Protokoll der Sitzung vom 14.11.2017

Es ist traurig, dass wir im Jahre 2017 in Bayern solch ein Programm noch nicht haben. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit das endlich Realität wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem brauchen wir eine Beratungsstelle für Opfer von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie eine zivilgesellschaftliche Aussteigerberatung. Wir müssen dem Verfassungsschutz die Bildungsarbeit an den Schulen entziehen und die Kommunen in ihrem Einsatz für Vielfalt und Demokratie stärken. All das sind Forderungen, die wir in dem gemeinsamen Antragspaket von SPD und GRÜNEN hier und heute vorgelegt haben. Ich bitte Sie, unserem Antragspaket zuzustimmen, weil es mich wahnsinnig wütend macht, dass ich, seit ich in diesem Landtag bin, an diesem Thema arbeiten muss, während Sie sich mit kleinsten Trippelschritten voranbe

wegen. Helfen Sie heute mit, Demokratie und Vielfalt in Bayern zu stärken! Zeigen wir gemeinsam vom Bayerischen Landtag aus den Nazis und den Rassisten die Rote Karte!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Schulze. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Ritter. Bitte schön, Herr Ritter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das Bayerische Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus wurde nach einem Anschlag auf den damaligen Polizeidirektor der Stadt Passau im Jahr 2009 ins Leben gerufen. Seit diesem Anschlag und der Erarbeitung dieses Konzeptes ist viel passiert. Wir hatten die Selbstenttarnung des NSU mit der Erkenntnis bei der Bayerischen Staatsregierung: So etwas wie Rechtsextremismus oder Rechtsterrorismus gibt es doch. Das hat man nämlich bis dahin immer bestritten. Wir haben eine Erstarkung rechtsradikaler Ideologien und Parteien in ganz Europa. In Deutschland gibt es Bewegungen wie Pegida, in denen rassistische und demokratiefeindliche Einstellungen weite Verbreitung finden. Wir haben die "Reichsbürger", die sich in den letzten Jahren weiterentwickelt haben und immer stärker geworden sind. Bayern ist eine Hochburg der "Reichsbürger"-Bewegung, die lange von der Bayerischen Staatsregierung unterschätzt worden ist, weil sie einfach nicht ins Glaubenssystem gepasst hat.

Einstehen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für menschenwürdige Toleranz, für unseren demokratischen Wertekanon – das ist schon lange nicht mehr die alleinige Bekämpfung kleiner radikaler isolierter Gruppen, die gegen den Staat vorgehen. Werbung für Demokratie, Einsatz für unsere Werte, Argumentieren gegen die populistische Instrumentalisierung von Ängsten müssen viel mehr in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gestellt werden. Meine Damen und Herren, wie gewinnen wir diejenigen zurück, die sich von der Demokratie und ihren Werten abwenden? – Das ist die Frage, die sich die gesamte Gesellschaft stellen muss – und das nicht erst seit gestern.

Der Ansatz des bestehenden Handlungsprogramms lautet: Mit Ordnungspolitik gegen kleine Gruppen organisierter Gegner der Demokratie. Das ist zwar nicht falsch, reicht aber bei Weitem nicht aus. Das war auch schon im Jahr 2009 zu wenig. Von unserer Seite sind viele Initiativen eingebracht worden, um dieses Handlungskonzept weiterzuentwickeln. Frau Kollegin Schulze hat darauf hingewiesen. Wir haben Initiativen für die wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung dieses Handlungskonzepts eingebracht. Diese wur

den abgelehnt. Wir haben Initiativen zur Weiterentwicklung dieses Handlungskonzepts eingebracht. Sie wurden von der CSU auch mit den Worten abgelehnt: Das braucht’s nicht. Was wir haben, langt so.

