Protokoll der Sitzung vom 06.06.2018

und nicht wie Sie etwas ankündigen und dann kaum etwas tun, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Mistol (GRÜNE) – Zuruf des Abgeordneten Peter Winter (CSU))

Ich komme noch zum Nachtragshaushalt. Ich sage genau das, was notwendig ist und gemacht werden muss, weil Ihre Fraktion diese Themen seit Jahren aussitzt und nicht anpackt. Deshalb muss das hier deutlich angesprochen werden.

Sie tun zum Beispiel nichts gegen das Artensterben. Der gigantische Raubbau an unserer Natur spielt keine Rolle in Ihrem Nachtragshaushalt. Es gibt kein Geld, um die Landwirtschaftsförderpolitik endlich umzustellen und um zu einer giftfreien Landwirtschaft zu kommen. Dazu steht nichts in Ihrem Nachtragshaushalt. Diesbezüglich muss aber etwas getan werden.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Beim Artensterben stehen wir knapp vor einer Katastrophe. Da muss sich jetzt etwas ändern. Sie brauchen nicht auf Berlin oder Brüssel zu schimpfen. Das ist nur Ihre Verantwortung, ganz allein die Verantwortung der Politik in Bayern. Wir müssen jetzt die Notbremse ziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn ich schon bei der CSU-Politik bin, noch Folgendes: Ihre Politik hat auf der einen Seite unsere Landwirte nach dem Motto "Wachsen oder weichen" in eine Turbo-Landwirtschaft getrieben, und auf der anderen Seite das Gleichgewicht unseres Ökosystems immer weiter zerstört. Wenn man mit Landwirten, mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, mit Bürgerinnen und Bürgern spricht, dann hört man, dass es niemanden gibt, der dieses System wirklich gut findet. Niemand ist damit zufrieden: weder die Landwirte noch die Verbraucherinnen und Verbraucher, und es nutzt erst recht nicht unserer Natur und unseren Lebensgrundlagen.

Diese Turbo-Landwirtschaft mit noch mehr Nitrat im Wasser, mit noch mehr Giften auf den Äckern, mit noch mehr Antibiotika in der Massentierhaltung kann doch kein Modell für die Zukunft sein. Jetzt müssen wir die Weichen für unsere Landwirte anders stellen, um sie Schritt für Schritt mitzunehmen, und zwar hin zu einer giftfreien Landwirtschaft für unser Bayern. Nur das schützt unsere Lebensgrundlagen. Für uns

ist ganz klar: Für uns stehen unsere Lebensgrundlagen nicht zum Verkauf.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Mistol (GRÜNE))

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal zum Thema Chancengerechtigkeit kommen. Beim Nachtragshaushalt geht es um viel Geld. Da müssen wir uns auch das Thema Chancengerechtigkeit näher anschauen. Es ist unstrittig: Nur wenn alle die gleichen Chancen haben, unabhängig von der Herkunft, dann halten wir unsere Gesellschaft zusammen. Sie haben alle von dem Willen gesprochen, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Dafür muss man aber auch etwas tun. Leider erleben wir viel zu häufig, dass der Staat seiner Verantwortung hierbei nicht gerecht wird und die Menschen sich selbst oder dem Markt überlässt, statt endlich steuernd einzugreifen. Wenn wir GRÜNE von "steuernd eingreifen" sprechen, dann meinen wir nicht, in erster Linie Transferleistungen zu gewähren, sondern dann meinen wir, eine passende Infrastruktur zu schaffen, die in ganz Bayern für Chancengerechtigkeit sorgt, die Chancengerechtigkeit für alle in Bayern garantiert. Das ist unsere Politik.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen. Das Thema Kinderbetreuung wurde von Kollegen heute schon mehrfach angesprochen. Dieser Punkt zeigt es sehr deutlich. Was hilft eine Kita, die um 14.00 Uhr oder um 17.00 Uhr schließt, den Eltern, die beide arbeiten, oder einer Alleinerziehenden, die vielleicht im Schichtdienst bei der Polizei arbeitet? Was machen dann die Eltern? – Die Eltern kommen mit diesem Angebot nicht weiter.

