Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

Lieber Kollege Meyer, in meiner Begründung war ausführlich erläutert, dass wir da ein bisschen auf Enkelgerechtigkeit in unseren Ausgaben achten. Wir müssten mit höheren Ausgaben rechnen, und daher werden wir dem Ganzen nicht zustimmen. Ich habe es gerade eben gesagt: Ein Beamter bekommt dann 300 Euro mehr als ein normaler Arbeitnehmer. Insofern haben wir gute Argumente, Ihren Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Jetzt ist der Kollege Schuster bereit. Bitte schön, Herr Kollege Schuster.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es ja schon in der Ersten

Lesung angekündigt: Wir werden dem Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER heute zustimmen; denn mit diesem Gesetzentwurf – ich wiederhole es heute, lieber Kollege Bauer – wird eine echte Gerechtigkeitslücke geschlossen.

Lassen Sie mich kurz auch noch auf den Vorwurf, dass wir mit diesem Thema kostspielige Wählerwerbung machen, eingehen. Beim Machen kostspieliger Wählerwerbung sind doch Sie die Weltmeister, zum Beispiel beim Betreuungsgeld.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Wie gesagt, es kann eine echte Gerechtigkeitslücke geschlossen werden; denn die derzeitige gesetzliche Regelung empfinden viele Betroffene als sehr ungerecht. Es gibt viele Betroffene, denen die in der freien Wirtschaft erworbenen Beitragsjahre nicht auf eine abschlagsfreie Ruhestandsversetzung nach 45 Jahren im Alter von 64 Jahren angerechnet werden. Es sind weniger die regulären Verwaltungsbeamten oder Finanzbeamten, die als Beamte die 45 Dienstjahre zusammenbringen, weil sie bereits früh die Beamtenlaufbahn eingeschlagen haben. Es sind hauptsächlich die technischen Berufe, die der Freistaat auch händeringend sucht, die nicht diese 45 Jahre zusammenbringen, um mit 64 dann abschlagsfrei in den Ruhestand gehen zu können. Es sind vor allem Vermessungsbeamte, Justizvollzugsbeamte, Lebensmittelkontrolleure und Flussmeisterinnen und Flussmeister, die oft erst viel später in die Beamtenlaufbahn einsteigen, weil sie vorher in der freien Wirtschaft gearbeitet haben, in der freien Wirtschaft ihre Meisterprüfung gemacht haben, Technikerausbildung gemacht haben. Diese beiden Ausbildungen werden anerkannt, aber die Leute sind eben später in die Beamtenlaufbahn eingestiegen. Gerade für diese Berufsgruppen brauchen wir Bewerber, die über die notwendige Lebenserfahrung verfügen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes, wir haben in Kempten das Wasserwirtschaftsamt besucht. Wir haben dort mit Flussmeistern, mit Verwaltungsbeamten und mit Ingenieuren gesprochen. Sehen Sie es nicht als ungerecht an, dass der Verwaltungsbeamte, der mit 16 Jahren seine Beamtenlaufbahn eingeschlagen hat, mit 64 Jahren abschlagsfrei in den Ruhestand gehen kann, der gleichaltrige Flussmeister, der vielleicht 35 Jahre mit dem Verwaltungsbeamten zusammengearbeitet hat, aber nicht die 45 Jahre zusammenbringt, 10,8 % Abschlag zahlen muss, obwohl er eine Lebensarbeitszeit von 47 Jahren hat?

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Rich- tig!)

Also ich finde das sehr ungerecht. Die arbeiten 35 Jahre nebeneinander her, und der eine kann dann mit 64 Jahren abschlagsfrei in den Ruhestand gehen, dem anderen werden 10,8 % von seiner Pension abgezogen.

Deshalb werden wir heute dem Antrag der FREIEN WÄHLER zustimmen, um diese Gerechtigkeitslücke zu schließen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Vielen Dank. – Jetzt hat Kollege Ganserer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liege Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten die Debatte schon bei der Ersten Lesung und dann im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes. Deswegen will auch ich heute nur noch die wesentlichen Punkte herausstreichen.

Das Problem ist weniger eine freiwillige Entscheidung von Einzelnen, von der privaten Wirtschaft ins Beamtentum zu wechseln, das Problem ist die Systematik der Beamtenzugangsvoraussetzungen.

