Protokoll der Sitzung vom 15.05.2018

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Kollege Halbleib das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Innenminister! Zweifellos klingt dieser Gesetzentwurf populär. Welcher Bürger wollte nicht auch und immer Begrenzung politischer Macht? Im Präsidialsystem der USA haben sich die Bürger bei entsprechenden Abstimmungen immer wieder für eine Begrenzung der Amtszeiten von Präsidenten ausgesprochen. Deswegen sind wir auch bereit, ernsthaft über diesen Vorschlag zu diskutieren.

Vorab nur eine Klarstellung: Der Betreff im Brief des Kollegen Kreuzer an die Fraktionsvorsitzenden spricht von einer "Begrenzung der Amtszeit des Ministerpräsidenten". Das genau ist nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs, sondern darin ist lediglich ein Verbot der Wiederwahl des Ministerpräsidenten nach einer mehr als zehnjährigen Amtszeit enthalten. Das heißt, nach Ihrem Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Verfassung sind auch in Zukunft Amtszeiten von deutlich mehr als zehn Jahren möglich und verfassungsrechtlich zulässig.

Wir wollen nicht spekulieren, obwohl es dazu Anlass gäbe, weil sich die Zahl der Initiativen, die den Wahltag im Blick haben, auffällig ballt. Wir wollen nicht ausschließlich über die Motivlage spekulieren. Will Herr Söder den Wählern am 14. Oktober die Angst vor der Wahl von Söder nehmen? Ist es nicht Zeichen einer gewissen Hybris, wenige Tage nach der ersten Wahl zum Ministerpräsidenten sich gleich mit der Begrenzung dieses Amts zu befassen, bevor der Wähler überhaupt das Mandat zur Fortsetzung dieser Aufgabe im Oktober erteilt hat? Man kann natürlich auch fragen, ob die CSU, der Ministerpräsident und der Innenminister hier eine politische Spitze gegen die lange Amtszeit der Kanzlerin zum Ausdruck bringen wollen.

Aber wir sind gerne bereit, uns den Fragen zu stellen. Wir stellen aber der CSU und der Staatsregierung auch die Frage, ob es nicht andere, genauso wichtige, bedeutende und zukunftsweisende Fortschreibungen der Bayerischen Verfassung gäbe. Wir haben dazu Vorschläge gemacht. Von Ihnen haben wir keine zielführenden Vorschläge zur Fortentwicklung der Bayerischen Verfassung gehört, außer diesen Punkt.

Aber es gibt diese Debatte, und es gibt sie auch auf Bundesebene. Sie gibt es vielfältig. Ich denke an Prof. Hans-Jürgen Papier, den früheren Bundesverfassungsrichter, an Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann, um einen Sozialdemokraten zu zitieren, der sich auch zur Amtszeitbegrenzung geäußert hat. Es gibt auch interessante Papiere vom Bündnis Mehr Demokratie. Wir werden uns an einer Diskussion und Erörterung dieses Vorschlags aktiv beteiligen. Aber wir wollen auch Antworten auf unsere Fragen haben, von der Staatsregierung und von der CSU-Fraktion.

Natürlich stellen wir die Frage, ob die Begrenzung der Amtszeit so, wie Sie sie wollen, zur parlamentarischen Demokratie, wie wir sie kennen, überhaupt passt. Im Gegensatz zu einem Präsidialsystem wählt der Bürger im System der parlamentarischen Demokratie eben nicht direkt die Regierungsspitzen, sondern sein Parlament. Darum geht es. Wenn wir über Amtszeitbegrenzung im parlamentarischen System nachdenken, dann müssen wir auch über die Amtszeitbegrenzung von Abgeordneten diskutieren, von Parlamentszeiten. Das versteht sich doch auch. Dazu haben wir nichts von Ihnen gehört.

Wir müssen das schon in der ganzen Breite diskutieren. Herr Innenminister, ich weiß nicht, wie lange Sie der Staatsregierung angehören. Wenn wir eine Beschränkung der Zeit, der man einer Staatsregierung angehören kann, auch in Richtung zehn Jahre hätten, dann würde vielleicht manche Diskussion anders laufen. Die Frage, die Sie beantworten müssen, außer hier schelmisch zu lächeln, was Ihnen zugestanden sei – aber vielleicht ist das der fehlende Ernst in dieser Frage –, ist: Übertragen Sie Ihren Vorschlag auch auf die Systeme, wo wir tatsächlich nah an der Präsidialdemokratie sind, nämlich auf die Wahl der Oberbürgermeister, der Landräte und der Bürgermeister? Die werden direkt vom Volk gewählt. Wie ist denn da Ihr Vorschlag zu einer Amtszeitbegrenzung? Ich denke, Sie sollten sich auch dazu äußern.

