Protokoll der Sitzung vom 07.12.2017

Deswegen sage ich es Ihnen noch einmal: Sie haben mit Ihrem Antrag sehr viel erzählt, aber keine Silbe dazu gesagt, wie das Ganze funktioniert, wie das Ganze umgesetzt werden soll. Für mich ist die Konsequenz und die Erkenntnis aus diesem Antrag, dass die FREIEN WÄHLER energiepolitisch in diesem Hause keine Rolle mehr spielen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Kirchner. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Roos. Bitte schön, Herr Roos.

(Vom Redner nicht autori- siert) Werte Frau Präsidentin Gote, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Minuten haben wir gehört, dass die FREIEN WÄHLER als energiepolitische Geisterfahrer unterwegs sind.

(Beifall bei der CSU – Erwin Huber (CSU): Sehr gut!)

Ich denke mir, dass ihr das sagt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Und ihr seid die Atomlaufzeitverlängerer!)

Ihr werdet jetzt aber nicht geschont, lieber Erwin, lieber Sandro. Ihr seid mindestens Vertreter der Echternacher Springprozession – einmal vor, einmal zurück und am besten zwei Schritte zurück. Das ist noch schlimmer; denn ihr seid an der Macht. Wir können nicht viel kaputtmachen. Aber ihr habt an der Energiewende sehr viel kaputtgemacht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Ich wende mich an einen in euren Reihen, der sehr viel über Energiepolitik Bescheid weiß. Es ist Tobias Reiß, bis 2013 der Vorsitzende der Kommission im Bayerischen Landtag zur Begleitung der Energiewende. Er hat solide gearbeitet und gewusst, dass man zusätzliche Leitungen und Kapazitäten vor Ort nicht gegenseitig ausspielen muss. Regionalisierung ist genauso wichtig wie Internationalisierung. Dann klappt

es. Lieber Kollege Pschierer, ihr wart dazu aber nicht fähig. Ihr habt keinen Masterplan für die bayerische Energiewende vorgelegt. Ihr habt in vielen Punkten versagt.

Der oberste Versager ist heute nicht da; denn im Wettbewerb der Populisten war Herr Seehofer mindestens so stark wie Herr Aiwanger.

(Beifall bei der SPD – Georg Rosenthal (SPD): Das heißt was!)

Sandro Kirchner hat sehr vieles richtig dargestellt: Es gibt einen Bundesbedarfsplan, es gibt die Bundesnetzagentur, die definitiv gesagt hat, dass wir diese Höchstspannungsübertragungsnetze brauchen. Sie hat aber nicht gesagt, dass diese Leitungen zwingend unter der Erde verbuddelt werden müssen. Wenn ihr wissen wollt, wer die Suppe auslöffelt, dann fragt mal Herrn Gaffal, den Präsidenten der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, und unsere Endverbraucher. Die Bürgerinnen und Bürger, für die wir Sozialdemokraten stehen, müssen nämlich über ihre Stromrechnung um den Faktor 1 : 8 mehr bezahlen. Gegenüber einer Hochspannungsleitung ist die Erdverkabelung um das Achtfache teurer. Das habt ihr zu verantworten. Das kann man vielleicht in höchst sensiblen Gebieten mit hoher Besiedelung machen, aber doch nicht querbeet, und gleich gar nicht durch die Wälder. Da wurde sehr viel Unsinn verbreitet und beschlossen.

Jetzt komme ich noch einmal zu den FREIEN WÄHLERN. Hubert, hör mir zu! Schau nicht schon wieder ins Handy!

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ja, ja! – Gisela Sengl (GRÜNE): Er ist multitaskingfähig! – Allgemeine Heiterkeit)

Ja, ja, Multitasking. Das kenne ich schon. – Du kennst die Grundlagen der Physik, oder? Jetzt machen wir ein bisschen Unterricht. Du sprichst von Nord-Süd und sagst, dass der Strom aus Wind und Kohle von Norden nach Süden komme. Meinst du, das ist eine Einbahnstraße?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir haben ja Trassen! Es ist nicht so, als ob wir keine Trassen hätten! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir haben dank des Zubaus erneuerbarer Energien wie Photovoltaik und Windkraft – beides wurde faktisch von der Bayerischen Staatsregierung gestoppt – genügend Tage und Stunden, an denen wir nach Norden exportieren können.

Jetzt komme ich zur traurigen Bilanz der Politik der Bayerischen Staatsregierung. Wenn im Jahr 2022 das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet wird, müssen wir als Freistaat Bayern die Hälfte unseres Stroms importieren. Das ist eine Bankrotterklärung. Ich sage noch dazu: Ich bezweifle, dass die Übertragungsnetze dann fertig sind. Das heißt, wir werden über einen Zeitraum von mindestens drei oder vier Jahren noch mehr Strom importieren müssen. Versorgungssicherheit ist dann nicht mehr gewährleistet.

(Beifall bei der SPD – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir haben Gaskraftwerke!)

