Protokoll der Sitzung vom 15.05.2018

Okay, nein! Es wird im Moment gerade sehr viel diskutiert. Von Alexander Dobrindt wird der Begriff "Abschiebeindustrie" gebracht. Es wird kritisiert, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2017 44 % aller Asylbescheide von den Gerichten korrigiert wurden. Die Klagen waren berechtigt, und wer hier etwas ändern will, muss die Gesetze ändern, das ist klar.

Fest steht auch, dass in Sachen Rückführung und freiwilliger Rückkehr mehr getan werden muss. Zum Stichtag 2017 waren in Deutschland noch 226.000 Personen ausreisepflichtig; in Bayern waren es 21.000. Jetzt ist die Frage, ob ein neues Landesamt diese Leute besser zurückführen kann. – Wir meinen: Nein. Wir haben schließlich auf Bundesebene bereits das BAMF. Das muss natürlich noch verbessert werden. Aber wir wollen nicht, dass auf Landesebene noch eine solche Behörde geschaffen wird.

Im Prinzip ist es auch eine Kritik an der Bundesbehörde, wenn Bayern sagt, wir machen in Zukunft alles selbst. Irgendwann wird Bayern dann vielleicht noch ein eigener Staat, dann können Sie alle Ihre Landesämter-Überlegungen konkret umsetzen.

Woran scheitert Rückführung? – Sie scheitert meist an der Weigerungshaltung der Herkunftsländer, und da kann eine bayerische Landesbehörde kaum Abhilfe schaffen. Sie müssten mir vielleicht erklären, wie Sie das machen soll.

Warum klappt es nicht? – Oft fehlen Pässe und Identitätsnachweise. Die Passbeschaffung soll eine weitere Kernaufgabe dieses neuen Landesamtes werden. Allerdings ist unserer Fraktion nicht klar, wie das gehen soll, wie man das erreichen will. Es gibt auch auf Bundesebene große Umsetzungsprobleme, und da soll aus Bayern die große Erleuchtung kommen. Das scheint mir unmöglich zu sein.

Die Koordination der Rückkehrerprogramme ist richtig; wir müssen mehr für die freiwillige Ausreise tun. Die FREIEN WÄHLER haben schon viele entsprechende Programme gefordert, damit noch mehr Leute freiwillig zurückkehren. Aber diese Forderungen wurden von der CSU einfach abgelehnt. Das muss man einmal deutlich sagen. Wir meinen, dass hier viel zu wenig vorangeht. Wir glauben, dass wir für die Koordi

nation von Rückkehrprogrammen keine neue Behörde brauchen. Das kann man bereits heute gut organisieren. Wir müssen nur mehr Ressourcen und Geld reinstecken. Das ist ganz wichtig.

Dann geht es darum: Wir brauchen angeblich eine neue Behörde mit hohem Personalaufwand. Ob diese eine Verbesserung darstellt, bezweifeln wir sehr stark. Für uns ist auch klar: Wer nachweislich ausreisepflichtig ist, muss dies auch tun. Aber dazu brauchen wir keine neue Behörde. Das durchzusetzen gelingt uns mit den bisherigen Strukturen.

Wir wollen dieses Landesamt nicht von Anfang an völlig schlechtreden; aber wir haben bisher noch keine Argumente gehört, dass es dadurch insgesamt besser werden wird. Wir erwarten von der Staatsregierung konkrete Antworten; aber wir wollen nicht, dass ein neues Landesamt mit neuen Strukturen und neuem Personal, eine Wasserkopfbehörde, aufgebaut wird. Die wirklichen Probleme, die da sind, müssen gelöst werden; aber wir sind skeptisch, dass das durch diese neue Landesbehörde geschehen kann.

Dann geht es darum: Sie wollen Anker-Zentren für Ankunft, Erfassung und Rückführung. Was wollen Sie denn? – Beides zusammen widerspricht sich zum großen Teil. Das ist auch ein Punkt. Natürlich wollen wir auch – das ist wichtig –, dass die Kommunen noch stärker unterstützt werden. Das ist für die FREIEN WÄHLER immer ein wichtiger Punkt. Das heißt, die Kommunen müssen finanziell stärker unterstützt werden. Ich erinnere daran, dass die Landratsämter bei den Flüchtlingen auf den gesamten Personalkosten sitzenbleiben. Das ist auch immer ein Punkt. Das ist oft ein Prozentpunkt der Kreisumlage.

