Florian Ritter

Sitzungen

17/35 17/40 17/43 17/49 17/52 17/58 17/60 17/68 17/85 17/88 17/89 17/116 17/121 17/131 17/133 17/135 17/137

Letzte Beiträge

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist völlig unstrittig, dass die EU-Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in die bayerischen Vollzugsgesetze übernommen und dort umgesetzt werden muss. Allerdings muss man bei diesem Gesetz feststellen, dass es in zweifacher Hinsicht sozusagen unter falscher Flagge segelt. Zum einen ist das deshalb so, weil der Titel suggeriert, es würden reine Anpassungen an die EU-Verordnung vorgenommen. Der Gesetzentwurf enthält aber eine ganze Reihe von substanziellen Änderungen bei den Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte von Strafgefangenen. Diese können – dieser Auffassung sind wir natürlich – gerechtfertigt sein. Dann muss aber die Notwendigkeit tatsächlich begründet werden. Auch wenn Strafgefangene von Haus aus eingeschränkte Rechte haben, muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.
Der zweite Grund, warum dieser Gesetzentwurf unter falscher Flagge segelt, besteht darin, dass dies eigentlich gar kein Gesetzentwurf der CSU ist, sondern einer, der von der Staatsregierung erstellt wurde und lediglich der CSU übermittelt worden ist. Das ist mitnichten illegal. Das kann man machen. Allerdings erspart man sich damit die Verbändeanhörung und die zwangsweise Anhörung anderer Stellen wie beispielsweise der Datenschutzstelle und damit mögliche kritische Stellungnahmen aus Fachkreisen. Eine Bitte an den Datenschutzbeauftragten, seine Einschätzung des Gesetzentwurfs im Ausschuss vorzutragen, hat die CSU im Ausschuss folgerichtig verhindert. Auch wenn es um Strafgefangene geht, ist es unsere Aufgabe, die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit im Ausschuss und in der Beratung in diesem Hause zu prüfen. Dafür brauchen wir die entsprechenden Möglichkeiten. Kolleginnen und Kollegen, einfach Einschränkungen ohne die Prüfung durchzupressen, zeigt ein ganz seltsames parlamentarisches Verständnis, das die Kolleginnen und Kollegen von der CSU hier an den Tag legen.
Folgerichtig bleiben wichtige Fragen unbeantwortet, beispielsweise welche Vorkommnisse es tatsächlich
notwendig machen, dass nicht mehr wie bisher anlasslose Anfragen bei den Verfassungsschutzbehörden getätigt werden, sondern eine automatisierte Regelanfrage für alle erfolgt. Es gab nach Aussage der Staatsregierung keinerlei Vorkommnisse, die ein entsprechendes Vorgehen rechtfertigen würden. Auch die Befugnis zum Auslesen von Datenträgern ist mit der heißen Nadel gestrickt, und es bleibt eine ganze Reihe offener Fragen.
Vonseiten der SPD ist festzustellen: Auch wenn der Entwurf in einigen Punkten durchaus wichtige Änderungen enthält, die wir vom Prinzip her unterstützen könnten, ist er in der Gesamtschau zugleich von einer ganzen Reihe von Einschränkungen geprägt, die deutlich überzogen sind. In den Beratungen wurden die Datenschutzexpertise und andere fachliche Expertise bewusst ausgegrenzt. Unserer Auffassung nach ist dieser Gesetzentwurf nicht verhältnismäßig. Wir werden ihn deshalb ablehnen.
Verehrte Kollegin, es ist auch richtig, dass der Bayerische Landtag jederzeit die Möglichkeit hat, den Datenschutzbeauftragten mit der Bitte um Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf zu seinen Sitzungen zu bitten.
Ja, auch das. Beides ist richtig. Selbstverständlich können wir als dieses Haus den Datenschutzbeauftragten jederzeit bitten, in die Ausschusssitzungen zu kommen und dort eine Stellungnahme abzugeben. Dem haben Sie sich massivst verweigert.
Sehr geehrter Herr Kollege Reiß, jetzt haben Sie fast ausschließlich zu den von Ihnen angekündigten bayerischen Maßnahmen gesprochen und nicht zu dem Masterplan, aber sei‘s drum.
Ich habe eine Frage an Sie. Wenn Sie schon so überzeugt sind von dem Masterplan, wären Sie dann auch bereit, hier in diesem Hohen Hause die 63 Punkte dieses Masterplans einzeln zur Abstimmung zu stellen? Wenn nicht, könnten Sie das gegenüber dem Hohen Hause vielleicht kurz begründen? – Danke schön.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Die DatenschutzGrundverordnung hat eine lange Geschichte, auf die ich anhand eines Punkts ganz kurz hinweisen will, nämlich anhand eines Beschlusses des Bayerischen Landtags, ich glaube, auf Initiative der CSU haben wir in diesem Haus einstimmig beschlossen, bisherige Vorlagen der EU zurückzuweisen, weil wir den hohen Standard des deutschen Datenschutzes auch in der Datenschutz-Grundverordnung widergespiegelt haben wollten, im Übrigen ein deutscher Standard, der auch damals schon die Vereine, die Selbstständigen und die kleinen Mittelständler betroffen hat.
Die Datenschutz-Grundverordnung ist seit zwei Jahren in Kraft. Bisher waren das Fachdebatten. 23 Monate lang wurde in Fachkreisen darüber diskutiert.
Seit einem Monat wird in der breiten Öffentlichkeit darüber diskutiert. Es ist völlig richtig: Die Verunsicherung ist mit Händen zu greifen. Das ist so, wenn man mit Mittelständlern und Vereinen und kleinen Selbstständigen redet. Da ist viel Verunsicherung da, gerade bei denjenigen, die bisher keine eigene juristische Expertise haben, gerade bei denjenigen, die bisher keine großartige Erfahrung mit Datenschutzanforderungen sammeln konnten. Die Mittelständler, die Vereine, die Selbstständigen fragen sich bei diesem großen Gesetzentwurf – es ist ein großer Gesetzentwurf –: Was betrifft mich da eigentlich? Was muss ich da umsetzen? Wo muss ich bei dem, was ich bisher gemacht habe, nachbessern? – Man muss es offen sagen: Wir haben auch einiges falsch eingeschätzt. Diese Angst, diese Verunsicherung wurden auch dadurch nicht besser, dass beispielsweise die Praxishinweise des Bundesinnenministeriums erst Anfang April 2018 veröffentlicht worden sind. Auch das ist letztendlich einer großen Fehleinschätzung zuzuordnen. Man hat geschätzt, dass diese Verunsicherung nicht in diesem Maße auftritt.
Kolleginnen und Kollegen, diese Verunsicherung wurde aber auch ausgenutzt. Es wurde Panik geschürt in der Hoffnung, noch die eine oder andere Beratungsstunde, die eine oder andere Dienstleistung, das eine oder andere Webinar zu verkaufen. Am Ende wussten viele nicht mehr, was im Zusammenhang mit der Datenschutz-Grundverordnung eigentlich Falschinformation ist und was eine tatsächliche Anforderung ist, um die man sich gewissenhaft zu kümmern hat. Da schwirren viele Gerüchte durch die Gegend: Visitenkarten dürften nur noch entgegengenommen werden, wenn man eine Datenschutzerklärung dazu unterschreibt. Es dürften keine Fotos mehr in der Öffentlichkeit gemacht werden.
Aber beispielsweise auch "Informationen", die der Herr Pohl gerade verbreitet hat, dass kleine Vereine von millionenschweren Bußgeldern betroffen seien, sind völliger Unsinn, oder dass ab zehn Mitarbeitern ein Datenschutzbeauftragter notwendig werde. Das ist in diesem Fall auch falsch. Es geht nämlich darum, dass zehn Mitarbeiter regelmäßig und in ihrer Kerntätigkeit mit der Verarbeitung personenbezogener Daten betraut sind. Damit fällt sozusagen jeder kleine Verein und jeder mittlere Verein raus. Da bleiben eigentlich nur noch der FC Bayern München und der ADAC übrig, wenn man sich das genauer anschaut. Also da bitte ein bisschen sachlich bleiben und genauer hinschauen, bevor man es beurteilt. Der Kollege Pohl hat die Datenschutz-Grundverordnung als "Moloch" und als "Bürokratiemonster" bezeichnet, ohne tatsächlich einen einzigen konkreten Punkt zu benennen, der seiner Ansicht nach verändert werden muss. Wir stellen uns nicht auf den Standpunkt, zu sagen, da muss nichts verändert werden; aber wenn wir sagen, da soll etwas verändert werden, dann muss der konkrete Punkt benannt werden, an dem Änderungen vorgenommen werden sollen.
Kolleginnen und Kollegen, auf viele Fragen gibt es sicherlich einfache Antworten. Auf viele andere Fragen gibt es keine einfachen Antworten, und man braucht eine intensive Information. Fehlinformationen verbreiten sich schnell, und je länger eine Frage unbeantwortet bleibt, umso höher ist die Bereitschaft, ein Gerücht für bare Münze zu nehmen. Wie gesagt, wir müssen ehrlich sein. Wir haben dieses Ausmaß der Verunsicherung fehlerhaft eingeschätzt. Deshalb müssen wir jetzt handeln.
Frau Kollegin Guttenberger, natürlich sind die Personalkapazitäten beim Landesamt hier in diesem Haus ausgeweitet worden. Aber diese Beratungskapazitäten sind jetzt in der Einführungsphase vollständig ausgereizt. Es gibt selbstverständlich die Möglichkeit, die entsprechenden Kapazitäten über Abordnungen in das Landesamt für Datenschutzaufsicht über einen gewissen Zeitraum der Einführung zu schaffen, aber nicht als dauerhafte neue Stellen, weil sich nämlich die Unabhängigkeit nicht daraus ergibt, dass der Datenschutzbeauftragte seine Mitarbeiter selber zahlt. Die Unabhängigkeit ergibt sich vielmehr daraus, dass die Entscheidungen des Datenschutzbeauftragten unabhängig sind. Die Beratungskapazität muss dringend ausgebaut werden. Es muss dringend mit den Spitzenorganisationen der Vereine, Verbände und Kammern gesprochen werden, wie man die Beratung besser, schneller und effektiver organisieren kann. Deshalb haben wir das in unserem Antrag mit einge
bracht. Vereinen und Mittelständlern ist nicht geholfen, wenn wir jetzt, wie von den FREIEN WÄHLERN vorgeschlagen, beschließen, dass am Sankt-Nimmerleins-Tag auf der europäischen Ebene oder auf der Bundesebene irgendetwas an der DatenschutzGrundverordnung geändert wird. Den Mittelständlern und Vereinen ist dann geholfen, wenn sie jetzt die Beratung bekommen, was eine Fehlinformation ist und was die tatsächliche Datenschutzanforderung ist und wie ich sie umsetze. Dafür müssen wir jetzt kurzfristig die Kapazitäten schaffen.
Die Forderung der CSU, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung nicht zu Ansprüchen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb führen, ist unseres Erachtens gut und richtig. Deswegen unterstützen wir sie auch. Was hier allerdings von der CSU als bayerischer Weg der Staatsregierung verkauft wird, ist überhaupt nicht der bayerische Weg der Staatsregierung, sondern der schon lange praktizierte bayerische Weg der unabhängigen Datenschutzbeauftragten des Bayerischen Landtags. Das muss man dazusagen. Hier schmückt sich die Bayerische Staatsregierung mit fremden Federn. Da hat die Staatsregierung keine Vorgaben zu machen. Da hat auch der Bayerische Landtag keine Vorgaben zu machen, wie die Datenschutzbeauftragten entscheiden. Aber dieser gute bayerische Weg der Datenschutzbeauftragten findet natürlich unsere Zustimmung. Nur unter dieser Prämisse werden wir diesem Antrag zustimmen. Der unabhängige Datenschutzbeauftragte des Landesamts hat bereits seit Längerem darauf hingewiesen, dass für ihn nach wie vor die Praxis mit Beratung und Hinweisen vor Sanktionen gelten wird. Ich danke dem Landesbeauftragten und seinem Büro ausdrücklich, dass sie das so weiterverfolgen.
