Lesen Sie doch, was Sie hier schreiben, Frau Kollegin. Ich halte es für verantwortungslos, so etwas zu schreiben. Sie schreiben, Deutschland dürfe nicht länger das Hauptziel für Flüchtlinge aus der ganzen Welt sein. Wie verdrehen Sie die Tatsachen?
Wie ist denn die Situation? Wie viele Flüchtlinge kommen letztlich überhaupt nach Europa? Die meisten Flüchtlinge, die in Syrien flüchten müssen, bleiben nach wie vor dort. 2,9 Millionen sind in der Türkei. Viele sind im Libanon und im Iran und in anderen Ländern. Deutschland ist nicht das Ziel der meisten Flüchtlinge dieser Welt.
Bleiben Sie bei der Wahrheit. Deutschland hat viel geleistet, aber die Familienangehörigen von subsidiär geschützten Flüchtlingen, die jetzt nachziehen wollen, könnten wir auch noch integrieren, wenn wir zusammenarbeiten und Sie sich nicht stets dagegen sperren würden.
Wir können in Deutschland einen Beitrag zur Linderung der Not leisten. Die Zahl der Flüchtlinge, die über den Familiennachzug kommen würden, ist überschaubar. Selbstverständlich muss Dublin III reformiert werden. Wenn Dublin III reformiert werden soll, sollte jedoch nicht derjenige, der überhaupt keine Flüchtlinge schützen will, ständig hofiert und eingeladen werden. Wir müssen mit allen in Europa reden, nicht nur mit Orbán.
Frau Kollegin, bitte kommen Sie zurück. Sie waren zu schnell. Herr Kollege Zellmeier hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Frau Kollegin Kamm, Ihren Vorwurf der AfD-Manier möchte ich entschieden zurückweisen. Sie wissen ganz genau, wie der Antrag gemeint ist. Sie verstehen ihn bewusst falsch. Selbstverständlich tragen die Nachbarländer die Hauptlast, wenn Kriege herrschen. Das war auch bei den Balkan-Kriegen der Fall. Damals haben die europäischen Länder die Hauptlast getragen. Die Menschen sind nicht irgendwo hingegangen. Das ist normal und richtig. So war im Prinzip auch die Genfer Flüchtlingskonvention angelegt. Das wissen Sie ganz genau. Ich bitte Sie, das zu bestätigen. Sie werfen uns vor, eine Last zu behaupten, die gar nicht da ist. Wir haben in Europa als Land, das Tausende von Kilometern entfernt liegt, die Hauptlast getragen. Ist es richtig oder nicht, dass Deutschland mehr als die Hälfte der Flüchtlinge in Europa aufgenommen hat? – Sagen Sie Ja oder Nein.
Herr Kollege Zellmeier, Sie haben weitaus differenzierter argumentiert, als der Antrag verfasst worden ist. In der Art, wie der Antrag formuliert worden ist, sollten Landtagsabgeordnete nicht argumentieren. Es ist verantwortungslos, solches Zeug zu veröffentlichen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Kopierer sind noch heiß, die EMail-Anhänge noch im Netz oder in der Cloud, die Delegation noch nicht zu Hause und die CSU kündigt die Koalitionsvereinbarung, die noch nicht gilt – das wissen wir alle – bereits auf.
Herr Zellmeier, es wäre schön, wenn Sie zuhören würden. Diesen Umstand können Sie mit Ihrem Redebeitrag auch nicht wettmachen. Sie berufen sich im Prinzip auf die Koalitionsvereinbarung, weil in Ihrem Antrag steht – ich zitiere: "der Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu diesem Personenkreis künftig abgeschafft wird." Das ist Text Ihres Antrags. Vielleicht hängt die Koalitionsvereinbarung noch bei Ihnen im Netz. Dort steht, dass der Familiennachzug per Gesetz des Bundestages bis 31. Juli ausgesetzt ist. Die beiden Partner haben sich jedoch darauf verständigt, zum 1. August ein Gesetz einzubringen, mit dem der Familiennachzug neu geregelt wird, und zwar für mindestens 1.000 Personen monatlich. Dabei handelt es sich um subsidiär Geschützte und Personen, die unter
die Härtefallregelung fallen. Im Koalitionsvertrag wird ein Gesetz angekündigt, das noch kommt. Jetzt sagen Sie: Dann gibt es keinen Rechtsanspruch. Somit wird es abgeschafft. – Das ist ein klarer Bruch, noch bevor der Vertrag überhaupt zustande kommt.