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Während eine durchgehende Beamtenbiografie vom Abitur mit 19 Jahren bis zum Ruhestandseintritt im Verwaltungsdienst mit einer integrierten Beamtenausbildung normal ist, ist im technischen Dienst eine gemischte Erwerbsbiografie der Regelfall. So brauchen zum Beispiel – Kollege Schuster hat es schon erwähnt – die Flussmeisterinnen und Flussmeister einen Abschluss als anerkannte Techniker, um überhaupt Beamte werden zu können. Beim Werksdienst im Justizvollzug ist es genauso: Auch hier wird eine Meisterausbildung vorausgesetzt.

Anführen möchte ich noch einmal die zahlreichen Beamtengruppen, bei denen in der dritten Qualifikationsebene ein selbstfinanziertes Fachhochschulstudium der Beamtenausbildung voransteht. Auch wenn die Ausbildungszeit eines Studiums auf die Lebensarbeitszeit angerechnet wird, kommen doch immer mehr Menschen über den zweiten Bildungsweg zum Hochschulstudium, gerade bei den Diplomingenieuren – heute Bachelor –, und somit werden – das ist gewünscht – zwangsläufig auch über diesen Weg mehr Leute mit gemischten Erwerbsbiografien Beamte.

Dass es keineswegs Einzelfälle sind, ist heute schon ausgeführt worden. Wir haben es regelmäßig mit entsprechenden Petitionen im Ausschuss für den öffentlichen Dienst zu tun. Die Tatsache, dass die Beitragsjahre, welche in der freien Wirtschaft erworben werden, auf die abschlagsfreie Ruhestandsversetzung nicht angerechnet werden, finden die Betroffenen zu Recht ungerecht. Es heißt, die abschlagsfreie Ruhestandsversetzung ist eine Anerkennung für die besondere Diensttreue des Beamten, wenn er sein ganzes Leben beim Staat, bei seinem Dienstherrn, verbracht hat.

War derjenige Beamte, der vor der Tätigkeit als Beamter in der freien Wirtschaft seine Ausbildung absolviert hat und dann mit 64 Jahren vielleicht insgesamt 46, 47, manchmal sogar 49 Jahre Lebensarbeitszeit gehabt hat, aber aufgrund dieser Zugangsvoraussetzungen niemals auf 45 Dienstjahre, sondern vielleicht nur auf 35 Dienstjahre kommt, seinem Dienstherrn in 35 Jahren weniger treu als der andere, der aufgrund der Beamtenausbildung von Anfang an seine Lebensarbeitszeit beim Staat verbringen konnte? - Inhaltlich begrüßen wir den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER als einen konstruktiven Lösungsvorschlag, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen.

Ich möchte zum Schluss noch ein Argument anführen, das bisher überhaupt noch nicht zur Debatte stand. Der Fachkräftemangel in Deutschland ist nicht nur ein Problem der freien Wirtschaft, sondern er betrifft auch den öffentlichen Dienst. Nach einer Studie des Deutschen Beamtenbundes fehlen bereits jetzt schon 170.000 Fachkräfte für den gesamten öffentlichen Dienst in ganz Deutschland. Durch zunehmend altersbedingte Abgänge wird sich die Situation verschärfen.

Auch der Freistaat Bayern hat als Dienstherr in vielen Bereichen einen Altersbauch bei den Fünfzig- bis Sechzigjährigen. Das heißt, die Altersabgänge werden mehr, und die Stellen werden hoffentlich nicht alle eingespart. Man wird sie auch nicht einsparen können, weil wir die Aufgaben weiterhin erfüllen müssen. Das heißt, dass wir in Zukunft einen zunehmenden Bedarf an jungen Fachkräften haben. Deswegen sollten wir zusehen, wie wir den öffentlichen Dienst für diese Leute attraktiv halten können. Wir müssen damit rechnen, dass wir zunehmend gemischte Erwerbsbiografien haben. Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, verbleiben Sie bitte am Rednerpult. – Für eine Zwischenfrage, Frau Kollegin Heckner. Bitte schön.