Natürlich ist die Bayerische Staatsregierung eitel. Das wissen wir. Da werden wir jetzt nicht länger darüber reden; sonst sind wir morgen früh noch da. Aber wir halten es, auch wenn wir sagen, die Staatsregierung schmückt sich hier mit fremden Federn, für durchaus richtig, dass der Innenminister diesen Hinweis des Datenschutzbeauftragten aufgegriffen und noch einmal öffentlich so vertreten hat, weil es unseres Erachtens durchaus notwendig ist, dass diese Punkte auch von der politischen Ebene aus in der Öffentlichkeit ganz klar und deutlich dargestellt werden. Deshalb werden wir dem Antrag der CSU zustimmen, bitten aber deswegen, weil die Kapazitäten beim Landesbeauftragten ausgereizt sind, auch um Zustimmung zu unserem Antrag, weil wir hier einiges verbessern müssen. – Den Antrag der FREIEN WÄHLER werden wir ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über die
Neufassung des Bayerischen Datenschutzrechtes reden, dann lohnt sich ein Blick zurück auf die Geschichte dieser Neufassung. Sie hat eine verhältnismäßig lange Geschichte, aus der man auch erkennen kann, wie Gesetzgebung nicht funktioniert bzw. nicht erfolgen darf und auch, wie Gesetzgebung sinnvoll funktionieren kann. Wir hatten bereits 2012 den ersten Entwurf vorliegen, der dann aber grandios im Europäischen Parlament gescheitert ist. Grund war massiver Lobbyismus der Industrie gegen die Grundsätze des Persönlichkeitsschutzes. Im Übrigen hat sich gerade die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament sehr damit hervorgetan, quasi jede Formulierung aus den Lobbypapieren in den damaligen Entwurf der Datenschutz-Grundverordnung aufzunehmen. Es ist gut, dass das an die Öffentlichkeit gekommen ist. Es ist gut, dass es einen mittleren Skandal gegeben hat; denn was dann folgte, das war in der Tat eine vorbildliche EU-Gesetzgebung. Die Einflussnahme der Lobbyisten ist ausgesprochen zurückgegangen, und auch der politische Wille, sich bestimmte Vorteile zu verschaffen, wurde aufgegeben.
Heute haben wir deshalb eine Datenschutz-Grundverordnung vorliegen, die eine ausgesprochen gute Grundlage für die Zukunft des Datenschutzes in Europa ist. Das ist ein großer Schritt nach vorn. Wir haben eine europaweite Harmonisierung, wir haben eine Anpassung an die technische Entwicklung. Vor allem aber haben wir – und ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt – eine Anpassung an die Vielzahl digitaler Dienste im Internet, die sich durch einen wirklich enormen Datenhunger und den enormen Willen zur Verwertung dieser Daten auszeichnen. Wir haben durch den gemeinsamen harmonisierten Datenschutz eine Durchsetzungsmacht geschaffen, und damit können wir gegen die Interessen von international agierenden Konzernen etwas tun, die in den letzten Jahren sehr einfallsreich waren, wenn es darum ging, mit den jeweils niedrigsten Standards arbeiten zu können. Die Datenschutz-Grundverordnung ist – wie gesagt – eine gute Grundlage. Das vorliegende Gesetz war mit Sicherheit – da, glaube ich, gebührt unser aller Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium – eine enorme Fleißarbeit.
Das bestehende bayerische Datenschutzrecht wird weitgehend nach den bestehenden Standards auf die Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung gestellt. Es kam sicherlich auch das eine oder andere hinzu; aber auch hier orientiert man sich letztendlich an den bestehenden Standards, was ich sehr begrüße. Es wird im Haus immer wieder einmal europäische Gesetzgebung zum Anlass genommen, die gesamten Standards umzukrempeln; das ist in diesem Fall nicht geschehen. Von daher sehen wir auch
keine Hindernisse, diesem Gesetz in Gänze zuzustimmen.
Es gibt allerdings ein paar offene Punkte, die wir in den Ausschüssen anhand von Änderungsanträgen beraten haben. Dazu gehört – Kollegin Guttenberger hat darauf hingewiesen – natürlich auch maßgeblich das Thema der elektronischen Wasserzähler. Die SPD-Fraktion hat als erste einen entsprechenden Änderungsantrag eingereicht; er ist nach wie vor der weitestgehende Änderungsantrag. Wir wollen damit den Betroffenen, egal, ob Eigentümer oder Mieter, ein jederzeitiges Widerspruchsrecht zubilligen. Dieses Widerspruchsrecht wäre in dem Fall tatsächlich ohne Begründung auszuüben.
Wir kennen die Abstimmungsergebnisse in den Ausschüssen, wir wissen, dass unser Antrag abgelehnt worden ist, und wir werden deshalb den Änderungsanträgen der anderen Fraktionen ersatzweise – das sage ich in dem Fall dazu – zustimmen, auch wenn wir der Meinung sind, dass unser Antrag selbstverständlich der beste und am sinnvollsten ist. Alles, was da folgt, ist immer noch besser als das, was in dem Gesetzentwurf steht, was dieses Widerspruchsrecht angeht.
Allerdings bezieht sich unsere Zustimmung nicht auf den eingereichten Änderungsantrag der CSU auf Drucksache 17/21815, mit dem die CSU – jetzt wird es kompliziert – ihren eigenen Änderungsantrag, den sie mit einer Tischvorlage im Ausschuss geändert hat, nochmals ändert. Dem werden wir nicht zustimmen, weil sich durch diese erneute Änderung unseres Erachtens eine unverhältnismäßige Einschränkung des Widerspruchsrechts ergeben wird.
Wir werden bei den anderen Änderungsanträgen selbstverständlich die Position, die wir in den Ausschüssen vertreten haben, auch hier im Plenum nachvollziehen und werden dem neu eingereichten Änderungsantrag der GRÜNEN zu den Wasserzählern – sie haben ihren ersten Antrag zurückgezogen – ebenfalls zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Allein in der letzten Woche haben in Bayern 17.000 Menschen gegen die Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes demonstriert. Man muss sagen, dass das geradezu spontan geschah; denn all diese Demonstrationen waren sehr kurzfristig angesetzt.
Die Menschen demonstrieren, wie es in unserer Verfassung vorgesehen ist, friedlich. Sie tun es vielfältig und bunt. Die Ablehnung ist breit und reicht weit in die bürgerlichen Schichten hinein.
Kolleginnen und Kollegen, Tatsache ist: Der CSU schwimmen die Felle davon,
und die Furcht, mit dem PAG könnte es ihr genauso ergehen wie mit dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, ist groß.
Auch dieses Gesetz ist letzten Endes an der Kraftmeierei und dem Anspruch der CSU gescheitert, jeden und jede bis ins Kleinste kontrollieren zu wollen und die Menschen bis aufs Blut zu gängeln.
Die Menschen wenden sich gegen dieses Gesetz, weil Freiheit ein Gefühl und ein Selbstverständnis ist, das den Bayern seit Jahrhunderten in Fleisch und Blut übergegangen ist. Deshalb schreiben die Bayern Freiheit groß. Das ist etwas, was die CSU nie verstanden hat und wahrscheinlich nie verstehen wird.
Die CSU schreibt Freiheit besonders klein und dafür den preußischen Duckmäuserstaat besonders groß.
Auch das ist einer der Gründe, warum so viele Menschen dieses Gesetz ablehnen.
Die Menschen wenden sich gegen dieses Gesetz, weil sich in unserem Verfassungsstaat nicht diejenigen zu rechtfertigen haben, die Bürgerrechte und Freiheitsrechte verteidigen, sondern diejenigen, die diese einschränken wollen. Um diesen Grundsatz schert sich die CSU schon lange nicht mehr. Das wird bei diesem Gesetz ganz besonders sichtbar.
Ja, es mag objektive Gründe geben, Freiheiten zu beschränken. Aber diese Gründe müssen ganz konkret und für alle nachvollziehbar vorgebracht werden. Die Menschen wenden sich gegen dieses Gesetz, weil Sie nicht die konkrete Notwendigkeit der einzelnen
Regelungen und ihre Verhältnismäßigkeit darlegen. Sie kehren die Kritik unter den Teppich, dass dieses Gesetz gegen das Trennungsgebot gerichtet ist. Sie führen Eingriffsschwellen ein, die noch nicht einmal Sie selbst den Menschen erklären können.
Ich spreche sehr wohl zum Inhalt des Antrags.
Die Kritik, die wir vorbringen, deckt sich im Gegensatz zu dem, was Herr Kreuzer fälschlicherweise behauptet, vollständig mit der Kritik der Sachverständigen bei der Anhörung in diesem Hause. Ihre Angst vor der Debatte über die tatsächliche Kritik der Opposition und der vielen Menschen in Bayern, die inzwischen gegen diesen Gesetzentwurf auf die Straße gehen, haben Sie eindrucksvoll in einer der letzten Plenarsitzungen und auch heute wieder unter Beweis gestellt. Mit keinem Wort sind Sie auf die Kritik eingegangen, die Ihnen vorgehalten wurde. Mit keinem Wort sind Sie auf die inhaltliche Grundlage der Proteste und den Demonstrationsaufruf für den 10. Mai eingegangen.
Stattdessen haben Sie in den Tiefen der sozialen Netzwerke zwei zugegebenermaßen blödsinnige Zitate herausgesucht und dann den Feind dazu erfunden. Herr Kreuzer, genau das haben Sie heute wieder getan.
Kolleginnen und Kollegen, in einem Punkt hat der Antrag durchaus recht: Es gibt eine Desinformationskampagne über das Polizeiaufgabengesetz. Diese Desinformationskampagne geht von der CSU und der Staatsregierung aus.
Sie können den Menschen die Notwendigkeit nicht erklären und versuchen, die Debatte auf andere Felder abzulenken. Das ist der Hintergrund dieses Antrags, nichts anderes. Angesichts der Demonstrationen in Bayern, die friedlich und nach Recht und Gesetz ablaufen, steht Ihnen der Angstschweiß im Genick.
Was Ihren Antrag noch viel absurder macht, ist der Umstand, dass er von einer CSU kommt, die seit Monaten kein Halten mehr kennt, wenn es darum geht, Haltungen, Forderungen, Wortwahl und Kampagnen zu kopieren, die man vor zwei Jahren noch in Pegida
Filterblasen vermutet hätte. Das alles geschieht in der Hoffnung, irgendwo noch ein paar Wählerstimmen zusammenzukratzen. Dafür werden dann schon einmal Geist und Werte der Verfassung über Bord geworfen. Bei der Bundestagswahl sollten Sie eigentlich gelernt haben, dass das ausschließlich ein Mandatsbeschaffungsprogramm für Rechtspopulisten ist.
Was diesen Antrag außerdem noch viel absurder macht, ist der Umstand, dass er von einer CSU kommt, die ihre Europapolitik vor allem darauf ausrichtet, den radikalen Gegnern eines solidarisch, sozial, rechtsstaatlich und demokratisch verfassten Europas den Rücken freizuhalten. Ja, Herr Kreuzer: Sage mir, mit wem du umgehst. Die CSU bezeichnet Viktor Orbán, der die plurale Verfassung Ungarns mit allen Mitteln untergräbt, als ihren guten Freund und Partner und demonstriert bei jeder Gelegenheit inhaltlichen Schulterschluss. Damit komme ich zu den Vorwürfen, die Herr Blume angesprochen hat: Viktor Orbán hat in den letzten Monaten sein Land mit einer antisemitischen Kampagne überzogen, die sich gewaschen hat. Er nennt die CSU unwidersprochen seinen einzigartigen Waffenbruder.
Was diesen Antrag schließlich noch absurd macht, ist der Umstand, dass er von einer CSU kommt, die nichts, aber auch gar nichts dabei findet, dass ihr ehemaliger Integrationsbeauftragter, als er noch im Amt war, wohl wissend, was er tut, den Dialog mit den Grauen Wölfen suchte. Die CSU demonstriert seit Monaten die unbedingte Bereitschaft, zum eigenen Vorteil den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel zu setzen. Sie legt solche Anträge vor und glaubt, damit andere demokratische Parteien und die Menschen in ganz Bayern, die gegen dieses Polizeiaufgabengesetz demonstrieren, delegitimieren und diffamieren zu können. Heute demonstrieren Sie vor allem eines, nämlich Ihre eigene Bigotterie und Verlogenheit.
Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. Wir fordern Sie auf, Ihr Polizeiaufgabengesetz so schnell wie möglich zurückzuziehen.
Ich kenne den Text. Sie müssen ihn nicht vorlesen.
Herr Kreuzer, solange Sie nicht das Bündnis mit Viktor Orbán und den Kräften verlassen,
die sich gegen ein demokratisch verfasstes Europa stellen, haben Sie nicht die Möglichkeit – –
Die Argumente gegen Ihren Antrag haben Sie durch Ihr eigenes Handeln in den letzten Monaten selbst vorgebracht. Dazu brauche ich nichts mehr zu sagen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Staatsregierung die Grundlage zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung in Bayern legen. Die Datenschutz-Grundverordnung ist in vielen Bereichen im Datenschutz wirklich ein deutlicher Schritt nach vorne. Diese Entwicklung war nicht unbedingt absehbar, wenn Sie sich an die Debatten erinnern, die wir
vor einigen Jahren hatten, auch über versuchte Einflussnahmen und Lobbyismus bei der Entscheidung über die Datenschutz-Grundverordnung, das heißt, über den Vorgängerentwurf, der auf der europäischen Ebene verhandelt worden ist. So ist mit der ab Mai in Kraft tretenden Datenschutz-Grundverordnung eine ausgezeichnete Grundlage für einen gesamteuropäischen Datenschutz gelegt. Wir haben in der freien Wirtschaft eine deutliche Verbesserung im Bereich des Datenschutzes, eine Fortschreibung des hohen Datenschutzniveaus im öffentlichen Bereich, wie wir es in Bayern gewohnt sind. Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Grundverordnung im öffentlichen Bereich: bei den Ämtern, Behörden und Kommunen im Freistaat Bayern.
Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die SPD-Fraktion in der Vergangenheit – das gilt mit Sicherheit auch in der Zukunft – immer wieder Auseinandersetzungen mit der Staatsregierung und mit der Mehrheitsfraktion im Hause über die konkrete Ausgestaltung bestimmter Datenschutzrechtsfragen und Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte hatte, so muss man doch feststellen, dass dieser Gesetzentwurf erstmal eine solide Basis für die weitere Beratung in den Ausschüssen hier im Haus ist. Von daher geht auch mein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium. Hier ist mit Sicherheit eine ausgesprochene Fleißaufgabe erledigt worden. Ich denke, wir können sehr gut damit arbeiten.
Wir werden aber auch Debatten über die konkrete Ausgestaltung einzelner Fragen in den Ausschüssen führen müssen. Die tatsächliche Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger, ihre Rechte in den Einzelfragen wahrzunehmen, ist das eine. Das andere ist natürlich, wie es dann wirklich in der Praxis aussieht, wenn dieses Recht in den Behörden angewendet werden muss. Positiv bewerten wir auf alle Fälle die Beibehaltung der bisherigen Strukturen der unabhängigen Kontrolle, eben der Datenschutzbeauftragten, wie auf der europäischen Ebene vorgesehen, aber auch der bayerischen Sonderregelung mit der Datenschutzkommission im Bayerischen Landtag. Hier werden die parlamentarischen Möglichkeiten wie gewohnt fortgeschrieben.
Vieles an diesem Entwurf und an der Gesamtkonstellation beim Datenschutz, Kolleginnen und Kollegen, ist aber gerade für die Bürgerinnen und Bürger etwas ungewohnt. Deshalb sind wir gefordert, diesen Gesetzentwurf und die Anwendung der DatenschutzGrundverordnung in Bayern besser zu erklären, als man das vielleicht bei manchen anderen Gesetzen macht. Ein Beispiel wurde vom Staatssekretär Eck schon angesprochen: Das Widerspruchsrecht beispielsweise wird im Gesetzentwurf nicht erwähnt, weil
es schon in der Datenschutz-Grundverordnung festgeschrieben ist und nicht doppelt geregelt werden darf. Das ist für viele Bürgerinnen und Bürger mit Sicherheit sehr ungewohnt. Die vom Staatssekretär angesprochene Debatte über die Wasserzähler mit Funkfunktion zeigt, dass hier deutlicher Erklärungsbedarf besteht. Abgesehen davon, dass der Datenschutz bei dieser Debatte eher die Rolle einer Hilfsargumentation einnimmt und es wohl eher um die Frage von Elektroemissionen geht, ist die im Artikel 21 der Datenschutz-Grundverordnung festgeschriebene Widerspruchsregelung unmittelbar geltendes Recht auch hier in Bayern, das für die Frage der Wasserzählerdaten, aber auch aller weiteren Fragen unmittelbar zur Anwendung kommt. Natürlich stellt das einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Natürlich stellt es einen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung dar. Die Begründung des Gesetzentwurfes ist im Haus völlig unstrittig. Wir werden in den Ausschüssen darüber reden müssen, ob die jeweiligen Schutzfunktionen und Schutzhürden angemessen und ausreichend sind. Wir werden das in diesem Sinne ernsthaft und problembewusst tun. Ich freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen. Hierfür haben wir eine gute Grundlage. Wir werden die Debatte vernünftig führen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das Bayerische Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus wurde nach einem Anschlag auf den damaligen Polizeidirektor der Stadt Passau im Jahr 2009 ins Leben gerufen. Seit diesem Anschlag und der Erarbeitung dieses Konzeptes ist viel passiert. Wir hatten die Selbstenttarnung des NSU mit der Erkenntnis bei der Bayerischen Staatsregierung: So etwas wie Rechtsextremismus oder Rechtsterrorismus gibt es doch. Das hat man nämlich bis dahin immer bestritten. Wir haben eine Erstarkung rechtsradikaler Ideologien und Parteien in ganz Europa. In Deutschland gibt es Bewegungen wie Pegida, in denen rassistische und demokratiefeindliche Einstellungen weite Verbreitung finden. Wir haben die "Reichsbürger", die sich in den letzten Jahren weiterentwickelt haben und immer stärker geworden sind. Bayern ist eine Hochburg der "Reichsbürger"-Bewegung, die lange von der Bayerischen Staatsregierung unterschätzt worden ist, weil sie einfach nicht ins Glaubenssystem gepasst hat.
Einstehen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für menschenwürdige Toleranz, für unseren demokratischen Wertekanon – das ist schon lange nicht mehr die alleinige Bekämpfung kleiner radikaler isolierter Gruppen, die gegen den Staat vorgehen. Werbung für Demokratie, Einsatz für unsere Werte, Argumentieren gegen die populistische Instrumentalisierung von Ängsten müssen viel mehr in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gestellt werden. Meine Damen und Herren, wie gewinnen wir diejenigen zurück, die sich von der Demokratie und ihren Werten abwenden? – Das ist die Frage, die sich die gesamte Gesellschaft stellen muss – und das nicht erst seit gestern.
Der Ansatz des bestehenden Handlungsprogramms lautet: Mit Ordnungspolitik gegen kleine Gruppen organisierter Gegner der Demokratie. Das ist zwar nicht falsch, reicht aber bei Weitem nicht aus. Das war auch schon im Jahr 2009 zu wenig. Von unserer Seite sind viele Initiativen eingebracht worden, um dieses Handlungskonzept weiterzuentwickeln. Frau Kollegin Schulze hat darauf hingewiesen. Wir haben Initiativen für die wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung dieses Handlungskonzepts eingebracht. Diese wur
den abgelehnt. Wir haben Initiativen zur Weiterentwicklung dieses Handlungskonzepts eingebracht. Sie wurden von der CSU auch mit den Worten abgelehnt: Das braucht’s nicht. Was wir haben, langt so.
Wir haben eine Initiative zur Durchführung einer gemeinsamen Anhörung aller Fraktionen eingebracht. Sie wurde abgelehnt. Auf der Grundlage des Minderheitenrechts haben wir am Ende eine Anhörung durchgesetzt, die hier im Bayerischen Landtag durchgeführt wurde. Alles, was wir bemängelt haben – man glaubt es kaum –, wurde von allen geladenen Fachleuten bestätigt. Wir haben darauf hingewiesen, dass die zivilgesellschaftliche und die wissenschaftliche Begleitung des Handlungskonzepts gestärkt werden müssen. Das wurde ebenfalls von den Fachleuten eingefordert, und zwar völlig unabhängig davon, wer diese Fachleute benannt hat. Dazu zählten sowohl Fachleute, die von der Opposition benannt worden sind, als auch Fachleute, die von der Mehrheitsfraktion im Hause benannt worden sind.
Kolleginnen und Kollegen, es muss sich dringend etwas ändern an diesem Handlungskonzept. Unser Antragspaket, das wir gemeinsam mit den GRÜNEN erarbeitet haben, enthält die Konsequenzen, die sich aus dieser Anhörung ergeben. Das sind die Punkte, die dort benannt worden sind und die wir aufgegriffen haben. Nach mehreren Debatten in den Ausschüssen bringen wir diese Forderungen ins Plenum des Bayerischen Landtags ein.
Die Herausforderungen der momentanen politischen Situation in unserem Land müssen wir aufgreifen. Sicherheitspolitische Maßnahmen sind notwendig. Wir müssen aber auch auf Entwicklungen reagieren, die für unser Land und die Demokratie gefährlich sind, selbst wenn sie nicht Objekt und Aufgabe von Sicherheitsbehörden wie Polizei und Verfassungsschutz sind. Wir müssen und wir wollen vor allem die Zivilgesellschaft im Handlungskonzept stärken; denn das Führen der politischen Debatte über demokratiefeindliche Einstellungen und Ideologien ist nicht Aufgabe von Polizei und Verfassungsschutz. Diese Diskussion zu führen, ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft, der Zivilgesellschaft, der politischen Parteien und auch unsere Aufgabe als Bayerischer Landtag.
Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen die wissenschaftliche Begleitung. Auch das ist eine Konsequenz aus den vielen Fehleinschätzungen, die in den letzten Jahren von der Bayerischen Staatsregierung gemacht wurden. Einige habe ich bereits zu Beginn meiner Rede genannt, so zum Beispiel die Behauptung, es gäbe innerhalb der Nazi-Szene keine Ansätze für
rechtsterroristische Entwicklungen. Dabei wissen wir, dass Gewalt ein immanenter Bestandteil der rechtsradikalen Ideologie ist. Da musste sich erst einmal der NSU selbst enttarnen, bis diese Erkenntnis endlich auch bei der Bayerischen Staatsregierung angekommen ist.
Die "Reichsbürger" wurden lange verharmlost, obwohl es für zivilgesellschaftliche Beobachter der Szene erkennbar war, was sich da zusammenbraut, ohne dass man auf nachrichtendienstliche Mittel zurückgreifen musste. Die Antworten auf die Anfragen, die wir in den Jahren zwischen 2014 und 2016 gestellt haben, waren immer die gleichen. Da hieß es immer, das seien Einzelfälle und eher ein psychologisches Problem.
Letzten Endes geht es auch um das Handlungskonzept selbst. Es geht von der Annahme aus, all das wäre nur ein polizeiliches und ein Verfassungsschutzproblem. Das ist aber nicht der Fall. Wir brauchen deshalb zusätzliche Kompetenz in diesem Programm. Dafür ist die wissenschaftliche Begleitung dringend notwendig.
Es ist eine politische Aufgabe, es ist unsere Aufgabe, die Demokratie zu stärken und die demokratiefeindlichen Ideologien in die Schranken zu weisen. Das müssen wir mit Haltung tun, mit Argumenten und mit klaren politischen Erkenntnissen zu den Werten, die in unserer Verfassung verankert sind.