Jetzt ist die Schulstunde beendet. Sowohl die Staatsregierung als auch die FREIEN WÄHLER haben schlecht gearbeitet. Ihr habt den verkehrten Bürgern aufs Maul geschaut. Ihr habt nicht denen aufs Maul geschaut, die gesagt haben: Wir müssen Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit miteinander verknüpfen. Stattdessen habt ihr den Schreiern vor Ort auf den Mund geschaut. Ihr seid denen gefolgt, die gesagt haben: Die Leitung darf irgendwo sein, aber nicht bei mir. Das ist falsch.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Roos. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Stümpfig. Bitte schön, Herr Stümpfig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben wieder einmal eine Debatte über die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, eine HGÜ-Debatte. Wir sind schon fast aus der Übung gekommen. Wir debattieren in diesem Haus seit vier Jahren über HGÜ hin und her. Die Debatte will und will einfach nicht an Niveau gewinnen. Wir haben heute wieder von unserem neu erwählten Energieexperten Aiwanger eine Rede gehört, in der er mit einem Satz gesagt hat, was er nicht will. Er sagt ganz pauschal: Wir brauchen keine Leitungen. Er deutet jedoch in keiner Weise an, wie die Lösung gefunden werden soll. Uns wird nur gesagt: Die anderen sollen doch mal nachdenken. Herr Aiwanger, wenn das alles ist, womit Sie mit Ihrem Dringlichkeitsantrag in die Bütt gehen, ist das wirklich sehr schwach. Das ist Populismus hoch drei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Niveau der HGÜ-Debatte – Herr Kollege Roos hat das eben angedeutet – war zu Beginn wegen der CSU sehr niedrig. Sie wusste nicht – rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln –, was sie will. In letzter Zeit ist das hauptsächlich bei den FREIEN WÄHLERN so. Ich befürchte, dass es vor der Wahl noch

viele geben wird, die populistisch auf Stimmenfang gehen werden.

Wir von den GRÜNEN sind froh, dass die Planungen endlich in Gang gekommen sind. Sie wurden jahrelang von der CSU, vom Ministerpräsidenten, blockiert. Die Verzögerungen beim Bau von HGÜ-Leitungen werden wir mit höheren Strompreisen bezahlen. Im Jahr 2015 haben wir eine Milliarde Euro für Redispatch-Maßnahmen ausgegeben. Das kann es wirklich nicht sein.

Deswegen ist für uns ganz klar: Die HGÜ-Leitungen sind im Deutschen Bundestag beschlossen worden. Es gibt nach wie vor Möglichkeiten zur Änderung. Die Planungen können korrigiert werden. Das ist jedoch die Grundlage, auf der wir jetzt weiterarbeiten wollen.

Wir brauchen die Leitungen aus zwei Gründen. Die CSU hat ihr Wahlversprechen gebrochen. Bei der letzten Landtagswahl hieß es noch: Jede in Bayern verbrauchte Kilowattstunde soll auch in Bayern erzeugt werden. Jetzt schwenken wir um auf das Ziel, bis 2025 50 % des Stroms zu importieren. Das ist nur der errechnete Durchschnitt. Wir werden in Bayern Stunden haben, in denen wir bis zu 70 % unseres Strombedarfs importieren müssen. Wir hängen also am Tropf, und das ist in großem Umfang die Schuld der CSU. Sie haben es nicht geschafft, die Erneuerbaren auszubauen.

Der zweite Grund, warum wir die Leitungen brauchen, ist die unterschiedliche Verteilung des Stroms abhängig von Region und Jahreszeit. Da hilft es nichts, nur den Jahresdurchschnitt zu betrachten. Stattdessen müssen wir es schaffen, Überschuss-Strom dorthin zu liefern, wo er gebraucht wird. Wenn wir in Bayern einen großen Strombedarf haben und in Ostdeutschland gerade ein Stromüberschuss besteht, ist es in keiner Weise sinnvoll, den Strom zu hohen Kosten und bei schlechtem Wirkungsgrad irgendwo zwischenzuspeichern. Bei uns müssen wir dann – das hat Herr Aiwanger hereingerufen – Gaskraftwerke laufen lassen. Das ist sowohl klimapolitisch als auch ökonomisch totaler Unfug. Wir müssen es schaffen, Strom dorthin zu liefern, wo er gebraucht wird. Nur der Überschuss-Strom soll gespeichert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Aiwanger, ich komme zu Ihrem Argument der Landschaftszerstörung. Das ist ebenfalls vollkommen danebengeschossen. Nach Ihrer Berechnung haben wir 1.400 km Leitungen in Bayern. Die Leitungen, die in Bayern verlaufen, sind aber nur 370 km oder knapp 400 km lang. Wir haben keinen 30-Meter-Graben, der komplett ausgehoben wird, sondern es gibt Schächte,

die für die Kabel ausgehoben werden. Wenn Sie von 100 Kubikmeter – –

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Millionen!)