Wir haben eine Initiative zur Durchführung einer gemeinsamen Anhörung aller Fraktionen eingebracht. Sie wurde abgelehnt. Auf der Grundlage des Minderheitenrechts haben wir am Ende eine Anhörung durchgesetzt, die hier im Bayerischen Landtag durchgeführt wurde. Alles, was wir bemängelt haben – man glaubt es kaum –, wurde von allen geladenen Fachleuten bestätigt. Wir haben darauf hingewiesen, dass die zivilgesellschaftliche und die wissenschaftliche Begleitung des Handlungskonzepts gestärkt werden müssen. Das wurde ebenfalls von den Fachleuten eingefordert, und zwar völlig unabhängig davon, wer diese Fachleute benannt hat. Dazu zählten sowohl Fachleute, die von der Opposition benannt worden sind, als auch Fachleute, die von der Mehrheitsfraktion im Hause benannt worden sind.

Kolleginnen und Kollegen, es muss sich dringend etwas ändern an diesem Handlungskonzept. Unser Antragspaket, das wir gemeinsam mit den GRÜNEN erarbeitet haben, enthält die Konsequenzen, die sich aus dieser Anhörung ergeben. Das sind die Punkte, die dort benannt worden sind und die wir aufgegriffen haben. Nach mehreren Debatten in den Ausschüssen bringen wir diese Forderungen ins Plenum des Bayerischen Landtags ein.

Die Herausforderungen der momentanen politischen Situation in unserem Land müssen wir aufgreifen. Sicherheitspolitische Maßnahmen sind notwendig. Wir müssen aber auch auf Entwicklungen reagieren, die für unser Land und die Demokratie gefährlich sind, selbst wenn sie nicht Objekt und Aufgabe von Sicherheitsbehörden wie Polizei und Verfassungsschutz sind. Wir müssen und wir wollen vor allem die Zivilgesellschaft im Handlungskonzept stärken; denn das Führen der politischen Debatte über demokratiefeindliche Einstellungen und Ideologien ist nicht Aufgabe von Polizei und Verfassungsschutz. Diese Diskussion zu führen, ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft, der Zivilgesellschaft, der politischen Parteien und auch unsere Aufgabe als Bayerischer Landtag.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen die wissenschaftliche Begleitung. Auch das ist eine Konsequenz aus den vielen Fehleinschätzungen, die in den letzten Jahren von der Bayerischen Staatsregierung gemacht wurden. Einige habe ich bereits zu Beginn meiner Rede genannt, so zum Beispiel die Behauptung, es gäbe innerhalb der Nazi-Szene keine Ansätze für

rechtsterroristische Entwicklungen. Dabei wissen wir, dass Gewalt ein immanenter Bestandteil der rechtsradikalen Ideologie ist. Da musste sich erst einmal der NSU selbst enttarnen, bis diese Erkenntnis endlich auch bei der Bayerischen Staatsregierung angekommen ist.

Die "Reichsbürger" wurden lange verharmlost, obwohl es für zivilgesellschaftliche Beobachter der Szene erkennbar war, was sich da zusammenbraut, ohne dass man auf nachrichtendienstliche Mittel zurückgreifen musste. Die Antworten auf die Anfragen, die wir in den Jahren zwischen 2014 und 2016 gestellt haben, waren immer die gleichen. Da hieß es immer, das seien Einzelfälle und eher ein psychologisches Problem.

Letzten Endes geht es auch um das Handlungskonzept selbst. Es geht von der Annahme aus, all das wäre nur ein polizeiliches und ein Verfassungsschutzproblem. Das ist aber nicht der Fall. Wir brauchen deshalb zusätzliche Kompetenz in diesem Programm. Dafür ist die wissenschaftliche Begleitung dringend notwendig.

