Jetzt haben wir ein Zeitfenster für eine Neuaufstellung des Gymnasiums in Bayern, für eine neue Reform des Gymnasiums. Wir müssen dieses Zeitfenster nutzen und dürfen nicht wieder die Fehler machen, die damals von Stoiber und seinen Leuten gemacht worden sind. Es war damals eine einsame Entscheidung des Ministerpräsidenten bei einem sprachlosen und konzeptionslosen Kultusministerium, eine übereilte Einführung ohne Konzept. Die pädagogischen Folgen sind nicht bedacht worden, und es gab keine Einbeziehung der Akteure, die das umsetzen sollten, keine Einbeziehung der Schulpraktikerinnen und Schulpraktiker. Außerdem gab es nicht genügend finanzielle Mittel und ständig Nachbesserungen. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler waren die Versuchskaninchen, und die Lehrerinnen und Lehrer waren die Piloten in einem Flugzeug ohne Kompass, ohne Landkarte bei unklarer Bestimmung des Zielflughafens.
Diesen Fehler dürfen wir nicht mehr machen. Deswegen geht es jetzt darum, das Gymnasium neu aufzustellen. Wir wollen einen breiten Konsens über eine Reform des Gymnasiums erzielen und beantragen, dass die Staatsregierung einen Gymnasialkonvent einberuft, an dem Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern teilnehmen, außerdem alle Lehrerverbände, die sich zum Gymnasium äußern, also der Philologenverband, der BLLV, der heute eine Tagung dazu durchführt, die GEW, und alle Elternverbände. Dabei sollten auch die Expertisen der Hochschulen zur Lernforschung herangezogen werden. Das Ziel dieses Gymnasialkonvents muss ein breiter Konsens über die Zukunft des Gymnasiums sein. Dabei geht es nicht nur um die Dauer, sondern auch darum, wie das Gymnasium im 21. Jahrhundert aussehen muss, wie wir das Gymnasium auch pädagogisch reformieren und weiterbringen müssen.
Die Problembereiche sind benannt. Sie betreffen die Mittelstufe. Dabei geht es gar nicht um die Stofffülle, sondern um die falsche Darstellung des Stoffes. Ein in 14 Fächer aufgeteilter Lehrstoff, der keinen Zusammenhang herstellt, ist nichts für Jugendliche, die in dieser Zeit nach dem Sinn fragen. Hier werden viele Ressourcen, wird viel Energie der jungen Leute vergeudet. Es wird viel Druck erzeugt, der nicht notwendig wäre.
Wir müssen aber auch sehen, dass das Gymnasium kein Solitär im Bildungssystem ist. Es muss bezüglich der anderen Schularten anschlussfähig sein, zum Beispiel nach der zehnten Klasse. Jede Veränderung am
Gymnasium hat auch Auswirkungen auf die anderen Schularten. Deswegen brauchen wir diesen großen Konsens.
Spätestens seit der Landtagswahl haben wir eine breite Diskussion über das G 8. Wir haben im Landtag mehrmals darüber diskutiert. Die Verbände diskutieren und legen Konzepte vor. Jetzt warten alle ab, was kommt. Ein bisschen sind wir wieder in einer ähnlichen Situation wie damals bei Stoiber. Das Kultusministerium ist ohne sichtbares Interesse an einer Diskussion und an einer Veränderung und Verbesserung des Gymnasiums. Der Kultusminister wiederholt in seinen Pressemitteilungen Worthülsen. Immer die gleichen Pressemitteilungen, immer die gleiche Botschaft: Alles ist super, wir brauchen keine Veränderung. Die CSU-Fraktion ist sprachlos und konzeptionslos, und der Ministerpräsident wartet ab, was an Vorschlägen kommt, und hat gesagt: Schauen wir mal, und dann werden wir irgendetwas nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Stoiber hat gezeigt, wie man eine Gymnasialreform nicht machen soll. Wir dürfen diese Fehler nicht wiederholen. Wenn sich ab morgen drei ältere Männer zusammensetzen – der Ministerpräsident, der Kultusminister und der Vorsitzende eines Lehrerverbandes -, dann kann auch dabei nicht die Reform des Gymnasiums herauskommen. Koalition mit dem Bürger heißt, alle einzubeziehen und sich mit allen auseinanderzusetzen. Nun kommt die Stunde der Wahrheit für die Bayerische Staatsregierung und die CSU-Fraktion. Ein "Weiter so" wird es nicht geben.
