Sechstens. Ein wichtiger Punkt ist uns auch die Abschaffung der Listennachfolge als Bezugspunkt einer Ungültigerklärung. Das klingt relativ harmlos. Es hat sich aber oft gezeigt, dass es in vielen Fällen zu einer Nachwahl kam. Aus unserer Sicht ist das nicht sinnvoll in Fällen, in denen ein Formfehler nur einen geringen Einfluss auf das Wahlergebnis hat. Ich nenne als Beispiel die Nachfolge von Leuten, die gar nicht gewählt werden. In solchen Fällen sollte es nicht zu einer Nachwahl kommen. Wir haben das geändert. Die Schranke der Erheblichkeit ist wesentlich nach oben gesetzt worden.
Siebtens. Wichtig ist auch die Erweiterung des Rederechts in Bürgerversammlungen auf Gemeindeangehörige. Das bedeutet, alle, die in der Gemeinde wohnen, dürfen reden, auch EU-Bürger und Nicht-EUBürger. Das war bisher nicht der Fall. Auch diese
Achtens. Die Inkompatibilitätsvorschriften werden erweitert. Ein Kreisrat darf nicht ehrenamtliches Ratsmitglied einer kreisfreien Gemeinde sein. Das ist eigentlich logisch, wurde aber hier extra noch einmal erwähnt.
Neuntens. Der Gesetzentwurf sieht außerdem eine Neuregelung des Vorsitzes in Ausschüssen und die Einführung der Vertretung eines Ausschussmitglieds im Vorsitz vor.
Zehntens. Der Umfang der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters, des Landrats, des Bezirkstagspräsidenten und des Verbandsvorsitzenden wird anlässlich der aktuellen Rechtsprechung des BGH klargestellt.
Elftens. Die Gründe für den Ausschluss wegen persönlicher Beteiligung in Artikel 49 Absatz 1 der Gemeindeordnung wurden um die Betroffenheit nicht nur von einem Mitglied vertretener juristischer Personen, sondern auch sonstiger Vereinigungen sowie um die Bezugnahme auf den Angehörigenbegriff erweitert.
Bezüglich des Verbots des Doppelauftritts der Parteien gab es gewisse Unklarheiten. Jetzt wurde Klarheit geschaffen. Eine Untergliederung liegt nur dann vor, wenn alle Mitglieder einer Organisation auch Mitglied des Wahlvorschlagsträgers sind.
Wir bitten Sie, dem Gesetzentwurf der CSU-Fraktion und dem interfraktionellen Änderungsantrag zuzustimmen. Aufgrund der Erfahrungen bei den allgemeinen Gemeinde- und Landkreiswahlen im Jahr 2014 und weiterer Klarstellungen, Änderungen und Ergänzungen ist eine weitergehende Änderung der Vorschriften aus unserer Sicht nicht angezeigt. Die Erkenntnisse aus dem Erfahrungsbericht sind im Wesentlichen in diesen Änderungsantrag eingeflossen. Insofern bitten wir Sie, auch diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Aufgrund einiger Fälle in der Vergangenheit haben wir auch im Artikel 47 Absatz 1 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes eine Änderung vorgenommen. Wann gilt die Wahl als angenommen? – Beim Landtag ist es bereits bei der Wahl logisch, dass eine Person ein Amt übernehmen möchte. Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, dass jeder, der bei einer Wahl antritt und nicht innerhalb einer gewissen Frist widerspricht, seine Wahl auch annimmt. Dies führen wir auch bei der Kommunalwahl ein. In der Vergangenheit gab es einige bedauerliche Fälle, bei denen es zu Komplikationen gekommen ist.
In dem interfraktionellen Antrag machen wir einen Vorschlag zur Berechnung im Rahmen des Wahlverfahrens. Übereinstimmend mit allen Fraktionen schlagen wir vor, das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers anzuwenden. In der Expertenanhörung hat sich gezeigt, dass das bisherige Verfahren nach Hare-Niemeyer eindeutige Schwächen aufweist, sowohl in mathematischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die politische Wirkung. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass auch andere Länder wie Nordrhein-Westfalen Überlegungen zur Arbeitsfähigkeit der Parlamente und zur Zersplitterung angestellt haben. Dort wurde eine Drei-Prozent-Hürde eingeführt. Mit diesen Argumenten hätte auch die Einführung eines anderen Wahlverfahrens, zum Beispiel des Verfahrens nach d‘Hondt, begründet werden können. Aufgrund der übereinstimmenden Meinung der Experten sind wir jedoch zu dem Entschluss gekommen, das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers zu wählen; denn dadurch ist nach unserer Ansicht die Stimmenwertgleichheit und die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen am vorzugswürdigsten abgebildet.
