Protokoll der Sitzung vom 26.06.2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf die ganzen drängenden Fragen, die die Bürgerinnen und Bürger umtreiben, haben Sie keine Antworten. Wir haben gerade gesehen, wie Sie sich bei der Aktuellen Stunde bei dem wichtigen Thema "Wie können wir das Artensterben stoppen?" gewunden haben. Keine konkreten, zukunftsgerichteten Ideen und Visionen kamen von Ihrer Seite.

Deswegen bin ich mir sehr sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen: Am 14.10. wird der Verlierer der Wahl nicht Europa heißen. Der Verlierer am 14.10. wird Markus Söder heißen. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine gute Nachricht für Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Kohnen von der SPD das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern liegt im Herzen Europas. Das ist nicht nur eine geografische Feststellung, sondern das beschreibt auch die Quelle unseres wirtschaftlichen Erfolges. Unser Wohlstand hängt unmittelbar an Europa. Unseren Erfolg in den letzten Jahrzehnten haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erarbeitet, darunter übrigens viele, die nicht in Bayern geboren sind, sondern aus ganz Deutschland, aber auch aus unseren europäischen Partnerländern kommen. Unseren Erfolg in den letzten Jahrzehnten haben natürlich auch die bayerischen Unternehmerinnen und Unternehmer erarbeitet, die kluge und mutige Entscheidungen getroffen haben. Aber unser Erfolg der letzten Jahre wäre undenkbar ohne die europäische Einigung.

(Beifall bei der SPD)

Niemand hat von der Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor mehr als 60 Jahren mehr profitiert als wir in Bayern. Niemand hat vom EU-Beitritt unserer osteuropäischen Nachbarn mehr profitiert; denn dadurch ist Bayern wirtschaftlich wirklich in die Mitte Europas gerückt. Niemand hat von der Einführung des Euro, unserer Gemeinschaftswährung, die den Export bayerischer Produkte in den Euroraum so viel einfacher gemacht hat, mehr profitiert. Niemand hat vom Schengener Abkommen und von der Öffnung der Grenzen mit freiem Verkehr von Personen, Waren

und Dienstleistungen in einem Wirtschaftsraum mit 350 Millionen Menschen mehr profitiert. Das ist die Basis unseres Wohlstands. Die Verantwortlichen der bayerischen Wirtschaft wissen das sehr genau. Ich war letzte Woche bei der IHK für München und Oberbayern. Die wichtigste Botschaft dort lautete: Der Freihandel ist überlebenswichtig für die bayerische Wirtschaft. Dies bedeutet in Zahlen ausgedrückt: Mehr als jeder zweite Euro in Bayern wird im Ausland verdient. Mehr als jeder zweite Job in Bayern wird durch den Export gesichert. Das ist mehr als in den anderen Teilen Deutschlands. Das gilt für die Automobilindustrie, den Maschinenbau und ganz besonders die Elektrotechnik. Wir bauen in Bayern Spitzentechnologien. Wir bauen sie für die ganze Welt, besonders aber für Europa. Die bayerische Industrie ist stärker internationalisiert als die Industrie in ganz Deutschland.

(Unruhe)

Entschuldigung, Herr König, geht´s mal ein bisschen leiser? Sie sind fast lauter als ich. Vielen Dank.

(Ingrid Heckner (CSU): Das ist eine Kunst!)

Das ist eine Frage des Respektes. Sie müssen das selbst entscheiden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Industrie in Bayern ist stärker internationalisiert als die Industrie in Deutschland. Unter den zehn wichtigsten Exportländern für bayerische Produkte befinden sich acht EU-Länder. Falls Trump den Handelskrieg in den USA eskalieren lässt und in der Folge Absatzmöglichkeiten wegbrechen, wird der europäische Markt für die bayerischen Unternehmen noch viel wichtiger. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Audi, BMW, Schaeffler und die großen Firmen, die jeder kennt. Nein, das gilt vor allen Dingen für die kleinen und mittleren Unternehmen. 80 % der exportorientierten Unternehmen in Bayern sind Mittelständler mit weniger als 250 Beschäftigten. Diese Unternehmen verfügen überwiegend über deutlich weniger als 250 Beschäftigte. Diese Unternehmen profitieren am meisten von Europa. Freier Handel ist somit – das leuchtet wohl jedem ein – das Fundament für den Wohlstand in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, freier Handel ist auch das Fundament für unsere Stärke. Die Erfolgsgeschichte des europäischen Binnenmarktes und der EU hat zu Wohlstand, zu partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern und vor allen Dingen zu unserem Frieden geführt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt komme ich zur CSU. Sie haben einen Bayerischen Ministerpräsidenten gestellt, der 1975 Folgendes gesagt hat:

Die Wiederbelebung eines deutschen Nationalstaates im Herzen von Europa kommt für uns nicht in Betracht. Wir stehen nicht für die Wiederbelebung einer europäischen Staatenwelt mit einem deutschen Reich in der Mitte.

Wir haben jedoch im Moment einen Bayerischen Ministerpräsidenten, der weder die historische noch die wirtschaftliche Bedeutung Europas und der Europäischen Union für Bayern verinnerlicht hat. Er hat nämlich vor wenigen Tagen die Axt an Europa angelegt, als er folgende Worte geäußert hat.