Es ist eine politische Aufgabe, es ist unsere Aufgabe, die Demokratie zu stärken und die demokratiefeindlichen Ideologien in die Schranken zu weisen. Das müssen wir mit Haltung tun, mit Argumenten und mit klaren politischen Erkenntnissen zu den Werten, die in unserer Verfassung verankert sind.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir brauchen auch die deutliche Förderung von Initiativen vor Ort. Das ist der Kern unserer Anträge. Die CSU hat das immer bestritten. Jetzt legt sie erstmals einen Antrag vor, der eine Fortschreibung enthält und anerkennt, worauf wir seit Jahr und Tag hinweisen: Das Programm reicht bei Weitem nicht. Auch wenn Ihr Antrag unkonkret ist, er allgemein gehalten ist und wenig Bereitschaft erkennen lässt, sich tiefer mit dem Thema zu beschäftigen, werden wir ihm zustimmen. Durch Ihre Verschleppungsstrategien in den letzten Jahren ist der Handlungsdruck nämlich enorm, und deshalb ist jeder Schritt, der gemacht wird, notwendig. Wir erachten es als wichtig, dieses Thema im Parlament zu behandeln. Ärgerlich ist deshalb an Ihrem Antrag, dass Sie dieses Thema offensichtlich aus dem Parlament hinausdrängen wollen. Sie delegieren das Thema an die Verwaltung, obwohl wir jetzt, nach einer intensiven inhaltlichen Beschäftigung in den Ausschüssen, die Möglichkeit gehabt hätten, das Thema hier so zu behandeln, wie es notwendig wäre. Es geht darum, aus politischen Notwendigkeiten heraus politische Entscheidungen zu treffen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu den Anträgen unseres Antragspakets.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Ritter. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Reichhart. Bitte schön, Herr Reichhart.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in den letzten Tagen eine der Gedenkfeiern zur Reichspogromnacht besucht hat, der hat viel von dem mitgenommen, was, wie ich glaube, uns alle bewegt. Er hat mitgenommen, dass diese Vorfälle, die damals geschehen sind, sich nicht wiederholen dürfen. Wir müssen alles dagegen tun, dass jeder Ansatz, dass sich so etwas wiederholen könnte, schon im Keim erstickt wird.

Ich komme aus einem Landkreis, in dem es früher eine starke jüdische Gemeinde gab. Wir hatten mehrere Synagogen. Bei diesen Gedenkfeiern hat mich etwas aber sehr beunruhigt und mitgenommen. Bei den Feierlichkeiten waren viele ältere Leute, Menschen, die schon im gesetzten Alter waren. Gefehlt hat aber die Jugend, gefehlt haben Leute unter 50 Jahren, und es wäre wichtig gewesen, dass auch sie gesagt hätten: Ja, wir gedenken, wir nehmen das auf. – Ich bin deshalb froh, dass wir heute über dieses Thema reden. Ich bin froh, dass wir darüber sprechen, dass wir etwas gegen den Rechtsextremismus tun müssen, dass wir dagegen engagiert vorgehen müssen. Es ist ein Thema, das uns alle beschäftigen muss, das auf der politischen Agenda stehen muss. Ich glaube, diese Einsicht teilen wir alle.

Als Demokraten teilen wir auch alle das Ziel, dass Rassismus, Unterdrückung, Unrechtsstaatlichkeit, Verfolgung, Mord und Benachteiligung in unserem Land nie wieder Tür und Tor geöffnet werden dürfen. Allerdings, und das stelle ich mit Bedauern fest, unterscheiden uns die Maßnahmen, die Mittel und die Wege, wie wir dieses Ziel erreichen wollen. Bei uns, bei der CSU, steht dabei an erster Stelle, dass wir den Extremismus in jeder Form bekämpfen, dass wir ihn in allen Erscheinungsformen verurteilen. Das gilt gleichermaßen für Rechtsextremismus, für Linksextremismus, für Islamismus, für Ausländerextremismus, für jede Form von Ausländerfeindlichkeit, für Antisemitismus, Rassismus, Demokratiefeindlichkeit und Antitoleranz. All dem werden wir entschieden entgegentreten, und dem müssen wir auch entschieden entgegentreten. Liebe Kollegen, ich glaube, diesen Satz können wir alle unterschreiben.

Wir können auch alle unterschreiben, dass wir das Zusammenwirken von präventiven, deradikalisierenden und repressiven Maßnahmen entschieden in den Vordergrund unserer Bemühungen stellen müssen.