Kolleginnen und Kollegen, wir sollten sachlich über dieses Thema reden. Herr Kollege Zellmeier, ich möchte auf Ihren Einwand im Hinblick auf die subsidiär Geschützten und die Genfer Flüchtlingskonvention eingehen. Kollegin Kamm hat es teilweise angesprochen. Sie wissen genau, dass wir im Jahr 2015 den subsidiären Schutz in Deutschland eingeführt haben. Das haben Sie selber gesagt. Das haben wir gemacht, weil sehr viele Anträge aus Syrien kamen und die Bestätigung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschleunigt werden sollte. Das war auch Wunsch der CSU. Im Kern gibt es keinen Unterschied zwischen Flüchtlingen, die unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen, und subsidiär Geschützten. Ein Syrer aus Aleppo kann sowohl einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben als auch "nur" den subsidiären Schutz. Insofern ist die Unterscheidung bloßer Humbug und unserem Verwaltungshandeln geschuldet.
Die SPD ist mit diesem Thema sehr verantwortungsvoll umgegangen. Wir haben dieses Thema in den Koalitionsverhandlungen tatsächlich zu einem der wichtigsten Themen gemacht. Herr Zellmeier, Kolleginnen und Kollegen der CSU, das haben wir vor dem Hintergrund unserer humanitären Grundsätze und unseres Respekts vor Familien und deren Errungenschaften für die Gesellschaft gemacht. Für uns Sozialdemokraten gilt dies nicht nur für Familien deutscher Herkunft.
Wesentliche Vertreter der CSU haben das Thema Familiennachzug in den letzten Monaten und Jahren durch das öffentliche Zurschaustellen von Szenarien und Diskussionen, die an der Realität vorbeigingen, vergiftet. Das war grenzwertig. Sie haben gesagt, es kämen 900.000 Flüchtlinge. Auf jeden Flüchtling kämen zwei oder drei Familiennachzügler. Plötzlich kam man auf die Summe von zwei, drei, vier und fünf Millionen. Sie alle wissen, dass diese Zahlen nicht wissenschaftlich begründet sind. Es stimmt schlicht und einfach nicht.
Herr Zellmeier, Sie haben von 500.000 anerkannten Asylbewerbern und Schutzbedürftigen gesprochen. Auch diese Zahl stimmt nicht. Ende des Jahres 2017 waren es 400.000 Asylbewerber und Schutzbedürftige. Das sind schon einmal 100.000 weniger. Von diesen Asylbewerbern haben zwischen 26.000 und 28.000 Familiennachzug beantragt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat im Oktober 2017 eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht. Bei 200.000 subsidiär Schutzbedürftigen in Deutschland – ich rede von diesem Personenkreis – geht man davon aus, dass 50.000 bis 60.000 Personen im Rahmen des Familiennachzugs kommen werden. Das ist die angenommene Höchstzahl. Das sind wirklich nur Schätzungen. Tatsächlich haben weit weniger Menschen, die in Deutschland angekommen sind, auch Anträge auf Familiennachzug gestellt. Diese Zahlen sollte man im Hinterkopf haben und seriös mit ihnen umgehen.
Damit sind wir in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Wir haben erreicht, dass jetzt 1.000 Menschen pro Monat, 12.000 im Jahr und 48.000 in einer Legislaturperiode Familiennachzug beantragen können. Sie können völlig legal über die Botschaften im Ausland mit einem Visum auf einem ungefährlichen Reiseweg nach Deutschland einreisen. Das haben wir konkret festgelegt. Außerdem gibt es eine Härtefallklausel, die besonders für kleine Kinder und Ehepaare gelten muss. Sie soll per Gesetz noch im Bundestag beschlossen werden. Diese Regelung kündigen Sie jetzt auf.
