Protokoll der Sitzung vom 14.11.2017

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen, und die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 a auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Isabell Zacharias, Ruth Waldmann u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (Schutz von lesbischen Frauen und schwulen Männern vor Diskriminierung in Pflegeheimen) (Drs. 17/18492) - Erste Lesung

Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Die Redezeit der SPD-Fraktion beträgt elf Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist die Kollegin Zacharias.

Geschätzte Präsidentin, Hohes Haus, Kolleginnen und Kollegen! Dieses Jahr ist ein gutes Jahr für die LGBTIQ-Szene, für die Queer Community. Es ist zum Ersten deswegen ein gutes Jahr, weil wir dieses Jahr endlich den § 175 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen haben, aufgrund dessen bis in die Neunzigerjahre des 20. Jahrhunderts Männer wegen gleichgeschlechtlicher Liebe, wegen Unzucht ins Gefängnis kamen, ihre Pensionsansprüche verfielen und sie gesellschaftlich geächtet ihr Leben gefristet haben. Bis in die Neunzigerjahre, Kolleginnen und Kollegen! Das haben wir im Frühjahr dieses Jahres zum Glück erledigt. Das war ein gutes Zeichen.

(Beifall bei der SPD)

Das wolltet ihr übrigens nicht. Ich weiß schon, die CSU im Bundestag wollte es nicht. Auch der bayerische Justizminister Bausback wollte das dezidiert nicht. Ihr habt alles versucht; aber es ist euch zum Glück misslungen. Wir aber stehen dafür. Die Diskriminierung durch den § 175 hat unsere Partei, die SPD, mit ihren Stimmen im Deutschen Bundestag erfolgreich abgeschafft.

(Beifall bei der SPD)

Das ist in jedem Fall einen Applaus wert, weil weit über 50.000 Männer im letzten Jahrhundert davon betroffen gewesen sind. Insofern ist das ein Erfolg der sozialdemokratischen Arbeit.

Kolleginnen und Kollegen der CSU, auch in einer zweiten Sache seid ihr nicht glücklich, deutlich nicht

glücklich: Die Ehe für alle ist gekommen. Alle dürfen heiraten: Männer und Männer, Frauen und Frauen, Männer und Frauen, Frauen und Männer.

(Lachen der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Das ist richtig so. Das ist auch deswegen richtig, weil damit auch das Adoptionsrecht einhergeht. – Kollegin, Sie müssen da gar nicht darüber lächeln. Mir ist das ein wichtiges Anliegen.

(Ingrid Heckner (CSU): Ihre Wortspiele gefallen mir!)

Das finde ich gut, wenn Ihnen meine Wortspiele gefallen. Dann hoffe ich, Ihnen gefällt auch gleich mein Gesetzentwurf; der ist nämlich noch viel besser.

(Beifall bei der SPD)

Die Ehe für alle hat mit der Diskriminierung Schluss gemacht, zumindest, was das Adoptionsrecht und die Frage des vollen Erbrechts angeht. Das ist das zweite Gute. Das hat der Bundestag in Berlin richtig entschieden und zu verantworten.

Kolleginnen und Kollegen, jetzt machen wir mal was Großartiges in Bayern, in München, im Bayerischen Landtag. Dazu haben Sie einen Gesetzentwurf vorliegen. Darin geht es um die große Herausforderung, vor der Männer und Frauen stehen, wenn sie zur Pflege in Alten- und Servicezentren gehen. Sie sind darin schutzlos, weil sie sich selber nicht mehr helfen können oder ihnen in Teilen geholfen werden muss. Sie gehen aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit mit einem hohen Maß an Schutz- und Wehrlosigkeit in diese Einrichtungen. Die Einrichtungen sind großartig und machen ihren Job auch gut. Aber nun stellen Sie sich das Szenario einmal vor, dass ein Pfleger, der selber mit dem Dünkel aufgewachsen ist, dass Homosexualität etwas Ekliges, Unnormales und Inhumanes ist, einen schwulen Mann pflegen soll. Sie können sich vorstellen, dass das nicht besonders gut funktionieren kann.