Herr Kollege Felbinger hat aus dem Antrag der CSU zitiert, der besagt: Alles super, machen wir schon; wir ändern ein bisschen, aber alles bleibt so. Der Philologenverband hat heute einen Vorschlag für ein G 9 vorgelegt. Wenn man ihn übernehmen will, muss man springen. Dann gilt es, das G 8 zu verlassen und zum G 9 zu wechseln. Sie müssen sich positionieren, ob Sie das wollen. Geschwurbel hilft da nicht. Der Vorschlag des Philologenverbandes muss diskutiert werden. Er ist ein Vorschlag neben anderen, über den diskutiert werden muss. Er hat die Probleme in der Mittelstufe erkannt. Ich habe Zweifel, ob die Mittelstufe wirklich der richtige Zeitpunkt ist, um Schülerinnen und Schüler entscheiden zu lassen, ob sie acht oder neun Jahre für das Abitur brauchen. Das ist ein wichtiger Diskussionsvorschlag. Interessant ist es, wenn das G 9 die Regelform ist und das G 8 die Ausnahme sein wird. Der BLLV hat ebenso wie die grüne Landtagsfraktion Vorschläge gemacht. Deswegen gilt es, sich zusammenzusetzen und das Zeitfenster zu nut
Gern wird vom Schulfrieden geredet. Über den Schulfrieden lernen wir aus anderen Bundesländern. In Bayern haben wir noch keine Erfahrungen. Schulfrieden heißt: Jeder bewegt sich, also auch die CSUFraktion und die Staatsregierung. Schulfrieden heißt: Man einigt sich in einem breiten Konsens. Wir könnten das am Beispiel des Gymnasiums durchexerzieren und schauen, wie das funktioniert. Dazu ist vor allem Bewegung seitens der Staatsregierung und des Ministerpräsidenten notwendig. Notwendig ist auch, dass Sie unserem Antrag zustimmen.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gehring hatte die Sorge, dass sich drei Männer zusammensetzen. Sie können nun einer Frau zuhören. Vielleicht kann ich Sie überzeugen.
Uns liegen heute mehrere Anträge vor. Wir haben schon mehrere Male über das Thema debattiert. Viele Argumente sind ausgetauscht. Die FREIEN WÄHLER haben heute wieder einen ähnlich klingenden Antrag eingebracht. Die Argumente werden nicht besser, wenn wir sie x-mal wiederholen, und sie werden nicht überzeugender. Insofern werde ich nur auf einen Teil eingehen.
In dem Antrag wird gefordert, dass wir dem Konzept der Philologen zustimmen, das uns noch nicht einmal vorliegt. Ich muss ganz klar sagen: Sie müssen uns die Chance geben, das Konzept in Ruhe zu prüfen. Dann können wir miteinander überlegen, was wir tun. Spannend ist Ihre Begründung, in der Sie sagen, wir seien bundesweit in einer Entwicklung in Richtung G 9. Sie können gerne nachsehen: Die Regelform in Deutschland ist nach wie vor ein G 8. Einige Länder, bewegen sich in Richtung G 9. In vier Bundesländern gibt es eine Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9. Im Übrigen: In keinem einzigen der ostdeutschen Länder haben wir eine Bewegung in Richtung G 9. Manche sind in Bewegung, aber es handelt sich nicht um eine Mehrheit.
Wir haben die Fragestellung, das G 8 und das G 9 parallel anzubieten, schon öfter diskutiert. Wir wollen gerne individuell fördern. Wir wollen aber nicht, dass das parallel geführt wird, weil wir die Fähigkeiten des einzelnen Schülers entwickeln wollen. Jeder soll seine Biografie schreiben können und nicht einheitlich festgelegt werden.
Die FREIEN WÄHLER behaupten immer, die Partei zu sein, die sich um den ländlichen Raum kümmert. Das tun Sie genau an der Stelle aber nicht. Sie wollen eine Ausbreitung in die Fläche. Das bedeutet aber, dass wir das Angebot an kleinen Standorten nicht parallel machen können.
- Ich weiß nicht, was Sie zu schreien haben. Es wird sich schon irgendwie klären. Sie können sich solange mit Ihrem Kollegen unterhalten.