Die Oppositionsfraktionen haben eine Vielzahl von Änderungsanträgen eingebracht. Ich möchte zunächst einmal nur auf einen Änderungsvorschlag eingehen, den alle drei Oppositionsfraktionen gemacht haben, nämlich die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Nach unserer Ansicht muss das Wahlalter gleich dem Alter der Volljährigkeit und der vollen Geschäftsfähigkeit sein. Wir sehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Alter von 18 Jahren geändert werden sollte. Die Teilnahme an Wahlen ist ein grundlegender Akt der demokratischen Willensbildung. Wir möchten nicht Minderjährigen, die in anderen Rechtsbereichen nicht voll geschäftsfähig sind, das Wahlrecht zukommen lassen. Solange das Alter der Volljährigkeit bei 18 Jahren liegt, möchten wir auch das Wahlalter bei 18 Jahren belassen.
Sie haben eine Vielzahl von Änderungsanträgen eingereicht. Ich möchte mir deshalb Redezeit aufsparen. Sollte es erforderlich sein, werde ich auf Ihre Änderungsanträge eingehen. Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung und empfehle Ihnen, auch den interfraktionellen Änderungsantrag anzunehmen.
Danke schön, Herr Kollege Lorenz. – Nächster Redner: Herr Kollege Scheuenstuhl. Bitte schön, Herr Scheuenstuhl.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Lorenz, ich bin froh, dass Sie
nicht gesagt haben, Sie verzichten auf Ihre Redezeit. Dann hätte ich beantragt, dass ich sie nehmen darf; denn es gibt viel zu sagen zum Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und den damit verbundenen Änderungen der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und der Bezirksordnung, das vor einem Jahr eingereicht wurde. Wir haben lange, über ein Jahr, darüber diskutiert. Aber bereits damals wurde mit ähnlicher Inbrunst, mit der Sie gerade Ihre Rede gehalten haben, vom Minister erklärt, dass es sich nur um redaktionelle Änderungen handele. Heute haben Sie inhaltlich etwas anderes gesagt. Deswegen wird es noch spannend werden. Insofern war unsere Prognose richtig. Wir haben Wort gehalten. Für uns ist die Kommunalpolitik das Herz unserer Demokratie, mit der man nicht spielt.
Nach der Ersten Lesung im Plenum galt es, im Fachausschuss in einer sehr konstruktiven und intensiven Diskussion nach Lösungen zu suchen. Das ist uns mit der CSU als Mehrheitsfraktion in diesem Parlament leider nicht so gelungen, wie wir es uns für die Menschen in Bayern gewünscht hätten.
Im folgenden zentralen Streitpunkt ist es uns allerdings geglückt, dem Machthunger der CSU-Fraktion einen Riegel vorzuschieben. Mit der geplanten Rückkehr zum Sitzverteilungsverfahren nach d’Hondt wollten die Christsozialen ihre Herrschaft in den Kommunen zementieren, und das zulasten vieler Bürgerlisten und Wählervereinigungen in Bayern. Unser aller Widerstand, auch der aus den eigenen Reihen der CSU und insbesondere von Ministerpräsident Horst Seehofer, hat letztendlich Wirkung gezeigt.
Wir waren mit Hare/Niemeyer zufrieden. Eine Sachverständigenanhörung im Innenausschuss hat letzten März aber gezeigt, dass die Sitzverteilung nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers, das seit 2008 auch bei der Bundestagswahl eingesetzt wird, ein kleines Stück gerechter ist.
Als die Partei der sozialen Gerechtigkeit verweigern wir uns natürlich einer gerechteren Lösung nicht. Die Bayern-SPD, die Landtagsfraktion, hat den Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Anlass genommen, heute ein Antragspaket zur Änderung der kommunalrechtlichen Vorschriften und zur Verbesserung in diesem Bereich für die Bürger, für die Mandatsträger und für die Arbeitsfähigkeit der kommunalen Entscheidungsorgane zur Abstimmung zu stellen. Der Gesetzentwurf hätte für die kommunale Familie sowie für die
Zukunftsfähigkeit der Gemeinden und Städte ein großer Wurf werden können. Dem hat sich die CSU verweigert.
Wir wollen die Absenkung des aktiven Wahlalters bei Gemeinde- und Landkreiswahlen von 18 auf 16 Jahre. Die Jugendlichen müssen eine Chance haben, die Politik aktiv mitzugestalten, nicht nur im Sozialkundeunterricht, sondern sie müssen die Möglichkeit haben, hier mitzustimmen und mitzuentscheiden.