Sie können sich vielleicht auch vorstellen – ich hoffe, dass das bei Ihnen geht –, dass ein alter schwuler Mann, eine alte lesbische Frau ihre Sexualität, ihre Neigung bis zum Eintritt in eine Pflegeeinrichtung völlig normal ausgelebt haben. Mit "normal" meine ich: das Umfeld wusste es, der Kaufmann an der Ecke wusste es, die Familie wusste es. Er, sie haben ihre Sexualität offen ausgelebt, und es war wunderbar. Jetzt im Alter müssen sie sich aber womöglich wieder einschränken, müssen sich verstellen, müssen vielleicht ihre lesbische Lebenspartnerin oder Ehefrau als Schwester im Pflegeheim anmelden. Vielleicht müs

sen sie ihren schwulen Mann oder ihren schwulen Lebenspartner als "das ist mein Bruder" oder "das ist mein Cousin dritten Grades" verkaufen, damit er überhaupt hinkommen und sie besuchen darf. Kolleginnen und Kollegen, auch für die Familienangehörigen ist das eine Situation, die bedrückend ist.

Wir wollen das nicht, und wir wollen das durch unseren Gesetzentwurf lösen. Mit diesem Gesetzentwurf soll – eigentlich ganz einfach, deshalb ist er auch so schlank, klein und fein – die Wahrung der Selbstbestimmung von Heimbewohnern im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz ein besonderes Ziel werden. Wir wollen, dass dies explizit auch für die sexuelle Identität gilt. Das, meine Damen und Herren, ist entscheidend: Es muss klar sein, dass Menschen, die in ihrer Jugend kein selbstbestimmtes Leben führen konnten, das jetzt im Alter sehr wohl unter einem besonderen Schutz tun dürfen.

Außerdem wollen wir, dass der Schutz vor Diskriminierungen in die Liste der Qualitätsanforderungen für Pflegeheime aufgenommen wird. Wir müssen die Pflegeheime in die Lage versetzen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibel auszubilden, sie sensibel damit umgehen zu lassen, und sie müssen das auch in ihren Pflegekonzepten umsetzen.

Kolleginnen und Kollegen, ich habe es ausgeführt: Wir können hier heute in Bayern für eine kleine Gruppe etwas Großes erreichen: für Männer und Frauen, für schwule alte Männer, für lesbische alte Frauen. Sie sollen im Alter in Würde in ein Pflegeheim gehen können, dort entspannt alt werden dürfen und sich in einem geschützten Rahmen nicht wieder einer Diskriminierung ausgesetzt sehen müssen, die sie vielleicht in ihrer Jugend oder zeit ihres Lebens erfahren mussten. Dafür steht dieses Gesetz, und ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Der nächste Redner ist der Kollege Seidenath.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in Erster Lesung einen Gesetzentwurf, mit dem Frau Zacharias das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz ändern möchte. In Pflegeheimen soll der Schutz von lesbischen Frauen und schwulen Männern vor Diskriminierung verbessert werden. Der Gesetzentwurf sieht hierzu eine Erweiterung des Gesetzeszwecks sowie eine Ergänzung der Sicherstellungspflichten des Einrichtungsträgers und auch der Leitung der stationären Pflegeeinrichtung vor mit den Zielen, die geschlechtliche und sexuelle Identität der Bewohnerinnen und

Bewohner zu bewahren und zu fördern sowie Homosexuelle vor Diskriminierung zu schützen und ihre spezifischen biografischen Erfahrungen im Sinne kultursensibler Pflege zu berücksichtigen.

(Isabell Zacharias (SPD): Ja!)

Was ist hierzu zu sagen?

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Wir sind sehr gespannt!)

Ein Zweck des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes ist die Wahrung und die Förderung von Selbstbestimmung und Selbstständigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner. Ein Teil hiervon ist der Schutz der geschlechtlichen und sexuellen Identität, und zwar auch, ohne dass dies ausdrücklich klargestellt würde. Der Schutz der geschlechtlichen und sexuellen Identität lässt sich unter der Wahrung und Förderung von Selbstbestimmung und Selbstständigkeit subsumieren. Ich habe bisher niemanden gehört, der dies anzweifeln würde. Wir haben hier keine Lücke in unserem PfleWoqG.