Man muss es realistisch sehen: Im ländlichen Raum kann man das Angebot nicht parallel machen. Schüler haben an ihrer Schule entweder das entsprechende Angebot oder sie haben weite Wege. Das kann nicht unser Ziel sein.
Die SPD schreibt in ihrem Antrag vom "Murks am Gymnasium". Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie wie wir viele Schulen besuchen, dann werden Sie feststellen, dass das Gymnasium in seiner achtjährigen Form in weiten Teilen sehr gut funktioniert. Sie können das an zwei Zahlen festmachen. Zum einen steigt der Anteil der Schüler, die sich für das Gymnasium entscheiden, zuletzt von 33 auf 40 %. So schlecht kann unser Gymnasium also nicht sein, wenn wir einen solchen Anstieg haben. Zum anderen sinkt die Zahl der Wiederholer. Das spricht offensichtlich auch dafür, dass das Gymnasium nicht ganz so schlecht sein kann, wie Sie es beschreiben.
Ich finde es spannend, dass Sie, nachdem Sie mehrfach die überstürzte Einführung des G 8 kritisiert haben, genauso überstürzt die Wiedereinführung eines G 9 fordern. Das würde genauso viel Unruhe im System verursachen. Wir würden den Schülern nicht gerecht werden. Deswegen wollen wir individuell fördern und keine Hauruck-Aktion.
Sie haben vorhin einen Unterschied zwischen der Fraktion und dem Ministerpräsidenten ausgemacht. Ich kenne diesen Unterschied nicht und darf Ausführungen von ihm öfter hören. Ich weiß nicht, welchen
Gesprächen oder Zeitungsartikeln Sie das entnehmen. Wir alle haben gesagt: Wir sind offen für Diskussionen, greifen Vorschläge gerne auf und werden mit jedem ins Gespräch kommen. Insofern sind wir mit dem Antrag der GRÜNEN gar nicht so weit auseinander. Sie fordern zu Recht, mit allen Beteiligten zu reden. Darüber, ob das ein Gymnasialkonvent sein muss oder ob man einfach Gespräche führt und miteinander diskutiert, kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Die Begründung Ihres Antrags hindert uns daran, Ihrem Antrag zuzustimmen: Sie legen sich bereits vorab fest und sind nicht ergebnisoffen. Sie signalisieren in Ihrer Begründung deutlich, dass Sie in Richtung eines G 9 wollen.
- Das ist richtig. Die Begründung wird aber auch gelesen. Sie können die Begründung lesen und wissen dann, dass eine Tendenz vorgegeben ist.
Ich sage es Ihnen noch einmal: Man kann unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob man dafür einen Konvent braucht. Ihre Richtung ist der Konvent und nicht das Gespräch. Ich behaupte: Wir können miteinander gut im Gespräch sein und die Dinge ausgleichen.
Sie schreiben, dass Kinder glücklich sein müssen und Zeit brauchen. Ich glaube, wir alle sind dieser Auffassung. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass wir uns das an allen Schularten anschauen müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob mit der Einschränkung der Vielfalt und den langen Schulwegen der Schuss nicht nach hinten losgeht.
Wir werben in unserem Antrag dafür, die individuelle Lernzeit weiter auszubauen, stärker individuell zu fördern und mehr Flexibilisierungsmöglichkeiten durch Ganztagsschulen zu schaffen. Wir werden die Anträge der FREIEN WÄHLER und der SPD ablehnen. Den Antrag der GRÜNEN müssen wir aufgrund der Vorfestlegung ebenso ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr schön mitzuerleben, dass sich immer mehr Menschen unserem langjährigen Wunsch nach Entschleunigung des Gymnasiums in Bayern anschließen. Wenn Sie sich erinnern: Bereits im Mai 2012 – liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, das war vor Ihrem Volksbegehren – hat Chris
tian Ude, angetrieben von der Frage, wie das bayerische Gymnasium entschleunigt und wie der Druck von den Schülern genommen werden kann, erneut die Diskussion zur Reform des Gymnasiums in Bayern aufgenommen. Seitdem gibt es wieder intensive Diskussionen über ein G 8 oder G 9. Es freut uns außerordentlich, dass diese Diskussion jetzt Fahrt aufgenommen hat. Heute hat der Bayerische Philologenverband – das ist schon mehrfach erwähnt worden – sein Konzept vorgestellt. Er hat sich klar für ein G 9 ausgesprochen. Gymnasialbildung braucht Zeit, so der Vorsitzende. Nach dem Konzept der Philologen soll die Mehrheit G 9 machen, Frau Schreyer-Stäblein, und nur Einzelne sollen eine Klasse überspringen können, wie das im Übrigen schon jetzt möglich ist. Nach zehn Jahren G 8 ist damit endlich klar, dass eine Reform dringend notwendig ist. Wir müssen Schülerinnen und Schülern und im Übrigen auch den Lehrern endlich wieder mehr Zeit zum Lernen und zum Lehren geben. Viele Kinder sind viel zu gestresst. Psychische Erkrankungen haben in den letzten Jahren zugenommen. Zu viele Kinder müssen wiederholen, zu viele bekommen schlechte Bewertungen. Ein Mittelfeld, wie es früher beim G 9 existierte, gibt es beim G 8 nicht mehr. Es gibt noch die ganz Guten und die, die zu kämpfen haben. Das Mittelfeld gibt es nicht mehr.
