Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 43. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese Genehmigung wurde ihnen wie immer vorab erteilt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gestatten Sie mir einige Worte zu der Schiffskatastrophe im Mittelmeer. Am vergangenen Sonntagabend erreichten uns die ersten schrecklichen Nachrichten über ein erneutes Schiffsunglück im Mittelmeer. Schnell bewahrheiteten sich die schlimmsten Befürchtungen. Nach dem derzeitigen Stand sind vermutlich 900 Flüchtlinge aus Afrika ertrunken, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Nur 28 haben offenbar das Unglück überlebt – entkräftet, traumatisiert, heimatlos.
Allein in den ersten Monaten dieses Jahres sind fast 2.000 Menschen gestorben auf ihrem Weg – weg von Krieg, Unterdrückung, Zerstörung und unermesslichem Leid. Sie glaubten an ein besseres Leben und haben es auf grausame Weise verloren. Unzählige warten noch in den Krisengebieten dieser Welt, in Syrien oder in Libyen, auf eine Überfahrt, die immer öfter in die Katastrophe führt.
Das, was Tag für Tag auf Seerouten im Mittelmeer passiert, dürfen wir nicht länger hinnehmen. Als Europäer stehen wir für die gemeinsamen Werte der Solidarität, der Menschenrechte und der Menschenwürde. Deshalb müssen wir als Europäische Gemeinschaft den Kampf gegen Schleuser und Schlepper verstärken, die Fluchtursachen bekämpfen und insbesondere alles tun, um zu verhindern, dass weitere Männer, Frauen und Kinder auf ihrer Flucht ums Leben kommen. Vorgestern haben die EU-Außenminister einen Zehn-Punkte-Plan aufgestellt, der morgen auf dem EU-Sondergipfel zur Entscheidung ansteht. Viele – auch ich – fragen sich: warum erst jetzt?
Das Schicksal der Flüchtlinge, die aus höchster Not ihre Heimatländer verlassen, darf niemanden kalt lassen. Die Bekämpfung der Ursachen, die solidarische Verteilung der Aufnahme der Flüchtlinge und die Mithilfe im Mittelmeer müssen auf europäischer Ebene schnellstmöglich geregelt werden.
Wir in Bayern können das tun, was wir seit vielen Wochen und Monaten tun und wofür wir allen Engagierten zu großem Dank verpflichtet sind. Wir heißen die Menschen, die sich ihr Schicksal nicht ausgesucht haben, bei uns willkommen und leisten Hilfe dort, wo sie dringend notwendig ist. Das wollen und werden
wir auch weiterhin tun. Wir müssen dabei unseren Bürgerinnen und Bürgern immer wieder erklären, welch ausweglose Lage diese Menschen zu ihrer riskanten Flucht bewegt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, sich für eine Schweigeminute von Ihren Plätzen zu erheben.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Peter Meyer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (Drs. 17/4607) - Zweite Lesung
Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat 24 Minuten. – Ich darf als Erstem Herrn Kollegen Meyer das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen wurde unser Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes in diesem Haus ausführlich diskutiert; ich brauche daher auf Details nicht einzugehen. Aber lassen Sie mich bitte noch einmal klarstellen: Es geht uns ausschließlich um die Abschlagsfreiheit. Wir wollen nur erreichen, dass der Versorgungsabschlag nicht nach 45 Dienstjahren, sondern nach 45 Berufsjahren entfallen soll. Der Ruhegehaltssatz soll sich weiterhin einzig und allein nach der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit richten. Auch die Anrechnung der Rente auf die Pension lässt unser Gesetzentwurf unangetastet.
