecht. Übrigens handhaben es alle anderen Bundesländern genauso, aus Schulen nur als Ultima Ratio abzuschieben, aber ich betone nochmals: als allerletzte Möglichkeit. Darin sind wir uns einig und liegen gar nicht so weit auseinander. Die Schaffung weiterer Schutzräume kann nicht zielführend sein; denn sonst wird Abschiebung faktisch unmöglich. Das kann es einfach nicht sein. Und eine Art Schulasyl würde zu Recht Unfrieden stiften. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Straub. – Bleiben bitte auch Sie noch am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung von der Kollegin Kamm. Bitte schön.

Als Erstes bitte ich Sie, die Verleumdung meiner Kollegin Margarete Bause zu

unterlassen. Wir haben mit ihr gesprochen und mit ihr telefoniert.

Habe ich das gemacht?

(Petra Guttenberger (CSU): Nein!)

Sie hat nicht gesagt, dass sie in Ausnahmefällen Abschiebungen aus der Schule befürwortet.

Nun kommen wir zu Ihrem rechtsstaatlichen Vorgehen. Halten Sie es für rechtsstaatliches Vorgehen, wenn die Ausländerbehörde in Nürnberg dem Geflüchteten einen negativen Bescheid des BAMF nicht aushändigt, um ihm letztendlich die Möglichkeit zu nehmen, dagegen Rechtsmittel einzulegen? Ist das rechtsstaatlich? Außerdem sprachen Sie von einer "extremen Ausnahmesituation". Die Polizei hat versucht, den Geflüchteten morgens anzutreffen. Sie hat ihn nicht angetroffen.

(Josef Zellmeier (CSU): Ja! – Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Eben!)

Also, eine extreme Ausnahmesituation sieht wirklich anders aus, Herr Kollege, und jetzt zu konstruieren, er wäre nicht anders greifbar gewesen, ist schlicht und einfach Humbug.

(Beifall bei den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): So ein Zirkus! – Petra Guttenberger (CSU): Das behaupten Sie!)

Herr Kollege Straub, bitte schön.

Zum Ersten zu Frau Bause: Ich habe sie nicht verleumdet. Das können Sie dann mit dem Herrn Gantzer persönlich ausmachen. Dazu kann ich jetzt wenig sagen. Zum Zweiten war es offensichtlich so, dass er in der Früh nicht angetroffen werden konnte und deshalb mit der Schulleitung vereinbart wurde, ihn aus der Schule abzuholen.

Sie behaupten oftmals Dinge, die nicht wahr sind. Sagen Sie doch lieber im Gegenzug einmal, warum in Ihrem Antrag schon wieder steht, dass wir die 3+2Regelung nicht einhalten. Das steht in Ihrem Antrag. Nehmen Sie doch dazu einmal Stellung! Seit Monaten sprechen wir immer über das Gleiche, und in jedem Antrag steht wieder: Ausbildungsstätte, 3+2 wird verletzt. Es war – das wird der Herr Staatssekretär – – Übrigens, da Sie es vorhin sagten: Ein Staatsminister hat auch wichtige Termine, und wir sind froh, dass wir im Innenministerium einen sehr, sehr kompetenten Staatssekretär haben, der bei diesem Thema absolut firm ist und dazu Stellung nehmen kann.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Frau Kamm, wir müssen koalieren. Gehen Sie mich doch nicht immer so an. Seien Sie doch nicht immer so emotional. Ich kann mir es auch noch nicht vorstellen, aber wir müssen vielleicht irgendwann.

(Beifall bei der CSU – Unruhe – Glocke der Präsi- dentin)

Bleiben wir friedlich!

(Heiterkeit bei der CSU)

Zur zweiten Frage, die Sie gestellt haben, kann ich persönlich nichts sagen, aber ich glaube, dass der Herr Staatssekretär sehr kompetent dazu Stellung nehmen wird.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich bin überzeugt, dass wir ein rechtsstaatliches Vorgehen hatten.