Die überstürzte Einführung des G 8 war ein Riesenfehler, Herr Spaenle, und es ist ein noch größerer Fehler, mit diesem Wissen weiter am G 8 festzuhalten. Wie gesagt: Viele Schüler leiden unter dem Druck, gerade in der Mittelstufe, wenn sie in der Pubertät sind und andere Dinge im Kopf haben. Sie kommen dann mit dem Druck nicht mehr zurecht.
Wir hatten gestern ein Mädchenparlament. Alle Schülerinnen haben sich für das G 9 ausgesprochen, sogar die guten. Schülerinnen und Schüler müssen zu viel in zu kurzer Zeit lernen. Sie haben keine Zeit mehr zum vertieften Lernen. Es gibt keine Nachhaltigkeit. Sie haben keine Zeit für Hobbys und Vereine und vieles mehr. Herr Spaenle, Sie sind jetzt am Zug. Drehen Sie doch endlich um! Machen Sie es Ihrem Ministerpräsidenten nach. Der Herr Ministerpräsident hat in solchen Dingen Erfahrung.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir das einzige Bundesland sind, das den Schülern keine Möglichkeit gibt, das Gymnasium in neun Jahren zu absolvieren. Es ist nämlich nicht richtig, Frau Schreyer-Stäblein, wie Sie gesagt haben, dass es hier noch eine breite Front gibt, die diesen bayerischen Weg gehen will. Wir brauchen jetzt ein pädagogisches Konzept für das Gymnasium, das Schülern und Lehrern mehr Zeit gibt, das neue Lernformen und pädagogische Ansätze einbezieht, das Inklusion lebt sowie Ganztagsschule in vernünftiger Form ermöglicht und das Schülerinnen und Schüler individuell besser fördert.
Deswegen meinen auch wir: Wir brauchen Gespräche mit allen Betroffenen, mit Schülern, Lehrern, Verbänden, Eltern und Experten. Natürlich müssen auch die Fraktionen eingebunden sein. Nur so kann dauerhaft ein Schulfrieden gelingen. Sehr geehrter Herr Minister, raffen Sie sich endlich auf! Wir stehen gern für den Diskurs zur Verfügung. Ich bin der festen Überzeugung, dass es so gelingen kann, das Gymnasium zukunftsfähig zu machen.
Ich möchte noch ein paar Worte zu den anderen Anträgen sagen. Den Antrag der FREIEN WÄHLER lehnen wir ab. Er ist aus unserer Sicht einfach nicht klar genug. Was wollt ihr denn? Wollt ihr G 8, wollt ihr G 9, wollt ihr ein Wahlrecht? Das wird aus meiner Sicht nicht klar. Im Gesetz müssen wir uns entscheiden. Wir müssen klar sagen, ob wir acht oder neun Jahre wollen. Dazu brauchen wir eine Aussage, und die sehen wir hier nicht. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.
Den Antrag der GRÜNEN werden wir unterstützen. Er geht in die gleiche Richtung wie unserer. Den Antrag der CSU lehnen wir ab, weil er im Grunde nichtssagend ist. Darin werden systemimmanente Verbesserungen gefordert, was auch immer das sein soll. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. Wir müssen grundsätzlich überlegen, wie es mit dem Gymnasium weitergehen soll. Das geht uns einfach nicht weit genug.