Protokoll der Sitzung vom 07.12.2017

§ 219a verbietet Werbung für Schwangerschaftsabbrüche dann und nur dann, wenn sie in grob anstößiger Weise erfolgt oder in der Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Vorschrift zielt also gerade darauf ab, dass eine Information von Schwangeren in Konfliktlagen sachlich und neutral erfolgt und nicht in anstößiger Form oder in kommerziellem Eigeninteresse.

Meine Damen und Herren, wer diesen Paragrafen streicht, bewirkt damit logischerweise, dass Werbung künftig in anstößiger Weise oder in kommerzieller Absicht erfolgen kann, und erreicht damit genau das Gegenteil dessen, was Sie nach der Überschrift wollen.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Es ist Verpflichtung des Staates, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu halten und zu beleben.

(Zuruf von der CSU: Das ist gut so!)

Das sind nicht meine Worte, sondern das sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die der heutigen Rechtslage zugrunde liegen. Wer diesen verfassungsrechtlichen Regelungsauftrag ernst nimmt, kann nicht ernsthaft fordern, Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf eine Stufe mit Werbung für andere medizinische Leistungen zu stellen.

(Beifall bei der CSU)

Dem scheint das Missverständnis zugrunde zu liegen, es bestünde ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch, als handele es sich um eine gewöhnliche ärztliche Dienstleistung. Aber noch einmal in aller Deutlichkeit: Schwangerschaftsabbruch ist nach unserer Rechtsordnung außer bei medizinischer oder kriminologischer Indikation grundsätzlich rechtswidrig.

(Beifall bei der CSU)

Nur innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft sowie nach Inanspruchnahme einer speziellen Beratung ist er straffrei.

Die Antragsteller hätten gut daran getan, in diesem Zusammenhang auch einen Blick auf § 219 zu werfen. Ein strafloser Schwangerschaftsabbruch setzt demnach voraus, dass eine rechtlich regulierte Beratung durch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle stattgefunden hat. Die Vorschrift gibt dabei verbindliche Leitlinien für den Inhalt der Beratung vor. Nach dem Gesetzeswortlaut dient die Beratung ausdrücklich dem Schutz des ungeborenen Lebens und hat sich vom Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen sowie ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen, wobei der Frau bewusst sein muss, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat.

Dieses Konzept würde man geradezu auf den Kopf stellen, würde man im gleichen Atemzug hoch anstößige oder von finanziellem Eigeninteresse getriebene öffentliche Werbung für Schwangerschaftsabbrüche oder Methoden zu deren Durchführung zulassen. Wollen Sie denn in letzter Konsequenz ernsthaft Leuchtreklamen von kommerziellen Schwangerschaftsabbruchvermittlern oder Fernsehspots für abortive Medikamente erlauben?

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich betonen: Jede Schwangere hat in einer fraglos außerordentlich belastenden Situation ein Recht auf Information. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz verleiht ihr daher einen Anspruch darauf, sich umfassend, und auf Wunsch auch anonym, kostenlos zu informieren und beraten zu lassen. Das beginnt mit einem bundesweiten zentralen Notruf und reicht vor Ort von Beratungs

stellen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung über freie Träger bis hin zu anerkannten Ärzten.

Frau Schulze, anders als es Ihr Dringlichkeitsantrag behauptet, bleibt es umgekehrt auch jedem nicht als Konfliktberatungsstelle anerkannten Arzt unbenommen, beispielsweise kostenlos sachliche Aufklärungsbroschüren zur Verfügung zu stellen, wenn er dies möchte, oder Beratungsstellen mitzuteilen, dass er bereit ist, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.

Meine Damen und Herren, die strafrechtlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch bilden ein fein austariertes System, mit dem es gelungen ist, eine jahrzehntelange gesellschaftliche Debatte einigermaßen erfolgreich zu befrieden. Ich kann nur davor warnen, es durch vorschnelle Streichungen einzelner Vorschriften jetzt ins Wanken bringen zu wollen,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Kolleginnen und Kollegen, schon gar nicht unter Berufung auf ein amtsgerichtliches Urteil, das bislang offenbar nicht einmal rechtskräftig ist.

Frau Strohmayr, 1976 gab es eine SPD-geführte Bundesregierung, die die jetzt geltende, austarierte Regelung auf den Weg gebracht hat.

(Zuruf des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Die damalige SPD-Regierung hat den § 219a StGB quasi in ihren Vorschlag mit aufgenommen. Dem Parlament, das über die damaligen Regelungen abgestimmt hat, war es sehr wohl bewusst, dass es dieses Werbeverbot gibt. Deshalb hat der bundesdeutsche, demokratische Gesetzgeber 1976 gesagt: Ja, im Hinblick auf den verfassungsrechtlich notwendigen Schutz des ungeborenen Lebens brauchen wir dieses Werbeverbot. Andernfalls hätten sie es mit den Regelungen gestrichen.

(Florian von Brunn (SPD): Vor 41 Jahren!)