Wir brauchen auch die deutliche Förderung von Initiativen vor Ort. Das ist der Kern unserer Anträge. Die CSU hat das immer bestritten. Jetzt legt sie erstmals einen Antrag vor, der eine Fortschreibung enthält und anerkennt, worauf wir seit Jahr und Tag hinweisen: Das Programm reicht bei Weitem nicht. Auch wenn Ihr Antrag unkonkret ist, er allgemein gehalten ist und wenig Bereitschaft erkennen lässt, sich tiefer mit dem Thema zu beschäftigen, werden wir ihm zustimmen. Durch Ihre Verschleppungsstrategien in den letzten Jahren ist der Handlungsdruck nämlich enorm, und deshalb ist jeder Schritt, der gemacht wird, notwendig. Wir erachten es als wichtig, dieses Thema im Parlament zu behandeln. Ärgerlich ist deshalb an Ihrem Antrag, dass Sie dieses Thema offensichtlich aus dem Parlament hinausdrängen wollen. Sie delegieren das Thema an die Verwaltung, obwohl wir jetzt, nach einer intensiven inhaltlichen Beschäftigung in den Ausschüssen, die Möglichkeit gehabt hätten, das Thema hier so zu behandeln, wie es notwendig wäre. Es geht darum, aus politischen Notwendigkeiten heraus politische Entscheidungen zu treffen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu den Anträgen unseres Antragspakets.
Zum einen möchte ich einen Hinweis, den Sie gegeben haben, richtigstellen. Sie haben gesagt, wir forderten in den Anträgen, die Aus
steigerberatung auf die zivilgesellschaftlichen Anbieter zu übertragen. Das ist mitnichten der Fall. Wir haben gefordert, eine zweite Schiene neben der staatlichen einzuführen. Das ist dann tatsächlich schon mal eine andere Geschichte als das, was Sie dargestellt haben.
Der zweite Punkt ist: Mitnichten spricht aus diesem Antragspaket das Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden. Aber es gibt schlicht und ergreifend Dinge in der politischen Auseinandersetzung über Rassismus, über Antisemitismus, die nicht Aufgaben der Ermittlungsbehörden oder des Verfassungsschutzes sind. Das heißt: In dem Augenblick, in dem nicht die hohe Stufe erreicht ist, bei der gegen eine Aussage wegen Volksverhetzung vorzugehen ist, oder bei der eine Meinung vertreten wird, die nicht in einen organisatorischen, rechtsextremen Rahmen eingebettet ist, haben der Verfassungsschutz und natürlich auch die Polizei ein Problem. Da enden ihre Aufgaben. Deshalb ist es so notwendig, die Zivilgesellschaft zu stützen, um eine politische Diskussion auf breiter Basis in diesem Land zustande zu bringen. Das ist letzten Endes der Hintergrund.
Die zweite Geschichte, die ich noch sagen muss: So, wie Sie die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit dargestellt haben, muss ich feststellen: Offensichtlich haben Sie sich nicht damit beschäftigt.
Bei gesellschaftspolitischen Fragestellungen gibt es immer unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze. Sie sagen, Sie verlassen sich nur auf den einen, den Sie haben, nämlich denjenigen der Extremismustheorie, es gibt keinen anderen. – Das hat im Übrigen auch dazu geführt, dass Sie die "Reichsbürger" so lange falsch eingeschätzt haben.
Fangen Sie wenigstens damit an, unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze einzubeziehen in die Ansätze. Da müssen Sie sich noch nicht einmal auf eine andere Seite schlagen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Artikel 13 des Polizeiaufgabengesetzes regelt, wie polizeiliche Personenkontrollen durchzuführen sind. Es gibt – ich möchte die einzelnen Paragrafen und Artikel nicht referieren – die Faustregel: Die Polizei darf zur Abwehr von Gefahren kontrollieren.
Mich schon.
Polizeiliche Kontrollen dürfen zur Abwehr von Gefahren oder dann vorgenommen werden, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte gibt, dass eine Person oder ein Ort mit Kriminalität in Zusammenhang gebracht werden kann. Das ist sozusagen einmal die Faustregel im Gesetz.
Das hat zwei positive Wirkungen. Auf der einen Seite schützt sie die ganz normalen Menschen, die sich regelkonform verhalten, vor willkürlichen Kontrollmaßnahmen. Auf der anderen Seite gibt sie aber der Polizei die Möglichkeit, dann, wenn eine Gefahr vorliegt oder wenn zu besorgen ist, dass Kriminalität vorbereitet oder durchgeführt wird, jederzeit Kontrollen vorzunehmen.
Bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen, Kontrollen schlicht und ergreifend auf der Grundlage vorzunehmen, dass die Betreffenden einem bestimmten Bevölkerungsteil angehören. Der bloße Aufenthalt von Oberbayern, Franken, Sachsen, Österreichern oder Franzosen ist nach unseren Gesetzen kein Grund, Personenkontrollen vorzunehmen. Niemand würde auf eine solche Idee kommen.
Bei Asylsuchenden soll es allerdings gemacht werden. Ich erinnere Sie daran, dass es vor 15 Jahren noch die polizeilichen Landfahrerdateien gab. Damals hatten wir schon einmal eine solche Diskussion. Vielleicht sollten Sie sich an die damalige Diskussion erinnern, als eine ganze Bevölkerungsgruppe pauschal nur aufgrund ihrer Herkunft ins polizeiliche Visier geraten ist.
Jetzt sollen Asylbewerber unter generellen Tatverdacht gestellt und ganz pauschal kriminalisiert werden. Denn überall, wo sie wohnen, und überall, wo sie sich aufhalten, können ohne Gefahrensituation und völlig ohne Verdacht Personenkontrollen durchgeführt werden. Das öffnet willkürlichen Maßnahmen Tür und
Tor. Die Kontrollen können auch innerhalb der vier Wände einer Gemeinschaftsunterkunft und auch dort durchgeführt werden, wo Asylbewerber privat untergebracht sind. Auch wenn es sich dabei nicht um Durchsuchungen handelt, wird dadurch der unverletzliche Bereich des Wohnraums tangiert. Während das Grundgesetz für Deutsche die geschützte Wohnung kennt, sollen Asylbewerber nicht einmal einen abgespeckten Schutz, sondern überhaupt keinen Schutz erhalten.
Der Generalverdacht, unter den Asylbewerber gestellt werden, geht auch völlig an der Realität vorbei. Sie kennen mit Sicherheit alle die Besorgnisse, zu denen es kommt, wenn irgendwo eine Gemeinschaftsunterkunft entsteht. Dann fragen die Anwohner: Wie sieht es eigentlich mit der Kriminalität aus? Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, mich prinzipiell mit der zuständigen Polizeiinspektion und dem Polizeipräsidium München in Verbindung zu setzen. Da ist mir bisher noch jedes Mal bestätigt worden, dass Asylbewerber in ihrem Wohngebiet nicht krimineller sind als Deutsche und es da keine Auffälligkeiten gibt. Es gibt auch keine einzige Statistik aus dem Innenministerium, die das belegen könnte. Auch das BKA hat erst kürzlich eine Untersuchung vorgelegt die besagt, dass es nicht so ist. Das Polizeiaufgabengesetz so wie vorgesehen zu ändern, macht nichts anderes, als den rassistischen Vorurteilen, die unterwegs sind und die geschürt werden, Vorschub zu leisten und zu untermauern.
Im Übrigen gibt es natürlich ein Sicherheitsproblem im Umgriff von Asylbewerberunterkünften; die Kollegin Schulze von den GRÜNEN hat darauf hingewiesen. Die Zahl der rassistischen Übergriffe auf Gemeinschaftsunterkünfte hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Schuld daran ist übrigens auch, dass den Flüchtlingen gerne die Verantwortung für alles Schlechte auf dieser Welt inklusive der Kriminalität in die Schuhe geschoben wird. Ich bin gespannt, wann Sie endlich einmal etwas unternehmen, um die grottenschlechte Aufklärungsquote von 20 % zu verringern, die wir in diesem Bereich haben,
und ich bin gespannt, wann Sie etwas unternehmen werden, um solche Gewalttaten im Vorfeld zu verhindern.
Frau Kollegin Schulze, der Kollege Gantzer wird nachher unsere grundsätzliche Position zum Waffenrecht darstellen. Ich hätte allerdings schon noch eine Bemerkung zu einem Problem zu machen, das ich in Ihrem Antrag sehe und das ich konkret ansprechen will. Nach Ihrer Darstellung müsste man das Waffenrecht ändern, damit man endlich das Problem der Reichsbürger angeht. Meines Erachtens verwischen Sie dabei tatsächlich ein bisschen die augenblicklichen Verantwortlichkeiten für die massive Bewaffnung der Reichsbürger in Bayern. Schon jetzt haben wir eine Rechtsgrundlage, auf der man etwas hätte tun können. Voraussetzung wäre gewesen, dass das Innenministerium das anerkennt, was schon seit Langem offensichtlich ist: nämlich dass Reichsbürger gegen die demokratische Ordnung vorgehen, dass Reichsbürger gegen den Rechtsstaat vorgehen und ihn bekämpfen. Das hat das Innenministerium nicht getan; ganz im Gegenteil: Das Innenministerium hat immer gesagt, das sei in erster Linie ein psychologisches Phänomen, und hat erst jetzt, nach den tödlichen Schüssen auf einen Polizeibeamten in Georgensgmünd, gehandelt.
Frau Kollegin Schulze, man muss ganz deutlich herausstellen: Der Grund für die massive Bewaffnung von Reichsbürgern in Bayern hat einen Namen, und dieser Name heißt nicht Waffenrecht, dieser Name heißt Joachim Herrmann.
Herr Innenminister, ich könnte Ihnen durchaus Beispiele nennen. Brandenburg beispielsweise ist schon viel länger an dem Thema Reichsbürger dran, auch das Bundesland Hessen. Im Jahr 2014 hat es von mir eine Anfrage zur Bewertung
der Reichsbürger durch die Bayerische Staatsregierung gegeben. Damals konnte keine Bestandsaufnahme vorgelegt werden, welche Angriffe auf Bedienstete des Freistaats Bayern es schon gegeben hat. Es konnten keine Angaben darüber gemacht werden, wie groß die Bewegung ist. Als ich diese Anfrage im Jahr 2014 gestellt habe, habe ich mich nicht über die Antwort beschwert, weil das ein durchaus neues Phänomen war. In der Antwort stand, Sie würden das Phänomen genauer beobachten. Seitdem sind zwei Jahre ins Land gegangen, zwei Jahre mit deutlich mehr Angriffen auf Bedienstete des Freistaats Bayern. Sie können dazu flächendeckend Erlebnisberichte von Bediensteten von allen Amtsgerichten und von allen Finanzbehörden anfordern. Es hat eine Zunahme der Radikalisierung und der Bewegung insgesamt gegeben.
Ich habe auf meine Rückfrage bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes im Mai 2016 zur Einschätzung der Reichsbürger vom Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz dieselbe Antwort bekommen, die ich 2014 bekommen habe, nämlich die, dass es sich vornehmlich um ein psychologisches Problem handele. Das heißt, trotz der Entwicklung, die offensichtlich stattgefunden hat,
hat es keine Änderungen in der Einschätzung gegeben. Das haben wir kritisiert. Sie sind dem nicht nachgekommen. Auch auf meine Anfrage zum Waffenbesitz von Reichsbürgern vom Sommer dieses Jahres kommt die Antwort: –
Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Anhänger der Reichsbürger im Besitz von Waffen sind.
Sehr geehrter Herr Kollege Herrmann, ich habe ein paar Anmerkungen zu machen. Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass diese Einstellungsstudien – es gibt ja nicht nur die "Mitte"-Studie – in der Sozialwissenschaft mittlerweile gang und gäbe sind und kein besonderer Ausdruck einer wie auch immer gearteten linksextremen Wissenschaft, die nach Ihrer Meinung an deutschen Universitäten gelehrt wird. – Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist: Sie sagen, Sie wollen in diesen Debatten letztendlich die wissenschaftlichen Ansätze nicht dabeihaben, das sei alles völlig praxisfern. Die bayerische Polizei greift bei der Kriminalitätsbekämpfung zu Recht auf die modernsten naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse, Beispiel Profiling, zurück. Wenn es hier aber um Präventionsprogramme geht, sagen Sie: Nein, also da wollen wir die Wissenschaft eigentlich nicht dabeihaben, das könnte unsere Ideologie, die wir seit Jahren hier im Hause verbreiten, infrage stellen. Ganz so, Herr Kollege, geht es im Umgang mit der Wissenschaft dann auch wieder nicht, dass man sie heranzieht, wenn man sie gerade braucht, und sie ansonsten ablehnt.