Liebe Frau Kollegin Heckner, wir hatten ja die Diskussion im Ausschuss. Es geht uns nicht darum, dass jemand, der Rentenbeitragszeiten in der Privatwirtschaft vorweist und sowohl Renten- als auch Pensionsansprüche hat, insgesamt mehr erhalten soll als die sogenannten Nur-Beamten – das ist ein schöner Fachbegriff –, also als die Beamten, die ihre gesamte Lebenskraft stets dem Staat zur Verfügung gestellt haben. Nein, er soll das Gleiche bekommen. Niemand in diesem Raum möchte, dass jemand, der sowohl Beamter als auch Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft war, mehr bekommen soll als der soge
Auch die Vorschriften, nach denen eine Anrechnung der Renten auf die Versorgungsbezüge erfolgt – wenn man sich die Petitionen, die das ganze Jahr hereinkommen, anschaut, sieht man übrigens, dass das ein sehr großes Ärgernis ist –, wollen wir mit dem Gesetzentwurf nicht antasten. Es geht auch nicht, wie uns vorgehalten wurde, um eine Subventionierung der für das Dienstverhältnis nicht relevanten Vordienstzeiten; denn die Vordienstzeiten würden sich nach unserem Gesetzentwurf gerade nicht versorgungserhöhend auswirken. Die beamtenrechtliche Pension soll nur für die geleisteten Dienstjahre bezahlt werden. Es geht uns lediglich – ich betone es zum dritten Mal – um die Abschlagsfreiheit. Wie schon oft, aber wohl nicht oft genug gesagt: Die Zeiten in der Privatwirtschaft sollen sich nicht erhöhend auf die Pension auswirken; sie sollen aber bei der Ermittlung der Abschlagsfreiheit Berücksichtigung finden. Wer 45 Jahre seines Lebens gearbeitet hat, der soll mit 64 Jahren in den Ruhestand gehen können, ohne dass er einen Abschlag isoliert auf den auf das Beamtenverhältnis bezogenen Ruhegehaltssatz - hinnehmen muss.
Die Auszahlungen sollen auch nicht höher sein als die anteilig erworbenen Anwartschaften für die Beamtenpension. Das Ruhegehalt soll sich nach unserem Gesetzentwurf nur aus den geleisteten Dienstjahren errechnen, also aus den Jahren, für die Anwartschaften erworben wurden. Es ist unser Anliegen, dass die erworbenen Anwartschaften nicht wieder genommen werden. Durch den Versorgungsabschlag werden aber gerade diese erworbenen Anwartschaften in bestimmten Fällen wieder genommen.
Ein konkretes Beispiel – das ist ein echter Fall; der Betroffene hat sich an uns gewandt –: Der Petent begann mit 14 Jahren eine Ausbildung und arbeitete anschließend in dem erlernten Beruf. Er befand sich somit in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Mit 20 Jahren ging er zur Bundeswehr. Mit 28 Jahren trat er – zunächst im Angestelltenverhältnis – in den öffentlichen Dienst ein, bevor er schließlich mit 30 Jahren in das Beamtenverhältnis berufen wurde. Heute ist der Petent 64 Jahre alt und hat 50 Jahre seines Lebens gearbeitet; als Dienstzeit gelten aber nur 43. Würde er nun auf eigenen Antrag mit 64 Jahren in den Ruhestand versetzt werden, müsste er einen Versorgungsabschlag in Höhe von 0,3 % für jeden Monat hinnehmen, den er vor Erreichen der 45 Dienstjahre in den Ruhestand ginge. Das wären konkret 5,3 %.
Sein Ruhegehaltssatz soll sich nicht aus den 50 Berufsjahren, sondern aus den 43 Dienstjahren errechnen; das ist klar. Die Rente, die er für die Jahre in der Privatwirtschaft bekommt, würde natürlich auf die Pension angerechnet werden, sodass er zwar nicht mehr erhielte als der vergleichbare Nur-Beamte, aber abschlagsfrei in Pension gehen könnte.
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute vermeintlich wieder einmal um Gerechtigkeit. Es ist schon erstaunlich, wie oft die Kollegen der Opposition - absolut überparteilich - darüber entscheiden wollen, was gerecht ist. Manchmal habe ich den Eindruck, in den Augen der Kollegen der Opposition gelte: Gerecht ist, wenn der Bürger mehr zahlt. – Anders kann ich mir den heute vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion der FREIEN WÄHLER zur Änderung des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes, den SPD und GRÜNE freundlicherweise unterstützen, nicht erklären. Es gehe schließlich, so Kollege Schuster, um nicht mehr und nicht weniger als darum, eine "Gerechtigkeitslücke" zu schließen,
auch wenn Kollege Ganserer erkennt, dass der Gesetzentwurf – ich zitiere – "ohne Zweifel zu Mehrausgaben führen" würde. Hinsichtlich der tatsächlichen Höhe mag – ich zitiere noch einmal – "manches vage" sein. Die Kollegen wissen also weder, wie viel ihr Antrag kosten würde, noch woher das Geld kommen soll. Aber sie stimmen – ich zitiere ein drittes Mal – "aus Gründen der Gerechtigkeit" zu. Der Bürger wird schon zahlen.