Insoweit ist es falsch, wenn man hier mit anderen historischen Argumenten versucht, Stimmung zu machen.

(Beifall bei der CSU)

Kolleginnen und Kollegen, jedenfalls ist Aktionismus ohne Rücksicht auf den Flurschaden und die verfassungsrechtlich notwendigen, staatlichen Maßnahmen zum Schutz des ungeborenen Lebens nicht angebracht. Aus meiner Sicht ist der Antrag populistisch, wenig zielführend, verfassungsrechtlich problematisch – und eines ist er in jedem Falle: Er ist abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, würden Sie bitte noch mal ans Rednerpult zurückkommen? Wir haben zwei Zwischenbemerkungen. – Frau Kollegin Celina, bitte.

Herr Staatsminister, Sie gehören zu den jüngeren Mitgliedern des Kabinetts, aber heute argumentieren Sie wie Methusalem persönlich.

(Zurufe von der CSU: Oh!)

In diesem Fall ist die Ärztin 61 Jahre alt, praktiziert seit über 30 Jahren und braucht für ihre letzten Berufsjahre keine Werbung mehr.

(Peter Winter (CSU): Woher wissen Sie das? – Unruhe)

Darf ich bitte ausreden? – Innerhalb weniger Stunden nach dem Gerichtsurteil gab es 115.000 Unterstützerunterschriften für eine Online-Petition. Sie haben vorher noch einmal mit dieser Leuchtreklame argumentiert. Können Sie als Justizminister mir bitte erklären, was an diesem Fall auch nur annähernd vergleichbar mit einer Werbung mit einer Leuchtreklame gewesen sein soll? Ich habe nichts daran gefunden, was kommerzialisierend

(Peter Winter (CSU): Das hat er doch vorher gesagt!)

oder was auch immer gewesen sein soll, wie Sie es genannt haben.

Und als Letztes: Den Schutz des ungeborenen Lebens erreicht man durch gute Beratung, erreicht man durch gute Angebote für Schwangere, erreicht man durch Unterstützung, durch Mutmachen zum Leben, zum Kind. Man erreicht ihn im 21. Jahrhundert aber nicht durch das Verbot von Online-Information.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister.

Also, Frau Kollegin

(Jürgen W. Heike (CSU): Mach‘s kurz!)

na ja, ganz kurz können wir’s nicht machen –, ich finde es bemerkenswert, dass Sie eigentlich altersdiskriminierend behaupten, das sei eine überholte und von Methusalem vorgebrachte Argumentation. Aber das ist Ihre Sache.

Wenn man eine neutrale und unabhängige Beratung von Frauen in der besonders belastenden Situation einer ungewollten Schwangerschaft sicherstellen will,

(Lachen des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

dann muss man eine Kommerzialisierung, einen Konnex zwischen einer Information und einem Leistungsangebot mit Eigeninteresse generell unterbinden. Das tut der § 219a StGB. Ich werde jetzt nicht hergehen und ein amtsgerichtliches Urteil, das noch dazu wohl nicht rechtskräftig ist – jedenfalls hat man davon nichts gelesen –, hier zum Gegenstand von Diskussionen machen. Im Übrigen ist es mir als Justizminister auch nicht möglich, zu einzelnen Entscheidungen Stellung zu nehmen. Aber Sie gehen auch nicht auf die Entscheidung ein, sondern Sie zielen mit Ihrem Antrag auf die Abschaffung einer Regelung, bei der ich, ehrlich gesagt, nicht verstehe, wo Ihr Problem liegt.

Schauen Sie sich die Regelung an. Diese Regel sichert die Information und letztlich auch den Schutz der Frau in dieser besonderen, belastenden Situation, indem es nämlich darum geht, eine vernünftige, verlässliche Information sicherzustellen und anderes zu unterdrücken – und das finde ich richtig.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt bitte ich Frau Kollegin Dr. Strohmayr.

Herr Minister Bausback, ich bin jetzt schon etwas verwundert.

(Zurufe von der CSU: Oh! – Isabell Zacharias (SPD): Nicht nur verwundert!)

Ich frage mich, wie konnte es dann überhaupt zu diesem Urteil kommen, wenn, wie Sie ausgeführt haben,

(Zurufe von der CSU: Oh! – Thomas Kreuzer (CSU): Werden Sie Richterin!)

nur Werbung strafbewehrt ist? Da muss ich Ihnen nämlich unterstellen, dass Sie den § 219a StGB nicht richtig gelesen haben. Wenn ich den § 219a StGB sehr eng sehe, wie es das Gericht getan hat, dann komme ich durchaus zu einer Strafbewehrung allein schon durch das Zur-Verfügung-Stellen von Information, wenn es eben ein Arzt tut, dem man dann sofort durch seine berufliche Tätigkeit einen Vermögensvorteil unterstellt. Dann komme ich zu der Strafbewehrung allein schon durch Informationsmaterial in der Öffentlichkeit.