Sie dürfen dableiben, Herr Kollege Straub. Sie haben die Frage zwar schon formuliert, aber ich denke, wir geben Frau Kamm die Gelegenheit, es selber zu tun. Anschließend haben wir noch eine Zwischenbemerkung der Frau Kollegin Claudia Stamm. Frau Kamm, bitte schön.
Zu einem Einwanderungsland Nummer eins passt nicht die Vielzahl der entzogenen Arbeitsgenehmigungen hier in Bayern. Natürlich ist es Sinn der 3+2-Regelungen, auch unabhängig vom Ausgang eines Asylverfahrens jungen Menschen den Abschluss einer Ausbildung zu ermög
Dann noch eine Bitte: Wenn Sie sich in einer zukünftigen Koalition, in der vielleicht die CSU eingebunden ist – das vermute ich einmal –, für ein modernes Einwanderungsgesetz einsetzen würden, könnten viele Probleme gelöst werden. Dafür wären Ihnen sehr viele dankbar. Insbesondere wären Ihnen die vielen Ehrenamtlichen dankbar, die im Wesentlichen dazu beigetragen haben, dass so viele junge Menschen tatsächlich schon in Arbeit und Ausbildung gekommen sind.
Zur 3+2-Regelung: Sie behaupten immer wieder, dass wir Leute aus der Ausbildung abschieben würden. Sie konnten noch keinen einzigen Fall vorlegen. Die Ausnahme sind Fälle, in denen es nachvollziehbare Gründe dafür gibt. Wenn sich einer beharrlich weigert, seine Identität preiszugeben, kann es nicht sein, dass er bei uns durch ein Ausbildungsverhältnis geschützt wird.
Sie konnten noch nie einen konkreten Fall vorlegen. Sowohl Innenminister Herrmann als auch Staatssekretär Eck haben Sie an dieser Stelle schon oft aufgefordert, solche Fälle vorzulegen. Sie konnten bis dato keine vorlegen. Vielleicht kennt Staatssekretär Eck inzwischen einen solchen Fall. Ich glaube aber, er kennt keinen. Sie müssten das wirklich einmal vorlegen.
Ich habe gesagt, dass wir das Integrationsland Nummer eins sind. Da brauchen wir uns auch nicht zu verstecken. Ich glaube, wir haben 2,5 Millionen Einwohner dazubekommen. Wir sind ein weltoffenes Land. Das lassen wir uns von Ihnen nicht nehmen. In Bayern hat keiner etwas gegen legale Arbeitsmigration, die übrigens schon sehr lange möglich ist. Ich finde es fair, dass man den Leuten eine Perspektive gibt. Sie wollen immer nur von einer Verzögerung zur nächsten. Es kommt oft vor, dass sich Leute hier tatsächlich eine gewisse Qualifikation erworben haben, die durch ein Visumverfahren im Heimatland wieder hierherkommen können. Diese Leute können dann wieder zu uns einreisen. Sie haben vorhin einen solchen Fall angesprochen. Die CSU hat überhaupt nichts gegen legale Arbeitsmigration.
Sicher ist ein Einwanderungsgesetz ganz groß im Gespräch, etwa bei den Sondierungsgesprächen zu einer Jamaika-Koalition. Als wir die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition geführt haben, waren Sie übrigens noch netter zu mir, Frau Kollegin. Jetzt wer
den Sie wieder ein bisschen aggressiver. Sie tun auch so, als könnte man nicht nach Deutschland kommen. Zu uns kann man jederzeit einreisen, wenn man die entsprechenden Qualifikationen nachweisen kann. Da sind wir weltoffen. Auch für die Leute, die die Qualifikation während eines Asylverfahrens erworben haben, ist eine Einreise jederzeit möglich, und wir begrüßen sie. Aber die Leute, die endgültig abgelehnt sind, müssen raus. Das wissen Sie doch, und da helfen wir auch gerne mit. Es gibt legale Einwanderungsmöglichkeiten zu uns.
Das war die eine Zwischenbemerkung. Jetzt kommt die Zwischenbemerkung der Kollegin Stamm. Bitte schön.