Deshalb haben wir mit dem Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus in der Vergangenheit schon einiges erreicht. Wir haben Personen zusammengebracht, wir haben Personengruppen zusammengebracht. Wir sind auch der festen Überzeugung, dass präventive Angebote stetig ausgebaut werden müssen. Das bedeutet auch, dass wir eine bessere Verzahnung brauchen, ein besseres Miteinander, eine bessere Beteiligung der Länder im Rahmen der Bundesprogramme, so, wie das bei "Demokratie jetzt", bei "Demokratie leben!" gegeben ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt aber auch, dass wir uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen sollten. Wir sollten uns auch sagen, wenn jemand Ansatzpunkte hat, dann verhindern wir die Diskussion nicht. Ich erachte es – entschuldigen Sie – als etwas scheinheilig, hier davon zu reden, dass wir jetzt gemeinsam an einem Strang ziehen und gemeinsam etwas dagegen tun müssen, wenn dann manche Personen oder Gruppierungen hier in diesem Parlament verhindern, dass beispielsweise Prof. Hartleb seine Studie vorstellen kann, die er für München erstellt hat. Liebe Kollegen, so kann das nicht gehen. Wir können nicht sagen, wir erstellen Studien, und dann bremsen wir die Ergebnisse aus, weil uns irgendjemand unlieb ist oder weil uns eine Gruppierung unlieb ist. Dann können wir doch nicht verhindern, dass Prof. Hartleb seinen Vortrag hält. Das verstehe ich nicht unter einem Miteinander. Sie müssen sich das vorhalten lassen. Wenn wir sagen, wir kämpfen gemeinsam gegen den Rechtsextremismus, dann muss das gemeinsame Ziel im Vordergrund stehen. Darum sollten wir nicht aus parteitaktischem Kalkül irgendetwas machen, sondern dann müssen wir das Ziel gemeinsam vor Augen haben und gemeinsam dafür kämpfen.

Im Gegensatz zu Ihnen steht für uns auch eines an vorderster Stelle, nämlich dass wir klar hinter unserem bayerischen Verfassungsschutz stehen. Wir wollen seine Öffentlichkeitsarbeit intensivieren. Wir wollen, dass er Aufklärungsarbeit leistet. Wir wollen auch, dass er seinen Sachverstand an den Schulen einbringt. Wir wollen mit verlässlichen Zahlen gegen Extremismus eintreten und präventive Arbeit machen. Die CSU-Fraktion steht deshalb ganz klar hinter dem Handlungskonzept des Freistaats Bayern gegen Rechtsextremismus. Wir stellen uns hinter repressive und präventive Maßnahmen. Wir stehen hinter seiner dynamischen und kontinuierlichen Weiterentwicklung. Alles andere, liebe Kollegen, wäre auch unglaubwürdig. Es würde der Bedrohungslage widersprechen. Wann immer wir neue Erkenntnisse haben, und wir sind froh über neue Erkenntnisse, nehmen wir diese selbstverständlich auf. Diese Erkenntnisse müssen aber schnell in das neue Konzept. Wir dürfen nicht warten, bis ein kompliziertes Evaluierungsverfahren

durchgeführt wird, das viele Kräfte und Kapazitäten bindet. Liebe Kollegen, diese Kapazitäten brauchen wir für den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Wir brauchen sie nicht dafür, um mit viel Kraft und Mühe, mit viel Geld, alles zu hinterfragen.