Niemand hier hat behauptet, dass es hier darum geht, die Meinungen durch die Polizei überwachen zu lassen, sondern wir haben immer gesagt, dass es darum geht, eine politische Auseinandersetzung auch in der Gesellschaft zu führen, wobei wir alle für einen demokratischen, pluralen und toleranten Staat eintreten. Das ist unser Ziel. Wie soll man Ihrer Meinung nach mit dem Antisemitismus umgehen? – Ich interpretiere jetzt einmal nicht, was Sie gesagt haben, dass nach Ihrer Meinung Antisemitismus völlig in Ordnung sei, wenn er nicht in rechtsextremen Organisationen verbreitet worden sei.
So interpretiere ich das nicht. Ich würde Sie bitten, einmal zu sagen, was wir gegen den Antisemitismus tun sollen, den wir auch außerhalb extremistischer Organisationen haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Als wir letzte Woche die Nachricht erhalten haben, dass auf vier Beamte der bayerischen Polizei geschossen worden ist, und als wir einen Tag darauf gehört haben, dass einer der Beamten seinen Verletzungen erlegen ist, waren wir, denke ich, alle zutiefst schockiert, und zwar völlig unabhängig davon, welche Position wir in dieser Debatte einnehmen.
Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen. Den verletzten Beamten wünschen wir schnelle und vollständige Genesung.
Ich halte es für ein sehr gutes Zeichen – herzlichen Dank an das gesamte Präsidium –, dass wir die heutige Sitzung mit einem Gedenken an den toten Beamten begonnen haben.
Kolleginnen und Kollegen, Reichsbürger sind kein neues Phänomen. Seit Jahren setzten wir uns damit auseinander. Seit Jahren bekommen wir aus der Finanzverwaltung und der Justizverwaltung Hinweise über sich häufende Belästigungen, Drohungen, Übergriffe und Angriffe auf Beschäftigte des Freistaates.
Bereits am 21. August 2014 stellte ich an die Bayerische Staatsregierung eine Anfrage, um mir einen Überblick über die Situation geben zu lassen. Ich musste feststellen, dass die Bayerische Staatsregierung laut Antwort vom 30. September desselben Jahres einen solchen Überblick nicht hatte. Die Bayerische Polizei hatte bei Straftaten das Merkmal
Reichsbürger nicht erfasst. Das war vor zwei Jahren; daher können wir das nicht allzu sehr kritisieren. Es war ein verhältnismäßig neues Phänomen. Manches braucht seine Zeit, bis man es erfassen kann. Wir haben im Nachklapp zu dieser Antwort, die uns die Staatsregierung gab, die Erfassung der Aktivitäten der Reichsbürgerbewegung gefordert, zumindest die Erfassung der Straftaten, die gegen Beschäftigte des Freistaates Bayern begangen werden.
Seit dem Jahr 2014 hat sich die Situation noch einmal deutlich verschärft. Die Szene ist publizistisch erheblich wirkungsvoller geworden. Die ideologische Radikalisierung der Reichsbürgerbewegung ist deutlich vorangeschritten. Bedrohungen und Übergriffe auf Staatsbedienstete haben sprunghaft zugenommen. Diese Einschätzung beruht noch nicht auf Zahlen – wie gesagt, die Staatsregierung hat sie nicht erfasst –, sondern auf den durchaus glaubwürdigen Berichten der Praktikerinnen und Praktiker in der Finanzverwaltung und der Justizverwaltung.
Wir stellen fest, dass die Reichsbürger innerhalb der betroffenen Verwaltungen, der Amtsgerichte, der Finanzbehörden durchaus schon zum Thema gemacht worden sind. Nach meiner Anfrage im Jahr 2014 sind Schulungen durchgeführt worden. Die Amtsgerichtspräsidenten bauen die Bedrohung durch Reichsbürger in die Sicherheitskonzepte der Amtsgerichte ein und machen die Reichsbürger zum Thema auf ihren Tagungen.
An der Basis der Verwaltung, dort, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Reichsbürgern und den von ihnen ausgehenden Bedrohungen konfrontiert werden, existiert durchaus ein hohes Problembewusstsein. Ausdrücklich loben will ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes Roth und Landrat Herbert Eckstein, weil sie, als es die ersten Anzeichen gab, dass ein Reichsbürger unterwegs ist, die waffenrechtliche Überprüfung übernommen haben. Auch das zuständige Polizeipräsidium ist mit Sicherheit von einer sehr hohen Gefährdungslage ausgegangen, weil es nach dem Amtshilfeersuchen des Landratsamtes das SEK bereitgestellt hat. Bei aller Tragik des Ausgangs dieses Einsatzes muss man das positiv hervorheben.
Kolleginnen und Kollegen, leider klafft eine eklatante Lücke zwischen dem Problembewusstsein an der Basis und der Einschätzung der Bewegung durch die Staatsregierung noch in den letzten Monaten. Wir müssen feststellen, dass die Bayerische Staatsregierung bis vor einer Woche keinen, nicht einmal einen annähernden Überblick über die Szene hatte. Wir müssen ebenfalls feststellen, dass nicht einmal ein annähernder Überblick über Übergriffe von Reichsbür
gern auf Beschäftigte der bayerischen Behörden vorliegt. Es gab bisher keine realistische Einschätzung und Einordnung der Reichsbürger-Ideologie. Es fehlt ein Überblick darüber, wie weit der Besitz von Waffen innerhalb der Reichsbürgerszene verbreitet ist und wie viele Waffen bei Reichsbürgern in den vergangenen Jahren beschlagnahmt worden sind. – Auch das ergab eine Anfrage, die in diesem Jahr gestellt wurde. Zusammengefasst: Die Staatsregierung hatte bis vor einer Woche keine auf Fakten gestützte Gefahreneinschätzung der Reichsbürger-Szene in Bayern.
Angesichts dessen wundert es nicht, dass in der Sitzung des Innenausschusses, in der der Verfassungsschutzbericht vorgestellt wurde, auf meine Nachfrage, wie die Reichsbürgerbewegung eingeschätzt werde, nur der Hinweis kam, dass es zuallererst ein psychologisches und dann allenfalls ein polizeiliches Problem sei.
Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion begrüßt durchaus die Ankündigungen, die der Innenminister in den letzten Tagen gemacht hat. Auch wir unterstützen eine genauere Beobachtung der Szene. Wir begrüßen, dass Disziplinarverfahren gegen Polizisten, die der Reichsbürger-Szene zugeordnet werden, eingeleitet worden sind. Unserer Meinung nach ist die Zugehörigkeit zu dieser Ideologie mit dem Amtseid, den Beamte zu leisten haben, nicht vereinbar.
Insbesondere waffenrechtliche Überprüfungen sind von hoher Bedeutung, wie aktuelle Zahlen aus dem Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz belegen. Der Landrat schätzt, dass in seinem Landkreis 80 bis 90 Reichsbürger leben, von denen 10 % ganz legal über Waffen verfügen. Auch wenn das nur eine Stichprobe ist – ich will es nicht hochrechnen –, so bleibt es doch bei der Einschätzung, dass die Zahlen, die für den gesamten Freistaat Bayern herauskommen, die bisherigen Schätzungen des Innenministeriums bei Weitem übertreffen. Ich betone: Wir begrüßen die eingeleiteten Maßnahmen. Wir stellen aber auch fest: Sie sind mehr als überfällig!
Den Berichtsanträgen, die heute eingereicht worden sind, werden wir zustimmen. Bereits heute können wir aber weitere Maßnahmen anstoßen bzw. einleiten, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Freistaates Bayern besser zu schützen; denn einige Defizite, die es in jüngster Zeit bei der Einschätzung der Reichsbürger-Szene gegeben hat, kennen wir.
Wir wollen eine Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung unter Einbeziehung der Betroffenen erreichen. So kommt von Gerichtsvollziehern immer wieder die Rückmeldung, dass die Angebote zwar gut seien,
aber bei Weitem noch nicht ausreichten, um sie in ihrem Handeln sicherer zu machen.
Wir wollen die verstärkte Einbeziehung von wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Expertise in die Bekämpfung des Phänomens der "Reichsbürger". Bei der Bekämpfung des Salafismus tun Sie das doch auch! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einbeziehung externer Expertise ist kein Zeichen von Schwäche.
Es ist vielmehr ein Zeichen von Stärke, fremde Expertise hinzuzuziehen, wenn man merkt, dass man mit den eigenen Mitteln nicht weiterkommt.
Wir wollen eine Überprüfung der Waffensicherstellungen der letzten Jahre daraufhin, ob es auch Reichsbürger-Hintergründe gab. Wir sind der Meinung, dass auch das Merkmal "Reichsbürger" bei Straftaten erfasst werden sollte. Wir brauchen dringend, auch rückwirkend, ein vernünftiges und realitätsbezogenes Lagebild. Wir müssen unser Frühwarnsystem verbessern. Dazu benötigen wir eine realistische und faktenbezogene Lageeinschätzung. Deshalb sind die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen notwendig. Ich bitte Sie namens der SPD-Fraktion um Zustimmung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! In der Demokratie gibt es natürlich einen Widerstreit der Positionen und natürlich auch einen Wettbewerb der handelnden Parteien und der handelnden Politikerinnen und Politiker. Allerdings gibt es auch Grenzen der Zuspitzung, die wir als Demokratinnen und Demokraten zu beachten haben. Diese Grenzen sind verhältnismäßig einfach zu beschreiben: Der demokratische Diskurs darf insgesamt nicht beschädigt werden, Rassismus und Hetze gegen Einzelne und Gruppen darf nicht stattfinden, und wir dürfen keine Stichwortgeber für Gewalttäter sein. In Zorneding – das ist das konkrete Beispiel, das sowohl im Antrag der GRÜNEN als auch im Antrag der CSU genannt wird – wurden alle diese Grenzen eingerissen. Kolleginnen und Kollegen, es waren nicht die Verhetzten und Extremisten, die am Ende die Morddrohungen verschickt haben, die zum Rückzug des dortigen Pfarrers geführt haben, die diese Grenzen eingerissen haben, sondern diese Grenzen sind bereits vorher eingerissen worden. Auch darüber, Kolleginnen und Kollegen, müssen wir heute reden.
Was im Vorfeld des Rückzugs des Pfarrers und der Morddrohungen passiert ist, ist kein Fall für den Verfassungsschutz, kein Fall für die Polizei. Aber es ist ein Fall für uns, damit wir uns in diesem Hause einmal über die Grundsätze des demokratischen Diskurses unterhalten. Herr Pfarrer Ndjimbi-Tshiende ist nicht deshalb Opfer massiver Anfeindungen geworden, weil er sich gegen die Politik irgendeiner Partei gestellt hat, sondern weil er einen sachlichen und respektvollen Umgang mit den Menschen gefordert hat, die zu uns geflüchtet sind – jenseits irgendeiner Entscheidung über irgendwelche Asylverfahren. Das hat ihm Anfeindungen eingebracht, nicht von Extremisten, sondern von – wohlgemerkt, das erkenne ich auch an – einzelnen Mitgliedern einer demokratischen Partei, die in diesem Hause die Mehrheit stellt. Er ist angefeindet worden, weil er diesen respektvollen Umgang eingefordert hat und weil er aus Afrika stammt.
Wer nur einen Funken Menschenverstand hat, weiß: Ist eine Hürde erst einmal übersprungen, werden auch andere darüber springen. Natürlich ist das, was von einzelnen Mitgliedern der Zornedinger CSU über den Pfarrer und über Flüchtlinge verbreitet worden ist, Stichwortgeberei für diejenigen gewesen, die die Drohungen gegen den Pfarrer verfasst und verschickt haben. Was also, Kolleginnen und Kollegen, ist die Verantwortung der demokratischen Parteien? Was ist unsere Verantwortung? – Wir müssen jenseits der Fälle, in denen wir nach dem Verfassungsschutz rufen können, durchaus eine offene Diskussion darüber führen, was zulässiger Teil eines demokratischen Diskurses ist und was nicht. Auch das gehört heute hierher. Die Grenzen sind in Zorneding – darauf habe ich hingewiesen – eingerissen worden.