Ich kenne massig Betriebe, die die 3+2-Fälle in ihren Betrieb umsetzen wollen. Erst letztens ist mir eine Wirtschaftsjuniorin aus Unterfranken begegnet, die mich einmal hier im Landtag begleitet hat und die wirklich nur von ihren Nöten erzählt hat, weil bei 3+2 einfach nichts oder fast nichts geht.
Jetzt kann ich Ihnen mehrere Mails aus dem Staatsministerium weitergeben. Ich habe das mit Verträgen gut dokumentiert und Dutzende Fälle vorgelegt. Zum Glück sind tatsächlich einige genehmigt worden. Das widerspricht dem, was Sie gerade gesagt haben. Ich kann es Ihnen gerne weiterleiten. Ich finde, alle anderen Fälle – Dutzende Fälle – hätten die Voraussetzung für 3+2, übrigens eine bayerische Erfindung, auch erfüllt.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Ein junger Afghane ist in seiner Gemeinde in Mittelfranken ehrenamtlich als Sanitäter tätig. Er hat seinen Hauptschulabschluss mit 1,5 gemacht und nebenher den Quali an der VHS mit einer Zwei in Deutsch. Er möchte hier Krankenpfleger werden – abgelehnt. Was macht der junge Mann? Er versucht, sich umzubringen, weil er die Welt nicht mehr versteht. Das verstehe ich auch. Er macht alles, was von ihm verlangt wurde, und schreibt nebenher an der VHS eine Zwei in Deutsch. Dann aber heißt es: 3+2 gilt nicht für dich, obwohl ein gültiger Vertrag vorliegt.
Frau Stamm, ich kenne diesen Einzelfall nicht, und deswegen möchte ich ihn auch nicht beurteilen. Aber die 3+2-Regelung sagt nicht, dass ein abgelehnter Asylbewerber Anspruch auf einen Ausbildungsplatz hat. Die 3+2-Regelung sagt: Wenn einer berechtigt einen Ausbildungsvertrag be
kommen hat, kann er ihn bei uns beenden und hat dann zwei Jahre eine Anschlussbeschäftigung. Nach diesen fünf Jahren wird er auch dauerhaft in Deutschland bleiben können. Es gibt ganz klare Kriterien. Wenn aufenthaltsbeendigende Maßnahmen eingeleitet sind, kann ich keinen Ausbildungsvertrag mehr abschließen. Sie sagen, jeder darf einen Ausbildungsvertrag beantragen, und dieser wird dann auch genehmigt. Das ist nicht der Fall. Ich habe es schon x-mal gesagt: Asylgesetze sind Bundesgesetze. Wir sind hier vollziehend. Ich verstecke mich überhaupt nicht dahinter. Aber es kann nicht sein, dass die Leute zu uns kommen, Asyl beantragen und über den Weg des Asyls und des Ausbildungsverhältnisses 3+2 einen dauerhaften Aufenthalt haben.
Sie haben einen sicher tragischen Fall erzählt, den ich nicht kenne. Aber natürlich gibt es zunächst einmal Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung. Von Frau Kamm, Ihrer ehemaligen Fraktionskollegin, wird immer bemängelt, dass wir Leute aus Ausbildungsverhältnissen wieder herausziehen. Das tun wir eben nicht. Aber natürlich gibt es ganz klare Kriterien, wann man ein Ausbildungsverhältnis beginnen kann. Ein Asylantrag und ein Hauptschulabschluss berechtigen noch nicht zur Aufnahme einer Ausbildung. Die Leute kommen zu uns und beantragen Asyl, weil sie politisch verfolgt sind oder sich ihr Land im Krieg befindet. Sie tun immer so, als würde die Politik entscheiden. Ich habe noch nicht über einen Asylantrag entschieden, sondern das macht eine deutsche Behörde und im Regelfall ein deutsches Gericht. Wenn eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme eingeleitet ist, gibt es keinerlei Recht auf einen Ausbildungsvertrag.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche wurden neun Afghanen wieder in einem Sammelflieger aus Bayern abgeschoben. Nur zwei von ihnen waren Straftäter. Ganz sicher scheint sich die Staatsregierung im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens nicht zu sein; denn laut Presseberichten soll erst in Kabul geprüft werden, ob es eine Entscheidung gegen diese Abschiebungen gab. Einer der Abgeschobenen hat sechs Jahre in Bayreuth gelebt, ohne sich etwas zuschulden kommen zu lassen. Aber er wurde abgeschoben, weil er – Herr Straub nennt das beharrlich Verweigerung – seine Tazkira, das afghanische Dokument, zu spät vorgelegt hat.