Ich unterstelle niemandem böse Absichten, aber mit ideologischen Scheuklappen, wie ich sie manchmal bei diesem Thema erlebe, kommen wir nicht weiter. Für uns muss im Vordergrund stehen, dass wir Extremismus, egal in welcher Form, mit der vollen Härte des Gesetzes bekämpfen, mit allen Maßnahmen des Rechtsstaates und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir haben es in der Vergangenheit gezeigt: Wir haben die Zellen in Bamberg ausgehoben, wir haben Pegida, den "III. WEG", die "Reichsbürger" genau beobachtet. Für uns steht im Vordergrund, dass zunächst einmal der Staat diesen Extremismus bekämpfen muss. Es ist oberste Aufgabe des Staates, hier entschieden zu sagen: Stopp, bis hierher, nicht weiter. Der Boden des Grundgesetzes darf nicht verlassen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bauen aber auch auf die Zivilgesellschaft. Wer den Staat, wer seine Strukturen missachtet, der muss auch von der Zivilgesellschaft ausgegrenzt werden, dem muss auch die Zivilgesellschaft entschieden entgegentreten. Liebe Kollegen, wir brauchen deshalb beides, den Staat auf der einen Seite und die Zivilgesellschaft, das Miteinander, das Mitwirken auf der anderen Seite. Ich würde mich deshalb freuen, wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen würden, wenn wir hier etwas gemeinsam erreichen könnten.

Wenn man sich die Anträge der SPD und der GRÜNEN anschaut, dann spricht aus ihnen in besonderem Maße Misstrauen gegenüber dem Staat und den Sicherheitsbehörden. Die Anträge sind in vielen Bereichen von starker Ideologie getragen, aber nicht davon, dass man sagt: Wir wollen gemeinsam dem Extremismus entgegentreten.

(Florian Ritter (SPD): Unsinn!)

Wir stellen uns der Evaluation. Die Evaluation ist ein dauernder Prozess. Wir wollen, dass die Mittel effektiv verwendet werden und dass nicht nur ein staatliches Programm gefahren wird. Wir alle wissen, dass staatliche Programme immer einer Qualitätssicherung unterliegen, dass staatliche Programme immer evaluiert werden, und dafür brauchen wir keine Doppelstrukturen. Dafür ist die interne Evaluation die richtige Maßnahme.

Gleiches gilt für die Vernetzung mit der Zivilgesellschaft. Ich habe es schon gesagt: Die Zivilgesellschaft ist für uns ein entscheidender und wesentlicher Fak

tor. Wir haben eine Landeskoordinierungsstelle, wir haben ein Wertebündnis, wir haben viele Maßnahmen, mit denen wir die Zivilgesellschaft stärken, mit denen wir sie aufnehmen und sagen, beteiligt euch, engagiert euch, macht es mit dem Staat zusammen. Auch dazu brauchen wir keine Doppelstrukturen. Wir brauchen keine neue Koordinierungsstelle in der Staatskanzlei. Wir arbeiten jetzt bereits ressortübergreifend zusammen. Inneres, Bildung, Soziales und Justiz, alle relevanten Akteure sitzen bereits jetzt an einem Tisch, ohne dass wir neue Bürokratie und Stellen brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fördern unglaublich viele weitere Maßnahmen. Wir haben das Bündnis für Toleranz, für das wir jährlich 75.000 Euro ausgeben. Wir haben Koordinationsfachveranstaltungen, zu denen wir auch immer wieder eingeladen werden, bei denen wir Parlamentarier aufgefordert werden, mit den Akteuren der Zivilgesellschaft zu diskutieren. Wir haben die Landeskoordinierungsstelle. Wir haben "jugendschutz.net", wir haben das Netzwerk "Schule ohne Rassismus", das wirklich tolle Arbeit leistet, und wir haben die BIGE, die hier tätig ist und die vieles macht. Insgesamt haben wir ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement. Aber auch der Staat muss ganz deutlich Flagge zeigen.

Einem weiteren Punkt in Ihren Anträgen möchte ich auch entgegentreten. Sie wollen Aussteigerprogramme auf die Zivilgesellschaft übertragen. Hier ist zuallererst der Staat gefordert. Der Staat kann nicht nur die Leute auf Gefahren hinweisen, er kann auch Schutz geben. Er kann denjenigen, die sich aus dem rechtsextremen Umfeld zurückziehen, Schutz geben. Keine private Einrichtung kann so gut schützen wie der Staat. Die Angebote des Staates sind wertneutral und unentgeltlich. Bei einer Bedrohung für Leib und Leben darf es keine Kompromisse geben.

