Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Florian Ritter, Dr. Christoph Rabenstein, Dr. Paul Wengert u. a. (SPD) Weiterentwicklung des Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus V Zivilgesellschaft mit Landesprogramm unterstützen (Drs. 17/16093)
Antrag der Abgeordneten Florian Ritter, Dr. Christoph Rabenstein, Dr. Paul Wengert u. a. (SPD), Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weiterentwicklung des Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus VI Beratungsstelle für Opfer von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt einrichten (Drs. 17/16094)
Antrag der Abgeordneten Florian Ritter, Dr. Christoph Rabenstein, Dr. Paul Wengert u. a. (SPD), Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weiterentwicklung des Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus VII
Antrag der Abgeordneten Florian Ritter, Dr. Christoph Rabenstein, Dr. Paul Wengert u. a. (SPD), Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weiterentwicklung des Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus VIII Keine Bildungsarbeit in den Schulen durch BIGE und das Landesamt für Verfassungsschutz (Drs. 17/16096)
Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Florian Ritter, Dr. Christoph Rabenstein, Dr. Paul Wengert u. a. (SPD) Weiterentwicklung des Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus IX Kommunen in ihrem Einsatz gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus stärken (Drs. 17/16097)
Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Florian Ritter, Dr. Christoph Rabenstein, Dr. Paul Wengert u. a. (SPD) Weiterentwicklung des Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus X Regelmäßige wissenschaftliche Begleitung und Evaluation (Drs. 17/16098)
Antrag der Abgeordneten Dr. Florian Herrmann, Josef Zellmeier, Norbert Dünkel u. a. (CSU) Fortschreibung des bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus (Drs. 17/17449)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Vereinbarung im Ältestenrat 48 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist lebenswert und attraktiv, vor allem auch wegen seiner Vielfalt, der Toleranz und der Weltoffenheit seiner Bürgerinnen und Bürger.
Menschen mit den verschiedensten Lebensentwürfen, mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen haben hier ihre Heimat gefunden. Sie bereichern das Land und tragen damit zu dem weltoffenen und pluralen Leben bei, das unser Bayern ausmacht. Diese Grundlagen unseres Zusammenlebens werden aber von Rechtsextremisten, Rassisten, Antisemiten, Menschen- und Demokratiefeinden infrage gestellt. Wir wissen also: Repressive Maßnahmen, Bildung, Prävention und ein gemeinsames konsequentes Vorgehen aller Ebenen von Ministerien bis zur Zivilgesellschaft sind unerlässlich;
Rechtsextreme Straf- und Gewalttaten nehmen seit Jahren zu: 2016 wurden 139 Menschen in Bayern Opfer von rechter Gewalt, neun Menschen sind durch einen Rassisten bei dem OEZ-Attentat im letzten Jahr ums Leben gekommen. Die Hasskriminalität online wie offline nimmt massiv zu.
Im ersten Halbjahr 2017 gab es nach Angaben des Bundesinnenministeriums erneut einen Anstieg der antisemitischen Delikte; 93 % davon wurden von Rechtsextremen begangen. Ein sogenannter "Reichsbürger" hat einen Polizisten in Bayern ermordet, und erst dann begann die CSU-Regierung, genauer hinzusehen. Mittlerweile haben wir 3.250 sogenannte "Reichsbürger" in Bayern, die antisemitisch und rechtsextrem sind und unseren Staat ablehnen.
Auch die rechten Einstellungen in der sogenannten Mitte der Gesellschaft werden nicht weniger, wie erst vor Kurzem die LMU-Studie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wieder gezeigt hat. Fremdenfeindliche Positionen sind salonfähig geworden, und
als deren Vollstrecker fühlen sich dann die Rechtsextremen. Neue Rechte sind auf dem Vormarsch, eine völkisch-nationalistische Partei sitzt jetzt sogar im Bundestag. Wir stellen also fest: Das Problem heißt Rassismus.
Seit Jahrzehnten warnen wir GRÜNE zusammen mit gesellschaftlichen Gruppierungen, den Kirchen und der Zivilgesellschaft vor dem Anstieg der rechten Gewalt und rechten Einstellungen. Wir fordern ein konsequentes und nachhaltiges Eintreten gegen Neonazis, aber auch gegen eine antidemokratische Kultur, Rassismus und jede Form von Ungleichwertigkeitsvorstellungen.
Wir GRÜNE sind davon überzeugt, dass Rechtsextremismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und damit auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Der CSU-Ministerrat hat vor acht Jahren das Bayerische Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus beschlossen, und trotzdem nehmen rechtsextreme Taten, Hass und Hetze zu. Man muss also nüchtern feststellen: Ihr Handlungskonzept, das hauptsächlich auf sicherheitspolitischen Maßnahmen fußt, hat versagt.
