Meine Damen und Herren, der ebenso große Skandal an Ihrem Gesetz ist auch, dass Sie den Gemeinden bis heute keinen reinen Wein einschenken, wie es in Zukunft weitergehen soll. Sie wickeln das hier und jetzt irgendwie mit halber Begeisterung ab. Ein Bürgermeister draußen, ob er bisher eine Satzung hatte oder nicht, weiß heute, Mitte 2018, noch nicht, ob er im Januar Geld bekommt, wenn er eine Straße ausbaut, in welcher Höhe und wie das vor sich geht und was auch immer. Das ist ein Skandal sondergleichen.
Ich vermisse hier auch eine klare Position des Gemeindetages; der hält die Füße zu still. Auch der Gemeindetag müsste an dieser Stelle von der Staatsregierung Planungssicherheit und die entsprechenden Finanzmittel einfordern, damit diese dringend nötige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge für die Gemeinden alternativ finanziert wird. Dazu höre ich vom Gemeindetag nichts, dazu höre ich von Ihnen nichts. Die Bürgermeister brauchen diese Auskunft. Unser Wunsch ist hier ganz klar, das steht auch im Gesetz, dass mindestens 150 Millionen Euro im Jahr eingesetzt werden, um diesen wegfallenden Bürgerbeitrag zu kompensieren und auch die Gemeinden, die bisher keine Satzung hatten, in den Genuss kommen zu lassen. Sie lehnen das kaltschnäuzig ab. Das ist ein großer Fehler. Ich verstehe nicht, dass Sie das nicht kapieren.
Ein weiterer ganz großer Störfall in diesem Gesetz ist das Thema der Ersterschließung für alte Straßen, die vor mehr als 25 Jahren in der Vergangenheit technisch ersthergestellt worden sind. Diese können noch bis zum 1. April 2021 als Ersterschließung abgerechnet werden. Ich sage Ihnen voraus: Wenn die Straßenausbaubeitragssatzung gekippt ist und keine Alternativfinanzierung im Raum steht, dann werden viele Bürgermeister dazu gezwungen sein, diesen un
schönen Weg zu gehen, irgendwelche Uraltstraßen auszukramen und zu sagen: Da ist nie eine Ersterschließung bezahlt worden, bzw. es kann keiner mehr beweisen, weil nach der Gemeindegebietsreform die Unterlagen nicht mehr vorhanden sind, weil das schon vor Jahrzehnten passiert ist, wir rechnen aber die Straße ab, die schon seit hundert Jahren dort ist und befahren wird. Deshalb fordern wir, dieses Verjährungsdatum nicht auf 2021 zu setzen, sondern es im Hier und Jetzt zu setzen, meinetwegen den 1. Januar 2018, und zu sagen: Alle Straßen, die älter als 25 Jahre sind und nicht als Ersterschließung abgerechnet sind, dürfen auch künftig nicht mehr abgerechnet werden; die kommen aber in das neue System unseres Fördertopfes für Ausbau. Dann kann der Bürgermeister, wenn er diese Straße repariert, über diesen Fördertopf abwickeln, hat die Ersterschließungsdebatte für die alten Straßen vom Hals und hat eine ordentliche Finanzierung. Das ist unser Modell.
Ihr Modell lässt die Leute im Regen stehen und bringt keine Klarheit. Bessern Sie also nach, entweder heute oder nach der Landtagswahl, dann können Sie nicht mehr anders.
Ich sage abschließend: Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge war ein Riesenbefreiungsschlag für Bayern, für die Gemeinden, für die Bürger. Leider bleibt die Staatsregierung heute auf halbem Weg stehen. Die FREIEN WÄHLER werden deshalb hier weiterkämpfen, bis wir dieses Endziel erreicht haben: eine ordentliche und vernünftige Finanzierung für die Gemeinden.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Ländner von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
(Thomas Mütze (GRÜNE): Mikro! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Er wollte mir den Strom abdrehen, und dich hat es erwischt! – Allgemeine Heiterkeit)
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, das Thema der Straßenausbaubeiträge begleitet uns seit Jahren. Sie sind in großer Zahl ebenfalls kommunalpolitisch tätig. Wie ich aus Ihrem Beitrag gehört habe, Herr Kollege Aiwanger, wird es uns auch noch weiter begleiten: Die Straßenausbaubeiträge waren eine Katastrophe, und die Abschaffung ist auch eine Katastrophe und ein Skandal. Es ist schon schwer zu entscheiden, was man in diesem Bereich machen soll. Alles, was man macht, ist ein Skandal.