(Widerspruch bei der CSU – Karl Freller (CSU): Das ist unmöglich! – Ingrid Heckner (CSU): Das ist ja eine Unverschämtheit!)

Ich zitiere Ihren Ministerpräsidenten, der im Parlament fast nie anwesend ist. Er sagte, die Zeit des geordneten Multilateralismus sei vorbei.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Das übersetze ich Ihnen gerne. Herr Freller, er sagte damit, Deutschland solle Fakten schaffen und seine Interessen im Alleingang durchsetzen. Das ist der O-Ton Ihres Ministerpräsidenten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, solche Formulierungen kennt die Welt bisher eher von einem amerikanischen Präsidenten, der im Moment außer Rand und Band ist. Ein solches Verhalten kommt nun aus Bayern, aus unserem Freistaat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Karl Freller (CSU): Völliger Unsinn!)

Ein solches Verhalten kommt von einem Ministerpräsidenten, der eigentlich mit Anstand, Sachlichkeit, Geschicklichkeit und Empathie den Herausforderungen und Problemen im Leben jedes einzelnen Menschen begegnen sollte. Er sollte Lösungsvorschläge im Miteinander und nicht im Gegeneinander aufzeigen. Er sollte Lösungsmöglichkeiten im Kompromiss und nicht im Konflikt aufzeigen. Das ist das Wesen der Demokratie und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Ingrid Heckner (CSU): Was Sie hier machen, ist Wahlkampf! Giftiger Wahlkampf! – Ruth Müller (SPD): Was macht dann die CSU seit 14 Tagen?)

Ich mache also giftigen Wahlkampf, aha. Was sagen Sie dann zum Zitat? – Hören Sie Ihrem Ministerpräsidenten einmal zu. Es kommt noch mehr. Warum? – Die Geschichte unseres Kontinents hat uns gelehrt, was die Demokratie wert ist. Als der Nationalismus vorherrschte, endete es im Krieg. Seit der Entwicklung des Multilateralismus – –

(Karl Freller (CSU): Bodenlos!)

Ich beschreibe nur die Geschichte unseres Landes. Seit der Entwicklung des Multilateralismus leben wir größtenteils in Frieden auf unserem Kontinent. Kaum einer im Hohen Haus hat Krieg je erlebt. Das sollte auch so bleiben.

Deshalb frage ich Sie von der Regierungsfraktion – und Sie sollten sich die Antwort genau überlegen –: Wollen Sie wirklich zur Achse der angeblich Willigen gehören, die einen starken Nationalstaat als Lösung feiern, um Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung, Welthandel, Flucht- und Migration in den Griff zu bekommen, indem Ängste der Menschen geschürt und verstärkt werden? – Was in der Folge im nationalen Gegeneinander geschehen kann, hatten wir in unserer Geschichte bereits. Das brauchen wir nie wieder.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie ein geeintes Europa mit offenen Grenzen durch neue Grenzkontrollen, Schlagbäume, Zäune und Mauern beenden wollen, dann riskieren Sie in unseren Betrieben nicht nur Millionen von Arbeitsplätzen, sondern Sie stellen unseren Wohlstand schlichtweg infrage. Sie stellen dann unsere Stärke infrage. Sie stellen unsere bayerische Identität infrage. Das ist nicht unser Bayern; das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Herr König, ich kann Ihnen das auch noch übersetzen. Sie gehören dann nicht zur Achse der angeblich Willigen, sondern Sie gehören zur Achse der Zerstörer und der Verantwortungslosen in Europa. Nichts anderes tun Sie.

(Beifall bei der SPD – Karl Freller (CSU): Jetzt langt es aber! – Alexander König (CSU): Bitte schauen Sie sich mal Ihren Redebeitrag an; Sie werden erschrecken, was Sie da sehen werden!)

Wissen Sie, was mich erschrecken lässt? – Es ist das, was Sie im Moment mit Ihrer Politik und mit Europa machen. Sie bringen eine ganze Gesellschaft ins Rutschen. Sie bringen die Demokratie ins Rutschen.

(Staatsminister Dr. Florian Herrmann: Geht es ei- gentlich noch?)

Was Sie machen, ist grenzenlos verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Wir alle wissen: Europa ist nicht einfach. Einigungsprozesse klappen nicht von heute auf morgen. Die Lösung von Problemen funktioniert nicht von heute auf morgen.

(Karl Freller (CSU): Koalitionspartner!)

Da Ihnen das nicht einleuchtet, zitiere ich nun Außenminister Heiko Maas, der vor wenigen Tagen Folgendes gesagt hat.

(Widerspruch bei der CSU)

Es ist unser Bundesaußenminister, mit dem Sie in einer Koalition sind. Sorry.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich lese Ihnen vor, was Heiko Maas vor wenigen Tagen Kluges gesagt hat:

In zwanzig Jahren werden vermutlich neun Milliarden Menschen auf der Erde leben: Davon nur noch gut fünf Prozent in der EU. Das klingt wenig, aber fünf Prozent – das ist immer noch viel mehr als die Bruchteile von Prozentpunkten, die dann die nur noch einzelnen Staaten Europas ausmachen. Nur wenn diese fünf Prozent geeint sind, haben wir überhaupt noch die Chance, in dieser sich verändernden Welt irgendetwas mitgestalten zu können.

Das sollte Ihnen einleuchten.