An einem gewissen Punkt, Kolleginnen und Kollegen, muss die Profilierung der Parteien im Meinungskampf zurückstehen, und es muss klargemacht werden, wo die Grenzen sind. Zur Not müssen wir das manchmal auch den Menschen in unseren eigenen Parteien klarmachen, die sich an diese Grenzen, aus welchen Gründen auch immer, nicht halten. Aus diesem Grunde werden wir dem Antrag, den die GRÜNEN hier eingebracht haben, zustimmen.
Die Anträge der FREIEN WÄHLER und der CSU sind in manchen Punkten etwas zwiespältig: In beiden Fällen sprechen Sie sich – was ich als die ExtremismusPräambel bezeichnen würde – allgemein gegen alle möglichen Extremismen aus. Ich lasse das einfach mal so stehen; wir werden darüber jetzt keine großartige Debatte führen. Ich möchte Sie aber schon darauf hinweisen: Wenn wir über Rassismus reden und Lösungen finden wollen, um Rassismus zu bekämpfen, dann hilft es uns nichts, wenn wir über Linksradikalis
mus oder Salafismus reden; dann müssen wir Rassismus benennen,
und dann müssen wir auch die Ursachen für Rassismus benennen. Ich hänge mich aber nicht daran auf, wenn Sie das aus ideologischen Gesichtspunkten unbedingt aufnehmen wollen.
Wir finden es durchaus auch positiv, dass sich gerade die CSU sehr konkret zur Solidarität mit dem ehemaligen Zornedinger Pfarrer bekennt. Das ist notwendig, auch vor dem Hintergrund der Vorgänge im Vorfeld der Morddrohungen in Zorneding, die erst zum Rücktritt des Pfarrers geführt haben. Von daher ist das ein Punkt, den wir tatsächlich begrüßen, und ich bedanke mich, dass Sie so etwas erstmalig in einen Ihrer Anträge aufnehmen.
Allerdings können wir nicht zustimmen, dass Sie mit diesem Antrag wieder versuchen, sich zu profilieren, wovon wir uns beim Kampf gegen den Rassismus eigentlich verabschieden sollten. Die Kollegin von den GRÜNEN hat schon darauf hingewiesen, dass Sie in Spiegelstrich 3 Ihres Antrags die Debatte über das Verfassungsschutzgesetz vorwegnehmen, die wir im Augenblick führen. Diese Instrumentalisierung des Antrags können wir nicht mittragen. Wir werden Ihrem Antrag dann zustimmen, wenn Sie diesen Punkt herausnehmen. Wir sind auch bereit, in einer Einzelabstimmung jedem anderen als diesem Punkt zuzustimmen. Ich bitte Sie daher, zu einer getrennten Abstimmung zu kommen oder diesen einen Punkt zu streichen, damit wir beim Thema Rassismus mit einer Stimme sprechen und nicht wieder die Profilierung einer Partei im Vordergrund steht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema elektronische Verwaltung ist kein neues. Um das zu illustrieren, ziti
ere ich den bayerischen Ministerpräsidenten mit den Worten:
Deshalb bauen wir eGovernment als umfassendes Angebot aus. Mit der elektronischen Verwaltung können wir das Dienstleistungsangebot des Staates rund um die Uhr bereitstellen. Unser Prinzip ist: Die Daten laufen, nicht die Bürger.
Das hat allerdings nicht der amtierende Ministerpräsident Seehofer gesagt, auch nicht sein Vorgänger, Ministerpräsident Beckstein. Vielmehr hat Herr Stoiber im Jahr 2003 in einer Regierungserklärung genau dieses Thema aufgegriffen. Der Kollege Huber war damals Verwaltungsminister und sollte genau dieses Vorhaben realisieren. Doch heute, Kolleginnen und Kollegen, laufen die Bürger immer noch.
Der Ministerpräsident hat vorher in der Debatte über die dritte Startbahn eindrucksvoll darauf hingewiesen, was seine Vorgänger über die Jahre hinweg so alles vertritschelt haben. Dieses Thema gehört mit Sicherheit dazu.
Heute, zwölf Jahre nach dieser Regierungserklärung, fangen Sie mit diesem Gesetzentwurf faktisch bei null an. Nach zwölf Jahren legen Sie endlich ein Gesetz vor, das die Rechtsgrundlage für eine funktionierende elektronische Verwaltung legen soll. Das Gesetz ist nach dem, was Sie darstellen und in den Ausschüssen uns weiszumachen versucht haben, kein besonders großer Wurf. Es ist im Übrigen auch kein Zeichen für die Vorreiterrolle Bayerns. Die nähme das Land vielleicht ein, wenn Sie die Versprechungen aus dem Jahr 2003 schon damals eingehalten hätten. Richtig ist: Bayern hinkt hier anderen ganz spürbar hinterher. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht in weiten Teilen dem E-Government-Gesetz des Bundes von 2013.
Aber auch neun Bundesländer, Kolleginnen und Kollegen, haben schon eigene Gesetze oder ihre entsprechenden Verordnungen den Erfordernissen angepasst. Als Nummer 10 von 16 ist die Staatsregierung damit nicht Vorreiter, sondern allenfalls hinteres Mittelfeld. In Bayern gibt es jede Menge Kommunen, die der Bayerischen Staatsregierung bei der Bereitstellung elektronischer Bürgerdienste meilenweit voraus sind. Nicht nur zeitlich, auch inhaltlich hinkt das Gesetz den technischen Möglichkeiten und politischen Erfordernissen hinterher. Kolleginnen und Kollegen, Aufgabe wäre gewesen, ein Gesetz zu machen, das nicht nur die notwendigsten Anforderungen erfüllt, sondern eines, das in die Zukunft weist. Wenn Sie auf Barrierefreiheit hinweisen, ist festzustellen, dass es
ohnehin Pflicht ist, das aufzunehmen; an dem Thema sind wir gar nicht vorbeigekommen.
Im vorgelegten Gesetzentwurf besteht natürlich der größere Anteil der Änderungen darin, Einzelparagrafen, die entstanden sind, als Verwaltungsprozesse noch über Papier gelaufen sind, den elektronischen Erfordernissen anzupassen. Wir bestreiten nicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien ausgesprochen fleißig waren und die Paragrafen und Gesetze durchforstet haben, um die Verhältnisse des elektronischen Zeitalters einzuführen. Doch dieses Gesetz hätte auch eine politische Dimension haben können. Das haben Sie leider verpasst; denn E-Government ist nicht nur Verwaltungsrationalisierung. EGovernment ist der Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern; E-Government ist auch Beteiligung.
Für uns Sozialdemokraten gilt: Bürgernahe moderne elektronische Verwaltung und Informationsfreiheit und Transparenz müssen Hand in Hand gehen.
E-Government muss auch Open Government heißen, und elektronische Verwaltung muss auch transparente Verwaltung heißen. Das wäre die große Chance mit diesem Gesetz gewesen. Hier bieten Sie den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern nichts. Die Regelungen des Freistaats müssen, wenn die Staatsregierung den Bürgerinnen und Bürgern auch im eigenen Hoheitsbereich Transparenz und Informationsfreiheit verweigert, zumindest berücksichtigen, dass Städte und Gemeinden, die diesen Weg gehen wollen – und es sind in Bayern nicht wenige –, die rechtlichen Rahmenbedingungen brauchen.
Aber auch im Kleinen wären Signale nötig gewesen. Hinsichtlich der technischen Standards bleibt das Gesetz im Nebulösen. Die Ämter werden immer verpflichtet, geeignete Verfahren anzubieten. Sinnvoll und im Interesse der Anwendersicherheit, aber auch der Kompatibilität der Systeme und Verfahren und der Zukunftsfähigkeit wäre aber eine Festlegung auf offene Standards gewesen. Herstellerspezifische, nicht veröffentlichte Verfahren müssen vermieden werden.
Dieses Gesetz, Kolleginnen und Kollegen, ermöglicht das elektronische Wälzen von Datenbeständen anstelle von Akten, was sicherlich notwendig ist. Eine politische Perspektive zur Teilhabe auch an Verwaltungsverfahren bietet es nicht. Daher werden wir uns zu diesem Gesetzentwurf enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Rechtsradikalismus entsteht nicht im luftleeren Raum. Vorstellungen von Ungleichwertigkeit, rassistische und antisemitische Weltbilder sind die Einstiegsdrogen einer rechtsradikalen Gesinnung. Nicht umsonst versuchen rechtsradikale Gruppen mit den von ihnen angestachelten Debatten genau an solche Vorurteile anzuknüpfen, um mehr Einfluss zu gewinnen. Soziale Netzwerke sind mittlerweile der Katalysator, in denen versucht wird, Verunsicherung in Ablehnung umzuwandeln und mit Falschinformationen bewusst zu Hass anzustacheln. Hier wird zu Gewalt aufgerufen und die Meinung verbreitet, dass Gewalt eine legitime Antwort auf die Debatten über das Asylrecht wäre.
Es gibt eine Spirale der gegenseitigen Verstärkung von extremen Positionen. Hier sind die Politik und der Staat in einer besonderen Verantwortung. Wir dürfen das nicht laufen lassen, Kolleginnen und Kollegen.
Ich begrüße ausdrücklich, dass seit einiger Zeit immer mehr Polizeibehörden Gräuelmärchen und Lügengeschichten, die speziell über Flüchtlinge verbreitet werden, in der Öffentlichkeit richtigstellen. Solche Stellungnahmen sind von einer enormen Bedeutung.
In München beispielsweise handelt das Polizeipräsidium wirklich vorbildlich. Ich hoffe, dass in ganz Bayern alle Sicherheitsbehörden sich daran ein Beispiel nehmen. Gerade bei Debatten über die Gemeinschaftsunterkünfte vor Ort ist es wichtig, wenn die Polizei aufklärend und mäßigend auftritt.
Auch in Bayern hat es eine beängstigende Zunahme von Übergriffen auf geplante und bestehende Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Die Antworten auf eine Anfrage von Markus Rinderspacher vom Juli und eine Anfrage von Kathi Petersen vom Oktober belegen den rasanten Anstieg der Zahl von Übergriffen auf bestehende und geplante Flüchtlingsunterkünfte. Bereits Mitte Oktober 2015 hatten wir in Bayern doppelt so viele Übergriffe zu verzeichnen wie im letzten Jahr. Was uns die Sicherheitsbehörden gemeldet haben, umfasst aber noch lange nicht alle Anschläge. Wenn ich die Zahlen in meinen Unterlagen und die Zahlen, die zivilgesellschaftliche Institutionen führen, mit den Zahlen der Sicherheitsbehörden vergleiche, stelle ich fest, dass eine Reihe von Übergriffen fehlt. Dazu gehören zwei Brandanschläge in Wallersdorf und in Burgkirchen. Offensichtlich funktioniert noch nicht einmal eine systematische Erfassung der Vorfälle. Hier muss dringend nachgearbeitet werden.
Aber nicht nur diese Zahlen lassen aufschrecken. Die Aufklärungsquote bewegt sich in diesem Jahr bei 20 %. In den letzten Jahren lag sie zwischen 0 % und maximal 50 %, wobei die Quote von 50 % ein echter Ausreißer war. Auch wenn man zugutehalten muss, dass die Ermittler nicht sofort jeden Täter identifizieren, stellt man fest, dass die Quote der Aufklärung im Januar und im Februar nicht besser war als im August und im September.
Kolleginnen und Kollegen, auch wir im Bayerischen Landtag müssen hier achtsam sein und uns die Gründe dieser schlechten Aufklärungsquote überlegen. Was kann, was muss man bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit ändern, um diese Aufklärungsquote zu verbessern? – Diese Debatte können wir nicht nur auf
die zuständigen Behörden delegieren, diese Debatte müssen wir hier in diesem Hause führen.
Auch etwas anderes muss uns zu denken geben, Kolleginnen und Kollegen. Die Auswertung des BKA zeigt, dass die Täter nicht nur aus dem Naziumfeld kommen, wie das in früheren Jahren oftmals der Fall gewesen ist. Es zeigt sich, dass viele der Taten von ganz normalen Leuten begangen werden, die keinerlei Kontakt zu rechtsextremen Strukturen hatten. Das zeigt einmal mehr, dass Vorurteile, neonationalistische Positionen und Rassismus nicht erst dann eine Gefahr sind, wenn sie von offen agierenden Naziorganisationen ausgehen. Wir können von Glück reden, dass bei den Brandanschlägen niemand zu Schaden gekommen ist, vom materiellen Schaden einmal ganz abgesehen, der mittlerweile in die Millionen gehen dürfte. Wir dürfen nicht tolerieren, dass aufgrund der aufgeheizten Debatte Leute der Meinung sind, sie könnten das Recht in die eigene Hand nehmen und mit solchen Anschlägen versuchen, ihren Positionen zur Geltung zu verhelfen.