Ich bin wirklich froh darüber, dass meine Kinder noch zu jung sind, um die Diskussion hier im Stream zu verfolgen. Andernfalls hätte ich zu Hause ein echtes Problem; denn dann würde mein Sohn wohl sehr oft vor mir stehen und ein neues Fahrrad, neue Fußballschuhe und was weiß ich fordern – aus Gerechtigkeitsgründen, versteht sich –, damit er gegenüber seinen Freunden nicht schlechtergestellt ist, und dies unter absoluter Missachtung der Frage, ob er sich das Fahrrad oder die Fußballschuhe beispielsweise durch Mithilfe im Haushalt verdient hat.
Um von diesem Bild zum Antrag zu kommen: Genauso, wie ich meinem Sohn auf die motzige Forderung: "Die anderen haben das doch auch!", erkläre, dass Äpfel nicht mit Birnen vergleichbar sind, hat der geschätzte Kollege Ländner der Opposition bereits erklärt, dass es ein Unterschied ist, ob ich nach drei Halben oder einem guten Frankenwein "eine vage Gerechtigkeitsdiskussion" mit philosophischem Anspruch führe oder ob ich eine dienstrechtliche Entscheidung zu treffen habe.
Ungleiches darf nicht gleich behandelt werden. Wenn jemand nicht mit 19 Jahren, sondern erst nach einer wie auch immer gearteten Karriere in der freien Wirtschaft Beamter wird, dann mag er gute Gründe für diesen Schritt haben. Vorteile aus dieser Entscheidung hat er sowieso. Das habe ich bereits in meiner ersten Rede in diesem Haus hervorgehoben.
Die durchschnittliche Rente – wohlgemerkt, meine sehr geehrten Damen und Herren – für Männer in den alten Bundesländern beträgt 1.350 Euro. Diese Rente erhalten diejenigen, die als Angestellte und Arbeiter dafür geschuftet haben, dass die Wirtschaft läuft, damit wir uns den Staat mit seinen Beamten leisten können. Der eher niedrig angesetzte Durchschnittsbeamte mit abschlagsfreiem Maximalruhegehalt der Besoldungsgruppe A 6 hingegen bekommt 1.650 Euro. 1.350 Euro zu 1.650 Euro – ich denke, der Unterschied fällt Ihnen auf, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es stimmt: Für diejenigen, die aus der freien Wirtschaft kommen und aus Sicherheitsgründen in das Beamtentum gewechselt sind, lohnt sich dieser Schritt, zumal sich weder in der freien Wirtschaft noch im Beamtentum die Möglichkeit findet, abschlagsfrei mit 64 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Dies ist ein vom Freistaat Bayern gewährtes Privileg für diejenigen, die ihr Leben in den Dienst des Staates gestellt haben, und zwar ihr komplettes Erwerbsleben mit über 45 Jahren.
Der geschätzte Kollege Fackler hat es bereits ausgeführt, aber ich wiederhole es, damit es alle Kollegen verstehen. Mit dem Eintritt in den Staatsdienst wird eine Anwartschaft aufgebaut. Berücksichtigt werden bei diesen sehr weit gefassten Berechnungen auch dienstzeitrelevante Vorzeiten sowie Ausbildungs- und Erziehungszeiten. Sprich, bei einem jungen Menschen, der sich nach einer schulischen Ausbildung entschließt, in den Staatsdienst zu gehen, läuft dieser Zähler ab einem Alter von circa 19 Jahren. Das Alimentationsprinzip des Beamtenrechts geht davon
aus, dass er sich ab diesem Zeitpunkt Erfahrungen und Wissen im Beamtentum bzw. in der Vorbereitung auf dieses aneignet.