Zumindest einige der in den letzten Monaten Abgeschobenen und zahlreiche junge Geflüchtete, die sich noch in Bayern befinden, könnten hier eine Ausbildung machen und später als gelebte Entwicklungshilfe quasi beim Aufbau ihres Landes mithelfen. Dass es einen Anspruch aus dem Bundesintegrationsgesetz auf Duldung während einer Ausbildung mit weiteren zwei Jahren Beschäftigung gibt, interessiert die Staatsregierung nicht. Planungssicherung für die Betriebe sollten dieses Bundesintegrationsgesetz und die 3+2-Regelung schaffen. Integration durch Ausbildung und Arbeit sollte erleichtert werden, dies insbesondere in Kenntnis dessen, dass viele Flüchtlinge entweder Jahre warten müssen, bis ihr Asylverfahren endlich abgeschlossen ist, oder dass manche trotz ablehnenden Asylbescheids nicht abgeschoben werden dürfen.
Das Innenministerium reagiert weiterhin darauf so, wie es seit dem 1. September 2016 reagiert, mit dem Versuch der Verhinderung durch zahlreiche, immer weiter erschwerende und auch die Behörden irritierende Innenministerielle Schreiben und trifft damit auch die mittelständischen Betriebe, die sich für junge Geflüchtete als Auszubildende einsetzen.
Es ist schon erwähnt worden: Die Vertreter des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, der IHK Schwaben und des Bayerischen Handwerktags haben in einem Fachgespräch hier im Landtag berichtet, wie viele große Hemmschwellen in Bayern aufgebaut werden. Da ist die Rede von Irritationen bei den Unternehmen. Da ist die Rede von einem Ermessensspielraum der Ausländerbehörden, der nach Einschätzung der IHKs immer nur negativ ausgelegt werde. Das Wort Mogelpackungen fällt. Arbeitserlaubnisse für Menschen aus Afghanistan und aus Afrika würden verzögert. Die Identitätsklärung sei trotz der Zusammenarbeit mit den Heimatländern äußerst schwierig. Sie können das alles und Weiteres in der "Bayerischen Staatszeitung" aus dem Juli 2017 nachlesen.
Was in Bayern bei den Vorgaben zur Identitätsklärung erwartet wird, ist in den meisten Fällen schlicht unerfüllbar, Herr Straub, vor allem wenn es um die Beschaffung der berühmten Tazkira geht. Ich nenne das Beispiel eines minderjährigen Flüchtlings aus Afghanistan, der in Erlangen von Pflegeeltern exzellent betreut wird. Obwohl er mit seinen Pflegeeltern absolut alles, was nur irgendwie denkbar war, getan hat, um die Tazkira zu besorgen, wurde ihm keine Ausbildungserlaubnis erteilt. Seit März 2017 hatte er das Angebot eines Ausbildungsplatzes. Laut erster Auskunft der Ausländerbehörde war die Vorlage einer Tazkira nicht erforderlich, da sie ohnehin keine große Aussagekraft habe.
Zum Antrag auf Ausbildungserlaubnis wurde von seinen Pflegeeltern zigmal nachgefragt, ob noch Unterlagen fehlen. Dies blieb von der Behörde schlicht ebenso unbeantwortet wie meine schriftliche Nachfrage an die Zentrale Ausländerbehörde Mittelfranken hierzu. In einem Telefonat teilte mir der zuständige Sachbearbeiter mürrisch mit, er beabsichtige, den Antrag auf Ausbildung abzulehnen. Dies stützte er erneut auf ein IMS des Innenministeriums, in dem die Bleibewahrscheinlichkeit bei Afghanen mit 50 % und damit als zu gering eingestuft wurde. Aber der Sachbearbeiter teilte mir mit, er könne nicht entscheiden; denn das Innenministerium habe die Sache gestoppt, weil der Arbeitgeber beim Herrn Innenminister um Unterstützung gebeten habe. Meine Nachfrage bei der Beamtin im Innenministerium daraufhin ließ diese am Telefon ratlos stottern. Sie sagte mir zu, mich zu informieren, wenn die Sache dem Minister vorgelegt worden sei. Das war im Juni 2017. Seitdem habe ich von ihr nichts gehört oder gelesen.