All das hat mit Ängsten und Befürchtungen, die man ernst nehmen muss, lange nichts mehr zu tun. Es ist nicht Aufgabe der Politik, in einer aufgeheizten Debatte Öl ins Feuer zu gießen, um sich selbst oder seine eigene Partei zu profilieren. Es ist aber unsere Aufgabe, in diese Debatte aufklärend und - vor allem - befriedend einzugreifen.
Ängste und Befürchtungen ernst zu nehmen heißt aber auch, den Menschen ihre Ängste zu nehmen. Das heißt nicht, Befürchtungen einfach hinzunehmen und sie sogar noch zu verstärken.
Der rechte Terror etwa des NSU, der Oldschool Society oder der in Bamberg ausgehobene Terrorgruppe sind nur die Spitze des Eisberges. Die Politik darf kein Stichwortgeber sein und keine Bestätigung für radikale Haltungen liefern.
Kolleginnen und Kollegen, völlig unverständlich aber wird es für mich, wenn Sie bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors richtigerweise einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Radikalisierung legen. Das unterstützen wir ohne Wenn und Aber, auch wenn wir vielleicht das eine oder andere anders machen würden. Die Bekämpfung der Radikalisierung ins Zentrum zu rücken und im Vorfeld anzusetzen, ist ein richtiger Schritt. Völlig irrsinnig und unverständlich ist für uns aber, dass Sie unsere Forderung, es bei
der Bekämpfung des Rechtsextremismus genauso zu machen, ablehnen und sich dieser Frage seit Jahren verweigern. Sie wollen dieses Feld nicht beackern. Wir brauchen aber dringend auch eine Bekämpfung der Radikalisierung im rechtsextremistischen Vorfeld.
Kolleginnen und Kollegen, die SPD hat im Bayerischen Landtag das Verbot der NPD schon gefordert, als die Staatsregierung und die CSU das noch für einen Sündenfall gehalten haben. Wir haben das Verbot des Freien Netzes Süd gefordert, als Staatsregierung und CSU noch behauptet haben, es handle sich lediglich um eine Website, obwohl es bayernweit Aufmärsche und Aktionen unter dem Mantel des Freien Netzes Süd gab. Das Freie Netz Süd ist mittlerweile verboten worden. Das begrüßen wir, auch wenn wir kritisieren, dass das viel zu spät geschah. Mittlerweile konnten funktionierende Nachfolgestrukturen etabliert werden. Das Verbot des Freien Netzes Süd hat letzten Endes nur noch eine leere Hülle getroffen. Die Köpfe und die Strukturen haben sich aber in anderen Organisationen wie beispielsweise dem DRITTEN WEG wiedergefunden. Diese Einschätzung teilt im Übrigen auch der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Auch er meint, beim DRITTEN WEG handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Nachfolgeorganisation des Freien Netzes Süd. Wir brauchen deshalb dringend eine Prüfung des Verbots des DRITTEN WEGS und eine Prüfung des Verbots der Partei DIE RECHTE.
Beim DRITTEN WEG handelt es sich um eine Nachfolgeorganisation. Bei der RECHTEN sind Verbindungen zu terroristischer Gewalt sichtbar, wie sich jetzt beim Ausheben der Terrorgruppe in Bamberg gezeigt hat. Es bestehen aber auch Verbindungen zu bereits verbotenen Kameradschaften in anderen Bundesländern. Das Vorgehen kann man nicht nur auf die Bundesebene delegieren. Hier ist auch der Freistaat Bayern gefordert. Hier ist auch das bayerische Innenministerium gefordert, die notwendigen Initiativen zu ergreifen. Wir brauchen ein sinnvolles Miteinander von Maßnahmen der Repression, aber auch von Maßnahmen der Vorbeugung. Ich bitte Sie, diese Diskussion auch weiter mit uns zu führen, damit wir auf einen besseren Weg kommen als den, den wir die letzten Jahre beschritten haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ziel der Reform der Neuregelung des Arbeitsmarktzugangs 2014 war natürlich, wie der Name schon sagt, eine Erleichterung des Zugangs, aber natürlich auch, Einzelfallregelungen zu ermöglichen, statt auf pauschalierten Einzelfallregelungen zu bestehen.
Allgemein ist bekannt – das dürfte auch Ihnen bekannt sein, Herr Kollege Zellmeier –, dass es durchaus Asylbewerber gibt, die abgelehnt wurden, die aber trotzdem über Jahre hinweg weiterhin hier in Bayern bleiben werden, und zwar deshalb, weil sie nicht abgeschoben werden können. Es gibt nämlich Situationen, in denen die Menschen schlicht und ergreifend hierbleiben und in denen keine rechtliche Möglichkeit gefunden wird, sie an ein anderes Land weiterzugeben. Warum sollten diese Personen, die über Jahre hinweg, heute schon für jeden erkenntlich, der nur auf die Realität blicken will, in Bayern bleiben, nicht eine Arbeit aufnehmen dürfen? Warum sollten sie nicht eine Ausbildung beginnen dürfen?
Diese Fälle gibt es. Das wissen Sie auch. Sie sollten nicht so tun, als ob das nur immer eine Frage der Zeit wäre und dass die Leute innerhalb kürzester Monatsfristen abgeschoben würden. Das ist in der Realität nicht so. Mit dieser pauschalisierten Regelung schaffen Sie eine Situation, in der Menschen dazu verdammt sind, über Jahre in Unterkünften zu sitzen und nichts zu tun zu haben. Das ist nicht nur seelisch eine hohe Belastung. Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass die Regelungen zum Arbeitsmarktzugang auch deshalb verändert worden sind, um der deutschen Bevölkerung zu demonstrieren, dass man sehr wohl von Menschen, die hier leben, auch erwarten kann, dass sie eine Arbeit aufnehmen.
Das, was Sie mit Ihrer pauschalierten Regelung machen, ist genau das Gegenteil dessen, was durch die Änderung der Regeln zur Arbeitsaufnahme erreicht werden soll.
Es geht aber nicht nur um Humanität, Kolleginnen und Kollegen; es geht auch um den Bedarf der bayeri
schen Wirtschaft an Arbeitskräften. Auch die bayerische Wirtschaft hat sich schon sehr eindeutig zu der von Ihnen propagierten Praxis geäußert.
Die Umsetzung des Asylkompromisses, wie sie in dem Antrag der GRÜNEN gefordert wird, heißt ja im Gegensatz zu dem, was Sie gerade uns weiszumachen versucht haben, nicht, dass alle Leute, die abgelehnt worden sind, trotzdem eine Arbeitserlaubnis bekommen, sondern es heißt, dass es eine Einzelfallprüfung geben soll. Diese Einzelfallprüfung wollen wir nach wie vor ermöglichen. Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die einzelnen Anträge eingehe, möchte ich zur Debatte über die Mitte-Studien ein paar Anmerkungen machen. Die Kritik an der Qualität der Mitte-Studien, die Sie gerade gebracht haben, stammt vom Haus- und Hofpolitologen der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, von Herrn Professor Schroeder, der auch sehr intensiv an der Landeszentrale verdient. Dieses Zitat kann so nicht gelten, weil es eine ganze Reihe von anderen Gutachten und auch Studien gibt, die die Mitte-Studien bestätigen.
- Es gibt überhaupt keine linkslastigen Studien. Alle Studien sind von ganz normalen renommierten Universitätseinrichtungen gemacht worden. Diese Universitätseinrichtungen sind der Freiheit der Lehre und selbstverständlich auch den Grundwerten der Verfassung verpflichtet. Das müssten Sie schon wissen.
Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die genau dasselbe belegen wie die Mitte-Studien. Wir haben uns im Übrigen erst vor Kurzem im Verfassungsausschuss darauf eingelassen, einmal all diese Studien beiseitezulegen. Die SPD hat einen Antrag eingebracht, dass der Freistaat Bayern, nachdem Sie das, was in diesen Studien herauskommt, immer negieren, eine eigene Studie in Auftrag gibt. Dann könnte man überprüfen, ob das tatsächlich so ist, wie Sie immer behaupten, dass es in Bayern nie ein Problem mit Diskriminierung gegeben hat, das nennenswert ist, nie eines gegeben hat mit Antisemitismus, mit Rassismus oder mit Rechtsradikalen.
Wir hatten hier im Plenarsaal erst kürzlich eine Debatte über einen Antrag der SPD. Dabei ging es um eine
etwas andere Geschichte, aber auch dabei war die Botschaft, die von Ihnen gekommen ist, weitgehend: Das ganze Thema interessiert uns erst dann, wenn es strafrechtlich relevant oder aggressiv verfassungsfeindlich wird. Das kann es natürlich nicht sein, Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen uns um gesellschaftliche Probleme wie Diskriminierung und Rassismus natürlich auch kaum kümmern, wenn sie noch nicht strafrechtlich relevant sind. In diese Richtung geht ein Teil der Anträge, die wir hier unterstützen werden und wollen.
Demokratie heißt nicht nur, formale Rechte zuzugestehen, sondern auch dafür zu sorgen, dass diese Rechte im tagtäglichen Leben der Menschen hier in diesem Land erfüllt werden. Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Identität, aufgrund des Geschlechts, der Hautfarbe, der Herkunft oder einer Behinderung ist allgegenwärtig. Das wissen wir. Das war eine Debatte, die am Ende auf Bundesebene dazu geführt hat, dass im Jahr 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und in der Folge die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beschlossen worden sind. Alleine die Tatsache, dass Länder und Kommunen mit ähnlichen Angeboten nachziehen, zeigt schon, dass diese Angebote dringend notwendig sind. Dies gilt für die Beratung und Information, aber auch Hilfe, gegen Diskriminierung gegebenenfalls auch rechtlich vorzugehen und Untersuchungen anzustellen, warum Menschen in welchen Situationen diskriminiert werden. Der Bedarf ist groß und existiert auch in Bayern. Wir brauchen auch in Bayern eine solche Anlaufstelle für die Betroffenen. Viele Menschen erfahren Diskriminierung nicht nur einmal, sondern kontinuierlich ihr ganzes Leben hindurch. Diskriminierung macht körperlich und seelisch krank. Dessen müssen wir uns bewusst werden. Wir begrüßen daher die Forderung der GRÜNEN hier auf Schaffung einer eigenständigen bayerischen Diskriminierungsstelle und werden sie von unserer Seite unterstützen.
Es gibt alltägliche und unterschwellige Diskriminierung, die oft nicht bewusst erfolgt. Es gibt die harte Diskriminierung, zum Beispiel im Beruf, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts bestimmte Dinge nicht zugetraut werden und sie beispielsweise bestimmte Jobs nicht bekommen, und es gibt eine hoch aggressive Diskriminierung, eine aggressive Ausgrenzung, eine offene Entwertung. Nicht selten ist diese mit der Ausübung psychischer und physischer Gewalt verbunden. Da hilft auch der Verweis auf die bisher bestehenden Angebote im Rahmen des Bundesprogramms nicht, weil diese rettungslos unterfinanziert sind. Wir brauchen in Bayern eine Stelle für die Beratung von Opfern, für Menschen, die Opfer von Straftaten geworden sind, aber auch für Menschen, die Opfer von Bedrohungen ge
worden sind, die möglicherweise noch nicht strafrechtlich relevant sind, weil man, wenn man damit konfrontiert ist, auch den Umgang damit lernen muss. Wir brauchen diese Beratungs- und Informationsangebote auch deshalb, weil Menschen, die von solchen Bedrohungen betroffen sind, oft nicht zur Polizei gehen und nicht wissen, wohin sie sich wenden können, um sich beraten zu lassen.