Ich muss auch zu den GRÜNEN ein paar Worte sagen. Kollegin Kamm, das ist nicht gerade freundlich. Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, in Ihrem Antrag schreiben Sie: "Der Landtag stellt fest". Da haben Sie acht Punkte, und darunter sind einige, die der Landtag gar nicht feststellen kann, weil sie nicht in unsere Hoheit fallen. Unabhängig davon
stelle ich jetzt einmal Folgendes fest. Jamaika hatte den Vortritt bei der Regierungsbildung, und Jamaika ist gescheitert, weil die FDP – nicht die GRÜNEN – die Gespräche abgebrochen hat. Die GRÜNEN haben die Gespräche nicht vor dem Hintergrund des Familiennachzugs abgebrochen, und Sie haben nicht ausverhandelt, was möglich gewesen wäre. Sie sind bei einem Satz stehengeblieben – ich habe das Sondierungspapier da –, in dem Sie schlicht und einfach feststellen, dass das für die GRÜNEN ein wichtiger Punkt bleibt. Weiter haben Sie nicht verhandelt. Es gibt kein Ergebnis. Also haben Sie auch keine Recht
fertigung mit der Begründung, Sie hätten nicht gewusst, welche Gesetze es ab August geben wird. Jetzt wollen Sie uns mit Ihrem Antrag, so sage ich einmal, vielleicht politisch disziplinieren.
Dies geht daneben, und deswegen werden wir dem Antrag auch nicht zustimmen. Ich rate bei diesem Thema abschließend wirklich zu Gelassenheit und zu Sachlichkeit, auch vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Diskussionen zu den Themen Integration und Aufnahmebereitschaft in den Kommunen, den Städten und Gemeinden. Lassen Sie die Überspitzungen und den Versuch, andere Parteien bei diesem Punkt vorzuführen.
Frau Kollegin Weikert, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen. Zunächst kommt der Kollege Zellmeier und dann die Kollegin Kamm.
Frau Kollegin Weikert, eine Richtigstellung: Sie haben vorhin in einem Satz gesagt, die CSU wollte eine Beschleunigung der Verfahren, und dabei sei der Familiennachzug herausgekommen.
Aber so hat es sich angehört. Das war die Kröte, die geschluckt worden ist; denn wir haben das damals schon für nicht richtig gehalten.
Unabhängig davon noch einmal ganz klar: Das ist ein voraussetzungsloser Nachzug ohne Berücksichtigung dessen, der schon da ist. Wenn Sie sagen, es sei ein Humbug, zwischen Flüchtlingen nach der Genfer Konvention und subsidiär Geschützten zu unterscheiden, kann ich Ihnen überhaupt nicht recht geben; denn der nach der Genfer Konvention Geschützte hat eventuell auch dann eine Verfolgung zu befürchten, wenn der Krieg beendet ist, ein Subsidiärer aber nicht, weil man nicht von einer persönlichen Verfolgung wegen der Kriegsereignisse ausgehen kann. Es ist natürlich ein gravierender Unterschied, ob ich nach Kriegsende sofort zurückkehren kann oder nicht. Das müssen doch auch Sie einsehen.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich mich falsch ausgedrückt, oder Sie haben nicht richtig zugehört. Aber ich konkretisiere es
gerne. Ich habe mitnichten gesagt, dass der Familiennachzug von der CSU wegen Verwaltungsvereinfachung gefordert wurde. Ich habe gesagt: Wegen der Verwaltungsvereinfachung hat man den subsidiären Schutz auf Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet Syrien ausgeweitet. Es gibt einfach Syrer, die den einen Status haben, und Syrer, die einen anderen Status haben.
Sie wissen auch, Kollege Zellmeier, dass auch ein Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention in der Regel nach drei Jahren überprüft wird. Sollte es in Syrien morgen Frieden geben, was wir uns alle wünschen, würden auch alle Einzelfälle, die den Status des Genfer Flüchtlingsabkommens haben, überprüft. Dann würden natürlich alle die Asyl bekommen, bei denen eine Verfolgung im Land zu erwarten ist. Das wären nur Einzelfälle; aber überprüft würden alle. Insofern habe ich das, glaube ich, klargestellt.