Fazit: Wir sind nicht davon überzeugt, dass dieses neue Landesamt die bestehenden Probleme löst. Wir müssen die vorhandenen Strukturen besser nutzen und deshalb vielleicht das BAMF noch mehr unterstützen. Man könnte wieder denken, dass der neue Bayerische Ministerpräsident bewusst gegen den neuen Bundesinnenminister Seehofer arbeitet –

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

– und hier eine Retourkutsche abgibt.

Fazit: Wir sind von Ihren Überlegungen noch nicht überzeugt und warten auf weitere Erläuterungen. Derzeit ist das für uns keine Alternative.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was brauchen wir in unserer Asylpolitik? – Wir brauchen als Erstes ein rechtsstaatliches Asylsystem. Hier wäre viel zu tun, Herr Innenminister. Insbesondere brauchen Asylsuchende Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung vor und während ihres Verfahrens und einen Zugang zur Asylsozialberatung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wäre eine Grundvoraussetzung für ein Asylverfahren, das unseren rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt. Geflüchtete sollten auch einen Zugang zu einer anständigen Rückkehrberatung bekommen. Dem ist aber nicht so. Ich brauche mir bloß anzuschauen, wie viele Rückkehrberatungsmittel in den verschiedenen Regierungsbezirken ausgereicht wurden, und siehe da: Ausgerechnet in dem Regierungsbezirk, in dem Sie Ihr wunderbares Landesamt platzieren wollen, gibt es so gut wie keine Rückkehrhilfen, in anderen Regierungsbezirken aber schon. Sie haben hier also ein großes Problem im Transitzentrum Manching. Offenbar gelingt es Ihnen, Geflüchtete zu vergraulen, sodass sie untertauchen, und Sie werten das anschließend als freiwillige Rückkehr. Rechtsstaatlich und vernünftig ist das alles nicht, auch nicht, wenn Sie sich mit der Integrationsbeauftragten jetzt, während meiner Rede, unterhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Während all dieses Nichtstuns haben Sie am 23.03. verkündet, dass Sie ein Landesamt gründen wollen. "Landesamt für Asyl" hieß es damals. Neckisch wurde es dann "Bayern-BAMF" genannt. Jetzt soll es "Landesamt für Asyl und Rückführungen" heißen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Bayernkrampf!)

Jawohl. – Bislang sind für die Aufgaben in diesem Bereich die Ausländerbehörden zuständig, seit neuestem auch die ZAB. Daneben gibt es eine Passbeschaffungsstelle bei der Regierung von Oberbayern. Irgendwo in diesem Bereich, in dieser Gemengelage, soll nun das Landesamt tätig werden. Wie dieses Landesamt mit den bisherigen Behörden zusammenarbeiten soll, bleibt in dem Gesetzentwurf ungeklärt.

Unbeantwortet blieb leider auch unsere Schriftliche Anfrage, die wir unmittelbar nach Ihrer Verkündigung eingereicht haben; Sie ist bis heute noch nicht beantwortet, obwohl das Landtagsamt freundlicherweise mehrfach nachgehakt hat, wann wir denn nun die Ant

wort auf unsere Anfrage bekommen. Eine Anfrage, was dieses Landesamt tun soll, mit welchen Behörden es zusammenarbeiten soll oder ob vielleicht Mitarbeiter der ZAB aus Bayreuth oder aus anderen Regierungsbezirken nach Manching verlagert werden sollen – davor haben Sie nämlich durchaus Sorge, wie ich gehört habe –, blieb unbeantwortet. Stattdessen bringen Sie hier einen relativ windigen Gesetzentwurf ein, der diese Bezeichnung nicht verdient, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Unbeantwortet blieb auch die Frage, für welche Gruppen von Asylbewerbern das Landesamt zuständig sein soll. Für welche Aufgaben soll der Geflüchtete aus Lindau oder aus Ansbach oder von irgendwoher für irgendwelche Verlängerungen von Papieren jeweils anreisen müssen? Wer zahlt die Fahrtkosten? Wie werden sie untergebracht? All dies ist unbeantwortet und sollte beantwortet werden, bevor Sie anfangen, dieses Gesetz überhaupt zu beraten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieser Gesetzentwurf schafft allerorten mehr Verwirrung als Klarheit. Gerade in Manching und in Oberbayern haben wir die größten Probleme mit dem Anspruch auf rechtsstaatliche Asylverfahren. Es gibt keine adäquate Rückkehrunterstützung, keine adäquate Rückkehrberatung, keine adäquate Rechtsberatung, keine adäquate Asylsozialberatung. Deswegen stimmt der Ansatz, mit diesem Landesamt das Asylsystem besser zu regeln, wenig hoffnungsfroh.