Zum Dritten unterstützen wir auch die Forderung nach dem Beitritt Bayerns zur "Koalition gegen Diskriminierung". Wir sind nicht der Meinung, dass dies nur eine Absichtserklärung wäre, sondern wir meinen, dass hier ein Arbeitszusammenhang besteht, Kolleginnen und Kollegen. Antidiskriminierungsarbeit wird erst seit nicht einmal zehn Jahren praktiziert. In diesem Bereich müssen wir gemeinsam mit den anderen Bundesländern Arbeitsweisen und Möglichkeiten entwickeln, um die Angebote zu verbessern. Auch deshalb werden wir zustimmen und bitten die anderen Fraktionen hier im Haus, es uns gleich zu tun.
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach der Selbstenttarnung des NSU hat es nicht nur
im Deutschen Bundestag, sondern auch im Bayerischen Landtag einen Untersuchungsausschuss gegeben. Zehn Menschen wurden ermordet, fünf davon in Bayern. Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit den Ermittlungen, mit der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden, aber auch im Umgang mit den Hinterbliebenen und Angehörigen ergeben haben, machten eine öffentliche Aufarbeitung der Vorgänge notwendig.
Wir haben uns hier zusammengefunden in dem einstimmigen Beschluss, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen, und haben auch in weiten Teilen hier sehr konstruktiv zusammengearbeitet. Die Punkte, Fragen von Behördenversagen, von Fehlentscheidungen und von Mängeln, wurden alle in einem gemeinsamen Untersuchungsausschussbereich der Öffentlichkeit vorgestellt, auch wenn wir in einigen Punkten sicherlich zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Einschätzung gekommen sind.
Die Aufarbeitung und die Verhinderung zukünftiger Fehler gehören aber ebenfalls in eine öffentliche Debatte und dürfen nicht einfach nur an die Verwaltung delegiert werden.
Besonders wenn wir darüber reden wollen und müssen, wie wir die Konsequenzen in den betroffenen Behörden ziehen, stehen wir als Bayerischer Landtag in einer besonderen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit, weil die Morde der NSU auch einen massiven Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden nach sich gezogen haben, in einer Verantwortung gegenüber den Opfern, aber auch in einer Verantwortung gegenüber den Hinterbliebenen, die ja selbst wieder Opfer geworden sind, nämlich Opfer der Ermittlungen, weil sie einem massiven Ermittlungsdruck ausgesetzt waren.
Es hat im Zusammenhang mit unserem Antrag einen weiteren Antrag der CSU auf Berichterstattung im zuständigen Ausschuss gegeben. Dieser Bericht ist auch gegeben worden. Aber nach diesem Bericht bleibt eine große Fülle an Fragen offen. Wer sich den Bericht anschaut, stellt fest, dass die Bayerische Staatsregierung dort gehandelt hat, wo es auf der Grundlage von Beschlüssen der Bund-Länder-Kommission und des Deutschen Bundestages keine andere Möglichkeit mehr gab, als zu handeln.
Darüber hinaus wurden bei Fragen wie beispielsweise zur interkulturellen Kompetenz in Sicherheitsbehörden oder zum Umgang mit den Hinterbliebenen so getan, als hätte es nie ein Problem gegeben. Der Umgang mit V-Leuten, die Grundlagen der realistischen Einschätzung rechtsextremistischer Gewaltbereitschaft und eines Terrorpotenzials innerhalb der rechtsextremistischen Szene sowie die Frage der Prüfung, wie mögliche rechtsextremistische Tathintergründe bei Verbrechen angegangen werden können, wurden nur oberflächlich behandelt. Das liegt sicherlich auch in der Natur eines solchen Antrags, der im Innenausschuss irgendwo zwischen Fragen der kommunalen Wasserversorgung behandelt wird. Ein Bericht, der da alle zwei Jahre gegeben wird, kann natürlich nicht in die Tiefe gehen. Ich frage Sie, ob das aufgrund der Hintergründe der Taten und der Versäumnisse innerhalb der Behörden angemessen ist. – Nein, angemessen ist es nicht, weder in Bezug auf die Vorgänge rund um die Morde und auf dringend notwendige Reformen im Sicherheitsapparat noch in Bezug auf das verloren gegangene Vertrauen in die Sicherheitsbehörden.
Der Eindruck für die Betroffenen – sowohl für die Hinterbliebenen als auch für die gesamte MigrantenCommunity in Bayern, die hierhergezogen ist und hier ihre Heimat gefunden hat –, dass es bei der Verbrechensbekämpfung Verbrechensopfer erster und zwei
ter Klasse gibt, Migrantinnen und Migranten ihres Lebens nicht sicher sind und nicht geschützt werden, entstand nicht zu Unrecht.
Unsere Aufgabe ist es nicht, Verwaltungspapiere zur Kenntnis zu nehmen und durchzuwinken, sondern ist es, bei der Umsetzung der Konsequenzen aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses unter Hinzuziehung von externen Fachleuten in die Tiefe zu gehen. Die Geschichte zeigt, dass das Braten im eigenen Saft den Sicherheitsbehörden nicht gutgetan hat. Es ist unsere Aufgabe, den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag in Bezug auf die darin vorgestellten Konsequenzen durchzugehen und gemeinsam unter Hinzuziehung von wissenschaftlicher Expertise den besten Weg zu finden, um die Arbeit der Sicherheitsbehörden zu verbessern und Vertrauen zurückzugewinnen. Stimmen Sie zu. Lassen Sie uns diese Begleitkommission gemeinsam einrichten und gemeinsam für die notwendigen Reformen arbeiten!
Herr Kollege Heike, Sie zielen immer auf die Fachleute ab, die zur Verfügung stehen. Die bayerische Polizei hat auf die Fachleute des Landesverfassungsschutzes zurückgegriffen, um sich bei den Ermittlungen beraten zu lassen, hat aber von diesen Fachleuten eine überhaupt nicht der Realität entsprechende Einschätzung über Terrorpotenzial innerhalb der rechtsextremen Szene bekommen. Sie haben nämlich gesagt: Da gibt es gar nichts. – Doch wenn man nachvollzogen hat, welche Veröffentlichungen es in dieser Zeit in der rechtsextremen Szene gab, erkennt man, dass es durchaus Hinweise auf Rechtsterrorismus gab.
Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass es Sinn machen würde, zu den hochgelobten Fachleuten Personen von außen hinzuzuziehen, die mal einen anderen Blick darauf werfen und ihre Sichtweise hier im Bayerischen Landtag in einem Ausschuss einbringen können, statt dass Sie die Leute nur im eigenen Saft schmoren lassen und strukturelle Fehleinschätzungen in Kauf nehmen, die man über Jahrzehnte mit sich schleppt? – Auch da gibt es nämlich durchaus eine Historie.
Das ist letztendlich der Inhalt dieses Antrags. Wir zielen darauf, in diese Debatte zusätzliche Kompetenzen hineinzubekommen, damit die Sicherheitsbehörden nicht nur im eigenen Saft schmoren und ständig Fehler replizieren, die sie bei diesem Thema seit Jahrzehnten machen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das bayerische Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus wurde im Jahr 2009 als Reaktion auf den Anschlag auf den damaligen Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl beschlossen.
Das bayerische Handlungskonzept hat eine sehr starke Fokussierung auf sicherheitspolitische Aspekte, auf die Arbeit der Sicherheitsbehörden und hier im Besonderen auf die Arbeit des bayerischen Verfassungsschutzes. Wir haben uns im Rahmen der Debatte zu unserem Antrag auch mit einem Antrag der CSU auf Bericht im Innenausschuss über dieses Handlungskonzept auseinandergesetzt. Wir haben unseren Antrag bis zu diesem Bericht zurückgestellt. Die starke Fokussierung auf die Arbeit der Sicherheitsbehörden war Teil der Debatte im Innenausschuss.
Die Vertreterin des Innenministeriums hat in dieser Debatte explizit darauf hingewiesen, dass sich das Handlungskonzept ausschließlich gegen rechtsextreme Gruppen und Organisationen richtet und es nicht Ziel sei, Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit als gesellschaftspolitisches Problem anzugehen. Es setzt da an, so das Innenministerium, wo der Schutzauftrag der Sicherheitsbehörden zu wirken beginne. Es mutet dann allerdings etwas seltsam an, dass im Bericht der Bayerischen Staatsregierung viele zivilgesellschaftliche Initiativen aufgeführt werden wie das "Bayerische Bündnis für Toleranz", die Projektstelle in Bad Alexandersbad und Initiativen wie "Schule ohne Rassismus" und andere Einrichtungen. Ich denke, man kann das als Beleg dafür nehmen, welche Konfusion auch innerhalb der Bayerischen Staatsregierung über die eigentliche Bedeutung dieses Programms herrscht.
Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit, Kolleginnen und Kollegen, werden nicht erst dann zum Problem, wenn sie von verfassungsfeindli
chen Organisationen propagiert werden. Sie sind vor allem da ein Problem, wo Menschen, die eigentlich in Distanz zu verfassungsfeindlichen Organisationen stehen, solche Einstellungen vertreten. Die Vertreterin des Innenministeriums hat im Innenausschuss sicherlich nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass nicht jeder, der rassistische Positionen vertritt, automatisch ein Verfassungsfeind ist. Kolleginnen und Kollegen, wer aber rassistische, antisemitische und menschenfeindliche Positionen vertritt, widerspricht auch dem Geist unserer Verfassung.
Das, Kolleginnen und Kollegen, löst zwar nicht den Handlungsauftrag der Sicherheitsorgane aus, muss aber den Handlungsauftrag der Demokratinnen und Demokraten auslösen.
Wir wollen, dass das bayerische Handlungskonzept evaluiert und weiterentwickelt wird, gerade im Hinblick auf die zivilgesellschaftlichen Herausforderungen, und wir wollen bei der Evaluierung und Weiterentwicklung eine Einbeziehung der Wissenschaft und der zivilgesellschaftlichen Initiativen. Der Blick der Sicherheitsbehörden alleine ist völlig unzureichend.
Der Rücktritt des Bürgermeisters von Tröglitz verleiht unserem Antrag Aktualität. Das Angebot von Innenminister Herrmann an bayerische Kommunalpolitiker, für Schutz zu sorgen, wenn sie in eine ähnliche Situation kommen, ist durchaus lobenswert. Aber wir müssen doch darauf hinweisen, dass wir in Bayern schon immer wieder Bedrohungssituationen hatten und diese Bedrohungssituationen, ob nun gegenüber Kommunalpolitikern oder gegenüber engagierten Bürgerinnen und Bürgern, nie alleine dadurch abgewehrt werden konnten, dass die Polizei eine Rund-um-dieUhr-Betreuung vorgenommen hat. Wenn man ehrlich ist, muss man auch zugeben, dass das überhaupt nicht leistbar ist. Man muss sich nur einmal die Situation anschauen. Der Sprecher der nordbayerischen Initiativen gegen Rechtsextremismus war schon in ähnlichen Situationen. Da kommt zwar die Polizei öfter einmal vorbei; aber ein umfassender Schutz durch die Polizeibehörden kann tatsächlich nicht gewährleistet werden.
Zum Schutz der Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, sind die Solidarität in der Gemeinde und das zivilgesellschaftliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger notwendig. Dies gilt es zu fördern, und dahin wollen wir mit unserem Antrag kommen. Wir wollen, dass das bayerische Handlungskonzept über die Evaluierung durch Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu einem Konzept weiterentwickelt wird, das sich nicht nur auf
sicherheitspolitische Aspekte stützt, sondern auch die Gesamtgesellschaft und die Förderung des Engagements der Bürgerinnen und Bürger im Auge hat.
Dahin muss sich das Handlungsprogramm weiterentwickeln.
Eine Anmerkung noch. Es gab eine Debatte über die letzten beiden Spiegelstriche im Antrag. Wir haben den Antrag in der Sitzung des Innenausschusses vom 3. Dezember 2014 ohne die beiden Spiegelstriche zur Abstimmung gestellt, um keine Ergebnisse vorwegzunehmen. Wir stellen den Antrag auch heute ohne die beiden Spiegelstriche zur Abstimmung und bitten um Ihre Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, die Punkte, die Sie genannt haben, will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Ich will auch nicht die heutige Debatte dazu nutzen, Kritik zu üben. Es geht wirklich um die Evaluation.