Im Juli schließlich erfolgte die Ablehnung der Ausbildungserlaubnis. Die Begründung war der Hammer. Sie lautete: mangelnde Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung, da die Tazkira in der erforderlichen beglaubigten Form fehle; denn das vorgelegte Dokument entsprach nicht dem, was die Regierung von Oberbayern für die Passbeschaffung in ihrem Informationsblatt als so einfach darstellt. Deshalb sagt die ZAB Mittelfranken: Wenn man etwas so einfach zu Beschaffendes nicht vorlegt, hat man nicht ausreichend mitgewirkt. Ich glaube nicht, dass Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sich das Infoblatt der Regierung von Oberbayern jemals angeschaut haben.
Wenn der Flüchtling endlich einen Termin im Generalkonsulat in München bekommen hat, muss er dort erstens persönlich die Tazkira beantragen. Ausgestellt werden kann diese zweitens nur vom Innenministerium in Kabul. Dazu braucht es drittens eine Kopie der Tazkira von väterlichen Verwandten. Nach Antragstellung über das Generalkonsulat muss die Tazkira viertens beim Innenministerium in Kabul abgeholt werden. Das Infoblatt der Regierung sagt dazu: "Sollte kein Verwandter verfügbar sein, empfiehlt sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts in Afghanistan."
Netterweise enthält das Infoblatt gleich eine Liste mit Namen von Anwälten, die einen Vorschuss zwischen 1.500 Euro und 3.000 Euro verlangen. Wie ein Geflüchteter, der nicht arbeiten darf, das aufbringen soll, bleibt ein Geheimnis.
Ist all das geglückt, dann muss die Tazkira – fünftens – zur Beglaubigung zum Außenministerium in Kabul gebracht werden – durch diesen Rechtsanwalt oder eben durch einen verfügbaren Verwandten. Die Regierung von Oberbayern behauptet, das dauere eine Woche bis vier Wochen und koste 10 Euro, den Anwalt nicht mitgerechnet. Das ist schlicht lächerlich. Es ist entweder weltfremd, oder es hat Methode, Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Wenn all das an irgendeiner Stelle nicht klappt, wird behauptet, der Flüchtling habe bei der Passersatzbeschaffung nicht genügend mitgewirkt, und schon fällt er in die Ablehnungsschublade. So gelangte dieser junge Mann aus Bayreuth in den Abschiebeflieger.
Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie, Herr Straub, haben immer noch den Nerv zu behaupten, das alles seien Menschen, die nicht genug täten, um ein Ausweispapier aus ihrem Herkunftsland zu erhalten. Sagen Sie, worum es Ihnen geht. Sie wollen Integration verhindern. Sie wollen überhaupt nichts für die Integration dieser Menschen tun.
Da die Weihnachtswünsche in diesem Hohen Haus hin- und herfliegen, hier auch mein Weihnachtswunsch an Sie, Herr Kollege Straub: Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage. Ich wünsche Ihnen, dass Sie nie in Ihrem Leben in eine Situation kommen mögen, in der Sie unter solch erschwerten Umständen eine Geburtsurkunde oder ein ähnliches Ausweisdokument beschaffen müssen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Bravo!)
Geehrte Frau Hiersemann, ich bleibe auch jetzt wieder vollkommen sachlich. Sie haben jetzt hauptsächlich von Afghanistan gesprochen. Wie erklären Sie mir dann, dass bei der IHK und der HWK eine große Anzahl von Lehrverträgen gerade mit Afghanen geschlossen wurde, wenn das
Ich kann Ihnen genau das sagen, was uns die IHKs in dem Fachgespräch gesagt haben. Natürlich gibt es zum Teil Unterlagen, aber es gibt eben auch Fälle, in denen dies – –