(Christine Kamm (GRÜNE): Nein, ich nicht!)

Das wird der Herr Staatssekretär beantworten. Wenn er es nicht sagt, dann, dessen bin ich mir sicher, machen Sie auch bei ihm eine Zwischenbemerkung, und er wird Ihnen darauf antworten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Straub. – Sie müssen immer noch bleiben, da der Kollege Gantzer eine weitere Zwischenbemerkung hat. Bitte schön.

Herr Kollege Straub, nachdem mir gegenüber ein ziemlich schwerwiegender Vorwurf erhoben worden ist – nämlich dass ich eine Verleumdung begangen hätte –, frage ich Sie: Sie waren in der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, die ich gerade zitiert habe, anwesend und haben auch das Wort ergriffen. Wissen Sie, was die Kollegin Bause gesagt hat? Wenn nicht, sage ich hier ganz eindeutig: Es gibt ein Protokoll. Frau Kamm, lesen Sie dieses bitte nach und behaupten nicht etwa, dass ich verleumderisch tätig bin. Ich fordere Sie auf, diesen Vorwurf mir gegenüber zurückzunehmen.

(Beifall bei der SPD – Joachim Unterländer (CSU): Jawohl!)

Herr Straub, bitte schön.

Ich kann dazu nur sagen: Ich hatte mit Frau Bause im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen nur sehr kurz das Vergnügen. Mir ist aufgefallen, dass man im Rechtsausschuss mit Frau Bause sehr gut auf Rechtsgrundlagen hat diskutieren können, was im Plenum leider Gottes teilweise nicht so möglich ist, weil dann Dinge, die ganz klar sind, wesentlich populistischer dargestellt werden.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Danke schön, Herr Kollege Straub. Sie sind jetzt entlassen. – Ich möchte einmal etwas Zunder aus der Debatte nehmen und darauf hinweisen, dass nach unserer Geschäftsordnung in Ausschüssen in der Regel keine Wortprotokolle geführt werden und man daher auch nicht wörtlich daraus zitieren kann. Diese Protokolle sind auch nicht von der Rednerin oder dem Redner freigegeben. – Dies nur als Hinweis. – Nächster Redner ist der Kollege Arnold, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Verwaltungsmaßnahmen sollen stets verhältnismäßig sein, geeignet, notwendig und erforderlich. Die Maßnahme in der Berufsschule in Nürnberg am 31.05.2017 wurde diesem Erfordernis nicht gerecht und hat weitgehenden Schaden durch Störungen in der Schule bei den Schülerinnen und Schülern angerichtet, massive Personenschäden bei der Polizei und bei Demonstranten und insgesamt die Lage polarisiert.

War das notwendig? Man hat sich von vorneherein für eine auch zulässige Direktabschiebung entschieden, weil man wusste, dass gerichtliche Entscheidungen die so angedachten behördlichen Planungen nicht stützen würden. Das war alles an einem Tag, und das unter Zeitdruck. Die eigentlichen Bescheide wurden erst zwei Stunden nach der Maßnahme selbst ausgehändigt. Gegenüber dem Parlament wurde das schriftlich so beschrieben, dass das Ermessen der Verfahrensgestaltung in Ansehung der besonderen Umstände des Einzelfalls sowie unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze auszuüben sei. Wörtlich: "hierzu gehört auch, dass effektiver Rechtsschutz möglich bleiben muss." Dann weiter. Dies sei ja möglich gewesen, "weil ein Antrag auf Anordnung der Untersagung der Abschiebung …vom Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme … um 08.10 Uhr bis zum Zeitpunkt des geplanten Fluges um circa 21.50 Uhr möglich" gewesen sei.

Ernsthaft? Glaubt man wirklich, dass die Polizei in diesem Zusammenhang den Betroffenen bei der Ge

schäftsstelle des Verwaltungsgerichts vorbeigefahren hätte? Oder hätte sie ihn vielleicht gar seinem Anwalt überlassen, um diese Maßnahme zu klären? – Alle Theorie ist grau.