Aus diesem Grund wollen wir 154 Millionen Euro im Nachtragshaushalt bereitstellen, um für längere Öffnungszeiten und eine höhere Qualität in der Kinderbetreuung zu sorgen. Uns GRÜNEN ist klar – deshalb auch die 154 Millionen Euro hierfür –, dass das alles Geld kostet. Das ist keine Frage. Aber für Alleinerziehende, für Familien mit ein, zwei oder drei Kindern ist das Geld bei einem guten Betreuungsangebot allemal besser angelegt als bei weiteren Transferleistungen. Wir wollen, dass Kinder und Arbeitsleben sich vereinbaren lassen und gut zusammenpassen. Das Angebot soll sich doch dem Leben der Eltern anpassen, nicht die Eltern dem Angebot der Kinderbetreuung.

Eines muss ich den Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion sagen – die Kolleginnen wissen es wahrscheinlich, ihre männlichen Kollegen nicht –: Beim Thema Kinderbetreuung geht es nicht nur um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, son

dern wir reden dabei vor allem auch über die Chancengerechtigkeit für Frauen.

Wenn man keinen Betreuungsplatz findet – diesbezüglich bitte ich, in den Verwandtenkreis zu schauen bzw. sich zu erinnern –, dann ist doch die Frage: Wer passt auf die Kinder auf? Meistens stellt die Frau dann ihre Karriere hintan. Wie ist es, wenn Angehörige pflegebedürftig werden? Meistens kümmern sich die Frauen darum. Für Mütter, die ihre Kinder allein großziehen, sich allein um ihre Kinder kümmern müssen, ist das alles doch letztendlich nicht mehr zu schaffen. Dafür brauchen wir ein besseres Betreuungsangebot, und das muss der Staat garantieren. Dafür stehen wir.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Mistol (GRÜNE))

Emanzipation à la CSU – Sie sprechen auch immer wieder darüber – bedeutet bis jetzt nur mehr unbezahlte Arbeit für die Frauen, aber nicht gleiche Chancen und gleiche Rechte. Gleiche Chancen gibt es für die meisten Frauen nur mit mehr Einsatz, mit doppeltem Einsatz, mit Dreifachbelastung, mit dem Spagat zwischen Kinderbetreuung, Job und stundenweiser Betreuung der Angehörigen. Das ist nicht gerecht, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen. Deshalb wollen wir das endlich ändern.

Ich komme zu einem weiteren Thema. Wiederum geht es um Chancengerechtigkeit. Alle haben davon gesprochen, das ÖPNV-Angebot in Bayern zu verbessern. Wir sind uns, glaube ich, alle einig darüber, dass es, um Chancengerechtigkeit in ganz Bayern zu garantieren und um das Credo wirklich ernst zu nehmen, für alle gleiche Chancen geben muss, egal, wo man in Bayern lebt. Dafür brauchen wir ein besseres ÖPNVAngebot, also mehr Bus- und Bahnverbindungen im ländlichen Raum.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNE haben diesbezüglich ein Konzept auf den Tisch gelegt – nicht nur einmal, sondern bereits mehrfach –, und es wurde von Ihnen immer wieder abgelehnt. Wir wollen eine Mobilitätsgarantie für ganz Bayern, das heißt, ein stündliches Angebot von Bussen und Bahnen in jeder Ortschaft von 5.00 Uhr in der Früh bis Mitternacht, von montags bis samstags. Das wäre ein verlässliches, ein attraktives Angebot für alle Menschen, die nicht Autofahren können, für Jugendliche, die nicht Autofahren können, oder für Ältere, die vielleicht nicht mehr Autofahren wollen. Für diese Personen wollen wir ein Angebot schaffen. Die Rede des Finanzministers hat den Unterschied zwischen Ihnen und uns deutlich gezeigt. Sie denken Mobilitätspolitik vom Auto her, wir denken sie vom Menschen, von den

Bedürfnissen der Menschen in ganz Bayern her. Das ist unsere grüne Politik.

(Zuruf der Abgeordneten Petra Guttenberger (CSU))

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe nicht gesagt, dass man nicht Auto fahren soll, sondern ich habe gesagt, Sie sollen Bus- und Bahnverbindungen so ausbauen, dass es ein Angebot ist. Was sagen Sie denn den Menschen, die kein Auto haben, noch nicht Auto fahren dürfen oder nicht mehr Auto fahren können? Sie brauchen ein Angebot, und das wollen wir schaffen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Mistol (GRÜNE))

Ich komme zur Wohnungspolitik. Sie ist, da sind wir uns, glaube ich, alle einig, die soziale Frage unserer Zeit. Jeder von Ihnen – mir geht es genauso – führt immer wieder mal Gespräche mit verzweifelten Eltern, die ihre Wohnung verlassen müssen, weil zum Beispiel eine Sozialbindung ausläuft und sie die Mietpreissteigerung nicht mehr mittragen können. Die Kinder gehen meistens noch zur Schule, die Freunde leben im gleichen Viertel. Jetzt müssen sie die Gegend, in der sie aufgewachsen sind, verlassen, weil sie die x-te Mietpreissteigerung nicht mehr mittragen können.