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Verwaltungen und auch unsere Gerichte waren mit Straßenausbaubeiträgen über Jahrzehnte beschäftigt. Hier gibt es sicherlich Erleichterungen. Natürlich waren nicht in jedem Fall Kommunen beteiligt; manche waren weniger beteiligt, sie hatten nämlich keine Satzung. Manche waren etwas mehr beteiligt, die hatten Satzungen und ein gutes Einvernehmen nach Bürgerversammlungen, nach Gesprächen, haben auch Interessen von Bürgern hervorragend behandelt. Manche hat es natürlich besonders getroffen, wenn es hohe Beiträge gegeben hat, und es wird sie auch weiterhin besonders treffen, wenn keine Beiträge mehr kommen, aber dringend saniert werden muss. Die "Strabs", die Straßenausbaubeiträge, bewegen die Kommunen, bewegen die Menschen, natürlich wiederum die, die bezahlen müssen, und wenn etwas die Menschen bewegt, dann bewegt es auch die Politik.
Wir haben uns im vergangenen Jahr über eine Gesetzesänderung intensiv unterhalten und diese mit breiter Mehrheit im Hohen Haus beschlossen. Daran waren auch die FREIEN WÄHLER beteiligt. Ziel war es, die Zahlungspflicht zu erleichtern und Härtefälle zu vermeiden. Wir wollten 2018 evaluieren. Aus der Evaluierung ist die Abschaffung geworden. Ich will wirklich nicht pathetisch werden – dazu neige ich auch nicht –, aber es ist zumindest eine kleine historische Stunde heute im Plenarsaal, ein Paradigmenwechsel im Umgang der Gemeinden mit dem Bürger beim Straßenausbau.
Lassen Sie mich zwei Dinge feststellen: Erstens. Es ist allgemein bekannt, dass wir die Straßenausbaubeiträge abschaffen. Wir entlasten in Zukunft zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, wir entlasten Gemeinden und Gemeindeverwaltungen, Verwaltungsgerichte, wir entlasten aber nicht die Haushalte der Gemeinden und auch nicht die Staatskasse.
Nein, die Staatskasse zu entlasten, ist ganz schwer, weil alles der Staat bezahlen soll, Herr Kollege Aiwanger.
Zweitens. Wir haben eine Zeit des Übergangs. Diese Zeit des Übergangs ist eine sehr schwere. Jede Übergangsregelung hat irgendwo eine Grenze, außer der Erstattung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes irgendwann vor Jahrzehnten. Die Zeit des Übergangs gilt es zu gestalten. Nun gibt es unterschiedlichste Varianten, diese Übergangszeit zu gestalten. Herr Kollege Aiwanger, Sie sprechen einige Gestaltungsvarianten an: Rückzahlung bis 2014 – das ist von unserer Seite aus betrachtet ein willkürlich gewählter Zeitraum –, der Bayerische Gemeindetag spricht von Konzentration auf das Entstehen der Beitragsschuld, manche sprechen davon, bezahlte Beträge, also Endbeträge, nicht zu erstatten, Vorausleistungsbescheide zu erstatten, egal, wann sie ergangen sind. Wir haben uns diese Diskussion nicht leicht gemacht. Ich kann also nicht sagen, dass uns die Argumente, die gekommen sind, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und die zahlreichen, in die Hunderte gehenden E-Mails, die jeder von uns hier im Hohen Haus sicherlich erhalten hat, nicht beeindruckt haben. Es war für uns wichtig, dass wir uns intensiv mit jedem einzelnen Argument auseinandergesetzt haben: Wann entsteht die Beitragspflicht? Wie schaut es mit der rückwirkenden Erstattung aus? Können wir Vorausleistungen erstatten? Wenn, dann wem?
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen – ich darf das so im Namen unserer Fraktion feststellen –, dass jede Grenze am Schnittpunkt des Übergangs neue Begehrlichkeiten geweckt hätte und jede Entlastung andere Fragen aufgeworfen hätte: Warum nicht ich, warum nur dort? Sie sprechen gerne von Ungerechtigkeiten und von Skandalen. Ich glaube, Zahlungen in der Vergangenheit sind nicht ungerecht, weil alles auf Recht, Gesetz und Satzungen fundiert war.