Wenn Sie von 100 Millionen Kubikmeter Material sprechen, ist mindestens um den Faktor zehn übertrieben. Sie haben in keiner Weise richtig gerechnet. Das ist wieder Populismus pur. Es stimmt, dass es eine große Baustelle wird. Das kann man nicht von der Hand weisen. Je nachdem, wie der Baufortschritt vor Ort ausfällt, ist der Bau nach einem Jahr getätigt. Die Leitungen befinden sich dann unter der Erde. Die Fläche kann dann wieder landwirtschaftlich genutzt werden. Es sind beileibe nicht die ersten und einzigen Leitungen, die wir in Bayern unter der Erde haben. Wir haben Gasleitungen, Fernwasserleitungen, Ölpipelines und vieles mehr unter der Erde. Wir haben eine Vielzahl von Leitungen, die bereits vergraben sind.

Nur zum Vergleich: Die Oberste Baubehörde in Bayern ist verantwortlich für den Bau und den Erhalt von 25.000 km Straßen. Das sind nur die überörtlichen Straßen. Die kleinen Verbindungsstraßen sind da gar nicht eingerechnet. Gerade Sie von den FREIEN WÄHLERN sind sich nicht zu schade, für jede Straße, die irgendwo geplant wird, laut zu schreien: Die brauchen wir auf jeden Fall. Diese Straßen sind dafür verantwortlich, dass Landschaften zerschnitten werden. Sie verursachen einen hohen Flächenverbrauch. Wir verfügen über 25.000 km überörtliche Straßen. Wegen 370 km machen Sie jetzt so einen Zinnober. Sie schwingen sich zu den größten Landschaftsschützern auf. Darüber können wir nur laut lachen. Das ist wirklich Themaverfehlung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen eine fachliche Debatte und kein Schwarz-Weiß-Denken. Wir brauchen keine banalen Ein-Satz-Anträge: Weg mit der Leitung. Dafür ist die Energiewelt viel zu komplex. Wir sollten uns bemühen, die Komplexität zu erfassen. Ich schäme mich schon ein bisschen, wenn landauf, landab in Bayern – auch an diesem Montag vom FFE – sehr detaillierte Fachdiskussionen stattfinden, wie man die neue Energiewelt konstruieren kann, und wir hier im Hohen Haus über solche banalen Anträge diskutieren. Sie sind nicht daran interessiert, gute Lösungen zu finden. Sie gehen politisch nur auf Stimmenfang. Ich habe es echt satt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Stümpfig, bitte bleiben Sie noch. In letzter Minute

hat sich Herr Kollege Dr. Fahn zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Bitte schön, Herr Dr. Fahn.

Herr Kollege Stümpfig, wie erklären Sie sich, dass der Bund Naturschutz in Bayern, eine Naturschutzorganisation mit über 200.000 Mitgliedern, die gleiche Position hat wie die FREIEN WÄHLER und sich auch gegen diese Stromtrassen und gegen die regionale Energiewende einsetzt? Wie erklären Sie sich das? Sie sind doch auch ein Unterstützter des Bund Naturschutz.

Danke schön, Herr Dr. Fahn. – Herr Stümpfig, bitte schön.

Herr Fahn, erstens setzt sich der Bund Naturschutz nicht gegen die dezentrale Energiewende in Bayern ein,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das war ein Versprecher!)

sondern er setzt sich für die dezentrale Energiewende ein. Außerdem muss ich sagen, der Bund Naturschutz differenziert mehr, als Sie das tun. Er sagt: Hier brauchen wir eine transparente Herbeiführung. Das heißt, man will genau wissen, wie die Notwendigkeit zustande kommt. Dazu habe ich von Ihnen bisher wenig gehört. Wir stehen in einem starken Austausch, auch mit dem Bund Naturschutz. Man muss schon einmal ganz klar sagen: Wir brauchen diese drei Bausteine. Das haben wir hier im Haus schon oft diskutiert. Wir brauchen viele neue Speicher, wir brauchen die Erzeugungsanlagen. – Da schaue ich jetzt wieder nach rechts; denn die CSU versäumt es nicht, der Windkraft komplett den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Sie sind auch gegen die Pumpspeicherkraftwerke. Auch bei der Solarenergie und der Photovoltaik passiert nichts. – Als dritten Baustein brauchen wir die Leitungen. Diese drei Bausteine zusammen ergeben den Komplex. Wenn man einen Baustein aber komplett vernachlässigt, so wie das zum Beispiel in Bayern geschieht, wo man keinerlei Ausbau mehr will, dann kann man es schon verstehen, wenn der Bund Naturschutz sagt: Wenn die CSU nichts für das eine tut und nur Leitungen baut, dann kann es das nicht sein. Wir brauchen diese drei Bausteine. Das ist nach unserer Einschätzung das Wichtigste.

Mit diesen populistischen Anträgen, die Sie hier im Landtag vorgelegt haben, erreichen Sie rein gar nichts. Sie müssen sich in diese komplexen Debatten einmischen und sich anhören, wie Smart Grid funktioniert, was man hier machen kann.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Meinen Sie, das haben wir nicht getan?)

Ihr energiepolitischer Sprecher weiß dazu eindeutig mehr. Vielleicht kann das nächste Mal wieder Herr Glauber sprechen, dann hätten wir hier etwas mehr Niveau.