Klar ist zudem, dass zu einer professionellen Pflege auch ein kultursensibler Umgang mit den pflegebedürftigen Menschen gehört, und zwar unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Religion und ihrer sexuellen Orientierung. Das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz wirkt bereits jetzt darauf hin, dass die Würde sowie die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Der Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung haben das sicherzustellen. So steht es in Artikel 3 Absatz 2 Nummer 1 des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes.

Ferner haben die Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung gemäß den gültigen Vorschriften des Gesetzes auch sicherzustellen, dass die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung, die Selbstverantwortung sowie die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner gewahrt und gefördert werden. Insbesondere zur Lebensqualität, aber auch zu den Interessen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner gehört die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben, und das bezieht auch jegliche sexuelle Ausrichtung mit ein. Keiner wird ausgegrenzt. Entsprechend nimmt die zuständige Behörde bei den Landratsämtern und bei den kreisfreien Städten ihre Prüfungen vor. Eine gesonderte Aufnahme ist deshalb nicht erforderlich.

Fazit: All das, was die SPD in das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz hineinschreiben möchte, steht dort bereits –

(Horst Arnold (SPD): Na ja!)

nicht ausdrücklich, aber konkludent; sonst müssten wir beispielsweise auch den Sachbeschädigungsparagrafen des Strafgesetzbuchs, den § 303, ergänzen. § 303 heißt – manche hier wissen das vielleicht –:

Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird … bestraft.

(Horst Arnold (SPD): Nur auf Antrag!)

Den Zusatz, "Das gilt auch für ein Auto" oder "Das gilt auch, wenn es sich bei der Sache um ein Auto handelt", braucht es nicht; das Auto ist schon mit umfasst.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Sie haben die Problematik nicht erkannt! – Horst Arnold (SPD): Das öffentliche Interesse ist entscheidend!)

Die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf angestrebte Änderung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes ist nicht notwendig.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Sie verniedlichen ein Problem!)

Durch die in Artikel 3 des PfleWoqG geregelten Sicherstellungspflichten wird eine Berücksichtigung der geschlechtlichen und sexuellen Identität bereits gewährleistet. Auch im Sinne einer Entbürokratisierung und der Vermeidung unnötiger Gesetze ist eine weitere Bestimmung für einen bereits geregelten Sachverhalt nicht erforderlich.

Wir werden den Gesetzentwurf im Einzelnen im Ausschuss beraten. Ich kann aber schon jetzt ankündigen, dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf von Frau Zacharias ablehnen werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Prof. Dr. Bauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht doch außer Frage, dass lesbische Frauen und schwule Männer nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfen, und dies gilt selbstverständlich auch für diese Personen in Pflegeheimen. Es wäre eigentlich wünschenswert – und ich bedauere sehr, dass das nicht allgemeiner gesellschaftlicher Konsens ist –, dass das nicht immer wieder einer besonderen Erwähnung bedarf. Zum Schutz vor Diskriminierung gibt es bereits jetzt rechtlich verbindliche Vorschriften, so das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als Konkretisierung

des grundgesetzlich vorgeschriebenen Gleichbehandlungsgebots.

Speziell für Pflegeheime ist im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz ebenso vorgeschrieben – ich erinnere an die Worte von Herrn Seidenath –, dass die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung, die Selbstverantwortung sowie die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner zu wahren und zu fördern sei. Dazu gehören natürlich auch die sexuelle Identität und andere wichtige Bereiche wie die religiöse Orientierung. Der Gesetzentwurf der SPD würde insofern überhaupt keine konkreten Verbesserungen mit sich bringen, Gesetze würden lediglich künstlich ausgedehnt werden, und die Paragrafenflut würde zunehmen. Das sind die Bedenken der FREIEN WÄHLER.

(Zuruf des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))