Ich frage mich schon, wie die CSU dieser Entwicklung tatenlos zusehen konnte. Wir GRÜNE können das nicht. Es schmerzt uns zutiefst, wenn Menschen in unserem Land nicht sicher sind, wenn Geflüchtetenheime angegriffen werden und brennen, wenn Menschen rassistisch beleidigt werden, nur weil sie vermeintlich nicht deutsch aussehen – in Klammern: Wie definieren wir das denn genau? –, wenn selbst ernannte Bürgerwehren durch die Straßen ziehen und wenn Menschen unsere Demokratie und den Rechtsstaat ablehnen.
Ich bin seit 2013 Sprecherin meiner Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus. "Kein Fußbreit den Faschisten" ist meine persönliche Überzeugung, und "Wehret den Anfängen" ist mein politischer Kompass. Ich bin Antifaschistin in dem Sinne, wie das jede Demokratin und jeder Demokrat sein muss; denn der Ausspruch "Nie wieder" sollte nicht nur an Gedenktagen in den Mund genommen werden, sondern muss Handlungsauftrag für alle Tage im Jahr sein.
Ganz besonders ist das ein Auftrag an die politischen Akteure in unserem Land. Wir brauchen wieder den parteipolitischen Konsens und eine Regierung in Bayern, die eine Brandmauer gegen Rechts errichtet. Dazu gehört, liebe CSU-Fraktion, dass man nicht selbst am rechten Rand fischt, sondern klare Kante für Demokratie, Vielfalt und Solidarität zeigt;
denn im Zweifel wählen die Menschen immer das Original. Wer rechtsextremistische Einstellungen und Tendenzen hat, wählt nicht eine Partei, die auch ein bisschen rechts ist, sondern der oder die wählt das Original. Dass Ihr Kurs des "Nach-rechts-Rückens" nicht funktioniert hat, das zeigen Ihr desaströses Bundestagswahlergebnis und das Abschneiden einer völkisch-nationalistischen Partei deutlich.
Was lernt man also daraus? – Demokratie zu stärken, das ist die erste Losung. Verfassungsschützerinnen und Verfassungsschützer zu werden, ist die zweite. Wir GRÜNE sind das bereits, und ich lade Sie herzlich ein, es uns gleichzutun.
Außerdem ist es wichtig, dass man die eigenen Maßnahmen kritisch hinterfragt und darauf achtet, was man daran noch verbessern kann. 2014 haben wir hier im Bayerischen Landtag das allererste Mal die Überarbeitung des Handlungskonzeptes gefordert, aber Sie haben das damals abgelehnt. Wir haben dann eine Expertenanhörung durchgesetzt – die Sie erst nicht wollten –, bei der Expertinnen und Experten uns ebenfalls versichert haben, dass das bayerische Handlungskonzept der CSU-Staatsregierung nicht ausreichend ist.
Anlässlich unseres Antragspakets haben Sie heute die Gelegenheit, Ihre alten Fehler auszumerzen; denn der Antrag, den Sie vorgelegt haben, ist nur ein kleiner Schritt. In den heutigen Zeiten brauchen wir aber große Schritte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und zur Stärkung der Demokratie.
Deswegen brauchen wir erst einmal eine unabhängige Stelle, die die vorhandenen Maßnahmen evaluiert. Das fordern nicht nur wir GRÜNE und die SPD, sondern auch die Oberbürgermeister der größten bayerischen Städte – darunter auch CSU-geführte. Danach muss die Weiterentwicklung des Handlungskonzepts erfolgen, und zwar unter Einbe
ziehung aller – und ich betone: aller – relevanten Akteursgruppen. Dazu gehören auch die Kommunen und die Zivilgesellschaft, die nämlich eine großartige Arbeit beim Kampf gegen Rechts vollbringen. Es braucht empirische Studien, die die Handlungsbedarfe untersuchen, und eine zentrale "Koordinierungsstelle Demokratie".
Wissen Sie, was wir in Bayern auch endlich brauchen? – Wir brauchen in Bayern endlich ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und zur Stärkung der Demokratie. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat der Freistaat kein eigenes, mit Landesmitteln hinterlegtes Landesprogramm zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit. Kolleginnen und Kollegen, das ist unverantwortlich, unverständlich und grob fahrlässig.
Während sich Hass und Hetze immer mehr ausbreiten, zieht sich die CSU-Regierung aus ihrer Verantwortung. Frau Dr. Miriam Heigl, Leiterin der "Fachstelle für Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit" der Landeshauptstadt München, hatte in der Expertenanhörung im Bayerischen Landtag einen treffenden Vorschlag. Ich zitiere sie:
Hierfür könnte der Freistaat – ähnlich wie andere Bundesländer – eine Förderstruktur schaffen, die das Bundesprogramm "Demokratie leben!" ergänzt und so bestimmte Aufgaben an professionelle, zivilgesellschaftliche Träger übertragen und darüber hinaus Mittel für zivilgesellschaftliche Projektarbeit bereitstellen.
Es ist traurig, dass wir im Jahre 2017 in Bayern solch ein Programm noch nicht haben. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit das endlich Realität wird.