Lieber Herr Kollege Ganserer, ist Ihnen bekannt, dass weder im Bundesrecht noch in irgendeinem Landesbeamtenrecht die von Ihnen geforderte Lösung in der Realität besteht? Mein Kollege Volker Bauer spricht von Populismus; das ist es wirklich so. Mit dem wunderschönen Begriff Gerechtigkeit kann ich so viele Emotionen wecken. Wie fühlt sich ein Nur-Beamter, der zu seinem 64. Lebensjahr halt nur 43 Berufsjahre zusammenbringt? Ist das nicht vielleicht auch ungerecht? Er hat jetzt 43 Jahre gearbeitet. Sein Kollege war nur 20 Jahre da und hat dazu noch 20 Rentenjahre. Der darf gehen, weil wir alles schön zusammenzählen. Die Gerechtigkeit kann ich in vielen Richtungen ausstaffieren, so viel ich will.

Sie sprechen an, dass wir Leute aus der freien Wirtschaft anwerben. Überall dort, wo diese Berufstätigkeiten laufbahnrechtlich Voraussetzung für das Beamtentum sind, werden relevante Ausbildungszeiten auch angerechnet. Wir rechnen auf die 45 Jahre so viel an.

Lieber Herr Kollege und auch die anderen Kollegen der Opposition, ich möchte wirklich darum bitten, unser Versorgungsrecht nicht überzustrapazieren. Wir werden eine Generation von jungen Menschen bekommen, die sehr viel arbeiten muss, um unseren – Gott sei Dank – vielen Beamten, die lange ihren Ruhestand genießen dürfen, den Lebensstandard garantieren zu können.

(Beifall bei der CSU)

Herr Ganserer, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Kollegin Heckner, wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass ich es in meiner Rede durchaus anerkannt habe, dass die Ausbildungszeiten dort, wo sie vorgesehen sind, auch anerkannt werden. Aber genau bei diesen Ausbildungsbereichen und bei den gemischten Erwerbsbiografien, die zwangsweise notwendig sind, wird deutlich, dass das Leben und die Ausbildungszeiten eben nicht nur nach Plan verlaufen, sondern dass sehr viele Leute sich stückweise hocharbeiten. Sie brauchen erst einmal eine Berufsausbildung und ein gewisses Maß an Arbeitserfahrung, um eine Technikerausbildung antreten zu können. Es ist nicht so, dass der eine sich sofort, sobald er seine Pflichtzeiten zusammen hat, zum Techniker anmeldet, sondern viele tun das erst nach wenigen Jahren. Das heißt nicht, dass derjenige mit mehreren Jahren Berufserfahrung in der Praxis später der schlechtere Beamte ist.

Zu Ihrer Aussage, dass es in anderen Ländern nicht vorgesehen ist: Gerade die CSU rühmt sich, dass sie

hier in Bayern ihre Beamten vorzüglich behandelt. Da wäre das einmal eine Sache! Sie können denjenigen, der 45 Jahre gearbeitet hat und mit 64 in den Ruhestand geht, nicht mit demjenigen vergleichen, der 43 Jahre gearbeitet hat. Man kann nicht sagen, dass jemand, der von den 45 Jahren 15 oder 20 Jahre in der freien Wirtschaft verbracht hat, seinem Dienstherrn schlechtere Arbeit und Dienste geleistet hat als derjenige, der aufgrund der Zugangsvoraussetzungen von Anfang an seine Lebensarbeitszeit beim Staat hat verbringen können.

(Ingrid Heckner (CSU): Nicht schlechter, aber kürzer!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt hat für die Staatsregierung Herr Staatssekretär Hintersberger um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich bei Kollegin Heckner und beim Kollegen Bauer bedanken, die dieses Thema intensiv auch in der Beratung des zuständigen Ausschusses dargestellt haben. Ich möchte von daher nur zusammenfassen. Man kann den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER drehen und wenden, wie man will, liebe Kolleginnen und Kollegen; es geht entscheidend darum, dass wir unseren Beamten eine solide, planungssichere Finanzierung sichern, gerade auch was die Versorgung anbelangt. Dies ist die entscheidende Grundlage. Von daher ist im bayerischen Dienstrecht ganz bewusst auch eine Abschlagsfreiheit vorgesehen, die wir im Gegensatz zu den Bundesbeamten – das ist schon zur Sprache gekommen – bei Vollendung des 64. Lebensjahres als Möglichkeit festgelegt haben.