Diese soziale Frage unserer Zeit schreit nach neuen Antworten, nach neuen Ideen. Da müssen wir etwas tun.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Mistol (GRÜNE))

Hier entscheidet sich doch, ob wir es schaffen, unsere starke Gesellschaft – von der Unternehmerin bis zur Erzieherin – zusammenzuhalten, oder ob sie weiter auseinanderdriftet. Diesbezüglich muss sich dringend etwas ändern.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Wohnen ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. Darüber sind wir uns sicherlich alle einig. Der Staat muss garantieren, dass es erfüllt wird. Auch das ist klar. Sie geben zwar – Sie haben die Zahlen genannt, sie sind Ihnen also bekannt, ich brauche sie nicht zu wiederholen – im Nachtragshaushalt durchaus viel Geld für den Wohnungsbau aus – das muss man durchaus sagen, das ist auch nicht die Frage –, aber Sie packen das Problem nicht an der Wurzel an, Sie lösen es nicht. Das ist der große Unterschied.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen an die Wurzeln heran; denn nur damit können wir wirklich dauerhaft für eine Entschärfung auf dem Wohnungsmarkt sorgen. Mit kurzfristigen Anreizen ist das nicht zu schaffen. Das bedeutet: Tage der Arbeit, neue Ideen und viel Schweiß, um dieses Problem endlich zu lösen.

Sie alle sind viel in Bayern unterwegs. Sie kommen aus allen Regionen dieses wunderschönen Landes. Wir sind uns doch alle einig, dass die Herausforderungen beim Thema Wohnen in Bayern unterschiedlich sind. Wir haben städtische und ländliche Regionen. Wir haben boomende Speckgürtel, aber auch Regionen, in denen die Bürgermeister und die Bürgermeisterinnen mit Leerständen in den Ortschaften kämpfen. – Herr Finanzminister, was machen Sie mit Ihrer neuen Förderpolitik? – Sie fördern wieder mit der Gießkanne überall gleich. Das ist Ihre Politik. Von Ihrer Gießkannenförderpolitik profitieren die Immobilienbranche und die Immobilienwirtschaft ganz gewaltig. Damit verbessern wir aber nicht die Situation, die wir dringend ändern müssen, nämlich die Situation der Alleinerziehenden und der Familien mit zwei oder drei Kindern. Diese haben bei jedem Schreiben ihres Vermieters Schweißperlen auf der Stirne, weil sie nicht wissen, wie sie die Mieterhöhung tragen sollen.

Herr Finanzminister, glauben Sie im Ernst, dass eine Familie in München jubeln wird, weil es jetzt eine bayerische Eigenheimförderung gibt? Glauben Sie, dass diese Familie sagen wird: Jetzt können wir uns in der Stadt, in der unsere Kinder zur Schule gehen und wo die Freunde wohnen, eine Wohnung kaufen? – Das wird nicht passieren. In den Städten entstehen Eigentumswohnungen, die sich ein Normalverdiener, ob mit oder ohne Förderung, gar nicht mehr leisten kann. Damit lösen wir das Problem nicht. Wir müssen die Förderpolitik komplett umstellen: Es geht nicht darum, vorrangig Eigenheime voranzubringen. Wir müssen vielmehr in den Städten bezahlbaren Mietwohnungsraum schaffen. Diese Aufgabe müssen wir anpacken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gehe mit Ihnen jede Wette ein: In den Ballungsgebieten wird Ihre Förderpolitik die Immobilienpreise weiter anheizen und nicht bremsen. Die Bauwirtschaft in München kalkuliert doch die Eigenheimzulage gleich mit ein. Das sagen Ihnen auch alle Institute. Das wird in München so passieren. Das wird auch in Nürnberg so passieren. Damit steigen auch die Kosten für die Mieter, die sich kein Eigenheim leisten können. Hier muss sich etwas ändern. Ihre Politik ist da komplett verfehlt.