Lassen Sie mich vielleicht von Härten sprechen. Ja, es gibt Härten bei den Straßenausbaubeiträgen. Es hat Härten gegeben, als es Satzungen gegeben hat, und es gibt genauso Härten, wenn wir sie jetzt abschaffen. Jede Grenze, die gezogen würde, würde natürlich Begehrlichkeiten neu wecken. Und wie es bei jeder Grenze ist, haben wir uns für einen Stichtag entschieden. Wir wollten die Straßenausbaubeiträge für die Zukunft abschaffen. Wir wissen, dass wir hier Härten hinterlassen werden, und wir wissen, dass wir mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vermutlich sogar politisch noch mehr Ärger haben, als wenn wir sie beließen. Wir schaffen Härten bei Bürgerinnen und Bürgern. Wir schaffen Härten bei der kommunalen Familie, und wir wissen natürlich auch, dass wir bei diesem Thema, weil es ja – wie soll ich sagen? –
bei den Bürgerinnen und Bürgern am empfindlichsten Körperteil aufschlägt, nämlich am Geldbeutel, wenn Sie mir diese Flapsigkeit gestatten, weiter Ärger bekommen werden.
Daher haben wir uns bemüht, nachvollziehbare Grenzen zu setzen und die Grundsätze "Bescheid ist Bescheid" und "bezahlt ist bezahlt" aufrechtzuerhalten. Wir wissen, sehr geehrte Damen und Herren, dass unsere Kommunen natürlich Befürchtungen haben. Wir werden wesentlich mehr Anfragen der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen bekommen: Warum wird meine Straße nicht gemacht? Früher haben sich der Bürgermeister, die Bürgermeisterin und der Gemeinderat in Gemeinden, die eine Satzung hatten, mit den Bürgern unterhalten: Wenn wir sie machen, machen wir sie gern; aber ihr wisst, ihr seid dabei. Das hat oftmals zur Verbesserung des Straßenzustands über Nacht geführt. Was ist jetzt? – Jetzt werden die Bürger natürlich zu Recht auf die Gemeinde zukommen: Meine Straße ist kaputt; bitte machen! Die kommen, die kommen, die kommen.
Wir sind – das war zu Beginn des vermutlichen oder des beabsichtigten Bürgerbegehrens – in die Diskussion mit einem Betrag von 60 Millionen im Jahr eingestiegen; er ist immer genannt worden. 60 Millionen im Jahr müsse sich doch der reiche Freistaat Bayern leisten können. Es sind aber nicht 60 Millionen im Jahr, die zukünftig auf die Gemeinden zukommen werden, sondern ein wesentlich höherer Betrag. Wir erleben nicht nur einen Paradigmenwechsel im Verhältnis des zahlungspflichtigen Bürgers zur Gemeinde, sondern wir erleben auch einen Paradigmenwechsel im Gefühl, wie der Bürger seine Straße sieht, wie Gemeinden ihre Straßen behandeln und wie Gemeinderäte die Intention behandeln, Straßen zu sanieren oder es zu lassen.
Die Diskussionen, die wir in den Bürgerversammlungen in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben, waren nicht einfach. Ich bin auch schon seit vier Jahrzehnten in einem Kommunalparlament; das liegt allein an meinem fortschreitenden Alter. Die Diskussionen in den Bürgerversammlungen wird es nicht mehr geben; das ist richtig. Es werden andere kommen. Es wird nicht darum gehen, Ausbaubeiträge und die Beteiligung der Gemeinde festzusetzen und die Bürger zu informieren, sondern es wird in den Bürgerversammlungen über die Sanierung diskutiert werden: warum Straße A und nicht Straße B? Was zuerst? Die Gemeinden werden Sanierungspläne aufstellen, und wir werden die Diskussionen in den Gemeinden nicht verhindern. Wir wollen sie auch nicht verhindern, sie sind gut so. Aber wir schaffen nicht nur Erleichterungen im Ablauf der Diskussion in der kommunalen Familie. Wenn wir heute Straßenausbaubeiträge abschaffen –
ich habe es schon erwähnt –, kommen wir in schwierige Zeiten. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten auch die Verwaltungsgerichte nicht entlasten; das kommt erst auf Dauer.
Daher gestatte ich mir, mit einem Blick in die Zukunft abzuschließen. Ja, nach der Übergangszeit wird es keine Straßenausbaubeiträge mehr geben. Und wir müssen den Kommunen auch sagen – das tun wir heute –, wir werden sie nicht im Stich lassen, was Finanzen betrifft, sondern sie staatlich unterstützen. Dass heute noch kein Betrag und kein Modus feststehen, ist dem geschuldet, dass wir natürlich intensiv diskutieren, dass sich der Bayerische Gemeindetag zu Recht auf die CSU verlässt und dass wir in eine intensive Diskussion einsteigen werden. Wir werden diese Beträge auch in den Nachtragshaushalt einstellen, davon können Sie sicher ausgehen. Auch in Zukunft können sich die Kommunen auf den Freistaat Bayern verlassen.