Vielleicht noch ein Satz zum Kollegen Straub: Natürlich integrieren sich hier Flüchtlinge; aber sie tun das trotz und nicht wegen der CSU und dieser Staatsregierung. Das muss wirklich einmal gesagt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Abschiebungen gehen mit diesem Landesamt auch nicht schneller. Warum gehen sie nicht schneller? – Sie müssen bloß mal schauen: Welche Menschen sind es, die momentan ausreisepflichtig sind? – Das sind zu über 50 % Menschen, die in Italien nach dem Dublin-Abkommen registriert worden sind. Sie können momentan nicht zurückkehren, weil Italien pro Monat schlicht und einfach nur so und so viele Dublin-Flüchtlinge zurücknimmt, weil Italien verärgert ist. Warum? – Weil Italien beim Thema Mittelmeeranrainerstaaten –

Frau Kollegin, beachten Sie bitte die Uhr.

– mit seinen Aufgaben weitestgehend alleine gelassen wird. Sie sollten sich anschauen, welche Probleme die Menschen haben, und nicht suggerieren, Sie könnten hier durch irgendein Landesamt die Rückkehr beschleunigen. Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Staatsminister Herrmann.

Liebe Frau Kollegin Kamm, ich will Ihnen nur, damit jetzt nicht wieder irgendwelche völlig falschen Gerüchte im Land verbreitet werden, zu dem einen Punkt, den Sie konkret angesprochen haben, unmissverständlich sagen:

Erstens. Die Zuständigkeiten aller Ausländerbehörden der kreisfreien Städte und Landratsämter bleiben völlig unangetastet. Da ändert sich nichts. Da wird weder etwas weggenommen noch hinzugefügt.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Alles, was da zuständig ist, bleibt da auch. Es gibt überhaupt keinen Anlass zu meinen, da werde sich etwas ändern. Ich sage es hier nur noch einmal klar,

(Zuruf von der CSU: Lesen hilft!)

damit draußen gar nicht erst eine unsinnige Debatte beginnt. Es ist völlig klar.

Zweitens werden alle Zentralen Ausländerbehörden in den sieben Regierungsbezirken weiter so arbeiten. Das Landesamt für Asyl und Rückführungen koordiniert deren Tätigkeit und versucht vor allen Dingen, die Effizienz in den Abschiebeverfahren noch weiter zu steigern. Wenn zum Beispiel ein persönlicher Kontakt, eine Vorsprache notwendig ist, wird kein einziger Flüchtling deswegen persönlich nach Manching fahren müssen, sondern es wird alles über die Zentralen Ausländerbehörden, die überwiegend in den Einrichtungen wie Bamberg, Schweinfurt, Deggendorf, Regensburg usw. präsent sind, unmittelbar erledigt werden.

(Christine Kamm (GRÜNE): Steht alles nicht in dem Gesetz!)

Aber jetzt wissen Sie es. Ich sage das, damit nicht morgen wieder irgendeiner anfängt, irgendetwas in die Welt zu setzen, was die Leute unnötig verrückt macht.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist dann so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 e auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern Stärkung der Demokratie - Beteiligung der Jugend - Gleichstellung von Frauen und Männern - Schutz der Artenvielfalt und des Klimas (Drs. 17/22040) - Erste Lesung

und

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern und des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof Wahl der berufsrichterlichen Mitglieder und des Präsidenten und seiner Vertreter mit Zweidrittelmehrheit der Mitgliederzahl des Landtags (Drs. 17/22064) - Erste Lesung