Dieses Prinzip, das wir von den Besoldungsstufen kennen, bestimmt am Ende der Beamtenlaufbahn tatsächlich die erworbene Anwartschaft und damit die Höhe des Ruhegehalts. Wenn also, wie im Fall der Beamten mit gemischter Erwerbsbiografie, die Ruhestandsauszahlung höher ist als die im Staatsdienst erworbene Anwartschaft, dann muss ich mich doch ernsthaft fragen, wie hier von einer Ungerechtigkeit oder einer Gerechtigkeitslücke gesprochen werden kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Mitglieder des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes sind wir kein Beamtenbeglückungskomitee, sondern dafür da, die Anliegen, mit denen sich unsere Beamten als mündige Staatsbürger an ihren Dienstherrn im Freistaat Bayern wenden, nach bestem Wissen und Gewissen einzig vor dem Hintergrund seiner sachlichrechtlichen Berechtigung zu prüfen und daraus politische Schritte abzuleiten.
Diesen Anspruch, liebe Kolleginnen und Kollegen, vermisse ich bei denjenigen, die den Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes als Plattform für kostspielige Wählerwerbung missbrauchen wollen. Aber nicht mit uns, nicht mit der CSU! Wir haben Respekt für Erwerbsbiografien, bei denen 45 und mehr Arbeitsjahre auf der Uhr stehen. Aber im Gegensatz zur Opposition verkennen wir nicht die Realität; denn in dieser steht Bayern mit der Regelung zum abschlagsfreien Antragsruhestand bundesweit an der Spitze.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Ingrid Heck- ner (CSU): Jawohl! – Peter Meyer (FREIE WÄH- LER): Magerer Applaus!)
Wir verkennen nicht, dass die Anknüpfung an das 64. Lebensjahr ein bayerisches Alleinstellungsmerkmal und Privileg ist, und wir verkennen vor allem nicht, wer unseren Staat finanziert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir die Kirche im Dorf. Muten wir unseren Unternehmen, Arbeitern und Angestellten nicht noch höhere und sachlich absolut unbegründete Kosten zu; denn das ist alles, aber nur nicht gerecht.
die Zwischenbemerkung des Kollegen Meyer aufrufe, darf ich bekannt geben, dass die CSU-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf namentliche Abstimmung beantragt hat. - Herr Kollege Meyer, bitte.
Frau Präsidentin, Ihres Hinweises hätte es gar nicht bedurft. Bei einem Blick auf die Bank der Fraktion der CSU wissen wir schon, warum es eine namentliche Abstimmung geben wird.
Lieber Kollege Bauer, Sie haben zum wiederholten Mal auch entgegen meinen heutigen Ausführungen das wiederholt, was nicht stimmt. Sie haben gesagt, wir sollen die Kirche im Dorf lassen. Überlegen Sie sich einmal, wie dick Sie heute aufgetragen haben mit Ihrem Pathos. Aber das ist ein anderes Problem.
Nachdem wir Sie jetzt nicht davon überzeugen können – das war mir ja klar –, habe ich folgende Frage an Sie: Halten Sie es für gerecht, dass ein Beamter, der nicht abschlagsfrei in Pension geht, weil es eben nach Dienstzeiten geht, diesen Verlust durch den Abschlag nicht mit seinen erworbenen Rentenversicherungsansprüchen auffüllen darf, weil der Freistaat Bayern nämlich die Rente einkassiert, indem er sie auf die auszuzahlende Pension anrechnet? Halten Sie das für ein Indiz für die Richtigkeit dessen, was Sie hier sagen, hier werde zu viel bezahlt? Können Sie oder wollen Sie nicht verstehen, dass es natürlich mehr kostet, wenn wir das jetzt abschaffen würden? Aber der eigentliche Grund ist, dass sich der Freistaat Bayern als Dienstherr im Augenblick an den erworbenen Rentenversicherungsansprüchen der Beamten bereichert, das heißt, er nimmt zu viel ein.
Lieber Kollege Meyer, in meiner Begründung war ausführlich erläutert, dass wir da ein bisschen auf Enkelgerechtigkeit in unseren Ausgaben achten. Wir müssten mit höheren Ausgaben rechnen, und daher werden wir dem Ganzen nicht zustimmen. Ich habe es gerade eben gesagt: Ein Beamter bekommt dann 300 Euro mehr als ein normaler Arbeitnehmer. Insofern haben wir gute Argumente, Ihren Antrag abzulehnen.