Mit dieser Abschlagsfreiheit wird ganz bewusst – auch zur Honorierung der Betriebstreue – auf eine lange Dienstzeit abgestellt. Das ist nicht unkeusch. Das heißt, es werden nur die Zeiten als Beamter oder die relevanten Zeiten vor der Beamtenzeit aufgeschlagen, also selbstverständlich auch Ausbildungs- und Studienzeiten berücksichtigt. Frau Kollegin Heckner hat dies bereits ausgeführt. Kindererziehungszeiten bis zum 10. Lebensjahr werden ebenfalls berücksichtigt. Daher werden wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht folgen, den abschlagsfreien Ruhestand auszuweiten.

Nach unserem Dafürhalten darf es hier keine Rosinenpickerei geben. Wir halten diesen Gesetzentwurf insbesondere deshalb für falsch – wie bereits ausgeführt –, weil er die folgenden drei Punkte ignoriert:

Erstens verfügt Bayern auf diesem Gebiet bereits jetzt über die günstigste Regelung, weil bayerische Beamte schon ab dem 64. Lebensjahr abschlagsfrei in den Ruhestand gehen können und nicht erst mit 65 Jahren wie im Bundesbeamtentum. Wir übernehmen die Tarifabschlüsse TdL 1 : 1. Auch das ist ein wichtiger Punkt in der gesamten Versorgungsbreite unserer Beamten. Zweitens belasten die Auswirkungen dieses Gesetzentwurfs den bayerischen Dienstherrn ohne Grund für Zeiten, die mit dem Dienstverhältnis nichts zu tun haben. Drittens werden die Bemühungen konterkariert, die Versorgung der Beamten dauerhaft zukunftsfähig zu gestalten. Dies ist eine ganz entscheidende und grundlegende Aufgabe des bayerischen Dienstherrn, den wir durch die beiden großen Säulen – Aufbau eines Pensionsfonds und dementsprechende Schuldentilgung – zukunftsfähig gestaltet haben. Sie kennen dies.

Ich fasse zusammen: Eine Rosinenpickerei ist zu der klaren und soliden Planungssicherheit einer an Fairness und Stabilität orientierten Politik keine Alternative. Deshalb bitte ich Sie, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Jetzt habe ich noch eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Meyer vorliegen. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Staatssekretär, Ihr Vorwurf der Rosinenpickerei war wieder das Tüpfelchen auf dem i; denn in Bayern ist die Situation nicht so gut, dass sie nicht noch besser gemacht werden könnte.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich war damals bei den Beratungen über das Neue Dienstrecht im Ausschuss dabei. Damals wurde auch gefordert, die Lebensleistung zu belohnen. Deswegen wurde die Forderung nach abschlagsfreiem Ruhestand ab dem 64. Lebensjahr vorgelegt. Sie ziehen sich jetzt auf die Treue zum Dienstherrn zurück.

(Ingrid Heckner (CSU): Das macht jeder Arbeitgeber so! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Kollegin Heckner, wir sind uns sicher darin einig, dass erworbene Rentenversicherungsansprüche zum Eigentum im Sinne von Artikel 14 des Grundgesetzes gehören.

Herr Staatssekretär, deswegen folgende Frage – Herr Kollege Bauer ist darauf "dankenswerterweise" überhaupt nicht eingegangen –: Warum gehen Sie nicht

den Weg anzuerkennen und zu sagen: Gut, für deine Dienstzeit als Beamter bekommst du den Abschlag, und mit den privat erworbenen Rentenversicherungsansprüchen kannst du die Pension auffüllen? Aber genau das tut der Freistaat Bayern nicht, sondern im Ergebnis kassiert er die Pension wieder ein. Das ist auf jeden Fall eine Gerechtigkeitslücke.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was diese theoretische Diskussion angeht, hat das Bundesverfassungsgericht diese Regelung mehrmals für sinnvoll gehalten. Es ist keineswegs ungerecht, dass wir als bayerischer Dienstherr diese besondere Bindung zum bayerischen Dienstherrn mit der Anerkennung der relevanten Zeiten auch auf diesem Gebiet deutlich machen.