Vorhin kam die Frage, was wir machen könnten. Wir könnten künftig alle staatlichen Grundstücke nur noch in Erbpacht für den Mietwohnungsbau zur Verfügung stellen. Das müssten wir als Erstes tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auslaufende Sozialbindungen müssten wir wieder verlängern. Das Land Hessen geht diesen Weg. In Bayern wäre das bitter nötig. In den letzten dreißig Jahren hat immer die CSU in Bayern regiert, meistens allein, einmal mit einem Partner. In den letzten dreißig Jahren ist die Zahl der Sozialwohnungen um 350.000 gesunken. Das entspricht einem Rückgang von zwei Dritteln des damaligen Bestandes. Das ist Ihre CSUWohnungspolitik!

(Klaus Stöttner (CSU): Die Sozialbindung ist ausgelaufen!)

Richtig, Herr Kollege. Die Sozialbindung ist ausgelaufen. Sie sprechen das Problem an. Was ist Ihre Antwort? – Sie führen bei neu gefördertem Wohnbau eine Sozialbindung auf 40 Jahre ein. Warum nicht dauerhaft? Wir geben Geld der Allgemeinheit aus, um Wohnraum zu schaffen. Dann hat die Allgemeinheit aber auch auf Dauer Anspruch auf diesen bezahlbaren Wohnraum, nicht nur für 40 Jahre. Hier müssen wir neue Wege gehen, sonst wiederholen sich die Fehler der Vergangenheit. Ich möchte nicht, dass jemand in 40 Jahren an dieser Stelle steht und sagt, dass die Sozialbindung wieder ausgelaufen sei. Sie wollen das Problem verschleppen, ich möchte es grundlegend lösen. Das ist der große Unterschied zwischen unserem Ansatz und Ihrer Förderpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da ich gerade beim Thema Wohnen bin, komme ich gleich zur Landesplanung; denn dieses Thema hat auch mit der Landesplanung zu tun. Wir brauchen eine Landesplanung, die wirklich verbindliche Leitplanken setzt.

(Erwin Huber (CSU): Gegen die Kommunen!)

Wir müssen festlegen, was wir erhalten und bewahren und was wir verändern möchten. Herr Huber, fahren Sie einmal mit offenen Augen durch Niederbayern. Da können Sie feststellen, was Ihre verfehlte Politik ausgelöst hat.

(Erwin Huber (CSU): Vollbeschäftigung!)

Eine Logistikschramme nach der nächsten wird in die Landschaft gerammt. Auf den Flächen wachsen Straßen und Umgehungsstraßen. Wir haben 11.000 Hektar ausgewiesene Gewerbegebiete, die nicht verkauft

und nicht bebaut sind. In den letzten zehn Jahren haben wir 10.000 Hektar verbraucht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss sagen: Für die nächsten zehn Jahre ist genug ausgewiesen.

Unter der Betonflut, die über unser Land schwappt, leidet nicht nur die Natur. Darunter leiden auch die Ortskerne. Der Finanzminister hat davon gesprochen, die Ortskerne wieder zu beleben. Manchmal frage ich mich, wie aberwitzig Ihre Politik ist. Zuerst haben Sie die Landesplanung gelockert. Supermärkte wurden an der Ortsgrenze oder der Umgehungsstraße gebaut. Das Baugesetzbuch wurde auf Bundesebene aufgeweicht, um im vereinfachten Verfahren mehr bauen zu können. Jetzt geben Sie den Kommunen Geld, damit sie die Auswirkungen Ihrer falschen Politik wieder korrigieren können. Bei allem Respekt vor Ihrer Arbeit: Ein dicker Geldbeutel ist kein Garant für gute Politik. Sie ermöglichen den Bau im Außenbereich und subventionieren im Innenbereich dagegen an. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Politik ist zum Scheitern verurteilt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Ziel müsste es sein, die Außenentwicklung zu begrenzen und den Innenbereich zu stärken. Diese Politik hätte die Bezeichnung "Das Beste für Bayern" verdient. Meinen sehr verehrten Damen und Herren, ein dicker Geldbeutel ist wirklich kein Garant für gute Politik. Wir brauchen keine Politik der Überschriften, der Gefälligkeiten und der Wahlgeschenke. Wir brauchen vielmehr eine Veränderung unserer Systempolitik. Wir brauchen den Mut zu neuen Wegen und kein Weiterso mit noch mehr Geld. Wir GRÜNE stehen für eine Politik der Überzeugung. Diese CSU steht dagegen für eine Politik der Überweisung.