Dann darf ich Ihnen schon eine direkte Frage stellen: Wie halten Sie’s denn generell mit der Begrenzung von Macht auch im parlamentarischen System, wenn es beispielsweise darum geht, dass Gerichte auch die Handlungen der Staatsregierung und dieses Parlaments kontrollieren? Warum haben Sie sich immer gegen die Richterwahl mit Zweidrittelmehrheit gewehrt, eine Selbstverständlichkeit, die wir in fast allen Landesparlamenten und auch im Bundestag haben? Das lehnen Sie ab. Aber das wäre eine effektive, richtige, gerichtliche Kontrolle des Parlaments und der Staatsregierung.

Sie lehnen auch wirksame Minderheitenrechte ab, die in allen Parlamenten eigentlich selbstverständlich

sind. Das haben Sie zu Beginn der Legislaturperiode wieder getan, als Sie der Opposition nicht mal zugestanden haben, dass über einen Antrag aus der Opposition in den Ausschüssen abgestimmt wird, wenn die Opposition diesen Antrag für entscheidungsreif hält. Sie haben die Geschäftsordnungsmacht, diesen Antrag gegen den erklärten Willen des Antragstellers auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu schieben. Da würde ich mir wünschen, Sie würden mehr Parlamentarismus, mehr Begrenzung der Macht und mehr Begrenzung auch absoluter Mehrheiten zulassen. Aber dazu schweigen Sie, und entsprechende Anträge lehnen Sie seit Jahr und Tag ab. Das passt für uns nicht zusammen.

Auch selbstverständliche Minderheitenrechte, beispielsweise die Herbeirufung eines Mitglieds der Staatsregierung – im Bundestag ist das ein selbstverständliches Minderheitenrecht –, wird hier von Ihnen als Mehrheitsrecht ausgeprägt mit der Konsequenz, dass Sie einen solchen Antrag jederzeit ablehnen können. Auch die Regierungsbefragung und viele andere Dinge mehr haben Sie abgelehnt.

Wir würden uns wünschen, dass Sie, wenn Sie ernsthaft Machtbegrenzung wollen, bei Ihrem eigenen System hier im Parlament anfangen. Wir steigen gern in Verhandlungen ein. Aber wir fordern Sie auf, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Ich glaube, dann können wir auch Lösungen finden, wenn wir alle Vorschläge der Fraktionen, die jetzt vorliegen, auf den Prüfstand stellen. Ich bitte die CSU-Fraktion, mit den anderen Fraktionen im Landtag entsprechende Gespräche aufzunehmen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Für die CSU-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Guttenberger. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Halbleib, ich versuche jetzt einfach wieder, auf den Text des vorliegenden Gesetzentwurfs zurückzukommen. Dass in der Demokratie die Mehrheit bestimmt, in welche Richtung der Zug fährt, ist der Demokratie so zu eigen. Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen.

(Alexander König (CSU): Sehr revolutionär!)

Ja. Entschuldigung, Herr Kollege. – Und dass die Geschäftsordnung zu Beginn einstimmig beschlossen wurde, ist – –

(Volkmar Halbleib (SPD): Nein, stimmt doch nicht!)

Also, wir haben uns auf eine Geschäftsordnung geeinigt, und an die halten sich letztendlich alle. Sie sagen jetzt: Daran will ich mich nicht halten, daran nicht und daran nicht.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das ist grober Unfug, Frau Kollegin! – Markus Rinderspacher (SPD): Der grobe Unfug setzt sich langsam durch!)

Aber ich möchte jetzt noch einmal eine ganz revolutionäre Idee hier verbreiten

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie reden sich um Kopf und Kragen!)

und mich zu dem Gesetzentwurf äußern, der hier zur Abstimmung steht.

Herr Kollege, so zu tun, als wäre es ein Erdrutsch, wenn man das absolute Spitzenamt eines Staates mit einer begrenzten Amtszeit hinsichtlich der Wiederwahl versieht, ist schon fast albern. Frankreich und die USA machen damit hervorragende Erfahrungen, und das schon seit Jahrzehnten. Übrigens ist das absolute Spitzenamt der Bundesrepublik Deutschland, das Amt des Bundespräsidenten, mit einer Wahlzeitbegrenzung auf zweimal fünf Jahre in unmittelbarer Wiederwahlfolge versehen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ihr müsst den Söder mit Kretschmann vergleichen, nicht mit Putin!)

Das müssen Sie mir vielleicht später erklären.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Da seid ihr auf der falschen Ebene unterwegs!)

Herr Kollege!

Ich sehe schon: Heute ist der Wille, sich mit dem aufgerufenen Gesetzentwurf zu befassen, nicht sehr ausgeprägt. Kollege Ländner hat schon darauf hingewiesen, dass man heute lieber über etwas anderes redet. Dann machen wir halt so weiter; mir ist das relativ egal.