Auch in Zukunft werden sich die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr mit Straßenausbaubeiträgen auseinandersetzen müssen. Die Zeit des Übergangs birgt Härten – Härten, die nicht vermeidbar sind. Eine Verschiebung der Grenzen erzeugt neue Härten. Wir beschließen heute wie in unserer Vorlage: Bescheid ist Bescheid, bezahlt ist bezahlt. Die Änderungsanträge und den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER lehnen wir ab.
Danke schön, Herr Kollege. Bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Pohl hat sich für eine Zwischenbemerkung gemeldet. Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Ländner, ich nehme Ihnen die Wehmut über die Abschaffung der Beiträge ehrlich ab. Aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich sie nicht teile.
Sie sagen, die Wahl eines Stichtags sei willkürlich. Das würde natürlich für Ihren Stichtag genauso gelten. Ich sage: Nein, die Wahl des Stichtags ist eine bewusste politische Entscheidung sowohl bei der CSU als auch bei uns als auch bei den anderen Fraktionen. Wir schonen die Bürger, ihr schont die Staatskasse. Deswegen haben wir im Nachtragshaushalt auch 250 Millionen drin, um die vier Jahre zu überbrücken.
Ein zweiter Punkt. Sie sagen: Bescheid ist Bescheid, und es wird immer Härten geben. Und Sie verweisen
auf die Verwaltungsgerichte. Wir sind gehalten, ein Gesetz zu machen, das vor den Verwaltungsgerichten standhält. Und das sage ich Ihnen schon: Es gibt im bürgerlichen Recht, im Verwaltungsrecht usw. den Grundsatz: Leistung – Gegenleistung. Da stelle ich mir schon die Frage, warum manche Bürger Vorauszahlungen für etwas leisten sollen, was noch nicht gebaut ist, und andere Bürger für etwas, was bereits gebaut ist, nicht zahlen sollen. Die eine Gemeinde verlangt Vorauszahlungen und die andere Gemeinde verzichtet darauf. Das ist nicht zu erklären und eine Härte, eine Ungerechtigkeit.
Schließlich und endlich muss ich Sie fragen: Warum lösen Sie die Frage der kommunalen Finanzierung nicht, wie auch immer? Ihr Gesetz ist unvollständig, und das unmittelbar vor einer Landtagswahl. Wir FREIEN WÄHLER sehen die ganz klare Regelung vor: 150 Millionen Euro aus dem Kraftfahrzeugsteuerersatzverbund. Das muss reichen. Wenn am Ende 160 Millionen Euro nötig wären, müssten wir im Jahr darauf mit 10 Millionen nachsteuern. Aber ihr lasst alles im Dunkeln. Und das wird euch bei den Wahlen auf die Füße fallen.
Erstens. Ich empfinde keine Wehmut dafür, weil wir sie abschaffen, sondern ich empfinde Wehmut, weil ich die Diskussionen sehe, die jetzt kommen. Der Redebeitrag hat bewiesen: Die Freude über die Abschaffung wird im Prinzip durch solche Beiträge wie die Ihren – alles ungerecht, alles blöd, alles Mist – konterkariert.
Wenn ich sage, Verwaltungsgerichte werden beschäftigt, sage ich damit nicht, dass wir verlieren. Oberste Prämisse des Gesetzentwurfs der CSU war, dass er vor den Verwaltungsgerichten standhält, und Sie werden von mir nicht verlangen können, dass ich eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes präjudiziere. Das würde auch nicht funktionieren, weil die Gerichte unabhängig sind – das haben Sie in Ihrer Ausbildung auch gelernt. Wir können diese Prozesse nicht vermeiden, egal, welche Grenze wir setzen. Das wissen Sie, und das weiß ich. Wir haben auch keine willkürliche Grenze gesetzt, sondern sagen: Bescheid ist Bescheid. – Dazu stehen wir.
Sie wissen auch, dass diese 100 Millionen Euro, 150 Millionen Euro eingesetzt werden, wir aber vor der Aufstellung des Haushaltes und vor dem Abschluss der Gespräche mit der kommunalen Familie hier keine Zahlen nennen können.