Tatsächlich war der Betroffene noch zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme im Besitz einer rechtsgültigen Duldung, die die zentrale Ausländerbehörde, das heißt nicht die Stadt Nürnberg, sondern die Regierung von Mittelfranken am 27.04. bis zum 27.07. verlängert hatte. Ich will Ihnen unabhängig davon, dass die Erlöschensbescheide erst zwei Stunden nach der Ingewahrsamnahme übergeben wurden und der Abzuschiebende erst zu diesem Zeitpunkt wusste, woran er war, sagen, was die Beschwerdekammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth darüber geschrieben hat:

Die Kammer erlaubt sich, ohne dass es für diese Entscheidung darauf ankäme, den Hinweis an die beteiligte Behörde, dass sie erhebliche Zweifel hegt, ob es rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, wenn die Bekanntgabe eines bereits verfügten Bescheides, der mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann, bis zum Zeitpunkt des Vollzugs der Abschiebung zurückgestellt und somit die Einlegung des Rechtsmittels vereitelt wird.

Das ist der Punkt, der dazu geführt hat, dass ein Beamter des Innenministeriums im Landtag behauptet hat, das Gericht sei übergriffig geworden und sei überhaupt nicht zuständig. Ich sage Ihnen: Es ist gut, vorbildlich und ermutigend, wenn sich ein bayerisches Gericht mit Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit befasst und Ihnen diese Zweifel ins Stammbuch schreibt.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Die Maßnahme war unverhältnismäßig, und die Polizei agierte in Amtshilfe. Nachdem der Betroffene nicht angetroffen wurde, hat die Zentrale Ausländerbehörde den Tipp gegeben, in der Berufsschule vorbeizufahren und die entsprechende Maßnahme durchzuführen. Leider Gottes ist die Angelegenheit trotz anfänglich vernünftiger Handhabung dann aus unterschiedlichsten Gründen eskaliert. Aber es war so, dass ein Exempel statuiert werden musste – und zwar auf dem Rücken des Betroffenen, der Polizei und natürlich auch der Demonstranten. Wut, Unverständnis, Verunsicherung und Polarisierung! Und das Allerwichtigste: Tatsächliche Abschiebehaftgründe waren zu keinem Zeitpunkt vorhanden, auch ohne das bedauerliche Ereignis des Anschlags in Kabul!

Die Schule ist kein rechtsfreier Raum, und selbstverständlich kann, ja muss die Polizei zur Unterbindung von Straftaten, wie zum Beispiel Landfriedensbruch oder Gewalt gegen Personen oder Sachen, einschreiten. Aber zur Durchführung einer wackeligen, finessenhaft von der Zentralen Ausländerbehörde inszenierten Abschiebung ist uns die Polizei zu schade.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt ein funktionierendes, abgestimmtes rechtliches Instrumentarium, das Abschiebungen ermöglicht, ohne dass dies in Schulen geschehen muss. Wir hoffen und sind uns sicher, dass alle Beteiligten aus diesem bedauerlichen Vorfall gelernt haben und sich Derartiges nicht wiederholt. Insgesamt ist aber klar, dass eine Regel auszureichen ist, die die Zentrale Ausländerbehörde bzw. die Ausländerbehörden insgesamt dazu bringt, von Anordnungen von Abschiebungen aus Schulen abzusehen. Die Gründe haben die Vorredner genannt, und ich möchte sie nicht wiederholen.

Es muss aber auch gesagt werden, dass es in der Tat für nahezu alles Ausnahmen gibt. Es kann in diesem Zusammenhang nicht durchdekliniert werden, dass etwas niemals stattfinden darf. Hier gibt es den alten Satz: Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber die Regel muss sein: Schulfamilie, Schulfrieden und ein friedliches Miteinander und keine Vollzugsmaßnahmen in wackligen Angelegenheiten in der Öffentlichkeit!