Wir halten uns jedenfalls an den Gesetzentwurf, und wir werden diesen Gesetzentwurf unterstützen; denn wir sind der Ansicht, dass gerade das absolute Spitzenamt eines Staates sehr vielfältige Anforderungen stellt und dass es ein gutes Signal einer starken Demokratie ist, wenn so viel Transparenz herrscht, dass man von vornherein sagt: Ich möchte Ministerpräsident sein, wenn mich das zuständige Gremium, der Bayerische Landtag, in dieses Amt wählt, und das soll

auf zehn Jahre beschränkt sein. Dann weiß der Bürger auch: Der- oder diejenige will das Programm, mit dem er oder sie in den Wahlkampf gezogen ist, in zehn Jahren verwirklichen. Ich zitiere unseren Ministerpräsidenten: Er äußerte die Ansicht, was man in zehn Jahren nicht schafft, wird wohl auch in längerer Zeit wahrscheinlich nicht möglich sein. Wir halten es für ein gutes Zeichen zu sagen: Wir stehen dafür, die Leistung für den Bürger, die wir ihm im Wahlprogramm avisiert haben, in einer bestimmten Zeit umzusetzen. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf vollumfänglich unterstützen.

Herr Halbleib, Sie meinten, das wäre ein Modell für den Bund. Da sind wir zwar nicht zuständig, aber als Mitglied der GroKo steht es Ihnen frei, einen solchen Antrag auf den Weg zu bringen.

(Alexander König (CSU): Eine sehr gute Idee, finde ich! – Volkmar Halbleib (SPD): Manchmal muss man intellektuell schon ein bisschen mitdenken können!)

Sie haben damit angefangen, nicht ich. Wir halten diese Begrenzung der Amtszeit für eine gute Möglichkeit, eine Balance zwischen Erfahrung und immer wieder neuen Ideen zu finden. Wahrscheinlich ist das eine sehr gute Möglichkeit, um Zukunftsideen in einem Führungsgremium, in einem Kabinett schneller zu etablieren. Deshalb freuen wir uns auf die weitere Diskussion und hätten diese Diskussion bitte gern wieder an dem vorliegenden Gesetzentwurf orientiert.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER: Herr Kollege Streibl. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Amt des Ministerpräsidenten ist auf zehn Jahre zu begrenzen. – Auf den ersten Blick klingt das ganz interessant, hat sogar auch etwas; denn zum einen würde es dem Schutz des Amtes vor dem Inhaber dienen – bei manchen Inhabern ist das vielleicht auch bitter notwendig –, zum anderen würde es auch dem Schutz des Inhabers vor dem Amt dienen. Von daher ist das ein interessanter Gedanke. Aber Demokratie ist Herrschaft auf Zeit – das haben Sie so schön gesagt. Wann die Zeit abgelaufen ist, wann er wen wo haben möchte, soll doch bitte schön der Wähler, der Bürger entscheiden. Diese Souveränität sollte der Souverän in unserem Land haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir sind hier in Bayern; Bayern ist ein besonderer Freistaat. Mit wem vergleichen Sie sich hier? Eine Amtszeitbegrenzung gibt es in der Bundesrepublik Deutschland beim Bundespräsidenten, beim Präsidenten der Vereinigten Staaten – gut, mit ihm kann sich vielleicht der jetzige Ministerpräsident auch manchmal vergleichen –

(Lachen des Abgeordneten Markus Rinders- pacher (SPD) – Markus Rinderspacher (SPD): Ich habe es verstanden, Herr Streibl!)

und beim französischen Präsidenten. Diese Präsidialsysteme sind ganz anders aufgebaut als unsere politischen Systeme. Kein einziger Ministerpräsident in der Bundesrepublik Deutschland hat eine Amtszeitbegrenzung. Insofern fällt man hier völlig aus dem System. Es ist eher Anzeichen einer gewissen Hybris der Staatsregierung, wenn sie meint, sich hier auf die Ebene des US-Präsidenten oder des Präsidenten von Frankreich stellen zu sollen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Oder ist es nur die nackte Angst des jetzigen Amtsinhabers, er könnte so enden wie alle seine Vorgänger, nämlich in einem blutigen Abnabelungsprozess der Fraktion vom Ministerpräsidenten, und der Versuch, diesem Prozess zu entgehen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Alexander König (CSU): Das ist jetzt Quatsch!)

Zudem wäre er, wenn die Amtszeit begrenzt wäre, in der zweiten Amtsperiode eine Lame Duck, weil er nicht mehr so handeln könnte, wie er möchte. Er müsste vielmehr dauernd nach einem Nachfolger suchen. Also, insofern sind wir hier sehr – –

(Zurufe von der CSU: Was denn nun?)

Wir sind sehr skeptisch und werden diesem Ansinnen auch nicht nähertreten. Sie haben schon gesehen: Dann kämen die ersten Weiterungen. Wie ist es bei anderen Mandatsträgern? Wie ist es bei Bürgermeistern und Landräten?

(Alexander König (CSU): Warten Sie nur! Die kommen schon auch noch drauf!)

Na ja. Liebe CSU, man könnte auch sagen: Vielleicht denken Sie jetzt schon daran, wie Sie Herrn Söder in zehn Jahren loswerden. Da Sie ein solches Gesetz unterstützen, ist Ihnen in dieser Angelegenheit wohl auch etwas bang. Von daher spüre ich ein gewisses Misstrauen von Ihrer Seite.