Sie sagen, es gebe keinen Anlass dazu. Andere Bundesländer – Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein – haben das anders gesehen; sie vertrauen ihren 16-Jährigen und 17-Jährigen. Sie aber anscheinend nicht. Sie halten unsere Kinder und Jugendlichen für unvernünftiger, vielleicht sogar für dümmer – wir nicht. Wir vertrauen unserer Jugend.
Sie wollten sich durch zwei weitere Änderungen Vorteile verschaffen: durch Scheinkandidaturen und Tarnlisten. Die Rückkehr zum d’hondtschen Verteilungsverfahren habe ich schon behandelt. Diese beiden Punkte, die Scheinkandidaturen und Tarnlisten, sind unlautere Werkzeuge. Auch wenn Ihnen klar sein dürfte, dass ein amtierender Rathaus- und Landratsamtschef niemals ein ehrenamtliches Mandat zulasten seiner hauptamtlichen Beschäftigung antreten wird, meint die Staatsregierung, durch die Zulassung solcher Scheinkandidaturen einen Beitrag zur Deregulierung zu leisten.
Nicht nur wir lehnen diesen Taschenspielertrick ab, auch unsere kommunalen Spitzenverbände sprechen sich entschieden dagegen aus. Das ist eine Verdummung der Wählerinnen und Wähler.
Das Gleiche betrifft die Tarnlisten. Ab den Kommunalwahlen 2020 sind Listenverbindungen mehrerer Parteien oder Gruppierungen nicht mehr zulässig. Zulässig wird es dagegen sein, dass aus einer Partei oder Gruppierung heraus mehrere Wahlvorschläge gemacht werden können, solange die Mehrheit dieser Liste nicht im Vorstand des ursprünglichen Wahlvorschlags ist. Das wurde bereits erwähnt.
Herr Kollege Lorenz, Tarnlisten bringen der CSU massive Vorteile. Sie rücken in Zukunft einfach mit mehreren Listen an: CSU 1, CSU 2, CSU 3, Frauenunion 1, Junge Union, Mittelstands-Union und alle ihre Arbeitskreise. Wie viele Listen wollen Sie denn in Zukunft machen? Wo liegt denn Ihre Grenze? Sagen Sie es doch! Sie haben noch 16 Minuten Redezeit, können mir also antworten.
Zusammen mit dem Bayerischen Städtetag lehnt die Landtags-SPD auch diese Änderung als Versuch der Beeinflussung von Wahlentscheidungen ab. Kolleginnen und Kollegen, Zwischenrufer der CSU, dazu ein Zitat – nicht von mir –: Auch bei dem Wahlrechtsausschluss bedarf es dringender Verbesserungen. Das ist ein sehr ernstes Thema. Wir wollen, dass Menschen, die körperlich oder geistig behindert und daher vollumfänglich amtlich betreut sind, endlich wählen dürfen.
Wir gehen als Parlamentarier gerne in solche Einrichtungen und lassen uns dort feiern. Aber wenn die Frage aufkommt, ob diese Menschen wählen dürfen, sagen Sie, liebe Kollegen von der CSU, Nein. – Das verstehe ich nicht.
Wo ist denn hier die Teilhabe der Behinderten? Sie wollen das Wahlrecht. Ich habe mich bei den Betreuern extra erkundigt. Die Behinderten wären stolz auf ihre Demokratie, wenn sie in dem Land, in dem sie leben, mitentscheiden dürften, statt nur zuschauen zu müssen. Geben Sie den Behinderten eine Stimme.
Nichtdeutsche Unionsbürger dürfen gewählt werden – vielleicht kennen Sie welche –, aber weder zum Zweiten Bürgermeister noch zum Stellvertretenden Landrat. Anscheinend können sie nur Steuern zahlen und im Gemeinderat mitentscheiden. Aber die Übernahme eines Amtes oder einer entsprechenden Aufgabe trauen Sie ihnen nicht zu – wir schon. Wir wollen, dass in Zukunft auch das Amt des Ersten Bürgermeisters und weitere Ämter von nichtdeutschen Unionsbürgern besetzt werden können.
Haben Sie etwas mehr Vertrauen, tun Sie in der Demokratie einen Schritt vorwärts und nicht rückwärts. Das zieht sich durch alle Anträge.
Dass Sie unserer älteren Generation nichts mehr zutrauen, ist schon lange bekannt. Ab 67 Jahren scheint
die Leistungsfähigkeit zu bröckeln – Ihrer Meinung nach nicht bei Ihnen persönlich; denn es sind einige Kollegen über 67 hier.
Ich habe sogar gehört, dass ein 68-Jähriger zum Bundesinnenminister gemacht werden soll. Aber in Bayern gilt: Als Bürgermeister wäre er unmöglich – unmöglich! –, viel zu alt. Weg mit dieser Grenze! Schöne Grüße von Peter Paul Gantzer, unserem Alterspräsidenten.