Gleiches gilt für die Arbeit der BIGE. Die BIGE wird permanent infrage gestellt. Permanent wird infrage gestellt, ob der Verfassungsschutz an Schulen gehen soll. Die Aufklärungsarbeit, die vom Verfassungsschutz geleistet wird, ist zielgruppenorientiert und wertneutral. Sie ist profund und in der Analyse präzise. Wer anders als die Leute, die wirklich an der Front stehen, sollen zeigen, was passiert und welche Maßnahmen ergriffen werden? – Deswegen sind wir auch stolz auf die BIGE und die Bildungsarbeit, die dort geleistet wird.

Ich kann es auch aus persönlicher Erfahrung sagen. Wir sind stolz darauf, dass der Verfassungsschutz ein toller Ansprechpartner für die Kommunen ist. Ich komme aus einer Gemeinde, in der einmal infrage stand, ob die NPD eine Diskothek kauft. Ich muss

sagen, wir konnten uns auf den Verfassungsschutz verlassen. Wir konnten uns auf die Beratungsangebote des Verfassungsschutzes verlassen. Wir wussten, dass wir beim Verfassungsschutz gut aufgehoben sind, dass wir in ihm einen Partner haben, der mit uns zusammen das braune Gesocks abhält und sagt: Wir wollen euch bei uns nicht haben. – Dafür bin ich immer noch dankbar; denn der Verfassungsschutz war wirklich ein Partner. Ich glaube, deswegen sollten wir auch hinter dem Verfassungsschutz stehen und sagen: Ihm vertrauen wir, und auf ihn kann sich auch die bayerische Bevölkerung verlassen.

Gleiches gilt – das ist der letzte Punkt, den ich noch aufgreifen möchte – für die wissenschaftlichen Diskussionen. Wir verzetteln uns in wissenschaftlichen Diskussionen darüber, ob wir eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit akzeptieren wollen oder nicht. Wir, die CSU, sagen ganz deutlich: Das ist für uns kein wissenschaftlicher Ansatz. Es ist ein Ansatz, der die Bevölkerung unter einen Generalverdacht stellt. Es ist ein Ansatz, bei dem Ängste nicht ernst genommen werden, sondern mit dem große Teile der Gesellschaft, teilweise sogar die Mitte der Gesellschaft, in eine bestimmte Ecke gestellt werden. Deswegen ist das für uns kein Ansatz, dem wir folgen werden. Deswegen werden wir Ihre Anträge ablehnen, deswegen können wir diesen Vorschlägen nicht nachgeben.

Daher der Appell von unserer Seite: Lassen Sie uns zusammen an diesem Konzept weiterarbeiten. Lassen Sie uns zusammen das bestehende Konzept weiterentwickeln. Lassen Sie uns miteinander am selben Strang ziehen. Verzetteln wir uns nicht in ideologische Debatten. Führen wir keine Debatten mit Scheuklappen oder dergleichen, weil wir dem Staat oder dem Verfassungsschutz misstrauen. Lassen Sie uns alles zusammen machen. Lassen Sie uns zusammen kämpfen. Darum bitte ich. Daher werden wir an den Ausschussvoten festhalten, liebe Kollegin Schulze. Wir werden Ihren Anträgen nicht zustimmen, ich darf aber um Zustimmung zum CSU-Antrag bitten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Reichhart. – Wir haben eine Zwischenbemerkung der Kollegin Schulze. Bitte schön, Frau Schulze.

Herr Kollege Reichhart, vielen Dank für die Information. Ich finde es immer ganz nett, wenn Sie davon sprechen, man solle doch zusammenhalten und zusammenarbeiten. Dazu möchte ich Ihnen sagen, dann kann es nicht nur so laufen, wie Sie es gerne möchten. Das ist dann kein Zusammengehen und kein Zusammenarbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein zweiter Punkt: Ich verwahre mich gegen den Vorwurf, dass wir GRÜNE dem Staat und unseren Sicherheitsbehörden, die gut arbeiten, misstrauen. Ich glaube, Sie haben sowohl meiner Rede als auch der Rede des Kollegen Ritter nicht zugehört.